L 3 U 1143/75

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 151/73
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1143/75
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine schwere körperliche Anstrengung (Schneeschaufeln) stellt dann keine wesentliche Mitursache für den Eintritt des Todes durch Herzinfarkt und damit keine Folge eines Arbeitsunfalls dar, wenn insbesondere mangels Obduktion nicht festgestellt werden kann, in welchem Stadium sich eine vorhanden gewesene Coronarsklerose (nach einem ersten Herzinfarkt) befand.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg/Lahn vom 4. November 1975 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der 1972 eingetretene Tod des Ehemannes der Klägerin, des Tierarztes Dr. , geboren 1919, durch einen Arbeitsunfall verursacht worden ist und ihr Hinterbliebenenrente zusteht.

B. hatte bereits im September 1963 einen Herzhinterwandinfarkt erlitten. Am Morgen des 18. November 1972, einem Samstag, verließ er etwa gegen 8.00 Uhr die Wohnung seines Eigenheimes, um mit seinem Personenkraftwagen (Pkw) Tierarztbesuche in der Umgebung durchzuführen. Da Schnee gefallen war, mußte er die Verbindungsstrecke von seiner Garage zur öffentlichen Straße freischaufeln. Gegen 8.30 Uhr fuhr er mit seinem Pkw fort. Gegen 10.00 Uhr fand man ihn am Ortsausgang von RN. an der Straße in Richtung NH. tot in seinem Pkw sitzend auf. Er hatte offensichtlich einer Rechtskurve der Straße nicht mehr folgen können, aber noch die Bremse angezogen und die Zündung des Motors abgestellt. Sein Hausarzt vermerkte in dem Leichenschauschein, B. sei gegen 8.30 Uhr an einem Herzinfarkt (Sekundenherztod) gestorben.

Den Antrag der Klägerin auf Hinterbliebenenleistungen vom 28. Februar 1973 lehnte die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 27. November 1973 ab, nachdem sie eine kurze gutachtliche Stellungnahme des Facharztes für innere Krankheiten Dr. med. GH., vom 31. Oktober 1973 eingeholt hatte. Zur Begründung führte sie aus, B. habe während seiner Betriebsfahrt keinen Unfall i.S. des Gesetzes erlitten. Bei der festgestellten Todesursache habe es sich um den schicksalsgegebenen Ablauf einer Coronarsklerose gehandelt, die seit April 1960 bekannt und behandelt worden sei und im September 1963 zu einem ausgedehnten Herzinfarkt geführt habe. Coronarsklerose und terminaler Herzinfarkt seien ausschließlich durch endogen bedingte Veränderungen verursacht worden.

Gegen diese ihr am 29. November 1973 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am 6. Dezember 1973 Klage bei dem Sozialgericht Marburg/Lahn (SG) erhoben. Im Zuge umfangreicher Ermittlungen hat das SG die Klägerin am 27. Mai 1975 persönlich gehört und von dem ehemaligen Direktor der Universitäts-Asthmaklinik am in , Prof. Dr. ein innerfachärztliches Aktengutachten vom 12. August 1975 eingeholt. Dieser Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, B. sei wahrscheinlich an einem zweiten Herzinfarkt gestorben, der in einem ursächlichen Zusammenhang mit der körperlichen Anstrengung des vorangegangenen Schneeschaufelns gestanden habe. Möglicherweise hätte der Tod aber auch ohne diese Anstrengung innerhalb der nächsten Wochen oder Monate im natürlichen Verlauf der vorhanden gewesenen Coronarsklerose eintreten können.

Mit Urteil vom 4. November 1975 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. November 1973 dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin Hinterbliebenenleistungen nach ihrem verstorbenen Ehemann zu gewähren. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 17. November 1975 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 15. Dezember 1975 Berufung beim Hess. Landessozialgericht eingelegt.

