Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 7 AL 2552/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 198/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 7 AL 56/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 1999 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 1998 wird aufgehoben, soweit die Beklagte ihre Leistungsbewilligungen auch für die Zeit vom 19. März bis zum 29. April 1997, 14. Mai bis zum 5. Juni 1997, 14. Juli bis zum 23. Juli 1997 und vom 30. September bis zum 28. Oktober 1997 aufgehoben hat.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtli-chen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung einer Leistungsbewilligung und die Erstattung überzahlter Leistungen.
Der im Jahre 1967 geborene Kläger beantragte nach einer vorangegangenen Beschäftigung als Verkäufer in der Zeit vom 2. Mai 1995 bis zum 2. Oktober 1996 die Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte bewilligte zunächst mit Bescheid vom 24. Oktober 1996 Arbeitslosengeld ab 25. Dezember 1996 sowie - nach Erschöpfung des Anspruchs - Arbeitslosenhilfe ab 2. Juni 1997 (Bescheid vom 18. Juli 1997). Für die Zeit vom 28. Juli 1997 bis zum 17. August 1997 war dem Kläger ein "Urlaub" genehmigt worden. Am 19. August 1997 meldete er sich bei seinem Arbeitsvermittler zurück. Eine erneute Vorsprache erfolgte am 29. Oktober 1997.
Am 8. September 1997 erreichte die Beklagte ein Auskunftsersuchen der Grenzpolizeistation X-Bahnhof vom 2. September 1997. Darin ist u.a. ausgeführt, dass der Kläger am 1. September 1997 um 18.30 Uhr mit dem Schnellzug beim Grenzübergang zur Ausreise nach Österreich gekommen sei. Während der grenzpolizeilichen Kontrolle habe er auf Vorhalt erklärt, seit einigen Monaten arbeitslos und seit dieser Zeit Leistungsempfänger zu sein. Nach mehrmaliger Befragung habe er angegeben, nicht alle Auslandsreisen dem Arbeitsamt gemeldet zu haben. Weiterhin habe er erklärt, sich gerade auf der Fahrt nach Wien zu einem einwöchigen Tanzseminar zu befinden; anschließend wolle er für ca. 1 Woche in seine jugoslawische Heimat reisen. Diese Reise wolle er zuvor beim zuständigen Arbeitsamt gemeldet haben. Die Auswertung seines jugoslawischen Reisepasses habe folgende Abwesenheitszeiten ergeben:
28.08.1996 - 07.09.1996 (China)
05.03.1997 - 18.03.1997 (China)
- 13.05.1997 (Jugoslawien)
06.06.1997 - 13.07.1997 (Jugoslawien)
24.07.1997 - 18.08.1997 (China)
02.09.1997 - (Österreich und Jugoslawien)
Mit Schreiben vom 1. Dezember 1997 gab die Beklagte dem Kläger Gelegenheit, sich zu dem Vorwurf des unrechtmäßigen Leistungsbezuges im Zeitraum vom 5. März 1997 bis zum 28. Oktober 1997 zu äußern. Als Zeiten des Auslandsaufenthalts gab die Beklagte an: 5. März 1997 bis 22. Juli 1997, 24. Juli 1997 bis 27. Juli 1997 und 1. Oktober 1997 bis 28. Oktober 1997. Hierzu erklärte der Kläger am 8. Dezember 1997, dass er sich in den angegebenen Zeiträumen nicht im Ausland aufgehalten habe. Bei einer nochmaligen Vorsprache legte der Kläger eine Bestätigung der Zahnärztin Dr. L. F. vom 9. Dezember 1997 vor, wonach er am 4. März, 21. März, 9. April, 11. April, 23. April, 23. Mai und am 25. Oktober 1997 bei ihr in Behandlung war. Außerdem legte der Kläger seinen Pass vor, aus dem sich ergab, dass er vom 4. September bis 18. September 1997 und am 17. November bis zum 29. November 1997 in Österreich war. Bei dem Internisten Dr. A., F., erhielt die Beklagte am 11. Dezember 1997 die fernmündliche Auskunft, dass der Kläger am 30. September, 8. Oktober, 29. Oktober und am 9. Dezember 1997 in Behandlung war. Schließlich stellte die Beklagte noch fest, dass der Kläger am 16. Mai 1997 seinen Führerschein erhalten hatte.
