L 5 R 50/05

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 9 RA 1277/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 50/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 4 R 71/07 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 16. Dezember 2004 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist der Zugangsfaktor bei der dem Kläger bewilligten Altersrente wegen Arbeitslosigkeit streitig. Der Kläger begehrt die Gewährung dieser Altersrente unter Zugrundelegung der Vorschriften des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992).

Der 1941 geborene Kläger war zuletzt bei der Fa. B. T. GmbH in F. beschäftigt. Nach seinen Angaben schloss er am 19. September 1995 mit seinem letzten Arbeitgeber eine Vorruhestandsvereinbarung in Form eines Aufhebungsvertrages zum 31. Dezember 1995 ab. Ab dem 1. Januar 1996 war der Kläger arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld in Höhe von damals 564,00 DM wöchentlich. Ab 1. Januar 1998 betrug der wöchentliche Leistungssatz 575,26 DM (2.492,79 DM monatlich). Vom 29. August 1998 bis zum 31. März 2001 bestand Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug. Nach einem Studium an der Fernuniversität HL. erwarb der Kläger am 6. Februar 1998 den akademischen Grad eines Diplom-Kaufmanns.

Am 25. September 2000 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersrente wegen Arbeitslosigkeit mit Vollendung des 60. Lebensjahres.

Durch Bescheid vom 23. März 2001 gewährte die Beklagte dem Kläger Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit ab 1. April 2001 in Höhe von 2.188,71 DM monatlich. Nach der Anlage 6 des Bescheides wurde bei der Rentenberechnung der Zugangsfaktor von 1,0 wegen vorzeitiger Inanspruchnahme der Rente um 0,153 (51 Kalendermonate x 0,003) auf 0,847 vermindert. Dementsprechend trat eine Minderung der persönlichen Entgeltpunkte von 52,7438 auf 44,6740 ein. Die Rentenminderung betrug danach 15,3 %.

Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, er habe die Vorruhestandsvereinbarung zum 31. Dezember 1995 unter der Prämisse getroffen, dass er ab dem 60. Lebensjahr die volle Altersrente erhalten werde. Darauf habe er berechtigterweise vertrauen können. Die Bestimmungen über die Anhebung der Altersgrenzen durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 seien verfassungswidrig. Die Bestimmungen enthielten einen Verstoß gegen Artikel 14 Grundgesetz (GG) und gegen Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot. Durch die Regelungen des Rentenreformgesetzes 1992 habe der Gesetzgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen. Dieses Vertrauen sei durch die Bestimmungen des Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetzes enttäuscht worden.

Durch Widerspruchsbescheid vom 3. September 2001 wurde der Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, im Ergebnis seien alle nachgewiesenen bzw. glaubhaft gemachten Beitrags- und Anrechnungszeiten in gesetzlich festgelegtem Umfang berücksichtigt worden. Die Rentenberechnung selbst entspreche den gesetzlichen Vorschriften. Der Zugangsfaktor sei bei Entgeltpunkten, die noch nicht Grundlage von persönlichen Entgeltpunkten einer Rente wegen Alters gewesen seien, für jeden Kalendermonat, für den Versicherte eine Rente vorzeitig in Anspruch nehmen, um 0,003 niedriger (§ 77 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Sechstes Buch (SGB VI)). Aus der Tabelle der Anlage 19 zum SGB VI gehe hervor, um wie viele Monate die Altersgrenze von 60 Jahren angehoben werde. Danach betrage die Anhebung für Versicherte, die wie der Kläger im Monat März des Jahres 1941 geboren seien, 51 Monate. Multipliziert mit dem Wert von 0,003 betrage die Minderung 0,153, so dass sich zutreffend ein Zugangsfaktor von 0,847 ergebe.

Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, die Bestimmungen über die Anhebung der Altersgrenzen durch das WFG seien verfassungswidrig. Die Normen verstießen gegen Artikel 14 Abs. 1 GG und gegen Artikel 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot, da der Gesetzgeber mit den Bestimmungen des WFG über die beschleunigte Anhebung der Altersgrenzen einen entwertenden Eingriff vorgenommen habe, mit dem der Kläger nicht habe zu rechnen brauchen. Mit den Regelungen des RRG 1992 habe der Gesetzgeber einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen. Nach dem RRG 1992 hätte die Rentenminderung aufgrund seines Geburtsmonats gemäß § 41 Abs. 1 SGB VI 0,3 % betragen. Durch das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand vom 23. Juli 1996 sei die Anhebung der Altersgrenzen vorgezogen und beschleunigt worden, sofern nicht die Voraussetzungen von Vertrauensschutz- oder Übergangsregelungen nach § 237 Abs. 2 SGB VI erfüllt seien. Er falle nicht unter die Vertrauensschutzbestimmungen, da er zwar am Stichtag des 14. Februar 1996 arbeitslos gewesen sei, jedoch nicht bis zum 14. Februar 1941 geboren sei. Sein Vertrauen sei durch die Bestimmungen des WFG enttäuscht worden. Ihm sei es aus finanziellen Gründen nicht möglich, tatsächlich einen Ausgleich für die durch das WFG eingetretene Rentenminderung herbeizuführen. Der Gesetzgeber habe praktisch keine Möglichkeit gegeben, sich auf die veränderte Situation einzustellen. Hierin liege eine eindeutige Verfassungsverletzung. Die Verkürzung einer Übergangsregelung sei unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes nur unter besonderen Anforderungen möglich. Weiter wende er sich gegen die Minderbewertung von Ausbildungszeiten, die durch das RRG 1992 und zum anderen durch das WFG erfolgt seien. Auch insoweit habe der Gesetzgeber in künftige Rentenansprüche eingegriffen und damit Rechtspositionen verletzt, die angesichts seines Lebensalters zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des WFG in dieser Hinsicht besonders schutzwürdig gewesen seien.