Zur weiteren Ermittlung des Sachverhalts ist von Amts wegen ein innerfachärztliches Gutachten nach Aktenlage der Prof. D. (Medizinische Universitätsklinik ) vom 30. August 1976 eingeholt worden. Darin wird die Auffassung vertreten, der Tod des B. sei mit großer Wahrscheinlichkeit Folge eines akuten Herzversagens gewesen. Ihm sei ursächlich eine coronare Herzkrankheit vorausgegangen, die 1963 erstmals zum Auftreten eines Herzinfarkts und in der Folge zu häufigen pectanginösen Beschwerden geführt habe. Als sogenannter Risikofaktor habe eine Störung des Fettstoffwechsels mit zeitweiser Erhöhung der Blutfette vorgelegen. Die Tätigkeit des Schneeräumens am 18. November 1972 und die anschließende Autofahrt des B. habe nur eine sogenannte Gelegenheitsursache dargestellt. Die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges bestehe nicht, da der Tod des B. auch bei jeder anderen Tätigkeit, sogar während körperlicher Ruhe, habe eintreten können. Auf Antrag der Klägerin gem. § 109 SGG ist ein weiteres innerfachärztliches Aktengutachten vom 20. April 1977 mit Ergänzung vom 25. Oktober 1977 durch Prof. Dr. und Dr. (Klinik ) für Herz- und Kreislaufkrankheiten in /Oberbayern) eingeholt worden. Diese Sachverständigen vertreten die Auffassung, das Schneeschaufeln sei für B. eine ungewohnte, schwere körperliche Arbeit gewesen, die überwiegend statische Muskelarbeit erfordert habe und deshalb für einen herzkranken Mann als besonders ungünstig anzusehen sei. Ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Tod sei wahrscheinlich, wobei allerdings eingeräumt werden müsse, daß die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung schwierig sei. Die Statistiken über die Häufigkeit des Auftretens eines Herzinfarktes nach ungewöhnlicher körperlicher Belastung seien unterschiedlich und schwankten zwischen 1,9 % und 21 % in der Literatur. Demgegenüber gebe es ebenfalls Statistiken in der Literatur, nach denen bei vielen Herzinfarkten kein Zusammenhang mit der vorangegangenen Tätigkeit bestanden habe und deren Beobachtungsgut ausweise, daß es bei der Hälfte in Ruhe bzw. während des Schlafes zum Infarktereignis gekommen sei. Obwohl sie mit Wahrscheinlichkeit einen ursächlichen Zusammenhang mit der vorangegangenen Tätigkeit des B. und seinem plötzlichen Tod annähmen, müßten sie es als theoretisch möglich einräumen, daß der Tod des B. bei der Schwere des Grundleidens auch durch andere, alltäglich vorkommende, ähnlich gelagerte Ereignisse hätte ausgelöst werden können.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, der geltend gemachte Klageanspruch sei unbegründet. Das werde durch das Ergebnis der Beweisaufnahme bestätigt. Selbst Prof. Dr. und Dr. räumten am Schluß des ergänzenden Gutachtens ein, daß die dem Tode des B. vorausgegangene körperliche Anstrengung eine sogenannte Gelegenheitsursache darstelle.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 4. November 1975 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei es erwiesen, daß der Tod des B. wahrscheinlich eine direkte Folge der bei der beruflichen Tätigkeit geleisteten körperlichen Anstrengung gewesen sei. Das Gutachten der Profes. und sei nicht geeignet, die Gutachten der übrigen Gerichtssachverständigen zu widerlegen. Der entscheidende Fehler liege darin, daß diese Sachverständigen die Eigenart der körperlichen Anstrengung beim Schneeschaufeln als vorwiegend isometrische oder statische Muskelarbeit, die besonders ungünstig für Herz- und Kreislauf sei, verkannt hätten. Mit den Professoren und sowie mit Frau Dr. sei deshalb die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Tod zu bejahen. Die Frage einer sogenannten Gelegenheitsursache sei von vornherein zu verneinen. Da mangels einer Obduktion keine genaue Kenntnis über den Grad der bei B. vorhanden gewesenen Coronarsklerose bestehe, sei es nicht zulässig, bei ihm eine Vorerkrankung der Art anzunehmen, daß schon jeder äußere Anlaß nur noch als Gelegenheitsursache gewertet werden könne.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und den der Unfallakten der Beklagten Bezug genommen, insbesondere auch auf das zum Gegenstand des Verfahrens gemachte fachinternistische Gutachten des Prof. Dr. (Medizinische Universitätsklinik ) vom 1. Dezember 1976, das in dem beim Hess. LSG anhängig gewesenen Verfahren L-3/U – 468/73 eingeholt wurde.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist statthaft. Auch soweit sie bezüglich der Hinterbliebenenleistungen einmalige Leistungen (§ 589 Abs. 1 Nr. 1 und 2 RVO) und wiederkehrende Leistungen bis zu 13 Wochen (§ 591 RVO) betrifft, ist sie nicht nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG ausgeschlossen, weil der ursächliche Zusammenhang des Todes mit einem Arbeitsunfall streitig ist (§ 150 Nr. 3 SGG).

