Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 1031/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Von einem nachweislich angestrebten Beruf kann nur dann gesprochen werden, wenn der Ausbildungswille in Richtung auf das Berufsziel sich aus konkreten Anhaltspunkten ergibt. Fehlt es an solchen, kann von einem nachweislich angestrebten Beruf nicht gesprochen werden.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 23. September 1971 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1915 geborene Kläger hatte nach dem Volksschulbesuch von 1921 bis 1929 bis 1932 die Zahntechnikerlehre durchgemacht und am 20. April 1932 die Dentistenpraktikantenprüfung bestanden. Anschließend arbeitete er als Zahntechniker in einem Laboratorium bis zu seiner Einberufung zum Reichsarbeitsdienst am 1. April 1936. Ab 1. Oktober 1936 setzte er diese Tätigkeit bis zum Beginn der Wehrdienstzeit im November 1937 fort. Nach der im Jahre 1941 erfolgten Verwundung legte er am 16. Februar 1943 die Meisterprüfung im Zahntechnikerhandwerk ab. Nach der Entlassung aus dem Wehrdienst am 1. Oktober 1945 nahm er als Zahntechnikermeister seine Arbeit in einem Dentallaboratorium wiederum auf.
Mit Umanerkennungsbescheid vom 18. Februar 1953 ist bei dem Kläger mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. als Schädigungsfolge:
"Verlust des linken Auges”
anerkannt.
Er stellte am 11. April 1969 Antrag auf Erhöhung des Grades der MdE wegen eines beruflichen Betroffenseins gemäß § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), da es ihm infolge der Einäugigkeit nicht möglich gewesen sei, die Dentistenlaufbahn einzuschlagen. In der Ausübung des Berufes als Zahntechniker sei er insofern erheblich behindert, als er durch die Einäugigkeit nicht mehr plastisch sehen könne. Ein plastisches Sehen sei aber für einen Zahntechniker und vor allem für den Dentisten unerläßlich.
Nachdem Oberreg. Medizinalrat Dr. G. die versorgungsärztliche Äußerung vom 20. Juni 1969 abgegeben hatte, stellte der Bescheid vom 17. Juli 1969 fest, ein besonderes berufliches Betroffensein im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG liege nicht vor. Der Kläger hätte nach der Berufseignungsprüfung am 20. April 1932 die Dentistenpraktikantenprüfung abgelegt und den Beruf eines Zahntechnikers bis zur Einberufung zum Wehrdienst ausgeübt. Der Verlust des linken Auges sei 1941 eingetreten. Die Ausbildung zum Zahnarzt hätte zeitlich beendet sein können. In dem Beruf als Zahntechnikermeister sei er nicht besonders betroffen, da er diesen Beruf ohne wesentliche Behinderung durch die Schädigungsfolgen ausüben könne.
Der auf den Widerspruch erteilte Widerspruchsbescheid vom 14. August 1969 führte aus, es sei nicht ersichtlich, daß der Kläger den Beruf eines Dentisten tatsächlich angestrebt habe. Um Dentist zu werden, hätte er nach Ablegung der Praktikantenprüfung noch eine weitere Ausbildung von zwei Jahren bei einem Dentisten und darüber hinaus eine Schulzeit von 1 bis 2 Jahren an einem dentistischen Institut absolvieren müssen. Diese berufliche Fortbildung hätte er nicht wahrgenommen, sondern er habe die Tätigkeit als Zahntechniker ausgeübt. Auf Grund der Schädigungsfolge müsse auch verneint werden, daß er in der Ausübung des jetzigen Berufes als Zahntechniker beruflich besondere betroffen sei, weil er den Beruf uneingeschränkt verrichte. Nur eine außergewöhnliche Tatkraft und Anstrengung in der Gestalt, daß der Beruf unter Gefährdung der Gesundheit oder unter erheblichen Schmerzen weiter ausgeübt werden könne, rechtfertige die Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG. Diese Merkmale seien jedoch nicht zu erkennen.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. hat der Kläger unter Bezugnahme auf die Schreiben des Dentallaboratoriums L. S. vom 4. September 1969 und des R. S. vom 27. August 1969 vorgetragen, die Weiterführung der Ausbildung zum Dentisten sei nicht nur eine Zeit-, sondern auch eine Geldfrage gewesen. In seiner Familie seien keine finanziellen Reserven vorhanden gewesen, da sein Vater 1916 in Rußland gefallen sei. Die Fortsetzung seiner Ausbildung sei ihm daher vor der Einberufung nicht möglich gewesen. Nach dem Krieg hätte er jedoch unbedingt die Möglichkeit gehabt, die begonnene Ausbildung zum Abschluß zu bringen. Das sei wegen der Schädigungsfolgen verhindert worden. Zur Ausbildung zum Dentisten und der damit verbundenen Arbeit sei das räumliche oder körperhafte sowie plastische Sehen unbedingte Voraussetzung.
