L 5 V 441/75

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 441/75
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Liegt der behauptete Restitutionsgrund nicht vor oder wird ein solcher noch nicht einmal schlüssig behauptet, so ist die Restitutionsklage als unzulässig zu verwerfen (Anschluß am BSG 10 RV-471/65 v. 14.11.68).
Die Restitutionsklage des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 1972 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Mit Bescheid vom 26. April 1955 lehnte das Versorgungsamt TS. den Anspruch des 1915 geborenen Klägers auf Beschädigtenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) ab, da weder eine Schußverletzung des rechten Oberschenkels in Höhe der Leistenbeuge noch eine Herzinsuffizienz als Schädigungsfolgen bestünden.

Der Widerspruchsbescheid des Landessozialgerichts Westfalen bestätigte diese Entscheidung. Die dagegen erhobene Klage ist mit Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Juli 1956 abgewiesen worden, nachdem das Evangelische Krankenhaus U. in W. die Gutachten vom 3. und 14. Mai 1956 erstattet hatte. Die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg und ist mit Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 25. Juni 1958 zurückgewiesen worden. Die hiergegen eingelegte Revision verwarf das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 31. Oktober 1958 als unzulässig.

Der Kläger stellte am 6. Juli 1971 einen erneuten Antrag auf Anerkennung von Schädigungsfolgen nach dem BVG, der mit Bescheid vom 20. Oktober 1971 abgelehnt worden ist, da keine neuen sachlichen Gesichtspunkte oder rechtserhebliche Tatsachen gegenüber dem bindend gewordenen Bescheid vom 26. April 1955 vorgebracht worden seien. An der Bindung dieses Bescheides werde daher ausdrücklich festgehalten.

Der dagegen eingelegte Widerspruch ist mit Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 1972 wegen Versäumung der Widerspruchsfrist verworfen werden. Er ist dem Kläger am 29. Februar 1972 ausgehändigt worden.

Die dagegen erhobene Klage ging am 8. Juni 1972 bei dem Landesversorgungsamt Hessen ein, das gem. § 91 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Klageschrift an das zuständige Sozialgericht Frankfurt/Main abgegeben hat.

Mit Urteil vom 15. September 1972 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, die Klage sei nicht zulässig, da sie verspätet erhoben worden sei. Die Monatsfrist des § 87 SGG sei bereits am 29. März 1972 abgelaufen gewesen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand habe der Kläger nicht beantragt. Die Einschreibesendung sei ihm ordnungsgemäß zugegangen.

Mit der Berufung beim Hessischen Landessozialgericht hat der Kläger vorgetragen, ihm stehe eine Versorgungsrente nach dem BVG zu, da er während des Krieges Schädigungsfolgen davongetragen habe.

Am 18. Dezember 1972 wies der erkennende Senat die Berufung zurück und führte aus, das Sozialgericht habe zu Recht die Berufung als unzulässig angesehen, da der Kläger die in § 87 SGG geregelte Klagefrist schuldhaft versäumt habe.

Die Revision des Klägers gegen dieses Urteil verwarf der 10. Senat des Bundessozialgerichts durch Beschluss vom 28. Februar 1973 als unzulässig.

Mit am 30. Mai 1975 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangenem Schriftsatz beantragte der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens, nachdem er in einem Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Frankfurt/Main in der mündlichen Verhandlung vom 5. Mai 1975 diesen Antrag bereits gestellt hatte.

Er macht geltend, ihm stünde eine Kriegsopferversorgung seit der Verwundung im Jahre 1941 zu. Es sei nicht angängig, daß sich der Beklagte auf die alten Gutachten stütze.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 1972 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 20. Oktober 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Februar 1972 zu verurteilen, wegen "Narbe in der rechten Leistenbeuge und Herzleidens” als Schädigungsfolge Beschädigtenrente nach einer MdE um mindestens 50 v.H. zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Wiederaufnahmeklage als unzulässig zu verwerfen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die einschlägigen Vorschriften, deren Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Da sich der erschienene Kläger vor Abschluß der Verhandlung entfernt hat, hat der Senat auf Antrag des Beklagten beschlossen, nach Lage der Akten zu entscheiden.

Die Versorgungsakte mit der Archiv-Nr. die Akte des Sozialgerichts Dortmund KB 4451/55, die Akte des Sozialgerichts Frankfurt/Main S-12/V-319/74, die Akte des Bundessozialgerichts 19 RV 89/73 haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der Gerichtsakte beider Rechtszüge wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrt im Wege der Restitutionsklage, über die gem. §§ 110, 126 SGG nach Lage der Akten entschieden werden konnte, nach § 179 Abs. 1 SGG die Aufhebung des rechtskräftigen Urteils des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 1972. Dem Begehren des Klägers konnte nicht stattgegeben werden, weil es an den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer solchen Klage fehlt. Die Zuständigkeit des Senats ergibt sich aus § 179 Abs. 1 SGG in Verb. m. § 584 Abs. 1 Zivilprozeßordnung (ZPO).