Die Beklagte verwies auf die Begründung des Widerspruchsbescheides. Die stufenweise Anhebung der Altersgrenze von 60 Jahren auf die Regelaltersrente von 65 Jahren wirke sich nach § 237 Abs. 3 SGB VI bei Inanspruchnahme einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (§ 237 Abs. 1 SGB VI) für alle Versicherten aus, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren seien und nicht unter die Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 SGB VI fielen. Für Angehörige der Geburtsjahrgänge 12/1941 und jünger gelte die auf das 65. Lebensjahr angehobene Altersgrenze. Die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente sei durch Minderung des Zugangsfaktors (§ 77 SGB VI) zwingend mit einer Rentenminderung verbunden. Der monatliche Rentenbetrag verringere sich um 0,3 %. Die seit dem 1. Januar 1997 eingetretenen Rechtsänderungen seien verfassungskonform.

Durch Beschluss vom 26. April 2002 wurde der Verfahrensgegenstand bezüglich der Bewertung von Ausbildungszeiten abgetrennt und unter dem Aktenzeichen S-9/RA- 614/02 geführt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 2004 beantragte der Kläger im Verfahren S-9/RA-1277/01 die Abänderung des Bescheides vom 23. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2001 und die Berechnung der Rente nach dem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vorruhestandsvertrages geltenden Gesetz ohne Minderung des Zugangsfaktors durch das WFG.

Durch Urteil vom 16. Dezember 2004 wies das Sozialgericht Wiesbaden die Klage mit der Begründung ab, der Kläger habe gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung einer höheren Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit (§ 237 SGB VI) unter Zugrundelegung der Vorschriften des RRG 1992. Das Sozialgericht folgte der Begründung der angefochtenen Bescheide und sah von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG ab. Ergänzend wies das Sozialgericht darauf hin, die Absenkung des Zugangsfaktors von 1,0 auf 0,847 sei unter zutreffender Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen der §§ 237 Abs. 3, 77 Abs. 2 SGB VI erfolgt. Die Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 SGB VI, in die die im Rahmen des RRG 1992 getroffenen Festlegungen über die Anhebung der Altersgrenze - § 41 Abs. 1 SGB VI in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung – eingeflossen seien, sei nicht anzuwenden. Der Kläger sei nicht bis zum 14. Februar 1941 geboren, er sei auch nicht aus einem Betrieb der Montanunion ausgeschieden und er habe keine 45 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit. Der Gesetzgeber habe mit dem WFG die ursprünglich vorgesehene stufenweise Anhebung der Altersgrenze vom 60. auf das 65. Lebensjahr ab 2001 auf das Jahr 1997 vorverlegt. Der Gesetzgeber habe hierbei die voraussichtlichen Auswirkungen der Altersgrenzenanhebung auf die Arbeitsmarktlage, die Finanzlage der Rentenversicherungsträger und andere öffentliche Haushalte zu beachten gehabt (§ 154 Abs. 2 SGB VI a.F.). Eine Unabänderlichkeit der bei der Begründung bestehenden Bedingungen widerspreche dem Rentenversicherungsverhältnis, das nicht allein auf dem Versicherungsprinzip, sondern wesentlich mit auf dem Gedanken der Solidarität und des sozialen Ausgleichs beruhe. Bei Regelungen, die dazu dienen, die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen, sei der Gesetzgeber befugt, Rentenansprüche und –anwartschaften auch zu beschränken. Durch die Regelungen des § 237 Abs. 3 und 4 SGB VI habe der Gesetzgeber den bestehenden Vertrauensschutz und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hinreichend Rechnung getragen. Die Vertrauensschutz- bzw. Stichtagsregelung in § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB VI (keine Anhebung der Altersgrenze nach § 237 Abs. 3 SGB VI bei Versicherten, die bis zum 14. Februar 1941 geboren seien und weitere Voraussetzungen erfüllten), sei mit dem Grundgesetz vereinbar. Der Gesetzgeber sei von Verfassungs wegen nicht gehindert gewesen, Vertrauensschutz allgemein nur denjenigen am Stichtag (14. Februar 1996) bereits Arbeitslosen oder unmittelbar von Arbeitslosigkeit bedrohten Versicherten zu gewähren, die zu diesem Zeitpunkt bereits ihr 55. Lebensjahr vollendet gehabt hätten. Der Kläger habe nicht darauf vertrauen können, dass es bei den nach dem RRG 1992 vorgesehenen Abschlägen auf Dauer bleiben werde. Der 5. Senat des Bundessozialgerichts habe in seinen Entscheidungen vom 25. Februar 2004 im Einzelnen ausgeführt, dass die Regelungen des § 237 Abs. 3 und 4 SGB VI nicht gegen das Grundgesetz verstießen. Dem hätten sich der 8. und 13. Senat des Bundessozialgerichts angeschlossen. Ebenso wie die beschleunigte Anhebung der Altersgrenze für die Altersrente für Frauen unter Abschlag bei vorzeitiger Inanspruchnahme dieser Rente, die das Bundesverfassungsgericht im Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 13. Februar 2004 (1 BvR 2491/97) als verfassungsgemäß beurteilt habe, sei auch die erweiterte Anhebung der Altersgrenze für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit erforderlich und geeignet gewesen, um das Rentenversicherungssystem für die Beitragszahler bezahlbar zu erhalten und zusätzliche Lohnnebenkosten im Interesse der Schaffung oder jedenfalls des Erhalts von Arbeitsplätzen zu vermeiden.

