L 1 Ar 1191/80 (A)

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 b Ar 49/80 (A)
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 1191/80 (A)
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Die Weisung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, daß. Asylbewerber während einer einjährigen Wartezeit (Jahresfrist) keine Arbeitserlaubnis erhalten, ist nicht durch § 19 APG gedeckt und daher unwirksam.
2. Einschränkungen der Ausländerbehörden bezüglich der Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch Asylbewerber in Form von Nebenbestimmungen zur Duldung sind wirksam und für die Bundesanstalt für Arbeit verbindlich, wenn sie auf aufenthaltsrechtlichen bzw. ausländerpolizeilichen Gesichtspunkten nicht ausschließlich arbeitsmarktpolitischer Art beruhen. Zu diesen Gesichtspunkten gehört insbesondere die Beachtung einwanderungspolitischer Interessen.
3. Besteht nur eine auf aufenthaltsrechtlichen bzw. ausländerpolizeilichen Gesichtspunkten beruhende. Einschränkung dahingehend, daß der Aufenthalt des Asylbewerbers auf ein bestimmtes räumliches Gebiet beschränkt wird, nicht jedoch gleichzeitig eine Einschränkung dahingehend, daß dem Asylbewerber auch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit innerhalb dieses Gebietes nicht gestattet ist, so kommt es darauf an, ob Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes innerhalb dieses räumlich beschränkten Gebietes die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zulassen.
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 5. September 1980 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erteilung einer Arbeitserlaubnis im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Der 1951 geborene Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Er reiste am 24. März 1980 über den Flughafen Frankfurt am Main als Tourist in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte hier die Anerkennung als Asylberechtigter. Er wohnt in S. und bezieht Sozialhilfe; seine Ehefrau und seine fünf Kinder leben in der Türkei. Die Abschiebung aus dem Geltungsbereich des Ausländergesetzes wurde zunächst bis zum 30. September 1980, sodann bis zum 31. Dezember 1980 ausgesetzt. Diese Aussetzung der Abschiebung (Duldung) ist u.a. mit folgenden Nebenbestimmungen versehen worden: Zum einen wird der Aufenthalt auf den Bereich des Landkreises M. beschränkt; zum anderen ist eine selbständige Erwerbstätigkeit oder vergleichbare unselbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet. Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in FZ. vom 2. Juli 1980 abgelehnt; insoweit ist eine Klage des Antragstellers beim Verwaltungsgericht W. anhängig.

Am 6. August 1980 beantragte der Antragsteller beim Arbeitsamt M., Dienststelle S., die Erteilung einer Arbeitserlaubnis für eine Tätigkeit als Hilfsarbeiter bei dem Eisenwerk G. in L. oder bei der Firma C. in S ...

Mit Bescheid vom 1. September 1980 wurde dieser Antrag abgelehnt. Die Antragsgegnerin stützte sich dabei vor allem auf eine ihr aufgrund eines Beschlusses der Bundesregierung vom 18. Juni 1980 erteilte Weisung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, wonach Asylbewerber während einer einjähriger Wartezeit (Jahresfrist) keine. Arbeitserlaubnis erhalten. Der am 25. September 1980 eingelegte Widerspruch des Antragstellers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 1980, zugestellt am 8. Oktober 1980, als unbegründet zurückgewiesen. Am 4. November 1980 hat der Antragsteller beim Sozialgericht M. Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.

Zuvor hat er bereits am 18. August 1980 beim Sozialgericht M. den Erlaß einer einstweiligen Anordnung dahingehend beantragt, daß die Antragsgegnerin verpflichtet werde, ihm die begehrte Arbeitserlaubnis zu erteilen, und dabei im wesentlichen geltend gemacht, daß die betreffende Weisung über die Wartezeit bei Asylbewerbern unwirksam sei, und zwar vor allem deshalb, weil sie eine Einzelfallprüfung ausschließe. Die Antragsgegnerin hat sich demgegenüber auf die ihr erteilte Weisung berufen.

