Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 J 1232/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. November 1971 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Tuberkulosehilfe nach § 1244 a Reichsversicherungsordnung (RVO) auf der deutschen Rentenversicherung zusteht.
Die 1935 geborene Klägerin ist spanische Staatsangehörige. Ihr Ehemann stellte am 26. Juni 1968 bei der Beklagten einen Antrag auf Kostenübernahme von Gesundheitsmaßnahmen bei der Klägerin, wobei er angab, daß er vom 1. Januar bis 31. Dezember 1967 in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt gewesen sei. Medizinisch stellte der Facharzt für Chirurgie Dr. K. am 31. Mai 1968 fest, daß kein Anhalt für einen spezifischen Lungenprozess bestehe, wohl aber ein Zustand nach Hals-Lymphknotenextirpation links, die eine spezifische Erkrankung dargestellt habe. Heilstättenbehandlung sei erforderlich. Mit dem, den Ehemann erteilten Bescheid vom 17. September 1968, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten nach § 1244 a RVO ab. Sie brachte zur Begründung zum Ausdruck, daß die Klägerin aus eigener Versicherung keinen Anspruch habe. Aus der Versicherung des Ehemannes bestehe ein Anspruch nur dann, wenn dieser die Klägerin überwiegend unterhalten habe, was vorliegend nicht der Fall sei.
Gegen diesen Bescheid erhob sowohl der Ehemann als auch die Klägerin Klage. Die Klage des Ehemannes wurde in dar mündlichen Verhandlung vom 5. November 1971 vor dem Sozialgericht in Darmstadt zurückgenommen.
Zur Begründung der Klage wurde ausgeführt, daß die Kosten der stationären Behandlung in der Hals-Nasen-Ohrenklinik in F. vom 23. April bis 10. Mai 1968 sowie die Kosten der Behandlung in der KAJ-Klinik in G. ab 26. Juli 1968 zu übernehmen seien. Die Klägerin habe die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 in Verbindung mit Artikel 22 Absatz 2 des Sozialversicherungsabkommens mit Spanien erfüllt. Die spanische Versicherungszeit müsse hier berücksichtigt werden. Die Klägerin habe in Spanien 150 Versicherungsmonate zurückgelegt. Demgegenüber trug die Beklagte vor, daß die Klägerin erstmals am 25. März 1968 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig tätig gewesen und am 28. Mai 1968 bei ihr eine aktive Tuberkulose festgestellt worden sei. Da der Ehemann ihren Lebensunterhalt nicht überwiegend bestritten habe, bestehe kein Anspruch.
Das Sozialgericht Darmstadt lud den Landeswohlfahrtsverband Hessen und die Allgemeine Ortskrankenkasse D. zum Verfahren bei. Der Landeswohlfahrtsverband führte aus, daß die Kosten der Behandlung vom 26. Juli bis 19. November 1968 von ihm übernommen worden seien und zu erstatten wären. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen der Kostenübernahme in eigener Person und sei außerdem von dem Ehemann überwiegend unterhalten werden. Dazu war die Beklagte der Auffassung, daß die Bestimmungen über Heilmaßnahmen nicht Gegenstand des Abkommens mit Spanien gewesen seien. Die Vorversicherung müsse daher allein in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt werden sein.
Die Allgemeine Ortskrankenkasse D. wies auf das Urteil des erkennenden Senats vom 12. Februar 1970 hin und war im übrigen ebenfalls der Auffassung, daß die Klägerin Ansprüche aus der Versicherung des Ehemannes habe. Mit Urteil vom 5. November 1971 hob das Sozialgericht Darmstadt den Bescheid vom 17. September 1968 insoweit auf, als diesen einen Rechtsanspruch der Klägerin aus § 1244 a Abs. 2 Satz 1 RVO verneinte. Die Beklagte wurde verurteilt, dem beigeladenen Landeswohlfahrtsverband Hessen die vorläufig übernommenen Kosten der stationären Behandlung der Klägerin in der Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universität F. vom 23. April 1968 bis 10. Mai 1968 sowie in dem KAJ-Krankenhaus in G. vom 26. Juli bis 19. November 1968 im Rahmen der für sie gültigen Vorschriften zu erstatten. Die Berufung wurde zugelassen.