Sie ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG der Klage stattgegeben. Der angefochtene Bescheid ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen zu, weil der Tod des B. nicht durch einen Arbeitsunfall verursacht worden ist (§ 589 Abs. 1 RVO). B. ist zwar während einer gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 7 RVO bei der Beklagten versicherten Tätigkeit verstorben. Er hat aber keinen Arbeitsunfall i.S. von § 548 Abs. 1 S. 1 RVO erlitten.

Hierzu stellt der Senat fest: Die Eltern des im Jahre 1919 geborenen B. waren herzkrank. Der Vater verstarb mit 51 Jahren an Herzschlag. B. machte im Jahre 1938 eine Lungenentzündung durch. Während des Kriegsdienstes erlitt er 1941 und 1943 Granatsplitterverletzungen am Kopf. Versorgungsbezüge nach dem BVG erhielt er nicht. Er rauchte früher bis zu 30 Zigaretten täglich. Im September 1963 erlitt er einen Herzhinterwandinfarkt, den er mit seiner damaligen nervlichen und körperlichen Belastung in Zusammenhang brachte. In der damals entstandenen Krankengeschichte des Diakonie-Krankenhauses heißt es u.a.: "15 Zigaretten tgl.” Nach der von Dr. erhobenen Anamnese (vgl. Arztbrief an Dr. vom 21. Mai 1970) war B. seit 1967 Nichtraucher. Damals wurde ein stark erhöhter Cholesterinspiegel festgestellt. Seitdem hatte B. immer stenocardische Sensationen trotz Coronartherapie mit Intensain oder Isoptin und Marcumarbehandlung durch Dr ... Im Mai 1970 waren sie besonders stark in der linken Brustseite. Es bestanden ein Engegefühl und Schmerzen im Hals, letztere ausstrahlend in den linken Arm. Die Schmerzen verschwanden bei körperlicher Belastung. Der labormäßig festgestellte Fettstatus im Blut war am 1. April 1970 in allen Fraktionen erhöht, desgleichen der Cholesteringehalt. Diese Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der Krankengeschichte des Diakonie-Krankenhauses /Kreis (stationäre Behandlung vom 22. September bis 15. November 1963), den Arztbriefen des Dr. vom 21. Mai 1970 und des Doz. Dr. vom 11. Juni 1970 sowie den Befundbericht des Dr. vom 6. Mai 1974.

In der Woche vor seinem Tode war B. beruflich besonders angestrengt. Am Vortage wurden ihm die Hausbesuche durch hohen Schneefall erschwert, wodurch er gezwungen war, seinen Pkw selbst auf Spike-Reifen umzurüsten. Am Samstag, dem 18. November 1972, hatte er noch mindestens drei Tierarztbesuche zu machen. Von etwa 8.00 Uhr bis 8.30 Uhr räumte er die ca. 16 m lange Einfahrt zur Garage vom Schnee, dessen Höhe ungefähr 8 bis 10 cm betrug. Da die Schneeräumungsmaßnahmen der Gemeinde außerdem an der Seite der öffentlichen Straße Schneefälle von 60 bis 80 cm hinterlassen hatten, mußte B. auch hierdurch aufgehäuften Schnee vor der Garageneinfahrt wegschaufeln. Nachdem er eine halbe Stunde lang relativ nassen und klebrigen Schnee geschaufelt hatte, setzte er sich an das Steuer seines Pkw s und fuhr in Richtung –. Gegen 10.00 Uhr wurde er etwa 3 Fahrminuten entfernt neben der Landstraße tot in seinem Wagen aufgefunden. Er war nicht mehr einer Rechtskurve gefolgt, sondern geradeaus 8 bis 10 m auf freies Gelände gefahren. Ihm war es noch gelungen, die Handbremse anzuziehen und die Zündung des Motors abzustellen. Der Hausarzt Dr. bescheinigte am 18. November 1972 im Leichenschauschein, der Tod sei um 8.30 Uhr eingetreten. Unmittelbar sei er durch Herzinfarkt und Sekundenherztod herbeigeführt worden. Ein "Herzinfarkt 1961” sei ursächlich vorausgegangen. Zur Zeit des Todes habe Hyperlipidämie bestanden. Eine Obduktion wurde nicht vorgenommen. Diese Feststellungen beruhen auf den eigenen Angaben der Klägerin, insbesondere vor dem SG am 27. Mai 1975, der Auskunft des Wetteramtes Frankfurt am Main vom 6. Februar 1974, derjenigen des , vom 8. Juni 1975 und dem Leichenschauschein.