Mit Beschluss vom 5. September 1980 hat das Sozialgericht M. den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Diese Entscheidung ist im wesentlichen darauf gestützt, daß der Antragsteller auf den Bezug von Leistungen der Sozialhilfe verwiesen werden könne und durch die Erteilung einer Arbeitserlaubnis aufgrund einstweiliger Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache in unzulässiger Weise vorweggenommen werde.

Gegen diesen, ihm am 15. September 1980 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, eingelegt mit einem am 26. September 1980 beim Sozialgericht M. eingegangenen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 24. September 1980; der das Sozialgericht am 26. September 1980 nicht abgeholfen hat. Am 7. Oktober 1980 hat es die Beschwerde dem Hessischen Landessozialgericht vorgelegt.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts M. vom 5. September 1980 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm eine Arbeitserlaubnis für eine Hilfsarbeitertätigkeit im Eisenwerk G. in L. hilfsweise bei der Firma C. in S., zu erteilen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Gericht hat sich von der Antragsgegnerin Angaben über Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Landkreis M. vorlegen lassen; insoweit wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Antragsgegnerin vom 18. November 1980 und 8. Dezember 1980 verwiesen. Ebenso wird verwiesen auf den Inhalt einer mit Schreiben vom 27. November 1980 erteilten Auskunft des Landrates des Kreises M. über die bei dem Antragsteller derzeit bestehenden Einschränkungen bezüglich der Ausübung einer Erwerbstätigkeit und deren Begründung.

Im übrigen wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der. Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin, die dem Senat bei seiner Entscheidung vorgelegen haben.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 173 Satz 1 Halbsatz 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) sowie an sich statthaft (§ 172 Abs. 1 SGG).

Sie ist jedoch unbegründet. Der Beschluss des Sozialgerichts M. vom 5. September 1980 ist in seinem Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin kann nicht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet werden, dem Antragsteller eine Arbeitserlaubnis für eine Hilfsarbeitertätigkeit bei dem Eisenwerk G. in L. oder, bei der Firma C. in S. zu erteilen. Die diesbezüglichen Voraussetzungen sind nicht gegeben.

Zwar können die Sozialgerichte auch ohne entsprechende ausdrückliche Regelung im Sozialgerichtsgesetz in entsprechender Anwendung des § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) einstweilige Anordnungen erlassen. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verlangt einen vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz jedenfalls dann, wenn ohne solchen Rechtsschutz schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (so BVerfG, Beschluss vom 19. Oktober 1977 – 2 BvR 42/76BVerfGE 46, 166, 177 ff.; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. November 1977 – L 5 Ar 80/77 BNJW 1978, 727 f; von Mutius, Zum vorläufigen Rechtsschutz in der Sozialgerichtsbarkeit, VerwArch. Bd. 70, 1979, 359 ff.). Auch die Erteilung einer Arbeitserlaubnis kann auf diese Weise im Wege der einstweiligen Anordnung durchgesetzt werden (vgl. BVerfG und LSG Baden-Württemberg, jeweils a.a.O.; LSG Hamburg, Beschluss vom 14. Dezember 1978 – V ARBs 20/78 – Breithaupt 1979, 666, 668; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. April 1979 – L 12 Ar 188/78; Gagel/Jülicher, Arbeitsförderungsgesetz, Kommentar, 1. Lieferung, §§ 1–62, 1979, § 19 AFG, RndNr. 31). Die Entscheidung in der Hauptsache wird durch den Erlaß einer derartigen einstweiligen Anordnung nicht in unzulässiger Weise vorweggenommen, da die in Ausführung einer einstweiligen Anordnung zu erteilende Arbeitserlaubnis unter den Vorbehalt der endgültigen Entscheidung in der Hauptsache gestellt werden kann (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.). Entsprechende Nachteile drohen allerdings dann nicht, wenn der Antragsteller in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg hat. Deshalb sind die in der Hauptsache vorhandenen Erfolgsaussichten in die im Rahmen der Prüfung der einstweiligen Anordnung vorzunehmende Abwägung der Interessen des Antragstellers an dem Erlaß einer einstweiligen Anordnung und der Interessen der Antragsgegnerin an ihrer Verhinderung einzubeziehen. Die einstweilige Anordnung ist abzulehnen, wenn – jedenfalls nach der Sach- und Rechtslage, wie sie im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag gegeben ist in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg besteht (vgl. LSG Baden-Württemberg, a.a.O., 728; SG Bremen, Beschluss vom 14. August 1979 – S 6 J 216/79 – Breithaupt 1980, 203, 207). Zumindest bei dieser Fallgestaltung kann der Antragsteller auf den Bezug von Sozialhilfe verwiesen werden (weitergehend Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 31. Oktober 1980 – L 1 SG (Ar) 22/80; vgl. auch OVG Münster, Beschluss vom 23. Juli 1980 – 4 B 490/80NJW 1980, 2663 f).