Durch Bescheid vom 20. Februar 1997 hob die Beklagte ihre Bewilligungsbescheide vom 24. Oktober 1996 und 18. Juli 1997 teilweise für die Zeit vom 5. März 1997 bis zum 1. Juni 1997, vom 2. Juni 1997 bis 22. Juli 1997, vom 24. Juli 1997 bis zum 27. Juli 1997 und vom 1. September 1997 bis zum 28. Oktober 1997 auf, da in diesen Zeiten die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Der Kläger habe in den genannten Zeiten dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden, da er sich ohne Wissen und Absprache mit der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes im Ausland aufgehalten habe. Insgesamt seien von ihm 8.380,30 DM zu erstatten. Mit seinem hiergegen am 25. Februar 1998 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, aus den von ihm bereits vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass er in den genannten Zeiträumen nicht im Ausland gewesen sei ("Führerscheinprüfung, Zahnarztbehandlung, praktischer Arzt"). In seinem Pass sei nicht jedes Mal die Einreise abgestempelt worden. Nach nochmaliger Anhörung wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 1998 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger in den Zeiten vom 5. März 1997 bis zum 22. Juli 1997, vom 24. Juli 1997, 27. Juli 1997 und vom 1. September 1997 bis zum 28. Oktober 1997 nicht im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 152 Abs. 3 AFG sowie gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs. 2 AFG hätte die jeweilige Leistungsbewilligung aufgehoben bzw. zurückgenommen werden müssen. Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X sei der Kläger zur Erstattung des Betrages von 8.380,30 DM (Arbeitslosengeld für die Zeit vom 5. März 1997 bis 1. Juni 1997 in Höhe von 4.354,80 DM und Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 2. Juni 1997 in Höhe von 4.025,50 DM) verpflichtet.
Die am 15. Juli 1998 erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) durch Urteil vom 7. Oktober 1999 unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, der Kläger habe keinerlei Nachweise über den zeitlichen Umfang der jeweiligen Auslandsaufenthalte vorgelegt. Auf Arztbesuche könne sich der Kläger nicht berufen. Die von der Beklagten geltend gemachten Zeiten der Abwesenheit lägen jeweils dazwischen. Weitere vom Kläger angegebene Arzttermine würden in größere geltend gemachte Zeiträume der Abwesenheit fallen.
Gegen dieses ihm am 6. Januar 2000 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 20. Januar 2000 eingegangenen Berufung. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 31. August 2001 hat er erklärt, es sei zwar zutreffend, dass er sich während des Leistungsbezuges in China, in Jugoslawien und in Österreich aufgehalten habe. Es habe sich jedoch um kürzere Abwesenheitszeiten (nicht länger als zwei Wochen) gehandelt. Der Zeitraum vom 24. Juli bis zum 18. August 1997, in dem er sich in China aufgehalten habe, sei zutreffend. Seit dem 1. September 1997 sei er ebenfalls unterwegs gewesen; er sei nach Österreich, wo er eine Weiterbildung gemacht habe, und anschließend nach Jugoslawien gereist. Von dort aus sei er dann wieder zurück nach Deutschland. Die Weiterbildung habe 2 Wochen gedauert, in Jugoslawien sei er dann noch ein paar Tage gewesen. Dass er auswärtige Aufenthalte dem Arbeitsamt hätte mitteilen müssen, habe er nicht begriffen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat schriftliche Auskünfte von der Allgemeinen Ortskrankenkasse Hessen (AOK) sowie von Dr. A. eingeholt. Die AOK hat mit Schreiben vom 15. Oktober 2001 mitgeteilt, dass sich der Kläger im Jahre 1997 am 30. Januar, 5. Februar, 12. Februar, 26. Februar, 9. April, 23. April und am 29. Oktober bei der Zahnärztin Dr. L. F. in Behandlung befunden habe. Dr. A. hat mit Schreiben vom 3. November 2001 mitgeteilt, dass der Kläger bei ihm am 19. Februar, 20. Februar, 24. Februar, 25. April, 29. April, 13. Mai, 20. Mai, 30. September, 8. Oktober, 29. Oktober und am 9. Dezember 1997 in Behandlung gewesen sei.