Demgegenüber hat der Beklagte ausgeführt, die Ausbildung des Klägers sei aus schädigungsunabhängigen Gründen gescheitert, nämlich deshalb, weil nicht die nötigen Geldmittel dafür zur Verfügung gestanden hätten. Wenn er trotz seiner Schädigung als Zahntechniker arbeite, hätte er das ebenfalls als Dentist tun können, wenn er tatsächlich die Absicht gehabt hätte, diesen Beruf zu erlernen. Daß er nach 1932 keine Schritte dazu eingeleitet habe, sondern in einem zahntechnischen Labor verblieben sei, lasse nur den Schluß zu, daß seine Berufstätigkeit sich auf die Zahntechnik erstreckt habe, was auch die 1943 abgelegte Meisterprüfung als Zahntechniker beweise. Es sei unwahrscheinlich, daß er sich nach 1945 einer weiteren Ausbildung unterzogen hätte. Den Beruf des Zahntechnikers verrichte er auch nicht mit außergewöhnlicher Tatkraft und unter Gefährdung der Gesundheit. Die durch die Schädigungsfolgen stets bedingten überdurchschnittlichen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen würden schon durch die MdE im allgemeinen Erwerbsleben erfaßt.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben und hat von der Landeszahnärztekammer Hessen die Auskunft vom 16. Dezember 1970 und von dem Bundesverband der Deutschen Zahnärzte e.V. die vom 19. Februar 1971 eingeholt, in der vermerkt ist, daß vor 1952 auch ein Einäugiger die Ausbildung zum Dentisten hätte beginnen können, wenn er sich bei der Tauglichkeitsuntersuchung als geeignet für den Beruf gezeigt hätte.
Mit Urteil vom 23. September 1971 hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, ein berufliches Betroffensein gemäß § 30 Abs. 2 BVG liege nicht vor, da nicht der Nachweis erbracht worden sei, daß der Kläger den Beruf eines Dentisten oder Zahnarztes angestrebt und dieses Berufsziel wegen der anerkannten Schädigungsfolgen aufgegeben habe. Aus der Ablegung der Zahntechnikermeisterprüfung sei vielmehr zu folgern, daß dieser Berufsweg der gewollte gewesen sei. Er habe weder vor 1939 noch nach 1945 den Versuch unternommen, als Dentist seine Ausbildung zu beginnen.
Gegen das dem Kläger am 30. September 1971 zugestellte Urteil ist die Berufung am 19. Oktober 1971 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er vorträgt, es wäre ihm vor 1939 rein zeitlich nicht möglich gewesen, den Beruf des Dentisten ausbildungsmäßig zu erreichen. Daß das nicht möglich gewesen sei, folge auch aus den Briefen des J. J. vom 23. Oktober 1971 und des R. S. vom 15. November 1971.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 23. September 1971 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Juli 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1969 zu verurteilen, eine Beschädigtenrente unter Berücksichtigung des beruflichen Betroffenseins gemäß § 30 Abs. 2 BVG nach einer MdE um 50 v.H. ab 1. April 1969 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, der Kläger habe nicht den Nachweis geführt, daß er den Beruf eines Dentisten (Zahnarzt) angestrebt habe.
Der Senat hat Beweis erhoben und auf Veranlassung des Klägers von Prof. Dr. E. von der Freien Universität B. das Gutachten vom 17. Januar 1973 gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholt, der darin unter Bezugnahme auf die augenärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Augenkrankheiten Dr. M. vom 22. Januar 1973 die Ansicht vertreten hat, seine Umfrage habe ergeben, daß Einäugige als Zahnärzte tätig seien. Die von ihm befragten Zahnärzte wären aber bereits vor Eintritt ihrer Einäugigkeit behandelnd tätig gewesen. Ein einäugig gewordener Zahnarzt besitze – so die Meinung der Fachärztin für Augenkrankheiten – Arbeitsmedizin Dr. M. – kein stereoskopisches Sehvermögen mehr und sei als berufsuntauglich anzusehen.
Die Versorgungsakte mit der Grundl.-Nr. hat vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach § 151 SGG frist- und formgerecht eingelegt worden. Sie ist auch zulässig, da das Urteil des Sozialgerichts trotz Gradstreitigkeit die Schwerbeschädigteneigenschaft des Klägers betrifft (§ 148 Nr. 3 SGG), denn er begehrt mit der Berufung ebenso wie mit der Klage eine Beschädigtenrente nach einer MdE um 50 v.H. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 17. Juli 1969, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1969 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen.
Der Streit der Beteiligten geht um die Frage, welchen Grad der MdE unter Berücksichtigung eines beruflichen Betroffenseins gemäß § 30 Abs. 2 BVG die anerkannte Schädigungsfolge bedingt.
Nach § 30 Abs. 1 BVG ist die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen; dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Sie ist höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist besonders der Fall, wenn er infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann, zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruf erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist, oder infolge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist (§ 30 Abs. 2 Buchst. a) bis c) BVG).
Durch diese Vorschriften sollen die über die Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben hinausgehenden besonderen Nachteile ausgeglichen werden. Daraus ergibt sich zugleich, daß nicht alle Nachteile, die der Versorgungsberechtigte in seinem beruflichen Fortkommen erleidet, bereits ein besonderes berufliches Betroffensein begründen. Ein solches ist im Fall des Klägers zu verneinen, weil er nach der erlittenen Schädigung die früher verrichtete Tätigkeit eines Zahntechnikers weiterhin ausübt und darüber hinaus trotz der Schädigungsfolge die Meisterprüfung im Zahntechnikerhandwerk bestanden hat. Damit ist er in die Lage versetzt, ohne einen Minderverdienst zu haben, den erlernten Beruf auszuüben. Daß er eine besondere Energie im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung aufwenden muß, ist nicht anzunehmen. Gewisse Beeinträchtigungen bei der täglichen Arbeit infolge der Einäugigkeit mögen wohl vorhanden sein. Dadurch kann jedoch von einem übernormalen Energieeinsatz im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, nicht gesprochen werden. Eine Gefährdung seiner Gesundheit ist dadurch auch nicht eingetreten. Daß seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen bestehen, die nur dann rentensteigernd sich auswirken können, wenn sie sich auf objektive medizinische Feststellungen gründen, ist nicht ersichtlich. Eine Erhöhung der MdE kommt daher unter Berücksichtigung des § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz BVG nicht in Betracht.