Gegen dieses dem Kläger gegen Empfangsbekenntnis am 14. Januar 2005 zugestellte Urteil richtet sich seine mit Schriftsatz vom 9. Februar 2005 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 11. Februar 2005 – eingegangene Berufung, mit der er sein Begehren weiterverfolgt.

Der Kläger verlangt die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die Verurteilung der Beklagten nach dem vor dem Sozialgericht gestellten Antrag. Der Gesetzgeber sei nicht berechtigt gewesen, das von ihm durch die Bestimmungen des RRG 1992 geweckte Vertrauen nach nur wenigen Jahren zu beseitigen. Insoweit liege eine Vertrauensverletzung vor. Allein vom Zeitablauf her sei er nicht mehr in der Lage gewesen, auf die Veränderungen zu reagieren und den zusätzlichen Renteneinbußen durch das WFG zu entgehen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 16. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 23. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2001 zu verurteilen, die Altersrente ab 1. April 2001 nach dem zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vorruhestandsvertrages geltenden RRG 1992 ohne Minderung des Zugangsfaktors durch das WFG zu berechnen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf ihre bisherigen Ausführungen, wie sie in der angefochtenen Entscheidung des Sozialgerichts ihre Bestätigung gefunden hätten, Bezug.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (vgl. §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung ist jedoch sachlich nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 16. Dezember 2004 ist zu Recht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 23. März 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2001 ist in Bezug auf die Berechnung des Zugangsfaktors, dessen Höhe allein Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist, rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit mit einem höheren Zugangsfaktor als 0,847.

Der Rentenanspruch des 1941 geborenen Klägers richtet sich vorliegend nach den Vorschriften des SGB VI in der zum Zeitpunkt des Rentenbeginns am 1. April 2001 geltenden Fassung (vgl. § 300 Abs. 1 SGB VI; BSG, Urteil vom 24. Februar 1999 – B 5 RJ 28/98 R = SozR 3-2600 § 300 Nr. 14). Danach ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte (EP), der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit dem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden (vgl. § 64 Nr. 1 SGB VI). Der Zugangsfaktor ist also ein Berechnungselement der persönlichen EP. Gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI in der hier maßgeblichen Fassung ab 1. Januar 2001 richtet sich der Zugangsfaktor nach dem Alter der Versicherten bei Rentenbeginn und bestimmt, in welchem Umfang EP bei der Ermittlung des Monatsbetrages der Rente zu berücksichtigen sind. EP, die noch nicht Grundlage einer Rente wegen Alters waren, werden bei Renten wegen Alters, die mit Ablauf des Kalendermonats der Vollendung des 65. Lebensjahres oder eines für den Versicherten maßgebenden niedrigeren Rentenalters beginnen, in vollem Umfang berücksichtigt (Zugangsfaktor 1,0 - § 77 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI). Bei Renten wegen Alters, die vorzeitig in Anspruch genommen werden, ist der Zugangsfaktor für jeden Kalendermonat um 0,003 niedriger als 1,0 (§ 77 Abs. 2 Nr. 2a SGB VI). So liegt der Fall beim Kläger; dieser hat eine Rente wegen Alters vorzeitig in Anspruch genommen. Dies ergibt sich aus der Sonderregelung des § 237 SGB VI, die aufgrund des Artikels 1 des Rentenreformgesetzes 1999 vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2998) mit Wirkung zum 1. Januar 2000 eingefügt worden ist und folgenden Wortlaut hat:

Versicherte haben Anspruch auf Altersrente, wenn sie
1. vor dem 1. Januar 1952 geboren sind,
2. das 60. Lebensjahr vollendet haben,
3. entweder a) bei Beginn der Rente arbeitslos sind und nach Vollendung des Lebensalters von 58 Jahren und 6 Monaten insgesamt 52 Wochen arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben oder b) die Arbeitszeit aufgrund von Altersteilzeitarbeit im Sinne von §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 des Altersteilzeitgesetzes für mindestens 24 Kalendermonate vermindert haben,
4. in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente acht Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei sich der Zeitraum von zehn Jahren um Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente aus eigener Versicherung, die nicht auch Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit sind, verlängert und
5. die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt haben.