Die Beklagte hält auch in Kenntnis der Auskunft der AOK vom 15. Oktober 2001 und der Bescheinigung des Dr. A. vom 3. November 2001 an ihrer bisherigen Auffassung fest. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. März 1993 - 11 RAr 43/91 - werde das Vermittlungsgeschäft des Arbeitsamtes in ganz erheblichem Umfang beeinträchtigt, wenn der Arbeitslose wiederkehrend mehrtägig ortsabwesend sei, ohne dass die Tage künftiger Abwesenheit festlägen. In einem solchen Fall lasse sich der Zweck des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG nicht erreichen und sei das Erfordernis, dass der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen könne und täglich für das Arbeitsamt erreichbar sei, für die ganze Zeit nicht erfüllt. Dies gelte auch für den Kläger, so dass die Voraussetzungen für eine durchgängige Aufhebung der bewilligenden Verwaltungsakte für die Zeit vom 5. März bis zum 28. Oktober 1997 erfüllt seien.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und in der Sache teilweise begründet.
Die Beklagte hat die Bewilligung von Leistungen für den 5. März bis zum 18. März 1997, für den 30. April bis zum 13. Mai 1997, für den 6. Juni bis zum 13. Juli 1997, für den 24. Juli bis zum 27. Juli 1997 sowie für den 1. September bis zum 29. September 1997 zu Recht aufgehoben und überzahlte Leistungen zurückgefordert. Für die genannten Zeiten bestand kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil der Kläger für die Beklagte nicht im Sinne des vorliegend noch anwendbaren § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG erreichbar war. Hinsichtlich dieser Voraussetzung hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit (BA) aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung des § 103 Abs. 5 AFG in § 1 Satz 1 der Aufenthalts-Anordnung vom 3. Oktober 1979 (ANBA S. 1388) bestimmt, dass das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm genannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamts maßgeblichen Anschrift erreichen können muss. Das bedeutet, dass der Arbeitslose unter der von ihm angegebenen Wohnanschrift täglich zumindest während der üblichen Zeiten des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich angetroffen werden kann (BSG, SozR 4100 § 103 Nrn. 36 und 47).
Aufgrund der Angaben der Grenzpolizei P. im Auskunftsersuchen vom 2. September 1997 und der eigenen Angabe des Klägers steht zur Überzeugung des Senats fest, dass er in den genannten Zeiträumen vom 5. März bis zum 18. März 1997, vom 30. April bis zum 13. Mai 1997, vom 6. Juni bis zum 13. Juli 1997, vom 24. Juli bis zum 27. Juli 1997 sowie vom 1. September bis zum 29. September 1997 die rechtlichen Anforderungen des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG nicht erfüllte. Damit war, soweit es die Aufhebung des Arbeitslosengeld-Bewilligungsbescheides vom 9. Januar 1997 betrifft, in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei der Bewilligung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten. Dieser Änderung musste die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs. 3 AFG Rechnung tragen. Danach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Der Kläger hat seiner Mitwirkungspflichten zumindest grob fahrlässig nicht genügt. Er hätte das zuständige Arbeitsamt gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I jeweils vor Antritt seiner auswärtigen Aufenthalte davon in Kenntnis setzen müssen, dass er nicht erreichbar sein werde. Es liegt in seinem Verantwortungsbereich, die Verfügbarkeit (Erreichbarkeit) betreffende Änderungen von Verhältnissen dem Arbeitsamt unverzüglich mitzuteilen (vgl. BSG SozR 4100 § 103 Nr. 47). Vor dem Hintergrund, dass der Kläger anlässlich seiner Antragstellung und ausweislich seiner Unterschrift das Merkblatt für Arbeitslose erhalten hat, in dem die Arbeitslosen darauf hingewiesen werden, dass sie bei Verlassen ihres Wohnortes sofort ihr Arbeitsamt benachrichtigen müssen, handelte er - auch unter Anwendung eines subjektiven Sorgfaltsmaßstabes - grob fahrlässig, wenn er dem nicht nachkam. Soweit der Kläger in der Sitzung des Senats vom 31. August 2001 angegeben hat, er habe nicht begriffen, dass er auswärtige Aufenthalte dem Arbeitsamt hätte mitteilen müssen, vermag ihm der Senat keinen Glauben zu schenken. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger von seiner Verpflichtung, Abwesenheiten von seiner Wohnanschrift zu melden, gewusst hat. Er hatte nämlich am 23. Juli 1997 vorgesprochen und anlässlich dieser Vorsprache sich vom Arbeitsamt einen "Urlaub" vom 28. Juli bis zum 17. August 1997 genehmigen lassen.