Zur Begründung bezog sich das Sozialgericht Darmstadt auf das Urteil des erkennenden Senats vom 12. Februar 1970 (Az.: L-6/J-1051/68), in dem ausgeführt werde, daß das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat über soziale Sicherheit hinsichtlich der Rentenversicherung in Abschnitt III Artikel 22 ausdrücklich bestimme, daß Renten ausschließlich nach Maßgaben dieses Kapitels festgestellt und gewährt werden, wenn eine Person nach den Rechtsvorschriften beider Vortragsstaaten versichert gewesen sei. Das Landessozialgericht habe in diesem Urteil die Auffassung vertreten, daß die für die Rentenbewilligung verwertbaren Maßstäbe auch für die Gewährung von Tuberkulosenhilfe nach § 1244 a RVO gelten, was sich im übrigen auch aus Artikel 41 des Abkommens ergebe.
Gegen dieses am 29. November 1971 der Beklagten zugestellte Urteil richtet sich deren am 15. Dezember 1971 schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen Berufung, die damit begründet wird, des Gericht gehe zu Unrecht davon aus, daß die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 1244 a Absatz 2 RVO, nämlich Erfüllung der Wartezeit gemäß § 1246 Abs. 3 RVO, unter Berücksichtigung der nach spanischem Recht zurückgelegten Versicherungszeiten erfüllt seien. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat über soziale Sicherheit vom 29. Oktober 1959 hätte hierbei nicht angewendet werden dürfen. Dieses Abkommen regele in Abschnitt III, Rentenversicherungen, nur die Versicherung für den Fall des Alters, der Invalidität und zu Gunsten der Hinterbliebenen und begrenze sie nur auf Rentenansprüche, was auch durch Artikel 41 des Abkommens nicht geändert werde. Heilmaßnahmen wegen Tuberkulose nach § 1244 a RVO seien jedoch nicht Gegenstand des Abkommens gewesen. Für eine derartige Auslegung des Abkommens würden auch die unlängst zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jugoslawien sowie Österreich zustande gekommenen Sozialversicherungsabkommen sprechen, denn in diesen beiden letzteren sei nicht mehr nur vom Rentenanspruch die Rede, sondern von Leistungsansprüchen schlechthin. Mit dem Begriff Leistungsanspruch seien im Grundsatz alle Regelleistungen angesprochen, also auch der Anspruch nach § 1244 a RVO. Daraus müsse im Gegensatz zu der Entscheidung des erkennenden Senats vom 12. Februar 1970 der Schluß gezogen werden, daß die Leistungen nach § 1244 a RVO eben nicht unter das deutsch-spanische Sozialversicherungsabkommen subsumiert werden könnten. Im übrigen weist die Beklagte darauf hin, daß selbst für den Fall der Anwendung des deutsch-spanischen Abkommens Artikel 22 Absatz 6 des Abkommens zu beachten wäre, wonach keine Rente von einem Vertragsstaat zu gewähren ist, wenn nach den Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaates Beitragszeiten oder gleichgestellte Zeiten von weniger als 12 Monaten zurückgelegt worden sind. Auch das spräche dafür, daß eine Kostenübernahme nicht in Betracht kommen könne, weil von der Klägerin keine 12 Monatsbeiträge nach deutschem Recht nachgewiesen werden konnten.