Eine Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG ist ebenfalls nicht mögliche Denn der Kläger ist infolge der Schädigung nicht daran gehindert worden, den Beruf eines Dentisten oder Zahnarztes auszuüben. Daß das sein Berufsziel war, hat er zwar behauptet, jedoch fehlen dafür konkrete Anhaltspunkte. Solche lassen sich auch nicht aus dem beruflichen Werdegang herleiten, dar nicht erkennen läßt, daß eine Ausbildung zum Dentisten und Zahnarzt vor 1937 bereits ernsthaft in Angriff genommen war oder nach 1945 wegen dar Schädigungsfolgen nicht angetreten werden konnte. Die am 20. April 1932 absolvierte Dentistenpraktikantenprüfung ist dafür kein Indiz. Ihr mußte sich vielmehr jeder Zahntechniker unterziehen und damit auch der, der nicht den Dentistenberuf angestrebt hat. Denn die Dentistenpraktikantenzeit vermittelte keine speziellen Kenntnisse hinsichtlich dieses Berufes, sondern nur solche, die für einen Zahntechniker das Rüstzeug bilden, nämlich Kautschuk- und Metalltechnik. Erst nach dieser Prüfung und der Absolvierung einer praktischen Tätigkeit als Zahntechniker hätte mit der Ausbildung zum Dentisten begonnen werden können, für die der regelmäßige Besuch eines Lehrinstituts für Dentisten von mindestens 1 Jahr, die Ablegung der staatlichen Dentistenprüfung und eine anschließende Tätigkeit als Dentistenassistent vorgeschrieben war. So sah § 26 Zulassungsordnung für Zahnärzte und Zahntechniker vom 27. Juli 1933 zur Anerkennung als Dentist im Sinne des § 123 der Reichsversicherungsordnung (RVO) eine zweijährige praktische Tätigkeit vor. Gemäß § 7 Ziffer 3 des Runderlasses vom 2. Januar 1942 betreffend Ausführungsbestimmungen zu § 123 RVO über die Zulassung zur staatlichen Dentistenprüfung und die Anerkennung als Dentist im Sinne der RVO war eine einjährige Tätigkeit als Dentistenassistent nach Ablegung der staatlichen Dentistenprüfung vorgeschrieben.
Zur Verwirklichung dieses Berufsweges als Dentist hat der Kläger jedoch bis zur Einberufung zum Reichsarbeitsdienst im Jahre 1936 und zur Wehrmacht im Jahre 1937 keine Schritte unternommen, sondern vielmehr ausschließlich als Zahntechniker gearbeitet, so daß für den Senat aus dem Berufsbild bis 1937 keine Anhaltspunkte für den Beruf eines Dentisten greifbar sind. Das gilt auch für die nachfolgenden Jahre nach seiner Verwundung. Denn gerade durch die Ablegung der Meisterprüfung im Zahntechnikerhandwerk am 16. Februar 1943 hat er zu erkennen gegeben, daß er den ausgeübten Beruf des Zahntechnikers fortsetzen wollte. Wenn der Kläger unter Berufung auf R. S. geltend macht, daß er wegen fehlender finanzieller Mittel bis 1937 die Ausbildung als Dentist nicht habe beginnen können, so beweist das, daß er bis zur Einberufung ernsthaft sich nicht um das behauptete Berufsziel bemüht hat. Aber auch für die Zeit nach der Verwundung fehlen hierfür konkrete Anhaltspunkte. So hat er einen Umschulungsantrag nicht weiter verfolgt, nachdem er zu einem Heereslaboratorium für Zahnersatz abkommandiert worden war. Damit hat er zu erkennen gegeben, daß er als Zahntechniker weiter arbeiten wollte. Das stützt den Senat ebenfalls in seiner Auffassung, daß der Kläger den Beruf eines Dentisten auch nach der Verwundung nicht nachweisbar angestrebt hat. Für die Zeit nach der Rückkehr aus dem Kriege gilt das gleiche.
Der Kläger befand sich zu dieser Zeit in derselben Lage wie eine Vielzahl Kriegsteilnehmer. Als Kriegsbeschädigte mußten sie Mittel und Wege finden, sich unter völlig veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten eine neue Existenz zu gründen. Dabei kam es ausschließlich auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse sowie auf den Willen an, sich zu behaupten. Es ist allgemein bekannt, daß gerade die Kriegsteilnehmer, die über einen Beruf verfügten, sofort nach 1945 versucht haben, darin wieder Fuß zu fassen. Das hat auch für den Kläger gegolten, der sofort nach seiner Rückkehr seine Tätigkeit als Zahntechnikermeister bei seinem früheren Arbeitgeber fortgesetzt hat. Denn sein Bestreben als Ehemann und Familienvater ab 1946 mußte zwangsläufig auf Sicherung der Existenz gerichtet sein. Damit wird schon in Frage gestellt, ob er die Dentistenschule noch hätte besuchen können. Ob er weitere Schwierigkeiten und Opfer wie die Ableistung einer Assistentenzeit auf sich genommen und seiner Familie zugemutet hätte, muß ebenfalls völlig offen bleiben. Wenn der Kläger, wie tatsächlich geschehen, keinen Versuch zur Ausbildung als Dentist unternommen, sondern stattdessen wiederum im Zahntechnikerberuf gearbeitet hat, dann hat er das getan, was nach dem Zusammenbruch allein vernünftig war, zumal sein Beruf bei der damaligen allgemeinen Wirtschaftslage eine sichere Existenzgrundlage bot. Zu Recht hat der Beklagte aus dem genommenen Berufsweg den Schluß gezogen, daß der Kläger auch als Ungeschädigter nicht Dentist und damit Zahnarzt geworden wäre. Denn er hat nach dem Kriege auf Grund seiner Handlungsweise und unter Berücksichtigung der Familienverhältnisse das erreicht, was mit Wahrscheinlichkeit nur zu erreichen war.