Soweit es um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe geht, ist zwar nicht § 48 SGB X die maßgebliche Rechtsgrundlage. Für von Anfang an rechtswidrige Leistungsbewilligungen sieht jedoch § 45 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs. 2 AFG für bestimmte Fälle eine Rücknahme vor. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der von der Leistungsbewilligung Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Die Vorstellung des Klägers, er habe trotz nicht angezeigter längerer Ortsabwesenheit Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, beruht zumindest auf grober Fahrlässigkeit. Für diese Beurteilung sind die Erwägungen maßgebend, die auch die grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X begründet haben.
Die Berufung ist jedoch begründet, soweit die Beklagte ihre Leistungsbewilligungen auch für die Zeiten vom 19. März bis zum 29. April 1997, vom 14. Mai bis zum 5. Juni 1997, vom 14. Juli bis zum 23. Juli 1997 und für den 30. September bis zum 28. Oktober 1997 aufgehoben hat. In Bezug auf diese Zeiträume kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger nicht im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG nicht erreichbar war. Aufgrund der Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren und der Ermittlungen des Senats steht fest, dass der Kläger, der nach grenzpolizeilicher Feststellung am 18. März 1997 in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt war, am 21. März, 9. April, 11. April und am 23. April 1997 in zahnärztlicher Behandlung bei Dr. F. war. Am 25. und am 29. April 1997 wurde er von Dr. A. behandelt. Für die Zeit nach seiner Rückkehr aus Jugoslawien am 13. Mai 1997 ist festzustellen, dass der Kläger noch an diesem Tag und am 20. Mai 1997 ebenfalls von Dr. A. behandelt wurde. In der Zwischenzeit, nämlich am 16. Mai 1997, erhielt er seinen Führerschein. Diese Umstände machen demnach einen längeren Auslandsaufenthalt im Zeitraum zwischen dem 14. Mai und dem 5. Juni 1997 unwahrscheinlich. Keine Anhaltspunkte für eine Nichterreichbarkeit des Klägers bestehen auch für die Zeit vom 14. Juli bis zum 23. Juli 1997. Der Kläger war am 13. Juli 1997 erneut aus Jugoslawien zurückgekehrt und hatte am 23. Juli 1997 bei der Beklagten vorgesprochen, um sich den Urlaub vom 28. Juli bis zum 17. August 1997 genehmigen zu lassen. Am 1. September 1997 war der Kläger nach den Feststellungen der Grenzpolizei zwar wiederum (nach Österreich und Jugoslawien) verreist, jedoch nicht - wie von der Beklagten angenommen - bis zum 28. Oktober 1997. Denn am 30. September und am 8. Oktober 1997 hat sich der Kläger bereits bei Dr. A. in erneuter Behandlung befunden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind vorliegend die Voraussetzungen für eine durchgängige Aufhebung der bewilligenden Verwaltungsakte für die Zeit vom 5. März 1997 bis zum 28. Oktober 1997 nicht erfüllt. Es ist zwar zutreffend, dass, wenn feststeht, dass der Arbeitslose wiederkehrend mehrtägig ortsabwesend ist, ohne dass die Tage künftiger Abwesenheit festliegen, das heute vornehmlich von Montag bis Freitag laufende Vermittlungsgeschäft der Arbeitsämter bezüglich dieses Arbeitslosen in ganz erheblichem Umfang beeinträchtigt wird (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr. 9. In einem solchen Falle ist das Erfordernis, dass der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und täglich für das Arbeitsamt erreichbar ist, für die ganze Zeit nicht erfüllt. Zugleich hat das BSG jedoch betont, dass nur bei Vorliegen besonderer Umstände der Schluss auf eine durchgehende fehlende Verfügbarkeit des Arbeitslosen gerechtfertigt sei. Als Beispiel hat es die mehrtägige und zeitlich völlig unregelmäßige Nichterreichbarkeit des Arbeitslosen genannt. Bejaht hat es diese besonderen Umstände bei einem Arbeitslosen, dessen Reisepass innerhalb eines Jahres über 50 Stempeleinträge von Grenzübertritten an der Grenze zwischen Österreich und Jugoslawien enthielt, wobei eine Unterscheidung nach Ein- oder Ausreisestempeln nicht möglich war; außerdem entfielen über die Hälfte der Stempeleinträge auf die Wochentage Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Mit dieser Fallgestaltung ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Dem Kläger sind während eines halbjährigen Zeitraums lediglich fünf Grenzübertritte nachgewiesen, von denen noch einer, nämlich derjenige vom 24. Juli 1997, sich auf den vom Arbeitsamt genehmigten "Urlaub" vom 28. Juli bis zum 17. August 1997 bezog. Besondere Umstände, etwa im Sinne einer zeitlich völlig unregelmäßigen Nichterreichbarkeit des Arbeitslosen, sind darin nicht zu erkennen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner außergerichtli-chen Kosten zu erstatten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Aufhebung einer Leistungsbewilligung und die Erstattung überzahlter Leistungen.