Die Altersgrenze von 60 Jahren wird bei Altersrenten wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind, angehoben. Die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente ist möglich. Die Anhebung der Altersgrenzen und die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme der Altersrenten bestimmen sich nach Anlage 19 (§ 237 Abs. 3 SGB VI).

Daraus ergibt sich für den 1941 geborenen Kläger eine Anhebung der Altersgrenze für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit um 51 Monate. Er konnte diese Altersrente entweder erst ab Vollendung eines Lebensalters von 64 Jahren und 3 Monaten in Anspruch nehmen oder musste bei vorzeitiger Inanspruchnahme ab dem 60. Lebensjahr Abschläge in Gestalt des verminderten Zugangsfaktors in Kauf nehmen.

Die Ausnahmeregelung des § 237 Abs. 4 SGB VI greift nicht zu Gunsten des Klägers ein. Nach dieser Vorschrift wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für bestimmte Versicherte nur in dem dort festgelegten Umfang angehoben. Begünstigt sind: 1) Versicherte, die bis zum 14. Februar 1941 geboren sind und a) am 14. Februar 1996 arbeitslos waren oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen oder b) deren Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung oder Vereinbarung, die vor dem 14. Februar 1996 erfolgt ist, nach dem 13. Februar 1996 beendet worden ist und die daran anschließend arbeitslos geworden sind oder Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus bezogen haben, ferner 2) Versicherte, die bis zum 14. Februar 1944 geboren sind und aufgrund einer Maßnahme nach Artikel 56 § 2 b des Vertrages über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, die vor dem 14. Februar 1996 genehmigt worden ist, aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden sind, und schließlich 3) Versicherte, die vor dem 1. Januar 1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei Zeiten, in denen Versicherte wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe versicherungspflichtig waren, nicht mitzählen. Der Kläger gehört lediglich zu den Jahrgängen, die von den beiden zuletzt genannten Ausnahmeregelungen begünstigt sind, jedoch besteht kein Anhalt dafür, dass er die weiteren Voraussetzungen dieser Regelungen erfüllt hat. Insbesondere ist der Kläger weder aus einem Betrieb der Montanindustrie ausgeschieden noch hat er mit den ab August 1955 geleisteten Pflichtbeiträgen die von § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB VI geforderten 45 Pflichtbeitragsjahre (= 540 Monate) zurückgelegt. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte sind insgesamt nur 474 berücksichtigungsfähige Monate nachgewiesen.

Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt die Anhebung der Altersgrenze für die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach Maßgabe des § 237 Abs. 3 SGB VI und sein Ausschluss von der Ausnahmeregelung nach § 237 Abs. 4 SGB VI nicht gegen das Grundgesetz (GG). Dies gilt nicht nur, soweit der Kläger von der Vertrauensschutzregelung des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 a) SGB VI ausgeschlossen ist, sondern auch im Hinblick auf die Ausnahmeregelung des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB VI.

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des § 237 SGB VI haben ihre jetzige Fassung im Wesentlichen durch das Rentenreformgesetz 1999 (RRG 1999) vom 16. Dezember 1997 (BGBl. I S. 2998) erhalten. Dieses Gesetz hat die mit dem RRG 1992 eingeleitete Entwicklung zur Begrenzung der vorgezogenen Altersrenten nochmals fortgeführt (zur historischen Entwicklung vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 3/03 R; Urteil vom 25. Februar 2004 – B 5 RJ 44/02 R = SozR 4-2600 § 237 SGB VI Nr. 1; Urteil vom 5. August 2004 – B 13 RJ 40/03 R = SozR 4-2600 § 237 SGB VI Nr. 6). Mit dem am 1. Januar 1992 in Kraft getretenen RRG 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl. I S. 2261) wurden die Altersgrenzen von 60 und 63 Jahren stufenweise auf die Vollendung des 65. Lebensjahres angehoben. Ein vorzeitiger Rentenbeginn blieb möglich, hatte aber je Kalendermonat einen dauerhaften Abschlag durch Minderung des Zugangsfaktors um 0,003 zur Folge (§ 41 Abs. 1, 2 und 3 in Verbindung mit § 77 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI in der Fassung des RRG 1992). Die Anhebung erfolgte für Arbeitslose beginnend mit dem Geburtsjahrgang 1941 und endend mit dem Geburtsjahrgang 1952, d.h. sie sollte mit dem Rentenzugangsjahr 2001 einsetzen und im Jahre 2012 abgeschlossen sein. Für den Kläger (geboren 1941) betrug die Anhebung einen Monat (§ 41 Abs. 1 SGB VI in der Fassung des RRG 1992); er hätte danach – wie er in der Klagebegründung zutreffend ausgeführt hat – mit einem um (1 x 0,003 =) 0,003 verminderten Zugangsfaktor und einer Rentenminderung von 0,3 % rechnen müssen.