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. November 1971 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß das angefochtene Urteil der Sach- und Rechtslage entspricht. Diesem Antrag schloß sich die Allgemeine Ortskrankenkasse D. an. Sie ist der Auffassung, daß das deutsch-spanische Abkommen nach seinem persönlichen und sachlichen Geltungsbereich auf die vorliegende Streitsache anwendbar sei. Hier komme es auf § 1246 Abs. 3 RVO an, da § 1244 Abs. 2 RVO auf diese Bestimmung verweise. Die Wartezeit nach dieser Vorschrift habe die Klägerin aber erfüllt. Auch der beigeladene Landeswohlfahrtsverband Hessen schloß sich dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung an. Auch er war der Auffassung, daß das deutsch-spanische Abkommen Anwendung finde. Die Zusammenrechnung nach diesem Abkommen sei nicht etwa nur bei der Rentenbewilligung, sondern bei jeder Leistungsgewährung, also auch bei Maßnahmen zur Heilbehandlung von Tuberkulose zwingend vorgeschrieben. Die AOK D. wies auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 16. November 1972 hin, in der ausgeführt werde, eine Vorschrift, die eine unmittelbare Verbindung zwischen der Zugehörigkeit zu einer Rentenversicherung und dem Erwerb eines auf einer Tuberkuloseerkrankung beruhenden Leistungsanspruchs der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Familienangehörigen gegen die Rentenversicherungsträger herstelle, um damit insbesondere der Heilung dieser Personen zu dienen, sei dem in Artikel 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3 genannten Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit zuzurechnen. Die Beklagte war dazu der Auffassung, daß sich sowohl dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofes als auch die weiter ergangenen Urteile des BSG vom 21. Februar 1973 (4 RJ 213/70 wie auch 4 RJ 433/69 und 4 RJ 473/69) nur mit der Anrechnung von in Mitgliedstaaten der EWG zurückgelegten Versicherungszeiten befassen, Spanien aber nicht zur EWG gehöre.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der Unterlagen der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch zulässig, da sie in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich zugelassen wurde (§§ 143, 150 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
In der Sache ist sie nicht begründet.
Nach § 1244 a RVO haben Versicherte und Rentner für sich, ihren Ehegatten oder für ihre Kinder, Anspruch auf die Maßnahmen nach § 1236 bis 1244 RVO wegen einer Erkrankung an aktiver behandlungsbedürftiger Tuberkulose. Nach § 1244 a Abs. 2 RVO ist versichert im Sinne dieser Vorschrift derjenige, für den in den der Feststellung der Behandlungsdürftigkeit vorausgegangenen 24 Kalendermonaten Beiträge für wenigstens 6 Kalendermonate für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet sind oder der die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO erfüllt hat.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin diese Voraussetzungen erfüllt oder ob die Klägerin aus der Versicherung ihres Ehemannes, der diese Voraussetzungen unstreitig erfüllt, Anspruch auf Leistungen hat. Letzteres hängt nach § 1244 a Abs. 2 RVO davon ab, ob der nicht versicherte Ehegatte von dem Versicherten überwiegend unterhalten worden ist.
Der Senat konnte die Frage des überwiegenden Unterhalts dahingestellt sein lassen, da seiner Auffassung nach die Klägerin selbst einen Anspruch aus § 1244 a RVO gegen die Beklagte hat, was das angefochtene Urteil zutreffend festgestellt hat.