Im vorliegenden Falle fehlt es, jedenfalls derzeit, an entsprechend hinreichenden Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Allerdings werden diese Erfolgsaussichten nicht durch die Jahresfrist-Regelung für Asylbewerber ausgeschlossen, auf die die Antragsgegnerin sich beruft. Insoweit gilt, ebenso wie für die früheren Stichtags- bzw. Wartezeitregelungen, daß eine derartige schematische Anknüpfung an generelle Fristen, die die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles unberücksichtigt läßt, nicht durch § 19 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gedeckt und daher unwirksam ist (vgl. zu den früheren Regelungen i.S. der Bejahung ihrer Unwirksamkeit: LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 24. Mai 1978 – L 12 Ar 6/78NJW 1979, 512; Hess. LSG, Urt. v. 15. September 1980 – L 10/1 Ar 1307/79; Hanau, Das Verhältnis von Arbeitsvertrag, Arbeitserlaubnis und Aufenthaltserlaubnis ausländischer Arbeitnehmer, in: 25 Jahre Bundesarbeitsgericht, 1979, 169 ff., 193; Huber, Rechtmäßigkeit der Stichtagsregelung im Arbeitserlaubnisverfahren?, NJW 1979, 463, 464; ders., Die Entwicklung des Ausländer- und Arbeitserlaubnisrechts im Jahre 1979, NJW 1980, 1977, 1984; Wollenschläger in Kanein, Ausländergesetz, Kommentar, 3. Aufl., 1980, Teil 2, Anm. II 2 c bb, 336 f; ders., Urteilsanmerkung, SGb 1980, 167, 168; a.A. LSG Hamburg, Urt. v. 18. Mai 1978 – V ARBf 4/78NJW 1979, 511). Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 AFG wird die Arbeitserlaubnis nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes "unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles” erteilt. Über diese Verpflichtung zur Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalles kann sich auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bei Weisungen, die er im Rahmen des § 19 Abs. 4 AFG erteilt, nicht hinwegsetzen (vgl. zur Außerkraftsetzung der Normregelungen des Gesetzes durch Weisungen auch BSG, Urt. v. 10. Oktober 1978 – 7/12 RAr 39/77BSGE 47, 93, 100 = SozR 4100 § 19 Nr. 8 = SGb 1980, 162, 166).