Das Gesetz zur Förderung eines gleitenden Übergangs in den Ruhestand vom 23. Juli 1996 (RuStFöG – BGBl. I S. 1078) zog die Anhebung der Altersgrenze für Renten wegen Arbeitslosigkeit vor und beschleunigte sie. Die Altersgrenze von 60 Jahren bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit wurde bereits für Versicherte, die nach dem 31. Dezember 1936 geboren sind, angehoben (§ 41 Abs. 1 a Satz 1 SGB VI a.F.), die vorzeitige Inanspruchnahme einer solchen Altersrente war jedoch weiterhin möglich (§ 41 Abs. 1 a Satz 2 SGB VI a.F.). Die Regelung erging mit den jetzt in § 237 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 und 2 und Satz 2 SGB VI enthaltenen Vertrauensschutzbestimmungen (§ 237 Abs. 2 SGB VI in der Fassung des RuStFöG). Das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1461) weitete die schon durch das RuStFöG eingeleitete Beschleunigung noch einmal aus, nämlich für Jahrgänge ab 1940 in Monatsschritten (§ 41 Abs. 1 SGB VI in Verbindung mit der Anlage 19 in der Fassung des WFG). Die Anhebung der Altersgrenze ist danach bereits mit dem Geburtsjahrgang 1941 im Jahre 2006 abgeschlossen. Für alle von der Anhebung Betroffenen wurde weiter durch § 187 a SGB VI in der Fassung des RuStFöG die Möglichkeit eingeführt, die Abschläge bei vorzeitigem Rentenbeginn durch die nachträgliche Zahlung von Beiträgen ganz oder teilweise zu vermeiden. Diese Zahlung kann entsprechend der Möglichkeit des Versicherten, ab Vollendung des 54. Lebensjahres eine Auskunft des Rentenversicherungsträgers einzuholen (vgl. § 109 Abs. 1 Satz 2 SGB VI), bis zu sechs Jahre vor dem beabsichtigten Eintritt in die jeweilige vorzeitige Rente erfolgen. Ausgleichszahlungen werden bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres berücksichtigt (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 3/03 R; Urteil vom 5. August 2004 – B 13 RJ 40/03 R, jeweils unter Hinweis auf Schmeiduch, AmtlMittLVA Rheinprovinz 1997, 65 ff, 72).

In Konsequenz der Änderungen durch das WFG wurde durch das RRG 1999 zum 1. Januar 2000 der Zugang zur Rente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit für nach dem 31. Dezember 1951 geborene Versicherte ganz abgeschafft (§ 237 Abs.1 Nr. 1 SGB VI). Die Anhebung der Altersgrenzen ist jetzt in § 237 Abs. 3 SGB VI geregelt, die Übergangsregelung für vor dem 14. Februar 1941 geborene Versicherte ist in § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB VI enthalten. In § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB VI wurde – rückwirkend zum 1. Januar 1997 (Artikel 1 Nr. 75 in Verbindung mit Artikel 33 Abs. 9 RRG 1999) – die Regelung aufgenommen, dass es für solche Versicherte bei den Anhebungen bleibt, wie sie das RRG 1992 vorsah, die vor dem 1. Januar 1942 geboren sind und 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben, wobei Zeiten nicht anzurechnen sind, in denen Versicherte wegen des Bezuges von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe versicherungspflichtig waren.

Dem Kläger kommt keiner dieser Sondertatbestände zu Gute. Er ist erst nach dem 14. Februar 1941 geboren. Sein Arbeitsverhältnis endete bereits am 31. Dezember 1995. Der Kläger kann auch keine 45 Jahre mit Pflichtbeiträgen im Sinne des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB VI nachweisen. Statt der erforderlichen 540 Monate (45 Jahre) Pflichtbeitragszeiten hat er nach dem Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakte nur 474 anzurechnende Monate zurückgelegt. Konnte der Kläger demnach zum 1. April 2001 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit lediglich vorzeitig in Anspruch nehmen, so hat die Beklagte den zu berücksichtigenden Zugangsfaktor gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI in Verbindung mit § 237 Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit Anlage 19 rechnerisch richtig um 0,153 (51 Monate x 0,003) auf 0,847 abgesenkt. Dies hat gemäß § 77 Abs. 1 SGB VI zur Folge, das bei dem Kläger statt 52,7438 persönliche EP nur 44,6740 persönliche EP (52,7438 x 0,847) bei der Ermittlung des Monatsbetrags der Rente zu berücksichtigen waren. Hieraus hat die Beklagte im Rentenbescheid vom 23. März 2001 zutreffend (§ 64 SGB VI) unter Berücksichtigung eines Zuschusses zum Pflegeversicherungsbeitrag (18,45 DM) eine Rente mit einem monatlichen Zahlbetrag in Höhe von 2.188,71 DM (netto) ab 1. April 2001 berechnet.