Andererseits hätte er die Ausbildung als Dentist trotz der anerkannten Schädigungsfolge nach 1945 noch beginnen können, wenn er das tatsächlich gewollt hätte. Diese Möglichkeit war ihm jedoch nur noch bis zum Inkrafttreten des Zahnheilkundegesetzes vom 1. April 1952 gegeben, das auch Bewerbern, die die Dentistenassistentenzeit noch nicht beendet hatte, die Möglichkeit eingeräumt hat, sie nach 1952 zu Ende zu führen und die Prüfung nach § 10 Zahnheilkundegesetz abzulegen. Der Verwirklichung eines solchen Berufsziels, für das der Kläger nach 1945 keine ersichtlichen Anstrengungen unternommen hat – denn er hat weder mit der Ausbildung begonnen noch sich einer Eignungsprüfung unterzogen –, hat die Einäugigkeit keine Grenze gesetzt, wie das richtigerweise in der Auskunft der Landeszahnärztekammer Hessen vom 16. Dezember 1970 und derjenigen des Bundesverbandes der Deutschen Zahnärzte e.V. vom 19. Februar 1971 zum Ausdruck gekommen ist. Das Gutachten des Prof. Dr. E. vom 17. März 1973 steht dem nicht entgegen, denn er berichtet darin von dem Lebensweg zweier Zahnärzte, die als Einäugige ihrer Tätigkeit nachgehen. Damit ist bewiesen, daß auch ein Einäugiger den Beruf des Dentisten ausüben kann, was zugleich die Ansicht der Dentisten widerlegt, auf die sich der Kläger berufen hat und die ihm angeblich abgeraten haben sollen, sich als Einäugiger einer solchen aussichtslosen Ausbildung zu unterziehen. Ein solcher Rat gründet sich auf eine nicht kompetente Meinung und spricht gleichfalls gegen den Willen, das behauptete Berufsziel zu erreichen. Für das vom Gesetz geforderte Tatbestandsmerkmal des nachweislich angestrebten Berufes, ist sie jedenfalls kein Indiz, zumal der Kläger als Einäugiger seit Jahren diffizile Arbeiten als Zahntechniker verrichtet, die ebenfalls an das stereoskopische Sehvermögen gewisse Anforderungen stellen. Wenn er noch nicht einmal einen Ausbildungsversuch unternommen und auch die Ablegung einer Eignungsprüfung, die ihm allein Klarheit verschafft hätte, unterlassen hat, fehlt es damit an dem vom Gesetz geforderten Nachweis des angestrebten Berufes. Wegen der beruflichen Tätigkeit als einäugiger Zahntechniker ist deshalb auch auf den Kläger die von Prof. Dr. E. in seinem Gutachten gemachte Einschränkung, die zwei einäugigen Zahnärzte hätten deshalb weiterhin in ihrem Beruf arbeiten können, weil sie ihn vor Eintritt der Einäugigkeit bereits ausgeübt hätten, nicht unbedingt anwendbar. Der von der Fachärztin für Augenkrankheiten Dr. M. gezogene Schluß, ein einäugig gewordener Zahnarzt besitze kein stereoskopisches Sehvermögen und sei damit als berufsuntauglich anzusehen, vermag den Senat gleichfalls nicht zu überzeugen. Diese Ansicht wird bereits durch die von Prof. Dr. E. aufgeführten Fälle der Zahnärzte Dr. W. und W. widerlegt. Außerdem weist die Sachverständige selbst auf Ausnahmefälle hin, wonach sogar Einäugige oder Schielende chirurgisch arbeiten. Bei diesem Sachverhalt fehlt es an konkreten Anhaltspunkten, die einem besonderen Ausbildungswillen unter Beweis stellen, der es rechtfertigen würde, im Falle des Klägers den Beruf eines Dentisten als nachweisbar angestrebt anzusehen.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer höheren Beschädigtenrente gemäß § 30 Abs. 2 BVG nicht vor, so daß der Berufung der Erfolg zu versagen war.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der 1915 geborene Kläger hatte nach dem Volksschulbesuch von 1921 bis 1929 bis 1932 die Zahntechnikerlehre durchgemacht und am 20. April 1932 die Dentistenpraktikantenprüfung bestanden. Anschließend arbeitete er als Zahntechniker in einem Laboratorium bis zu seiner Einberufung zum Reichsarbeitsdienst am 1. April 1936. Ab 1. Oktober 1936 setzte er diese Tätigkeit bis zum Beginn der Wehrdienstzeit im November 1937 fort. Nach der im Jahre 1941 erfolgten Verwundung legte er am 16. Februar 1943 die Meisterprüfung im Zahntechnikerhandwerk ab. Nach der Entlassung aus dem Wehrdienst am 1. Oktober 1945 nahm er als Zahntechnikermeister seine Arbeit in einem Dentallaboratorium wiederum auf.