Der Senat hat bereits im Urteil vom 12. Februar 1970, (L-6/J-1051/68) die Auffassung vertreten, daß in Fällen der vorliegenden Art die in Spanien zurückgelegten Versicherungszeiten mit den in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten zur Erfüllung der Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO zusammengerechnet werden müssen. Dies ergibt sich auch nach erneuter Überprüfung der Rechtslage aus dem Abkommen zwischen dem spanischen Staat und der Bundesrepublik Deutschland vom 29. Oktober 1959, das durch Gesetz vom 16. Juni 1961 (Bundesgesetzblatt II Seite 598) für das Bundesgebiet verkündet worden ist, (so auch "Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten” Verlag der Ortskrankenkassen, GB., Spanien, Art. 22 Anm. 7)
Seit diesem Urteil des erkennenden Senates sind Urteile des Bundessozialgerichts ergangen, die sich mit dem gleichen Problem, allerdings nicht mit dem Spanienabkommen befassen. Im Urteil vom 29. März 1973 (4 RJ 121/72) hat das BSG ausgesprochen, daß das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über soziale Sicherheit vom 25. April 1961 sich nicht auf die Tbc-Bekämpfung nach § 1244 a RVO erstrecke. Ferner hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 21. Februar 1973 (4 RJ 473/69) ausgeführt, daß Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland und in einem anderen Mitgliedstaat der EWG, die für den Erwerb eines Anspruchs auf Leistungen nach § 1244 a RVO aufgrund der Artikel 16 ff EWG-Verordnung Nr. 3 zusammenzurechnen sind, jeweils in einer sozialen Rentenversicherung zurückgelegt sein müssen. Da Spanien der EWG nicht angehört, kann dieses Urteil ebensowenig wie das bereits genannte Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht unmittelbar auf dem vorliegenden Fall angewendet werden. Nach der "Denkschrift der Bundesregierung zu dem Abkommen, der Zusatzvereinbarung, dem Zusatzprotokoll und dem Schlußprotokoll” (BR-Drucks. 390/60 vom 2. Dezember 1960) beruht das Abkommen jedoch im wesentlichen auf denselben Grundsätzen, die in den Verordnungen Nr. 3 und Nr. 4 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (BG Bl. II 1959 S. 473) niedergelegt sind. Das gilt nach der Denkschrift namentlich für die Bestimmungen über die Zusammenziehung der nach dem Recht beider Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb und die Erhaltung von Ansprüchen, die Begründung einer Pflichtversicherung und die Begründung der Leistungen. Dabei nimmt die Denkschrift an dieser Stelle ausdrücklich auch Art. 22 Abs. 2 in Bezug.
Ist das Abkommen aber der VO Nr. 3 der EWG nachgebildet, dann ist davon auszugehen, daß es hinsichtlich Spaniens die gleichen Ziele verfolgt wie die VO Nr. 3 hinsichtlich der EWG. Die dazu ergangene Rechtsprechung des BSG muß daher auch für Spanien gelten.
Der Senat sah sich hierdurch in seiner Auffassung bestärkt, daß Art. 22 Abs. 2 des Abkommens auch im Rahmen des § 1244 a RVO anzuwenden ist, da letzterer ohne Einschränkung auf § 1246 Abs. 3 RVO als Leistungsvoraussetzung verweist.
Paragraph 1244 a Abs. 2 RVO sieht zwei Alternativen für die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vor. Die erste Alternative ist hinsichtlich der Klägerin unstreitig nicht erfüllt. Die zweite Alternative sieht dagegen vor, daß die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO erfüllt sein muß. Damit verweist § 1244 a RVO ausdrücklich auf die Bestimmungen über die Rentenversicherung, hinsichtlich deren aber Artikel 22 Abs. 2 des deutsch-spanischen Abkommens bestimmt, das für den Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben eines Rentenanspruchs jedes Vertragsstaates zu den Beitragszeiten und gleichgestellten Zeiten, die nach dem von ihm anzuwendenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind, soweit notwendig, die Beitragszeiten und gleichgestellten Zeiten hinzurechnet, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Staates zurückgelegt worden sind.
Danach war auch im vorliegenden Fall für die Klägerin die Voraussetzung des § 1244 a Abs. 2 RVO erfüllt, so daß das angefochtene Urteil zutreffend die Beklagte zur Gewährung der Leistungen verurteilt hat.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Da über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, hat der Senat die Revision zugelassen (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin Tuberkulosehilfe nach § 1244 a Reichsversicherungsordnung (RVO) auf der deutschen Rentenversicherung zusteht.