Allerdings wären die Erfolgsaussichten in der Hauptsache von vornherein zu verneinen gewesen, wenn von Seiten der zuständigen Ausländerbehörde in Form von Nebenbestimmungen zur Duldung, wie sie gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 Ausländergesetz (AuslG) i.V.m. § 7 Abs. 3 AuslG getroffen werden können, Einschränkungen bestehen würden, die die Erteilung einer Arbeitserlaubnis ausschließen. Derartige Nebenbestimmungen sind, wie der Senat entschieden hat (vgl. Urteil vom 11. Dezember 1980 – L 1 Ar – 832/78), wirksam und für die Antragsgegnerin verbindlich, wenn sie auf aufenthaltsrechtlichen bzw. ausländerpolizeilichen Gesichtspunkten nicht ausschließlich arbeitsmarktpolitischer Art beruhen (vgl. hierzu auch Gagel/Jülicher, a.a.O., RndNr. 3; Hanau, a.a.O., 197, Schwerdtfeger, Welche rechtlichen Vorkehrungen empfehlen sich, um die Rechtsstellung von Ausländern in der Bundesrepublik Deutschland angemessen zu gestalten?, in: Verhandlungen des 53. Deutschen Juristentages, 1980, Bd. I, Teil A, 50). Zu diesen Gesichtspunkten, auf die Einschränkungen zulässigerweise gestützt werden können, gehört insbesondere die Beachtung einwanderungspolitischer Interessen (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 1973 – I C 35.72BVerwGE 42, 148, 156; BVerwG, Urteil v. 27. September 1978 – I C 22.76BVerwGE 56, 273, 280). Die Ausländerbehörde übt das ihr hinsichtlich der Festsetzung von Nebenbestimmungen eingeräumte Ermessen in der Regel fehlerfrei aus, wenn sie eine zu Erwerbszwecken begehrte Aufenthaltserlaubnis verweigert, um eine Einwanderung zu verhindern oder zu beenden (vgl. bezüglich einer unselbständigen Erwerbstätigkeit: BVerwG, Urteil vom 29. April 1971 – I C 7.69BVerwGE 38, 90, 93; bezüglich einer selbständigen Erwerbstätigkeit: BVerwG, Urteile vom 27. September 1978, a.a.O.).

Im Falle des Antragstellers bestehen Einschränkungen, die die Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitserlaubnis zwar – in räumlicher Hinsicht – begrenzen, sie Innerhalb des verbleibenden Rahmens jedoch nicht ausschließen. Es handelt sich hierbei um die Einschränkung, daß der Aufenthalt auf den Bereich des Landkreises M. beschränkt ist. Diese Beschränkung beruht, wie sich aus dem Schreiben des Landrates des Kreises M. vom 27. November 1980 ergibt, auf aufenthaltsrechtlichen bzw. ausländerpolizeilichen Gesichtspunkten. Sie ist darauf zurückzuführen, daß der Antragsteller nicht in ein Sammellager für Asylbewerber eingewiesen werden könnte.

Mit ihr werden im wesentlichen zwei Ziele verfolgt: Zum einen soll die gleichmäßige Verteilung der Asylbewerber in den einzelnen Bundesländern gewährleistet werden; zum anderen soll eine ständige Kontrolle über den Aufenthalt dar Asylbewerber sichergestellt werden (vgl. Henkel, Der "geduldete” Asylsuchende, DVBl. 1980, 1973, 1977). Da die Beschränkung des Aufenthalts des Antragstellers auf den Bereich des Landkreises M. damit für die Antragsgegnerin wirksam ist, folgt hieraus, daß es für die Beurteilung von Läge und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2 AFG, § 1 Verordnung über die Arbeitserlaubnis für nichtdeutsche Arbeitnehmer (Arbeitserlaubnisverordnung) vom 12. September 1980 (BGBl. I S. 1755) allein auf das Gebiet des Landkreises M. ankommt. Unerheblich ist, ob Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes außerhalb dieses Landkreises die Erteilung einer Arbeitserlaubnis zulassen; insoweit besteht eine für die Arbeitsverwaltung verbindliche ausländerbehördliche Einschränkung, die auch die Gerichte bei ihrer Entscheidung über die Erteilung einer Arbeitserlaubnis beachten müssen. Verbindlich gewesen wäre auch eine auf aufenthaltsrechtliche bzw. ausländerpolizeiliche Gesichtspunkte gestützte Einschränkung dahingehend, daß die Ausübung einer Erwerbstätigkeit durch den Antragsteller nicht gestattet ist. Diese Einschränkung hätte zur Folge gehabt, daß der Antragsteller auch im Bereich des Landkreises M. hätte keine Erwerbstätigkeit ausüben können und ihm damit eine Arbeitserlaubnis von vornherein zu versagen gewesen wäre. Eine diesbezügliche Einschränkung besteht im vorliegenden Falle jedoch nicht. Dem Antragsteller ist lediglich eine selbständige Erwerbstätigkeit oder vergleichbare unselbständige Erwerbstätigkeit nicht gestattet; er kann, wie der Landrat des Kreises M. in seinem Schreiben vom 27. November 1980 ausdrücklich hervorgehoben hat, im Bereich des Landkreises M. einer unselbständigen Tätigkeit nachgehen. Insoweit ist demzufolge auf Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes, wenn auch nur in diesem räumlich begrenzten Gebiet, abzustellen.