Der im Jahre 1967 geborene Kläger beantragte nach einer vorangegangenen Beschäftigung als Verkäufer in der Zeit vom 2. Mai 1995 bis zum 2. Oktober 1996 die Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Die Beklagte bewilligte zunächst mit Bescheid vom 24. Oktober 1996 Arbeitslosengeld ab 25. Dezember 1996 sowie - nach Erschöpfung des Anspruchs - Arbeitslosenhilfe ab 2. Juni 1997 (Bescheid vom 18. Juli 1997). Für die Zeit vom 28. Juli 1997 bis zum 17. August 1997 war dem Kläger ein "Urlaub" genehmigt worden. Am 19. August 1997 meldete er sich bei seinem Arbeitsvermittler zurück. Eine erneute Vorsprache erfolgte am 29. Oktober 1997.
Am 8. September 1997 erreichte die Beklagte ein Auskunftsersuchen der Grenzpolizeistation X-Bahnhof vom 2. September 1997. Darin ist u.a. ausgeführt, dass der Kläger am 1. September 1997 um 18.30 Uhr mit dem Schnellzug beim Grenzübergang zur Ausreise nach Österreich gekommen sei. Während der grenzpolizeilichen Kontrolle habe er auf Vorhalt erklärt, seit einigen Monaten arbeitslos und seit dieser Zeit Leistungsempfänger zu sein. Nach mehrmaliger Befragung habe er angegeben, nicht alle Auslandsreisen dem Arbeitsamt gemeldet zu haben. Weiterhin habe er erklärt, sich gerade auf der Fahrt nach Wien zu einem einwöchigen Tanzseminar zu befinden; anschließend wolle er für ca. 1 Woche in seine jugoslawische Heimat reisen. Diese Reise wolle er zuvor beim zuständigen Arbeitsamt gemeldet haben. Die Auswertung seines jugoslawischen Reisepasses habe folgende Abwesenheitszeiten ergeben:
28.08.1996 - 07.09.1996 (China)
05.03.1997 - 18.03.1997 (China)
- 13.05.1997 (Jugoslawien)
06.06.1997 - 13.07.1997 (Jugoslawien)
24.07.1997 - 18.08.1997 (China)
02.09.1997 - (Österreich und Jugoslawien)
Mit Schreiben vom 1. Dezember 1997 gab die Beklagte dem Kläger Gelegenheit, sich zu dem Vorwurf des unrechtmäßigen Leistungsbezuges im Zeitraum vom 5. März 1997 bis zum 28. Oktober 1997 zu äußern. Als Zeiten des Auslandsaufenthalts gab die Beklagte an: 5. März 1997 bis 22. Juli 1997, 24. Juli 1997 bis 27. Juli 1997 und 1. Oktober 1997 bis 28. Oktober 1997. Hierzu erklärte der Kläger am 8. Dezember 1997, dass er sich in den angegebenen Zeiträumen nicht im Ausland aufgehalten habe. Bei einer nochmaligen Vorsprache legte der Kläger eine Bestätigung der Zahnärztin Dr. L. F. vom 9. Dezember 1997 vor, wonach er am 4. März, 21. März, 9. April, 11. April, 23. April, 23. Mai und am 25. Oktober 1997 bei ihr in Behandlung war. Außerdem legte der Kläger seinen Pass vor, aus dem sich ergab, dass er vom 4. September bis 18. September 1997 und am 17. November bis zum 29. November 1997 in Österreich war. Bei dem Internisten Dr. A., F., erhielt die Beklagte am 11. Dezember 1997 die fernmündliche Auskunft, dass der Kläger am 30. September, 8. Oktober, 29. Oktober und am 9. Dezember 1997 in Behandlung war. Schließlich stellte die Beklagte noch fest, dass der Kläger am 16. Mai 1997 seinen Führerschein erhalten hatte.