Mit Umanerkennungsbescheid vom 18. Februar 1953 ist bei dem Kläger mit einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. als Schädigungsfolge:
"Verlust des linken Auges”
anerkannt.
Er stellte am 11. April 1969 Antrag auf Erhöhung des Grades der MdE wegen eines beruflichen Betroffenseins gemäß § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), da es ihm infolge der Einäugigkeit nicht möglich gewesen sei, die Dentistenlaufbahn einzuschlagen. In der Ausübung des Berufes als Zahntechniker sei er insofern erheblich behindert, als er durch die Einäugigkeit nicht mehr plastisch sehen könne. Ein plastisches Sehen sei aber für einen Zahntechniker und vor allem für den Dentisten unerläßlich.
Nachdem Oberreg. Medizinalrat Dr. G. die versorgungsärztliche Äußerung vom 20. Juni 1969 abgegeben hatte, stellte der Bescheid vom 17. Juli 1969 fest, ein besonderes berufliches Betroffensein im Sinne des § 30 Abs. 2 BVG liege nicht vor. Der Kläger hätte nach der Berufseignungsprüfung am 20. April 1932 die Dentistenpraktikantenprüfung abgelegt und den Beruf eines Zahntechnikers bis zur Einberufung zum Wehrdienst ausgeübt. Der Verlust des linken Auges sei 1941 eingetreten. Die Ausbildung zum Zahnarzt hätte zeitlich beendet sein können. In dem Beruf als Zahntechnikermeister sei er nicht besonders betroffen, da er diesen Beruf ohne wesentliche Behinderung durch die Schädigungsfolgen ausüben könne.
Der auf den Widerspruch erteilte Widerspruchsbescheid vom 14. August 1969 führte aus, es sei nicht ersichtlich, daß der Kläger den Beruf eines Dentisten tatsächlich angestrebt habe. Um Dentist zu werden, hätte er nach Ablegung der Praktikantenprüfung noch eine weitere Ausbildung von zwei Jahren bei einem Dentisten und darüber hinaus eine Schulzeit von 1 bis 2 Jahren an einem dentistischen Institut absolvieren müssen. Diese berufliche Fortbildung hätte er nicht wahrgenommen, sondern er habe die Tätigkeit als Zahntechniker ausgeübt. Auf Grund der Schädigungsfolge müsse auch verneint werden, daß er in der Ausübung des jetzigen Berufes als Zahntechniker beruflich besondere betroffen sei, weil er den Beruf uneingeschränkt verrichte. Nur eine außergewöhnliche Tatkraft und Anstrengung in der Gestalt, daß der Beruf unter Gefährdung der Gesundheit oder unter erheblichen Schmerzen weiter ausgeübt werden könne, rechtfertige die Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG. Diese Merkmale seien jedoch nicht zu erkennen.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt/M. hat der Kläger unter Bezugnahme auf die Schreiben des Dentallaboratoriums L. S. vom 4. September 1969 und des R. S. vom 27. August 1969 vorgetragen, die Weiterführung der Ausbildung zum Dentisten sei nicht nur eine Zeit-, sondern auch eine Geldfrage gewesen. In seiner Familie seien keine finanziellen Reserven vorhanden gewesen, da sein Vater 1916 in Rußland gefallen sei. Die Fortsetzung seiner Ausbildung sei ihm daher vor der Einberufung nicht möglich gewesen. Nach dem Krieg hätte er jedoch unbedingt die Möglichkeit gehabt, die begonnene Ausbildung zum Abschluß zu bringen. Das sei wegen der Schädigungsfolgen verhindert worden. Zur Ausbildung zum Dentisten und der damit verbundenen Arbeit sei das räumliche oder körperhafte sowie plastische Sehen unbedingte Voraussetzung.
Demgegenüber hat der Beklagte ausgeführt, die Ausbildung des Klägers sei aus schädigungsunabhängigen Gründen gescheitert, nämlich deshalb, weil nicht die nötigen Geldmittel dafür zur Verfügung gestanden hätten. Wenn er trotz seiner Schädigung als Zahntechniker arbeite, hätte er das ebenfalls als Dentist tun können, wenn er tatsächlich die Absicht gehabt hätte, diesen Beruf zu erlernen. Daß er nach 1932 keine Schritte dazu eingeleitet habe, sondern in einem zahntechnischen Labor verblieben sei, lasse nur den Schluß zu, daß seine Berufstätigkeit sich auf die Zahntechnik erstreckt habe, was auch die 1943 abgelegte Meisterprüfung als Zahntechniker beweise. Es sei unwahrscheinlich, daß er sich nach 1945 einer weiteren Ausbildung unterzogen hätte. Den Beruf des Zahntechnikers verrichte er auch nicht mit außergewöhnlicher Tatkraft und unter Gefährdung der Gesundheit. Die durch die Schädigungsfolgen stets bedingten überdurchschnittlichen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen würden schon durch die MdE im allgemeinen Erwerbsleben erfaßt.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben und hat von der Landeszahnärztekammer Hessen die Auskunft vom 16. Dezember 1970 und von dem Bundesverband der Deutschen Zahnärzte e.V. die vom 19. Februar 1971 eingeholt, in der vermerkt ist, daß vor 1952 auch ein Einäugiger die Ausbildung zum Dentisten hätte beginnen können, wenn er sich bei der Tauglichkeitsuntersuchung als geeignet für den Beruf gezeigt hätte.