Für den Bereich des Kreises M. lassen aber Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes die Erteilung der von dem Antragsteller begehrten Arbeitserlaubnis nicht zu. Dabei kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag an; bezüglich einer zurückliegenden Zeit kann der Antragsteller allenfalls eine sog. Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SOG erheben (vgl. BSG, Urt. v. 17. Juli 1980 – 7 RAr 20/79; Hennig/Kühl/Heuer, Arbeitsförderungsgesetz, Kommentar, Stand: Oktober 1980, § 19 AFG, Anm. 2.4, 2.5; Gagel/Jülicher, a.a.O., RndNr. 29). Hinsichtlich der Beurteilung von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im einzelnen ist auf den Zweck des § 19 APG zurückzugreifen, der darin besteht, einen Vorrang deutscher und ihnen gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer bei der Arbeitsvermittlung sicherzustellen (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Diesem Zweck widerspräche die Erteilung der vom Antragsteller begehrten Arbeitserlaubnis, wenn für den entsprechenden Arbeitsplatz unschwer deutsche oder, ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer vermittelt werden könnten. Dies kann angenommen werden, wenn in der entsprechenden Berufsgruppe und auf dem örtlichen Arbeitsmarkt, für den die Arbeitserlaubnis erteilt werden kann, ein deutlicher, das Mehrfache betragender Überhang an Arbeitsuchenden gegenüber offenen Stellen besteht. Eine Ausnahme ist insoweit lediglich anzuerkennen, wenn der Antragsteller keinem Deutschen und keinem bevorrechtigten Ausländer den konkreten Arbeitsplatz "wegnimmt”, weil der betreffende Arbeitgeber aus besonderen, objektiv und sachlich, gerechtfertigten Gründen, die in seinem individuellen Geschäftsinteresse liegen, die Beschäftigung des Ausländers, um dessen Arbeitserlaubnis es geht, anstrebt oder wenn für einen bestimmten Arbeitsplatz kein deutscher oder gleichgestellter ausländischer Arbeitnehmer in Betracht kommt und der betreffende Arbeitgeber einen freien Arbeitsplatz daher in angemessener Zeit nicht mit einem Deutschen oder bevorrechtigten Ausländer besetzen kann (vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.). Für eine derartige Ausnahmefallgestaltung, wie sie zu letzt aufgezeigt wurde, bestehen jedoch weder bezüglich einer Tätigkeit bei dem Eisenwerk G. noch bezüglich einer Tätigkeit bei der Firma C. irgendwelche Anhaltspunkte, so daß generell auf die allgemeine Lage des für den Antragsteller in Betracht kommenden Arbeitsmarktes im Landkreis M. abzustellen ist. Diese läßt jedoch, wie die Antragsgegnerin überzeugend dargelegt hat; die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an den Antragsteller nicht zu. Im Bereich des Arbeitsamtes M., das das Gebiet des Landkreises M. überwiegend abdeckt, betrug die Arbeitslosenquote im Monat Oktober 1980 2,9 %; den 2125 arbeitslos gemeldeten Bewerbern stand ein Stellenangebot von nur 633 Stellen gegenüber, so daß rein rechnerisch für 100 Arbeitslose 30. Arbeitsplätze zur Verfügung standen. Insoweit hatte der Arbeitsamtsbezirk M. die höchste Steigerungsrate bei der Arbeitslosigkeit in Hessen zu verzeichnen. Im Laufe der nächsten Monate ist mit einer weiteren Verschlechterung dieser Arbeitsmarktsituation zu rechnen. Für den Bereich der Arbeitsamtsnebenstelle B., die das restliche Gebiet des Landkreises M. abdeckt, gelten ähnliche Verhältnisse. Auch hier verschlechterte sich die Arbeitsmarktsituation überproportional gegenüber den hessischen Durchschnittswerten. Die Arbeitslosenquote betrug hier im Oktober 1980 sogar 3,5 %; dem Bestand von 611 Arbeitslosen stand ein Bestand von 149 offenen Stellen gegenüber. Hinzu kamen 600 Bezieher von Kurzarbeitergeld. Die wenigen ansässigen Großbetriebe haben teils Kurzarbeit angemeldet, so z.B. die Eisengießerei W. in S. oder die Eisengießerei B. in B.; teils stellen sie keine neuen Arbeitnehmer mehr ein, so z.B. das Baugeschäft M. in G.; teils beschäftigen sie grundsätzlich keine männlichen Arbeitskräfte türkischer Staatsangehörigkeit, so z.B. die Firma F. in S ... Vor allem aber fällt ins Gewicht, daß auf dem Arbeitsmarkt, wie er speziell für den. Antragsteller in Betracht kommt, genügend deutsche oder bevorrechtigte ausländische Arbeitnehmer zur Verfügung stehen. So wird Allein die Eisengießerei W. in S. in den Monaten November und Dezember 1980 insgesamt 187 Arbeitnehmer entlassen. Bei der Eisengießerei B. in B. stehen von den insgesamt ca. 700 Beschäftigten ca. 600 in Kurzarbeit.