Durch Bescheid vom 20. Februar 1997 hob die Beklagte ihre Bewilligungsbescheide vom 24. Oktober 1996 und 18. Juli 1997 teilweise für die Zeit vom 5. März 1997 bis zum 1. Juni 1997, vom 2. Juni 1997 bis 22. Juli 1997, vom 24. Juli 1997 bis zum 27. Juli 1997 und vom 1. September 1997 bis zum 28. Oktober 1997 auf, da in diesen Zeiten die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Der Kläger habe in den genannten Zeiten dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung gestanden, da er sich ohne Wissen und Absprache mit der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes im Ausland aufgehalten habe. Insgesamt seien von ihm 8.380,30 DM zu erstatten. Mit seinem hiergegen am 25. Februar 1998 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, aus den von ihm bereits vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass er in den genannten Zeiträumen nicht im Ausland gewesen sei ("Führerscheinprüfung, Zahnarztbehandlung, praktischer Arzt"). In seinem Pass sei nicht jedes Mal die Einreise abgestempelt worden. Nach nochmaliger Anhörung wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 15. Juni 1998 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Kläger in den Zeiten vom 5. März 1997 bis zum 22. Juli 1997, vom 24. Juli 1997, 27. Juli 1997 und vom 1. September 1997 bis zum 28. Oktober 1997 nicht im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden habe. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) in Verbindung mit § 152 Abs. 3 AFG sowie gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 und 3 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs. 2 AFG hätte die jeweilige Leistungsbewilligung aufgehoben bzw. zurückgenommen werden müssen. Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X sei der Kläger zur Erstattung des Betrages von 8.380,30 DM (Arbeitslosengeld für die Zeit vom 5. März 1997 bis 1. Juni 1997 in Höhe von 4.354,80 DM und Arbeitslosenhilfe für die Zeit ab 2. Juni 1997 in Höhe von 4.025,50 DM) verpflichtet.
Die am 15. Juli 1998 erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) durch Urteil vom 7. Oktober 1999 unter Hinweis auf die Begründung des Widerspruchsbescheides abgewiesen. Zur Begründung hat es angeführt, der Kläger habe keinerlei Nachweise über den zeitlichen Umfang der jeweiligen Auslandsaufenthalte vorgelegt. Auf Arztbesuche könne sich der Kläger nicht berufen. Die von der Beklagten geltend gemachten Zeiten der Abwesenheit lägen jeweils dazwischen. Weitere vom Kläger angegebene Arzttermine würden in größere geltend gemachte Zeiträume der Abwesenheit fallen.
Gegen dieses ihm am 6. Januar 2000 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 20. Januar 2000 eingegangenen Berufung. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 31. August 2001 hat er erklärt, es sei zwar zutreffend, dass er sich während des Leistungsbezuges in China, in Jugoslawien und in Österreich aufgehalten habe. Es habe sich jedoch um kürzere Abwesenheitszeiten (nicht länger als zwei Wochen) gehandelt. Der Zeitraum vom 24. Juli bis zum 18. August 1997, in dem er sich in China aufgehalten habe, sei zutreffend. Seit dem 1. September 1997 sei er ebenfalls unterwegs gewesen; er sei nach Österreich, wo er eine Weiterbildung gemacht habe, und anschließend nach Jugoslawien gereist. Von dort aus sei er dann wieder zurück nach Deutschland. Die Weiterbildung habe 2 Wochen gedauert, in Jugoslawien sei er dann noch ein paar Tage gewesen. Dass er auswärtige Aufenthalte dem Arbeitsamt hätte mitteilen müssen, habe er nicht begriffen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 7. Oktober 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Juni 1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Senat hat schriftliche Auskünfte von der Allgemeinen Ortskrankenkasse Hessen (AOK) sowie von Dr. A. eingeholt. Die AOK hat mit Schreiben vom 15. Oktober 2001 mitgeteilt, dass sich der Kläger im Jahre 1997 am 30. Januar, 5. Februar, 12. Februar, 26. Februar, 9. April, 23. April und am 29. Oktober bei der Zahnärztin Dr. L. F. in Behandlung befunden habe. Dr. A. hat mit Schreiben vom 3. November 2001 mitgeteilt, dass der Kläger bei ihm am 19. Februar, 20. Februar, 24. Februar, 25. April, 29. April, 13. Mai, 20. Mai, 30. September, 8. Oktober, 29. Oktober und am 9. Dezember 1997 in Behandlung gewesen sei.