Die Restitutionsklage wäre nach § 589 ZPO nur dann statthaft, wenn ein wirklicher Restitutionsgrund vorläge (§ 580 ZPO). Die Behauptung eines solchen genügt nicht (vgl. Urteil des BSG v. 14.11.1968 Az.: 10 RV 471/65). Der Kläger hat jedoch nicht schlüssig einen Restitutionsgrund behauptet. Denn sein summarisches Vorbringen weist auf keinen der in § 580 ZPO normierten Tatbestände hin. Bei ihnen handelt es sich um eng umgrenzte Ausnahmefälle. Sie müssen vorliegen, wenn eine rechtskräftig ergangene Entscheidung korrigiert und durch eine andere ersetzt werden soll. Dazu gehören zunächst die in § 580 Nr. 1–5 genannten Fälle, in denen das Ergebnis des Prozesses durch einen Bezug auf den Rechtsstreit begangene unerlaubte Handlung beeinflußt worden ist und die in Ziff. 6 geregelte Aufhebung eines Urteils durch ein anderes rechtskräftiges Urteil. Außerdem ist nach Ziff. 7 a und b ZPO die Wiederaufnahme zugelassen, wenn die Unrichtigkeit des Urteils durch ein nachträglich verfügbar gewordenes Beweismittel augenfällig offenbar wird. Auf keinen der in § 580 ZPO aufgezählten Ausnahmefälle kann sich der Kläger berufen. Auch nicht auf den in § 580 Ziff. 7 b ZPO normierten Restitutionsgrund, den er wohl anführen will. Er hat aber noch nicht einmal eine andere Urkunde die geeignet wäre, das Ergebnis des früheren Verfahrens günstig zu beeinflussen, vorgelegt. Damit entfallen alle Restitutionsgründe im Sinne des § 580 ZPO.

Mangels eines Restitutionsgrundes ist die Wiederaufnahmeklage nicht statthaft. Sie ist also unzulässig zu verwerfen. Das ergibt sich aus § 589 ZPO. Danach hat das Gericht von Amts wegen zu prüfen, ob die Restitutionsklage an sich statthaft und ob sie in der gehörigen Form und Frist erhoben ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen. Mit der Formulierung "an sich statthaft” knüpft diese Vorschrift an die §§ 579, 580 ZPO an. Die Statthaftigkeit ist ein Unterfall der Zulässigkeit. Sie hängt sowohl davon ab, daß das Rechtsmittel an sich statthaft ist, als auch davon, daß das Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt ist. Die Voraussetzungen für die Statthaftigkeit sind von Amts wegen zu prüfen. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 14. November 1968 aus der Rechtsdogmatik gefolgert, daß die in §§ 579, 580 ZPO gefundene Regelung nicht andere zu beurteilen ist, wie die Prüfung der Statthaftigkeit der ordentlichen Rechtsmittel. Insoweit ist es nicht der Auffassung des Reichsgerichts (RGZ 75, 53) gefolgt. Nach Ansicht des RG ist zunächst über die Zulässigkeit der Klage zu befinden. Sind ihre prozeßrechtlichen Anforderungen erfüllt, so ist die Wiederaufnahmeklage zuzulassen, und es handelt sich dann weiter um das Vorhandensein des Wiederaufnahmegrundes. Wird der Wiederaufnahmegrund als sachlich unzutreffend befunden, so hat das Urteil nicht auf Verwerfung, sondern auf Zurückweisung der Wiederaufnahmeklage zu lauten. Beweist sich dagegen der behauptete Wiederaufnahmegrund als gegeben, so ist das Urteil des Vorprozesses im Umfange der Wirksamkeit des Anfechtungsgrundes aufzuheben und neu in der Sache zu entscheiden. Dieser dreifachen Gliederung des Wiederaufnahmeverfahrens ist das BSG nicht gefolgt, sondern hat sich die von Wieczoreck (§ 578 Anm. B I und B II) vertretene Meinung zu eigen gemacht. Danach ist der Wiederaufnahmegrund sofort in die Zulässigkeitsprüfung mit einzubeziehen. Dazu hat es auf die naheliegende Parallele zu den ordentlichen Rechtsmitteln hingewiesen, bei denen die Zulässigkeitsprüfung auch das Vorliegen der Statthaftigkeit mit einschließt. Dem stehen gleichfalls nicht die §§ 589, 590 ZPO entgegen, die keine Regelung über die zeitliche Reihenfolge der Prüfung von Statthaftigkeit und allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen enthalten. Vielmehr schließt sich der Gesetzeswortlaut des § 590 ZPO zwanglos an den vorhergehenden § 589 ZPO an, wonach das Gericht von Amts wegen zu prüfen hat, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut hat die Prüfung der Statthaftigkeit sogar vor den allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen zu erfolgen. Nach Ansicht des BSG, der sich der Senat anschließt, ist Statthaftigkeit der Klage nur gegeben, wenn einer der Wiederaufnahmegründe des § 580 ZPO tatsächlich vorliegt. Da ein solcher hier noch nicht einmal schlüssig behauptet worden ist, fehlt es an der Statthaftigkeit der Klage an sich.

Unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts war daher die Restitutionsklage des Klägers gem. § 179 Abs. 1 SGG i.V.m. § 589 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 SGG kam nach Lage des Falles nicht in Betracht.
Rechtskraft
Aus
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