Nicht günstiger liegen die Verhältnisse, wenn man auf die Firma C. in S. abstellt. Dieses Unternehmen, das überwiegend Altkabel zerlegt, um die in dem Kabel enthaltenen Edelmetalle zurückzugewinnen, beschäftigt zwar vornehmlich ausländische Arbeitnehmer und hierunter wiederum überwiegend Türken, es sind jedoch genügend deutsche oder ihnen gleichgestellte ausländische Arbeitnehmer vorhanden, die im Bedarfsfalle vermittelt werden können. In diesem Zusammenhang hat die Antragsgegnerin zum einen darauf hingewiesen, daß zwei Vermittlungsaufträge der Firma C. im Mai bzw. Juni 1980 ohne weiteres erfüllt werden konnten; zum anderen hat sie vorgetragen, daß, falls sich bei der Firma C. in absehbarer Zukunft ein zusätzlicher Bedarf an Hilfsarbeitern ergeben, sollte, dieser deshalb ohne weiteres gedeckt werden kann, weil die Eisengießerei W. in S. u.a. 80 bis 90 türkische Hilfskräfte entlassen hat, die in der Mehrzahl sogar eine besondere Arbeitserlaubnis besitzen und demzufolge gegenüber dem Antragsteller bevorrechtigt zu vermitteln wären. Hinzu kommt außerdem, daß diese Arbeitnehmer bei der Firma W. eine in etwa vergleichbare Tätigkeit ausgeübt haben und daher für eine Beschäftigung bei der Firma C. besonders geeignet sind. Angesichts des Umstandes, daß die Firma C. z. Zt. insgesamt nur 33 Arbeitnehmer beschäftigt, besteht damit auch Insoweit ein merklicher Überhang an Deutschen und ihnen gleichgestellten Ausländern, falls in Zukunft freiwerdende Arbeitsplätze zu besetzen sein sollten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SOG.

Diese Entscheidung kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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