Die 1935 geborene Klägerin ist spanische Staatsangehörige. Ihr Ehemann stellte am 26. Juni 1968 bei der Beklagten einen Antrag auf Kostenübernahme von Gesundheitsmaßnahmen bei der Klägerin, wobei er angab, daß er vom 1. Januar bis 31. Dezember 1967 in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt gewesen sei. Medizinisch stellte der Facharzt für Chirurgie Dr. K. am 31. Mai 1968 fest, daß kein Anhalt für einen spezifischen Lungenprozess bestehe, wohl aber ein Zustand nach Hals-Lymphknotenextirpation links, die eine spezifische Erkrankung dargestellt habe. Heilstättenbehandlung sei erforderlich. Mit dem, den Ehemann erteilten Bescheid vom 17. September 1968, lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten nach § 1244 a RVO ab. Sie brachte zur Begründung zum Ausdruck, daß die Klägerin aus eigener Versicherung keinen Anspruch habe. Aus der Versicherung des Ehemannes bestehe ein Anspruch nur dann, wenn dieser die Klägerin überwiegend unterhalten habe, was vorliegend nicht der Fall sei.
Gegen diesen Bescheid erhob sowohl der Ehemann als auch die Klägerin Klage. Die Klage des Ehemannes wurde in dar mündlichen Verhandlung vom 5. November 1971 vor dem Sozialgericht in Darmstadt zurückgenommen.
Zur Begründung der Klage wurde ausgeführt, daß die Kosten der stationären Behandlung in der Hals-Nasen-Ohrenklinik in F. vom 23. April bis 10. Mai 1968 sowie die Kosten der Behandlung in der KAJ-Klinik in G. ab 26. Juli 1968 zu übernehmen seien. Die Klägerin habe die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 in Verbindung mit Artikel 22 Absatz 2 des Sozialversicherungsabkommens mit Spanien erfüllt. Die spanische Versicherungszeit müsse hier berücksichtigt werden. Die Klägerin habe in Spanien 150 Versicherungsmonate zurückgelegt. Demgegenüber trug die Beklagte vor, daß die Klägerin erstmals am 25. März 1968 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig tätig gewesen und am 28. Mai 1968 bei ihr eine aktive Tuberkulose festgestellt worden sei. Da der Ehemann ihren Lebensunterhalt nicht überwiegend bestritten habe, bestehe kein Anspruch.
Das Sozialgericht Darmstadt lud den Landeswohlfahrtsverband Hessen und die Allgemeine Ortskrankenkasse D. zum Verfahren bei. Der Landeswohlfahrtsverband führte aus, daß die Kosten der Behandlung vom 26. Juli bis 19. November 1968 von ihm übernommen worden seien und zu erstatten wären. Die Klägerin erfülle die Voraussetzungen der Kostenübernahme in eigener Person und sei außerdem von dem Ehemann überwiegend unterhalten werden. Dazu war die Beklagte der Auffassung, daß die Bestimmungen über Heilmaßnahmen nicht Gegenstand des Abkommens mit Spanien gewesen seien. Die Vorversicherung müsse daher allein in der Bundesrepublik Deutschland zurückgelegt werden sein.
Die Allgemeine Ortskrankenkasse D. wies auf das Urteil des erkennenden Senats vom 12. Februar 1970 hin und war im übrigen ebenfalls der Auffassung, daß die Klägerin Ansprüche aus der Versicherung des Ehemannes habe. Mit Urteil vom 5. November 1971 hob das Sozialgericht Darmstadt den Bescheid vom 17. September 1968 insoweit auf, als diesen einen Rechtsanspruch der Klägerin aus § 1244 a Abs. 2 Satz 1 RVO verneinte. Die Beklagte wurde verurteilt, dem beigeladenen Landeswohlfahrtsverband Hessen die vorläufig übernommenen Kosten der stationären Behandlung der Klägerin in der Hals-Nasen-Ohrenklinik der Universität F. vom 23. April 1968 bis 10. Mai 1968 sowie in dem KAJ-Krankenhaus in G. vom 26. Juli bis 19. November 1968 im Rahmen der für sie gültigen Vorschriften zu erstatten. Die Berufung wurde zugelassen.