Die Beklagte hält auch in Kenntnis der Auskunft der AOK vom 15. Oktober 2001 und der Bescheinigung des Dr. A. vom 3. November 2001 an ihrer bisherigen Auffassung fest. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 3. März 1993 - 11 RAr 43/91 - werde das Vermittlungsgeschäft des Arbeitsamtes in ganz erheblichem Umfang beeinträchtigt, wenn der Arbeitslose wiederkehrend mehrtägig ortsabwesend sei, ohne dass die Tage künftiger Abwesenheit festlägen. In einem solchen Fall lasse sich der Zweck des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG nicht erreichen und sei das Erfordernis, dass der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen könne und täglich für das Arbeitsamt erreichbar sei, für die ganze Zeit nicht erfüllt. Dies gelte auch für den Kläger, so dass die Voraussetzungen für eine durchgängige Aufhebung der bewilligenden Verwaltungsakte für die Zeit vom 5. März bis zum 28. Oktober 1997 erfüllt seien.
Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und in der Sache teilweise begründet.
Die Beklagte hat die Bewilligung von Leistungen für den 5. März bis zum 18. März 1997, für den 30. April bis zum 13. Mai 1997, für den 6. Juni bis zum 13. Juli 1997, für den 24. Juli bis zum 27. Juli 1997 sowie für den 1. September bis zum 29. September 1997 zu Recht aufgehoben und überzahlte Leistungen zurückgefordert. Für die genannten Zeiten bestand kein Anspruch auf Arbeitslosengeld, weil der Kläger für die Beklagte nicht im Sinne des vorliegend noch anwendbaren § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG erreichbar war. Hinsichtlich dieser Voraussetzung hat der Verwaltungsrat der Bundesanstalt für Arbeit (BA) aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung des § 103 Abs. 5 AFG in § 1 Satz 1 der Aufenthalts-Anordnung vom 3. Oktober 1979 (ANBA S. 1388) bestimmt, dass das Arbeitsamt den Arbeitslosen während der üblichen Zeit des Eingangs der Briefpost unter der von ihm genannten, für die Zuständigkeit des Arbeitsamts maßgeblichen Anschrift erreichen können muss. Das bedeutet, dass der Arbeitslose unter der von ihm angegebenen Wohnanschrift täglich zumindest während der üblichen Zeiten des Eingangs der Briefpost auch tatsächlich angetroffen werden kann (BSG, SozR 4100 § 103 Nrn. 36 und 47).