Danach und nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens liegt kein Arbeitsunfall i.S. der gesetzlichen Unfallversicherung vor. Arbeitsunfall gem. § 548 Abs. 1 S. 1 RVO ist ein von außen her auf den Menschen längstens in der Zeit einer Arbeitsschicht einwirkendes, körperlich schädigendes Ereignis (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, Stand August 1977, Anm. 3 zu § 548 RVO). Demgegenüber ist grundsätzlich ein allein auf innerer Ursache beruhendes aus dem Menschen selbst kommendes Ereignis nicht als Unfall anzusehen. Mangels einer Obduktion ist es nicht erwiesen, wodurch der Tod des B. eingetreten ist. Nach den festgestellten objektiven Anhaltspunkten besteht nicht die Wahrscheinlichkeit, daß sein Tod durch ein äußeres Ereignis und nicht aus innerer Ursache herbeigeführt worden ist.

Für die Frage des ursächlichen Zusammenhanges ist es nach dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung zumindest erforderlich aber auch schon ausreichend, daß der ursächliche Zusammenhang wahrscheinlich ist, d.h., bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, daß die dagegen gerichteten billigerweise bei der Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht zu bleiben haben. Davon zu unterscheiden ist die bloße Möglichkeit eines ursächlichen Zusammenhanges, die den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht (vgl. Lauterbach, a.a.O., Anm. 17 zu § 548 RVO mit weiteren Nachweisen).

In Übereinstimmung mit allen Sachverständigen hält es auch der Senat für wahrscheinlich, daß B. an einem Reinfarkt verstorben ist. Darüber hinaus aber haben die gehörten Sachverständigen die Frage, welche Ursachen im Rechtssinne hierfür verantwortlich waren, nicht im Sinne einer ausreichenden Wahrscheinlichkeit beantworten können. Es kommen die bei B. seit 1963 bekannte Coronarerkrankung mit erstem Herzhinterwandinfarkt als innere Ursache auf der einen und die ungewohnte, körperliche Anstrengung des Schneeschaufelns als äußere Ursache auf der anderen Seite in Betracht. Aufgrund der auch wegen fehlender Obduktion mangelnden Kenntnis des pathologisch-anatomischen Sachverhalts hat es keiner der Sachverständigen vermocht, einen der beiden Ursachenabläufe im Sinne einer wesentlichen Verursachung wahrscheinlich zu machen.

Von der Herz-Kreislauf-Funktion her gesehen ist es möglich, daß die als schwer und ungewohnt zu bezeichnende körperliche Anstrengung des B. unmittelbar vor Fahrantritt ursächlich die Coronardurchblutung in hohem Maße herabgesetzt hatte, so daß die verbliebene Blutmenge nicht mehr ausreichte, das zu versorgende Herz-Muskel-Gebiet in einem kontraktionsfähigen Zustand zu erhalten, so daß dadurch ein Angina-pectoris-Anfall und danach der tödliche Herzinfarkt eintrat, wie Prof. Dr. und Dr. med. meinen.

Der Umstand, daß B. nach den Angaben der Klägerin schon in der Woche und wegen des Schneefalls auch am Tag vor seinem Tod erheblichen beruflichen Strapazen ausgesetzt war, kann bei der Prüfung der Frage, ob sein Tod durch einen Arbeitsunfall verursacht wurde, nicht berücksichtigt werden, weil es sich hierbei um keine äußere Einwirkung längstens während einer Arbeitsschicht handelte.

Eine wesentliche Ursache bzw. Mitursache für den Eintritt des Todes würde die körperliche Belastung des B. unmittelbar vor Fahrtantritt mit der in der Unfallversicherung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nur dann darstellen, wenn die unzweifelhaft bei ihm vorhanden gewesene Coronarsklerose nur relativ gering ausgebildet gewesen wäre. War sie dagegen so weit fortgeschritten, daß B. allein aus dieser Ursache bei jedem anderen alltäglich vorkommenden, ähnlichen äußeren Anlaß zu derselben Zeit hätte sterben können, so konnte die körperliche Belastung den Tod nicht im Rechtssinne verursachen. Sie stellte dann lediglich eine sog. Gelegenheitsursache dar, bei der es an dem notwendigen Zusammenhang fehlt. Dabei ist es rechtlich ohne Bedeutung, ob die äußere Einwirkung nur geringfügig oder erheblich war (vgl. Hess. LSG, Urt. v. 9.2.1977, L-3/U – 768/73; BSG, Urt. v. 13.12.1960 – 2 RU 240/59 – in BG 1961, 222, vom 29.2.1968 – 2 RU 35/66 – und vom 30.10.1974 – 2 RU 50/74 –; Lauterbach, a.a.O., Anm. 10 zu § 548 RVO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II, Stand August 1977, S. 480 k II und 480 k ff.).