Zur Begründung bezog sich das Sozialgericht Darmstadt auf das Urteil des erkennenden Senats vom 12. Februar 1970 (Az.: L-6/J-1051/68), in dem ausgeführt werde, daß das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat über soziale Sicherheit hinsichtlich der Rentenversicherung in Abschnitt III Artikel 22 ausdrücklich bestimme, daß Renten ausschließlich nach Maßgaben dieses Kapitels festgestellt und gewährt werden, wenn eine Person nach den Rechtsvorschriften beider Vortragsstaaten versichert gewesen sei. Das Landessozialgericht habe in diesem Urteil die Auffassung vertreten, daß die für die Rentenbewilligung verwertbaren Maßstäbe auch für die Gewährung von Tuberkulosenhilfe nach § 1244 a RVO gelten, was sich im übrigen auch aus Artikel 41 des Abkommens ergebe.
Gegen dieses am 29. November 1971 der Beklagten zugestellte Urteil richtet sich deren am 15. Dezember 1971 schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen Berufung, die damit begründet wird, des Gericht gehe zu Unrecht davon aus, daß die Voraussetzungen der zweiten Alternative des § 1244 a Absatz 2 RVO, nämlich Erfüllung der Wartezeit gemäß § 1246 Abs. 3 RVO, unter Berücksichtigung der nach spanischem Recht zurückgelegten Versicherungszeiten erfüllt seien. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem spanischen Staat über soziale Sicherheit vom 29. Oktober 1959 hätte hierbei nicht angewendet werden dürfen. Dieses Abkommen regele in Abschnitt III, Rentenversicherungen, nur die Versicherung für den Fall des Alters, der Invalidität und zu Gunsten der Hinterbliebenen und begrenze sie nur auf Rentenansprüche, was auch durch Artikel 41 des Abkommens nicht geändert werde. Heilmaßnahmen wegen Tuberkulose nach § 1244 a RVO seien jedoch nicht Gegenstand des Abkommens gewesen. Für eine derartige Auslegung des Abkommens würden auch die unlängst zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Jugoslawien sowie Österreich zustande gekommenen Sozialversicherungsabkommen sprechen, denn in diesen beiden letzteren sei nicht mehr nur vom Rentenanspruch die Rede, sondern von Leistungsansprüchen schlechthin. Mit dem Begriff Leistungsanspruch seien im Grundsatz alle Regelleistungen angesprochen, also auch der Anspruch nach § 1244 a RVO. Daraus müsse im Gegensatz zu der Entscheidung des erkennenden Senats vom 12. Februar 1970 der Schluß gezogen werden, daß die Leistungen nach § 1244 a RVO eben nicht unter das deutsch-spanische Sozialversicherungsabkommen subsumiert werden könnten. Im übrigen weist die Beklagte darauf hin, daß selbst für den Fall der Anwendung des deutsch-spanischen Abkommens Artikel 22 Absatz 6 des Abkommens zu beachten wäre, wonach keine Rente von einem Vertragsstaat zu gewähren ist, wenn nach den Rechtsvorschriften dieses Vertragsstaates Beitragszeiten oder gleichgestellte Zeiten von weniger als 12 Monaten zurückgelegt worden sind. Auch das spräche dafür, daß eine Kostenübernahme nicht in Betracht kommen könne, weil von der Klägerin keine 12 Monatsbeiträge nach deutschem Recht nachgewiesen werden konnten.