Die Regelungen des § 237 Abs. 3 und 4 SGB VI in der Fassung des RRG 1999 verstoßen entgegen der Auffassung des Klägers nicht gegen das GG. Dies hat das Bundessozialgericht zwischenzeitlich in mehreren Entscheidungen festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 2004 – B 5 RJ 44/02 R; Urteil vom 7. Juli 2004 – 5 B 8 KN 3/03 R; Urteil vom 5. August 2004 – B 13 RJ 40/03 R = SozR 4-2600 § 237 SGB VI Nr. 6). Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung aufgrund eigener Überzeugung an. Hiernach ist der Kläger nicht dadurch in seinem Grundrecht aus Artikel 14 Abs. 1 GG verletzt, dass er statt – wie nach dem RRG 1992 – mit Vollendung des 60. Lebensjahres und einem Monat die Altersrente beziehen zu können, nunmehr vor der Wahl stand, erst im Alter von 64 Jahren und 3 Monaten (Anhebung der Altersgrenze um 51 Monate) die Rente in Anspruch zu nehmen oder bei früherem Renteneintritt eine entsprechende Kürzung (bis zu 15,3 % bei frühest möglicher Inanspruchnahme) in Kauf zu nehmen. Selbst wenn man die einfachgesetzlich ausgestaltete Rechtsposition eines Rentenanwartschaftsinhabers auch insoweit dem Schutzbereich des Artikel 14 Abs. 1 Satz 1 GG unterstellt, als mit dem Leistungsversprechen auf eine Rente wegen Alters die Möglichkeit verbunden war, unter bestimmten Voraussetzungen mit Vollendung des 60. Lebensjahres den Versicherungsfall des Alters gewillkürt herbeizuführen, d.h. eine (zukünftige) Gestaltungsmöglichkeit zu haben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Juli 1967 – 2 BvL 1/65BVerfGE 22, 241 (253); offen gelassen in BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2004 – 1 BvR 2491/97 = SozR 4-2600 § 237 a Nr. 1; hierzu neigt das BSG, a.a.O.), wird der Kläger durch die Neuregelung nicht in seinem Grundrecht aus Artikel 14 GG verletzt, sondern es handelt sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des Gesetzgebers. Gemessen an der gesetzgeberischen Zielsetzung erweist sich die damit verbundene Beschränkung seiner Rechtsposition als geeignet und erforderlich. Die gebotene Abwägung zwischen dem Interesse des Klägers an dem Erhalt der erworbenen Rechtsposition und dem öffentlichen Interesse an der Änderung ergibt auch, dass die Beschränkung verhältnismäßig und zumutbar ist. Mit den in Frage stehenden, auf das RuStFöG und das WFG zurückgehenden Regelungen in § 237 Abs. 1 und 3 SGB VI hat der Gesetzgeber einem wesentlichen Anstieg der Frühverrentungen in der ersten Hälfte der 90er-Jahre Rechnung getragen. Wie bereits zuvor mit § 41 SGB VI in der Fassung des RRG 1992 wollte der Gesetzgeber die Beitragssätze senken oder jedenfalls stabilisieren, um so die Rentenversicherung dauerhaft für die Beitragspflichtigen bezahlbar zu erhalten und den Produktionsfaktor Arbeit im Interesse der Schaffung oder jedenfalls der Erhaltung von Arbeitsplätzen von zusätzlichen Lohnnebenkosten freizuhalten. So stieg die Zahl der Rentenzugänge wegen Arbeitslosigkeit mit Vollendung des 60. Lebensjahres zwischen 1992 und 1995 dramatisch an. Gingen 1992 noch ca. 54.000 Versicherte mit Vollendung des 60. Lebensjahres wegen Arbeitslosigkeit in Rente, waren 1995 bereits ca. 294.000 Neuzugänge zu verzeichnen, was zu Kosten in Höhe von rund 22 Mrd. DM je 100.000 Arbeitnehmer bzw. Rentenneuzugängen führte (vgl. BSG, a.a.O.; Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung BT-Drucksache 13/4336, S. 1). Die hierdurch im Bereich der Rentenversicherung eintretende Entlastung wurde mit insgesamt 20,3 Mrd. DM, verteilt auf die Jahre 1998 bis 2003, veranschlagt, wobei wegen der zugleich erfolgten Umgestaltung der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in eine "Altersrente wegen - 14 - - 13 - Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit" auch zusätzliche Belastungen in die Berechnung eingestellt wurden (vgl. BT-Drucksache 13/4336, S. 25). Die bereits mit dem RuStFöG vorgezogene Anhebung der Altersgrenze stellt damit eine Inhalts- und Schrankenbestimmung dar, die ersichtlich dazu dient, die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen, ungeachtet zusätzlich verfolgter arbeitsmarktpolitischer Zielsetzungen. Denn der Gesetzgeber hat gezielt eine Sozialleistung abgebaut, die aus seiner Sicht zweckentfremdet genutzt wurde. Der Gesetzgeber durfte die durch den massiven Anstieg der Ausgaben der Rentenversicherungsträger bedingte Entwicklung mit ihren nachteiligen Folgen für Beitragszahler, Wirtschaft und Arbeitsmarkt als gewichtig bewerten. Der ungünstigen Beitragsentwicklung (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2004 – 1 BvR 2491/97, a.a.O., wonach für die Zukunft Beiträge von 26 bis 28 v.H. befürchtet wurden) stand auf Seiten der betroffenen Versicherten – wie hier dem Kläger – ein Eingriff nicht in einen schon bestehenden Rentenanspruch, sondern lediglich in eine Rentenanwartschaft gegenüber. Anwartschaften aber sind wegen des großen Zeitraums zwischen ihrem Erwerb und der Aktivierung des Rentenanspruchs naturgemäß stärker einer Veränderung der für die Rentenversicherung maßgeblichen Verhältnisse unterworfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2004 – 1 BvR 2491/97, a.a.O.; BSG, Urteil vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 3/03 R). Der Kläger hatte zwar eine durch das RRG 1992 noch nicht tangierte Anwartschaft auf eine abschlagsfreie Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab einem Alter von 60 Jahren und einem Monat. Er war in diesem Zeitpunkt aber noch mehr als 9 Jahre von der Aktivierung seines Rentenanspruchs entfernt. Der Abschlag als solcher mit 0,003 je Kalendermonat ist auch versicherungsmathematisch fair angesetzt (vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 2004 – B 5 RJ 44/02 R; Urteil vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 3/03 R).