Eine so weit fortgeschrittene Coronarsklerose ist hier zwar insbesondere mangels Obduktion nicht sicher nachgewiesen. Trotzdem gibt es eine Reihe konkreter Anhaltspunkte, die in diese Richtung deuten. Klinisch wesentlich gravierender als in dem von Prof. begutachteten Fall ist, daß B. schon im Jahre 1963 einen nicht durch einen Arbeitsunfall verursachten Herzinfarkt erlitten hatte, der als das Resultat einer schweren Coronarsklerose anzusehen ist. Risikofaktoren waren eine erbliche Veranlagung, erhöhte Blutfettwerte und ein nicht unerheblicher Zigarettenkonsum. Durch stenocardische Beschwerden machte sich diese Sklerose bis zu seinem Tode bemerkbar und wurde medikamentös, u.a. auch mit Marcumar, behandelt. Mit den Professoren Dres. und ist deshalb davon auszugehen, daß im Bereich einer oder mehrerer Herzkranzgefäße degenerative Wandveränderungen vorlagen. Prof. und Dr. räumen ebenfalls ein, daß eine bereits fortgeschrittene Herzkranzgefäßerkrankung vorlag. Hinzu kommt, daß nach medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen 90 % aller Herzinfarkte aus einer solchen coronaren Herzerkrankung zu erklären und sozusagen als dessen Höhepunkt anzusehen sind, wie Prof. Dr. in seinem Gutachten vom 1. Dezember 1976 ausgeführt hat. Danach können körperliche Anstrengungen einen Herzinfarkt provozieren, aber keineswegs in dem Ausmaß, wie man dies früher annahm. Es ist daher möglich, daß die körperliche Anstrengung des B. durch das Schneeschaufeln nur eine rechtlich unerhebliche sogenannte Gelegenheitsursache darstellte. Auch Prof. Dr. und Dr. räumen in ihrem Ergänzungsgutachten vom 25. Oktober 1977 am Schluß ein, daß das Grundleiden des B. auch bei anderen, alltäglich vorkommenden, ähnlich gelagerten Ereignissen seinen Tod zur selben Zeit hätte auslösen können. Desgleichen konnte es Prof. Dr. nicht ausschließen, daß der Tod des B. auch ohne die Anstrengung "Tage oder Monate später nach einer geringen oder gar keiner besonderen Anstrengung eingetreten wäre”, was vom SG nicht ausreichend berücksichtigt wurde.

Mangels eines sicher nachgewiesenen pathologisch-anatomischen Befundes hält der Senat jedoch die Gruppen der jeweils zu Gunsten eines der beiden alternativen Ursachenverläufe sprechenden Anhaltspunkte für qualitativ gleichwertig. Ebenso wie die außergewöhnliche körperliche Anstrengung den Reinfarkt möglicherweise wesentlich mit verursachte, kann auch die Herzkranzgefäßerkrankung derart fortgeschritten gewesen sein, daß die äußeren Einwirkungen nur noch als sogenannte Gelegenheitsursachen in Betracht kommen.

Welcher Ursachenverlauf tatsächlich vorgelegen hat, läßt sich nicht mehr aufklären. Das liegt insbesondere an der mangelnden Obduktion, die nicht mehr nachgeholt werden kann. Da es auf der einen Seite nicht zulässig ist, zu Lasten der Klägerin eine Herzkranzgefäßerkrankung im fortgeschrittensten Stadium zu unterstellen, so geht es auf der anderen Seite auch nicht an, trotz der konkret nachgewiesenen klinischen Anhaltspunkte von einer nur relativ geringfügigen Herzkranzgefäßerkrankung auszugehen. Da der Anspruch der Klägerin nur dann begründet ist, wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen der körperlichen Anstrengung des B. am Morgen des 18. November 1972 und seinem Tod wahrscheinlich ist, eine dahingehende Feststellung aber nicht erfolgen kann, hat sie nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) die negativen Wirkungen der Unaufklärbarkeit dieses Zusammenhangs zu tragen (vgl. Lauterbach, a.a.O., Anm. 19 zu § 548 RVO mit weiteren Nachweisen).

Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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