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Darmstadt vom 5. November 1971 die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, daß das angefochtene Urteil der Sach- und Rechtslage entspricht. Diesem Antrag schloß sich die Allgemeine Ortskrankenkasse D. an. Sie ist der Auffassung, daß das deutsch-spanische Abkommen nach seinem persönlichen und sachlichen Geltungsbereich auf die vorliegende Streitsache anwendbar sei. Hier komme es auf § 1246 Abs. 3 RVO an, da § 1244 Abs. 2 RVO auf diese Bestimmung verweise. Die Wartezeit nach dieser Vorschrift habe die Klägerin aber erfüllt. Auch der beigeladene Landeswohlfahrtsverband Hessen schloß sich dem Antrag auf Zurückweisung der Berufung an. Auch er war der Auffassung, daß das deutsch-spanische Abkommen Anwendung finde. Die Zusammenrechnung nach diesem Abkommen sei nicht etwa nur bei der Rentenbewilligung, sondern bei jeder Leistungsgewährung, also auch bei Maßnahmen zur Heilbehandlung von Tuberkulose zwingend vorgeschrieben. Die AOK D. wies auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 16. November 1972 hin, in der ausgeführt werde, eine Vorschrift, die eine unmittelbare Verbindung zwischen der Zugehörigkeit zu einer Rentenversicherung und dem Erwerb eines auf einer Tuberkuloseerkrankung beruhenden Leistungsanspruchs der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Familienangehörigen gegen die Rentenversicherungsträger herstelle, um damit insbesondere der Heilung dieser Personen zu dienen, sei dem in Artikel 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3 genannten Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit zuzurechnen. Die Beklagte war dazu der Auffassung, daß sich sowohl dieses Urteil des Europäischen Gerichtshofes als auch die weiter ergangenen Urteile des BSG vom 21. Februar 1973 (4 RJ 213/70 wie auch 4 RJ 433/69 und 4 RJ 473/69) nur mit der Anrechnung von in Mitgliedstaaten der EWG zurückgelegten Versicherungszeiten befassen, Spanien aber nicht zur EWG gehöre.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der Unterlagen der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist auch zulässig, da sie in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich zugelassen wurde (§§ 143, 150 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
In der Sache ist sie nicht begründet.
Nach § 1244 a RVO haben Versicherte und Rentner für sich, ihren Ehegatten oder für ihre Kinder, Anspruch auf die Maßnahmen nach § 1236 bis 1244 RVO wegen einer Erkrankung an aktiver behandlungsbedürftiger Tuberkulose. Nach § 1244 a Abs. 2 RVO ist versichert im Sinne dieser Vorschrift derjenige, für den in den der Feststellung der Behandlungsdürftigkeit vorausgegangenen 24 Kalendermonaten Beiträge für wenigstens 6 Kalendermonate für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit entrichtet sind oder der die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO erfüllt hat.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin diese Voraussetzungen erfüllt oder ob die Klägerin aus der Versicherung ihres Ehemannes, der diese Voraussetzungen unstreitig erfüllt, Anspruch auf Leistungen hat. Letzteres hängt nach § 1244 a Abs. 2 RVO davon ab, ob der nicht versicherte Ehegatte von dem Versicherten überwiegend unterhalten worden ist.
Der Senat konnte die Frage des überwiegenden Unterhalts dahingestellt sein lassen, da seiner Auffassung nach die Klägerin selbst einen Anspruch aus § 1244 a RVO gegen die Beklagte hat, was das angefochtene Urteil zutreffend festgestellt hat.