Mit Urteil vom 23. September 1971 hat es die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, ein berufliches Betroffensein gemäß § 30 Abs. 2 BVG liege nicht vor, da nicht der Nachweis erbracht worden sei, daß der Kläger den Beruf eines Dentisten oder Zahnarztes angestrebt und dieses Berufsziel wegen der anerkannten Schädigungsfolgen aufgegeben habe. Aus der Ablegung der Zahntechnikermeisterprüfung sei vielmehr zu folgern, daß dieser Berufsweg der gewollte gewesen sei. Er habe weder vor 1939 noch nach 1945 den Versuch unternommen, als Dentist seine Ausbildung zu beginnen.
Gegen das dem Kläger am 30. September 1971 zugestellte Urteil ist die Berufung am 19. Oktober 1971 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen, zu deren Begründung er vorträgt, es wäre ihm vor 1939 rein zeitlich nicht möglich gewesen, den Beruf des Dentisten ausbildungsmäßig zu erreichen. Daß das nicht möglich gewesen sei, folge auch aus den Briefen des J. J. vom 23. Oktober 1971 und des R. S. vom 15. November 1971.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 23. September 1971 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Juli 1969 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1969 zu verurteilen, eine Beschädigtenrente unter Berücksichtigung des beruflichen Betroffenseins gemäß § 30 Abs. 2 BVG nach einer MdE um 50 v.H. ab 1. April 1969 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus, der Kläger habe nicht den Nachweis geführt, daß er den Beruf eines Dentisten (Zahnarzt) angestrebt habe.
Der Senat hat Beweis erhoben und auf Veranlassung des Klägers von Prof. Dr. E. von der Freien Universität B. das Gutachten vom 17. Januar 1973 gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingeholt, der darin unter Bezugnahme auf die augenärztliche Stellungnahme der Fachärztin für Augenkrankheiten Dr. M. vom 22. Januar 1973 die Ansicht vertreten hat, seine Umfrage habe ergeben, daß Einäugige als Zahnärzte tätig seien. Die von ihm befragten Zahnärzte wären aber bereits vor Eintritt ihrer Einäugigkeit behandelnd tätig gewesen. Ein einäugig gewordener Zahnarzt besitze – so die Meinung der Fachärztin für Augenkrankheiten – Arbeitsmedizin Dr. M. – kein stereoskopisches Sehvermögen mehr und sei als berufsuntauglich anzusehen.
Die Versorgungsakte mit der Grundl.-Nr. hat vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge, der auszugsweise in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist, wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist nach § 151 SGG frist- und formgerecht eingelegt worden. Sie ist auch zulässig, da das Urteil des Sozialgerichts trotz Gradstreitigkeit die Schwerbeschädigteneigenschaft des Klägers betrifft (§ 148 Nr. 3 SGG), denn er begehrt mit der Berufung ebenso wie mit der Klage eine Beschädigtenrente nach einer MdE um 50 v.H. Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Der Bescheid vom 17. Juli 1969, der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 1969 Gegenstand der Klage geworden ist (§ 95 SGG), ist zu Recht ergangen.
Der Streit der Beteiligten geht um die Frage, welchen Grad der MdE unter Berücksichtigung eines beruflichen Betroffenseins gemäß § 30 Abs. 2 BVG die anerkannte Schädigungsfolge bedingt.
Nach § 30 Abs. 1 BVG ist die MdE nach der körperlichen und geistigen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen; dabei sind seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu berücksichtigen. Sie ist höher zu bewerten, wenn der Beschädigte durch die Art der Schädigungsfolgen in seinem vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf, in seinem nachweisbar angestrebten oder in dem Beruf besonders betroffen ist, den er nach Eintritt der Schädigung ausgeübt hat oder noch ausübt. Das ist besonders der Fall, wenn er infolge der Schädigung weder seinen bisher ausgeübten, begonnenen oder den nachweisbar angestrebten noch einen sozial gleichwertigen Beruf ausüben kann, zwar seinen vor der Schädigung ausgeübten oder begonnenen Beruf weiter ausübt oder den nachweisbar angestrebten Beruf erreicht hat, in diesem Beruf durch die Art der Schädigungsfolgen aber in einem wesentlich höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert ist, oder infolge der Schädigung nachweisbar am weiteren Aufstieg in seinem Beruf gehindert ist (§ 30 Abs. 2 Buchst. a) bis c) BVG).