Die Neuregelung durch das RuStFöG bzw. das WFG genügt auch dem verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes. Dabei kann offen bleiben, ob sich dieser Grundsatz bei Rentenanwartschaften aus Artikel 14 Abs. 1 GG ergibt oder aus Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsgebot des Artikel 20 Abs. 3 GG hergeleitet wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. Februar 2004 – 1 BvR 2491/97, a.a.O.; BSG, Urteil vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 3/03 R). Die beschleunigte Anhebung der Altersgrenze durch das RuStFöG am 1. August 1996 (vgl. Artikel 10 RuStFöG) bzw. das WFG am 1. Januar 1997 (vgl. Artikel 12 WFG) griff allerdings in eine den Kläger begünstigende, durch das RRG 1992 begründete Rechtslage ein. Bei der dort vorgesehenen stufenweisen Anhebung der Altersgrenze in einem Übergangszeitraum von 12 Jahren wurde er nur in erheblich geringerem Umfang von Rentenabschlägen erfasst als jüngere Versicherte. Eine solche begünstigende Regelung darf der Gesetzgeber, sofern das Interesse am Fortbestand der Regelung schutzwürdig ist und hinreichendes Gewicht hat, vor Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Frist nur ändern, wenn schwere Nachteile für wichtige Gemeinschaftsgüter zu erwarten sind, falls die geltende Übergangsregelung bestehen bleibt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 – 1 BvL 16/96, BVerfGE 102, 68 (97)). Wie das BVerfG in seinem Beschluss vom 3. Februar 2004 (1 BvR 2491/97, a.a.O.) bezogen auf die dort entschiedene Fallgestaltung (beschleunigte Anhebung des Renteneintrittsalters von Frauen) ausgeführt hat, sind jedoch geringere Anforderungen zu stellen, wenn – wie hier die Regelung des RRG 1992 zum Auslaufen der Rente mit 60 wegen Arbeitslosigkeit – die Übergangsregelungen langfristig angelegt sind. Je länger dieser Zeitraum ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass sich die für das Übergangskonzept maßgeblichen Umstände ändern und den Gesetzgeber vor eine neue Situation stellen, weil nunmehr wichtige Gemeinschaftsgüter gefährdet sind. Der Gesetzgeber des RRG 1992 hatte bei Erlass dieses Gesetzes im Jahre 1989 weder die Entwicklung der Frühverrentungen noch die vollen Auswirkungen der deutschen Vereinigung voraussehen können (vgl. BTDrucksache 12/405, 190 ff., 12/786, S. VII). Die mit langfristigen Regelungen, auch mit solchen des Übergangsrechts, verbundene Unsicherheit ist regelmäßig dem Bürger auch bewusst (vgl. BVerfGE 102, 68 (97)). Im Übrigen zählt die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nicht zum Kernbestand der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung; das Vertrauen in die Beibehaltung einer eher systemfremden Regelung erscheint von vornherein weniger schutzwürdig als das Interesse der Abdeckung des eigentlich versicherten Risikos, nämlich des Verlustes der Erwerbsfähigkeit (vgl. dazu BSG, Urteil vom 24. Februar 2004 – B 5 RJ 44/02 R). Ferner hat der Gesetzgeber die frühere Übergangsregelung nicht vollständig, sondern nur für die am Stichtag des 14. Februar 1996 noch nicht 55 Jahre alten Versicherten beseitigt. Damit hat er berücksichtigt, dass das Interesse der Versicherten an der Beibehaltung der früheren Rechtslage umso schutzwürdiger ist, je weniger sie noch in der Lage sind, sich auf die neue Rechtslage einzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Februar 2004 – B 5 RJ 44/02 R).

Auch ein Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor. Dieses Grundrecht ist vor allem dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Mai 1987 – 1 BvR 762/85BVerfGE 75, 348 (357)). Dies hat der Gesetzgeber bei den in § 237 Abs. 4 SGB VI vorgenommenen Differenzierungen aber hinreichend beachtet. Mit der Anknüpfung an die Vollendung des 55. Lebensjahres hat der Gesetzgeber eine sachgerechte Differenzierung getroffen (vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 2004 – B 5 RJ 44/02 R; Urteil vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 3/03 R). Ein Lebensalter von 55 Jahren wird allgemein als Grenze dafür angenommen, von der an bei einem angespannten Arbeitsmarkt sich die Chancen auf einen neuen Arbeitsplatz in vorgerücktem Alter zunehmend verschlechtern; zum Personenkreis der älteren Arbeitnehmer werden daher allgemein die 55 – 65jährigen Arbeitnehmer gerechnet; sie machen die "rentennahen" Jahrgänge aus, für die in der Literatur und Rechtsprechung im Hinblick darauf, dass die Reaktion auf die veränderten Lebensumstände wegen des vorgerückten Alters erschwert ist, generell ein erhöhter Vertrauensschutz diskutiert wird (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 3/03 R mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des BVerfG und des BSG).