Der Senat hat bereits im Urteil vom 12. Februar 1970, (L-6/J-1051/68) die Auffassung vertreten, daß in Fällen der vorliegenden Art die in Spanien zurückgelegten Versicherungszeiten mit den in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten zur Erfüllung der Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO zusammengerechnet werden müssen. Dies ergibt sich auch nach erneuter Überprüfung der Rechtslage aus dem Abkommen zwischen dem spanischen Staat und der Bundesrepublik Deutschland vom 29. Oktober 1959, das durch Gesetz vom 16. Juni 1961 (Bundesgesetzblatt II Seite 598) für das Bundesgebiet verkündet worden ist, (so auch "Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten” Verlag der Ortskrankenkassen, GB., Spanien, Art. 22 Anm. 7)
Seit diesem Urteil des erkennenden Senates sind Urteile des Bundessozialgerichts ergangen, die sich mit dem gleichen Problem, allerdings nicht mit dem Spanienabkommen befassen. Im Urteil vom 29. März 1973 (4 RJ 121/72) hat das BSG ausgesprochen, daß das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Griechenland über soziale Sicherheit vom 25. April 1961 sich nicht auf die Tbc-Bekämpfung nach § 1244 a RVO erstrecke. Ferner hat das Bundessozialgericht im Urteil vom 21. Februar 1973 (4 RJ 473/69) ausgeführt, daß Versicherungszeiten in der Bundesrepublik Deutschland und in einem anderen Mitgliedstaat der EWG, die für den Erwerb eines Anspruchs auf Leistungen nach § 1244 a RVO aufgrund der Artikel 16 ff EWG-Verordnung Nr. 3 zusammenzurechnen sind, jeweils in einer sozialen Rentenversicherung zurückgelegt sein müssen. Da Spanien der EWG nicht angehört, kann dieses Urteil ebensowenig wie das bereits genannte Urteil des Europäischen Gerichtshofes nicht unmittelbar auf dem vorliegenden Fall angewendet werden. Nach der "Denkschrift der Bundesregierung zu dem Abkommen, der Zusatzvereinbarung, dem Zusatzprotokoll und dem Schlußprotokoll” (BR-Drucks. 390/60 vom 2. Dezember 1960) beruht das Abkommen jedoch im wesentlichen auf denselben Grundsätzen, die in den Verordnungen Nr. 3 und Nr. 4 des Rates der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft über die Soziale Sicherheit der Wanderarbeitnehmer (BG Bl. II 1959 S. 473) niedergelegt sind. Das gilt nach der Denkschrift namentlich für die Bestimmungen über die Zusammenziehung der nach dem Recht beider Vertragsstaaten zurückgelegten Versicherungszeiten für den Erwerb und die Erhaltung von Ansprüchen, die Begründung einer Pflichtversicherung und die Begründung der Leistungen. Dabei nimmt die Denkschrift an dieser Stelle ausdrücklich auch Art. 22 Abs. 2 in Bezug.
Ist das Abkommen aber der VO Nr. 3 der EWG nachgebildet, dann ist davon auszugehen, daß es hinsichtlich Spaniens die gleichen Ziele verfolgt wie die VO Nr. 3 hinsichtlich der EWG. Die dazu ergangene Rechtsprechung des BSG muß daher auch für Spanien gelten.
Der Senat sah sich hierdurch in seiner Auffassung bestärkt, daß Art. 22 Abs. 2 des Abkommens auch im Rahmen des § 1244 a RVO anzuwenden ist, da letzterer ohne Einschränkung auf § 1246 Abs. 3 RVO als Leistungsvoraussetzung verweist.
Paragraph 1244 a Abs. 2 RVO sieht zwei Alternativen für die Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vor. Die erste Alternative ist hinsichtlich der Klägerin unstreitig nicht erfüllt. Die zweite Alternative sieht dagegen vor, daß die Wartezeit nach § 1246 Abs. 3 RVO erfüllt sein muß. Damit verweist § 1244 a RVO ausdrücklich auf die Bestimmungen über die Rentenversicherung, hinsichtlich deren aber Artikel 22 Abs. 2 des deutsch-spanischen Abkommens bestimmt, das für den Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben eines Rentenanspruchs jedes Vertragsstaates zu den Beitragszeiten und gleichgestellten Zeiten, die nach dem von ihm anzuwendenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften zu berücksichtigen sind, soweit notwendig, die Beitragszeiten und gleichgestellten Zeiten hinzurechnet, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Staates zurückgelegt worden sind.
Danach war auch im vorliegenden Fall für die Klägerin die Voraussetzung des § 1244 a Abs. 2 RVO erfüllt, so daß das angefochtene Urteil zutreffend die Beklagte zur Gewährung der Leistungen verurteilt hat.
Die Berufung war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Da über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, hat der Senat die Revision zugelassen (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
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