Durch diese Vorschriften sollen die über die Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben hinausgehenden besonderen Nachteile ausgeglichen werden. Daraus ergibt sich zugleich, daß nicht alle Nachteile, die der Versorgungsberechtigte in seinem beruflichen Fortkommen erleidet, bereits ein besonderes berufliches Betroffensein begründen. Ein solches ist im Fall des Klägers zu verneinen, weil er nach der erlittenen Schädigung die früher verrichtete Tätigkeit eines Zahntechnikers weiterhin ausübt und darüber hinaus trotz der Schädigungsfolge die Meisterprüfung im Zahntechnikerhandwerk bestanden hat. Damit ist er in die Lage versetzt, ohne einen Minderverdienst zu haben, den erlernten Beruf auszuüben. Daß er eine besondere Energie im Sinne der einschlägigen Rechtsprechung aufwenden muß, ist nicht anzunehmen. Gewisse Beeinträchtigungen bei der täglichen Arbeit infolge der Einäugigkeit mögen wohl vorhanden sein. Dadurch kann jedoch von einem übernormalen Energieeinsatz im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat anschließt, nicht gesprochen werden. Eine Gefährdung seiner Gesundheit ist dadurch auch nicht eingetreten. Daß seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen bestehen, die nur dann rentensteigernd sich auswirken können, wenn sie sich auf objektive medizinische Feststellungen gründen, ist nicht ersichtlich. Eine Erhöhung der MdE kommt daher unter Berücksichtigung des § 30 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz BVG nicht in Betracht.
Eine Anwendung des § 30 Abs. 2 BVG ist ebenfalls nicht mögliche Denn der Kläger ist infolge der Schädigung nicht daran gehindert worden, den Beruf eines Dentisten oder Zahnarztes auszuüben. Daß das sein Berufsziel war, hat er zwar behauptet, jedoch fehlen dafür konkrete Anhaltspunkte. Solche lassen sich auch nicht aus dem beruflichen Werdegang herleiten, dar nicht erkennen läßt, daß eine Ausbildung zum Dentisten und Zahnarzt vor 1937 bereits ernsthaft in Angriff genommen war oder nach 1945 wegen dar Schädigungsfolgen nicht angetreten werden konnte. Die am 20. April 1932 absolvierte Dentistenpraktikantenprüfung ist dafür kein Indiz. Ihr mußte sich vielmehr jeder Zahntechniker unterziehen und damit auch der, der nicht den Dentistenberuf angestrebt hat. Denn die Dentistenpraktikantenzeit vermittelte keine speziellen Kenntnisse hinsichtlich dieses Berufes, sondern nur solche, die für einen Zahntechniker das Rüstzeug bilden, nämlich Kautschuk- und Metalltechnik. Erst nach dieser Prüfung und der Absolvierung einer praktischen Tätigkeit als Zahntechniker hätte mit der Ausbildung zum Dentisten begonnen werden können, für die der regelmäßige Besuch eines Lehrinstituts für Dentisten von mindestens 1 Jahr, die Ablegung der staatlichen Dentistenprüfung und eine anschließende Tätigkeit als Dentistenassistent vorgeschrieben war. So sah § 26 Zulassungsordnung für Zahnärzte und Zahntechniker vom 27. Juli 1933 zur Anerkennung als Dentist im Sinne des § 123 der Reichsversicherungsordnung (RVO) eine zweijährige praktische Tätigkeit vor. Gemäß § 7 Ziffer 3 des Runderlasses vom 2. Januar 1942 betreffend Ausführungsbestimmungen zu § 123 RVO über die Zulassung zur staatlichen Dentistenprüfung und die Anerkennung als Dentist im Sinne der RVO war eine einjährige Tätigkeit als Dentistenassistent nach Ablegung der staatlichen Dentistenprüfung vorgeschrieben.
Zur Verwirklichung dieses Berufsweges als Dentist hat der Kläger jedoch bis zur Einberufung zum Reichsarbeitsdienst im Jahre 1936 und zur Wehrmacht im Jahre 1937 keine Schritte unternommen, sondern vielmehr ausschließlich als Zahntechniker gearbeitet, so daß für den Senat aus dem Berufsbild bis 1937 keine Anhaltspunkte für den Beruf eines Dentisten greifbar sind. Das gilt auch für die nachfolgenden Jahre nach seiner Verwundung. Denn gerade durch die Ablegung der Meisterprüfung im Zahntechnikerhandwerk am 16. Februar 1943 hat er zu erkennen gegeben, daß er den ausgeübten Beruf des Zahntechnikers fortsetzen wollte. Wenn der Kläger unter Berufung auf R. S. geltend macht, daß er wegen fehlender finanzieller Mittel bis 1937 die Ausbildung als Dentist nicht habe beginnen können, so beweist das, daß er bis zur Einberufung ernsthaft sich nicht um das behauptete Berufsziel bemüht hat. Aber auch für die Zeit nach der Verwundung fehlen hierfür konkrete Anhaltspunkte. So hat er einen Umschulungsantrag nicht weiter verfolgt, nachdem er zu einem Heereslaboratorium für Zahnersatz abkommandiert worden war. Damit hat er zu erkennen gegeben, daß er als Zahntechniker weiter arbeiten wollte. Das stützt den Senat ebenfalls in seiner Auffassung, daß der Kläger den Beruf eines Dentisten auch nach der Verwundung nicht nachweisbar angestrebt hat. Für die Zeit nach der Rückkehr aus dem Kriege gilt das gleiche.