Dass dem Kläger die Vertrauensschutzregelung nicht zu Gute kommt, obwohl er bei In- Kraft-Treten der Rechtsänderung am 1. August 1996 bzw. 1. Januar 1997 bereits das 55. Lebensjahr vollendet hatte, ist Folge der Verknüpfung dieses Differenzierungsmerkmals mit dem Stichtag des 14. Februar 1996. Die Rückwirkung auf diesen Zeitpunkt begegnet aber keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Zeitpunkt entspricht dem Datum, an dem das Bundeskabinett das dem RuStFöG zugrunde liegende (am 12. Februar 1996 in der sog. Kanzlerrunde mit den Sozialpartnern abgestimmte) Eckpunktepapier beschlossen und die entsprechenden gesetzgeberischen Schritte angekündigt und publiziert hatte. Spätestens ab diesem Tag konnte ein zu schützendes Vertrauen auf den Bestand der bisherigen Regelung nicht mehr vorliegen. Bei Wahl eines späteren Zeitpunkts, etwa dem allgemeinen In-Kraft-Treten des Gesetzes, wäre der beabsichtigte Einspareffekt gefährdet worden (vgl. dazu BSG, Urteil vom 25. Februar 2004 – B 5 RJ 44/02 R; Urteil vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 3/03 R unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Wegfall des Vertrauens bei Ankündigung einer Gesetzesänderung und zum Abstellen auf den Zeitpunkt eines Kabinettsbeschlusses als Stichtag zur Vermeidung eines Ankündigungseffekts). Allerdings hat der Kläger das für die Vertrauensschutzregelung erforderliche Lebensalter nur um ca. sechs Wochen verfehlt. Nach der Rechtsprechung des BVerfG müssen indes mit einem Stichtag verbundene unvermeidliche Härten hingenommen werden, wenn der Stichtag sachlich gerechtfertigt ist (vgl. BVerfGE 79, 212 (219) und BVerfGE 101, 239 (270)).

Schließlich ist auch nicht verfassungswidrig, dass der Kläger mit nur 474 anrechenbaren Monaten die Ausnahmeregelung des § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB VI verfehlt. Diese Regelung stellt eine Erweiterung der 1996 bereits eingeführten Vertrauensschutzregelungen zur Altersrente wegen Arbeitslosigkeit dar. Sie stimmt in ihren Voraussetzungen mit gleichlautenden Regelungen bei vorzeitigen Altersrenten für langjährig Versicherte und Frauen (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 bzw. § 237 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in der Fassung des RRG 1999) überein und wurde in § 236 a Satz 5 Nr. 2 SGB VI mit Anhebung der Altersgrenze bei den vorzeitigen Renten für Schwerbehinderte durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20. Dezember 2000 (BGBl. I S. 1827) zum 1. Januar 2001 auch für diese vorgezogene Altersrente eingeführt. Für die von ihr Begünstigten (Jahrgänge vor 1942) hat die Regelung nachträglich den durch das RRG 1992 geschaffenen Rechtszustand wiederhergestellt (vgl. BT-Drucksache 13/8011 S. 62 zu Nr. 70 = § 236 – 237 a) bzw. diesen Rechtszustand beibehalten. Das BSG hat in seinem Urteil vom 25. Februar 2004 (B 5 RJ 44/02 R) dargelegt, dass die Regelung in § 237 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 SGB VI verfassungsrechtlich nicht geboten war und es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, dass sie für einen Anspruch auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit entsprechend dem früheren Recht von den Versicherten der betroffenen Jahrgänge nur in seltenen Fällen erfüllt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 25. Februar 2004 – B 5 RJ 44/02 R; Urteil vom 7. Juli 2004 – B 8 KN 3/03 R; Urteil vom 5. August 2004 – B 13 RJ 40/03 R). Dass die Beibehaltung der früheren Rechtslage bei der Altersrente wegen Arbeitslosigkeit schwieriger erfüllbar ist als bei der Altersrente für langjährig Versicherte mit vollendetem 63. Lebensjahr ist durch die unterschiedlich langen Rentenlaufzeiten sachlich gerechtfertigt.

Insgesamt erweisen sich somit die angegriffenen Regelungen als verfassungsgemäß. Die Beklagte hat die Altersrente des Klägers im Bescheid vom 23. März 2001 zutreffend berechnet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zugrundelegung eines höheren Zugangsfaktors als 0,847 bei der Berechnung seiner Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Demgemäß war die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 16. Dezember 2004 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war im Hinblick auf die Vorlagebeschlüsse des 4. Senats des Bundessozialgerichts vom 28. Oktober 2004 (B 4 RA 42/02 R und B 4 RA 64/02 R) zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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