Der Kläger befand sich zu dieser Zeit in derselben Lage wie eine Vielzahl Kriegsteilnehmer. Als Kriegsbeschädigte mußten sie Mittel und Wege finden, sich unter völlig veränderten wirtschaftlichen Gegebenheiten eine neue Existenz zu gründen. Dabei kam es ausschließlich auf ihre Fähigkeiten und Kenntnisse sowie auf den Willen an, sich zu behaupten. Es ist allgemein bekannt, daß gerade die Kriegsteilnehmer, die über einen Beruf verfügten, sofort nach 1945 versucht haben, darin wieder Fuß zu fassen. Das hat auch für den Kläger gegolten, der sofort nach seiner Rückkehr seine Tätigkeit als Zahntechnikermeister bei seinem früheren Arbeitgeber fortgesetzt hat. Denn sein Bestreben als Ehemann und Familienvater ab 1946 mußte zwangsläufig auf Sicherung der Existenz gerichtet sein. Damit wird schon in Frage gestellt, ob er die Dentistenschule noch hätte besuchen können. Ob er weitere Schwierigkeiten und Opfer wie die Ableistung einer Assistentenzeit auf sich genommen und seiner Familie zugemutet hätte, muß ebenfalls völlig offen bleiben. Wenn der Kläger, wie tatsächlich geschehen, keinen Versuch zur Ausbildung als Dentist unternommen, sondern stattdessen wiederum im Zahntechnikerberuf gearbeitet hat, dann hat er das getan, was nach dem Zusammenbruch allein vernünftig war, zumal sein Beruf bei der damaligen allgemeinen Wirtschaftslage eine sichere Existenzgrundlage bot. Zu Recht hat der Beklagte aus dem genommenen Berufsweg den Schluß gezogen, daß der Kläger auch als Ungeschädigter nicht Dentist und damit Zahnarzt geworden wäre. Denn er hat nach dem Kriege auf Grund seiner Handlungsweise und unter Berücksichtigung der Familienverhältnisse das erreicht, was mit Wahrscheinlichkeit nur zu erreichen war.
Andererseits hätte er die Ausbildung als Dentist trotz der anerkannten Schädigungsfolge nach 1945 noch beginnen können, wenn er das tatsächlich gewollt hätte. Diese Möglichkeit war ihm jedoch nur noch bis zum Inkrafttreten des Zahnheilkundegesetzes vom 1. April 1952 gegeben, das auch Bewerbern, die die Dentistenassistentenzeit noch nicht beendet hatte, die Möglichkeit eingeräumt hat, sie nach 1952 zu Ende zu führen und die Prüfung nach § 10 Zahnheilkundegesetz abzulegen. Der Verwirklichung eines solchen Berufsziels, für das der Kläger nach 1945 keine ersichtlichen Anstrengungen unternommen hat – denn er hat weder mit der Ausbildung begonnen noch sich einer Eignungsprüfung unterzogen –, hat die Einäugigkeit keine Grenze gesetzt, wie das richtigerweise in der Auskunft der Landeszahnärztekammer Hessen vom 16. Dezember 1970 und derjenigen des Bundesverbandes der Deutschen Zahnärzte e.V. vom 19. Februar 1971 zum Ausdruck gekommen ist. Das Gutachten des Prof. Dr. E. vom 17. März 1973 steht dem nicht entgegen, denn er berichtet darin von dem Lebensweg zweier Zahnärzte, die als Einäugige ihrer Tätigkeit nachgehen. Damit ist bewiesen, daß auch ein Einäugiger den Beruf des Dentisten ausüben kann, was zugleich die Ansicht der Dentisten widerlegt, auf die sich der Kläger berufen hat und die ihm angeblich abgeraten haben sollen, sich als Einäugiger einer solchen aussichtslosen Ausbildung zu unterziehen. Ein solcher Rat gründet sich auf eine nicht kompetente Meinung und spricht gleichfalls gegen den Willen, das behauptete Berufsziel zu erreichen. Für das vom Gesetz geforderte Tatbestandsmerkmal des nachweislich angestrebten Berufes, ist sie jedenfalls kein Indiz, zumal der Kläger als Einäugiger seit Jahren diffizile Arbeiten als Zahntechniker verrichtet, die ebenfalls an das stereoskopische Sehvermögen gewisse Anforderungen stellen. Wenn er noch nicht einmal einen Ausbildungsversuch unternommen und auch die Ablegung einer Eignungsprüfung, die ihm allein Klarheit verschafft hätte, unterlassen hat, fehlt es damit an dem vom Gesetz geforderten Nachweis des angestrebten Berufes. Wegen der beruflichen Tätigkeit als einäugiger Zahntechniker ist deshalb auch auf den Kläger die von Prof. Dr. E. in seinem Gutachten gemachte Einschränkung, die zwei einäugigen Zahnärzte hätten deshalb weiterhin in ihrem Beruf arbeiten können, weil sie ihn vor Eintritt der Einäugigkeit bereits ausgeübt hätten, nicht unbedingt anwendbar. Der von der Fachärztin für Augenkrankheiten Dr. M. gezogene Schluß, ein einäugig gewordener Zahnarzt besitze kein stereoskopisches Sehvermögen und sei damit als berufsuntauglich anzusehen, vermag den Senat gleichfalls nicht zu überzeugen. Diese Ansicht wird bereits durch die von Prof. Dr. E. aufgeführten Fälle der Zahnärzte Dr. W. und W. widerlegt. Außerdem weist die Sachverständige selbst auf Ausnahmefälle hin, wonach sogar Einäugige oder Schielende chirurgisch arbeiten. Bei diesem Sachverhalt fehlt es an konkreten Anhaltspunkten, die einem besonderen Ausbildungswillen unter Beweis stellen, der es rechtfertigen würde, im Falle des Klägers den Beruf eines Dentisten als nachweisbar angestrebt anzusehen.
Damit liegen die Voraussetzungen für die Gewährung einer höheren Beschädigtenrente gemäß § 30 Abs. 2 BVG nicht vor, so daß der Berufung der Erfolg zu versagen war.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
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