Aufgrund der Angaben der Grenzpolizei P. im Auskunftsersuchen vom 2. September 1997 und der eigenen Angabe des Klägers steht zur Überzeugung des Senats fest, dass er in den genannten Zeiträumen vom 5. März bis zum 18. März 1997, vom 30. April bis zum 13. Mai 1997, vom 6. Juni bis zum 13. Juli 1997, vom 24. Juli bis zum 27. Juli 1997 sowie vom 1. September bis zum 29. September 1997 die rechtlichen Anforderungen des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG nicht erfüllte. Damit war, soweit es die Aufhebung des Arbeitslosengeld-Bewilligungsbescheides vom 9. Januar 1997 betrifft, in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei der Bewilligung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten. Dieser Änderung musste die Beklagte nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs. 3 AFG Rechnung tragen. Danach ist der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Der Kläger hat seiner Mitwirkungspflichten zumindest grob fahrlässig nicht genügt. Er hätte das zuständige Arbeitsamt gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB I jeweils vor Antritt seiner auswärtigen Aufenthalte davon in Kenntnis setzen müssen, dass er nicht erreichbar sein werde. Es liegt in seinem Verantwortungsbereich, die Verfügbarkeit (Erreichbarkeit) betreffende Änderungen von Verhältnissen dem Arbeitsamt unverzüglich mitzuteilen (vgl. BSG SozR 4100 § 103 Nr. 47). Vor dem Hintergrund, dass der Kläger anlässlich seiner Antragstellung und ausweislich seiner Unterschrift das Merkblatt für Arbeitslose erhalten hat, in dem die Arbeitslosen darauf hingewiesen werden, dass sie bei Verlassen ihres Wohnortes sofort ihr Arbeitsamt benachrichtigen müssen, handelte er - auch unter Anwendung eines subjektiven Sorgfaltsmaßstabes - grob fahrlässig, wenn er dem nicht nachkam. Soweit der Kläger in der Sitzung des Senats vom 31. August 2001 angegeben hat, er habe nicht begriffen, dass er auswärtige Aufenthalte dem Arbeitsamt hätte mitteilen müssen, vermag ihm der Senat keinen Glauben zu schenken. Vielmehr muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger von seiner Verpflichtung, Abwesenheiten von seiner Wohnanschrift zu melden, gewusst hat. Er hatte nämlich am 23. Juli 1997 vorgesprochen und anlässlich dieser Vorsprache sich vom Arbeitsamt einen "Urlaub" vom 28. Juli bis zum 17. August 1997 genehmigen lassen.
Soweit es um die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe geht, ist zwar nicht § 48 SGB X die maßgebliche Rechtsgrundlage. Für von Anfang an rechtswidrige Leistungsbewilligungen sieht jedoch § 45 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs. 2 AFG für bestimmte Fälle eine Rücknahme vor. Dies gilt insbesondere für den Fall, dass der von der Leistungsbewilligung Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Die Vorstellung des Klägers, er habe trotz nicht angezeigter längerer Ortsabwesenheit Anspruch auf Leistungen wegen Arbeitslosigkeit, beruht zumindest auf grober Fahrlässigkeit. Für diese Beurteilung sind die Erwägungen maßgebend, die auch die grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X begründet haben.
Die Berufung ist jedoch begründet, soweit die Beklagte ihre Leistungsbewilligungen auch für die Zeiten vom 19. März bis zum 29. April 1997, vom 14. Mai bis zum 5. Juni 1997, vom 14. Juli bis zum 23. Juli 1997 und für den 30. September bis zum 28. Oktober 1997 aufgehoben hat. In Bezug auf diese Zeiträume kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger nicht im Sinne des § 103 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AFG nicht erreichbar war. Aufgrund der Ermittlungen der Beklagten im Verwaltungsverfahren und der Ermittlungen des Senats steht fest, dass der Kläger, der nach grenzpolizeilicher Feststellung am 18. März 1997 in die Bundesrepublik Deutschland zurückgekehrt war, am 21. März, 9. April, 11. April und am 23. April 1997 in zahnärztlicher Behandlung bei Dr. F. war. Am 25. und am 29. April 1997 wurde er von Dr. A. behandelt. Für die Zeit nach seiner Rückkehr aus Jugoslawien am 13. Mai 1997 ist festzustellen, dass der Kläger noch an diesem Tag und am 20. Mai 1997 ebenfalls von Dr. A. behandelt wurde. In der Zwischenzeit, nämlich am 16. Mai 1997, erhielt er seinen Führerschein. Diese Umstände machen demnach einen längeren Auslandsaufenthalt im Zeitraum zwischen dem 14. Mai und dem 5. Juni 1997 unwahrscheinlich. Keine Anhaltspunkte für eine Nichterreichbarkeit des Klägers bestehen auch für die Zeit vom 14. Juli bis zum 23. Juli 1997. Der Kläger war am 13. Juli 1997 erneut aus Jugoslawien zurückgekehrt und hatte am 23. Juli 1997 bei der Beklagten vorgesprochen, um sich den Urlaub vom 28. Juli bis zum 17. August 1997 genehmigen zu lassen. Am 1. September 1997 war der Kläger nach den Feststellungen der Grenzpolizei zwar wiederum (nach Österreich und Jugoslawien) verreist, jedoch nicht - wie von der Beklagten angenommen - bis zum 28. Oktober 1997. Denn am 30. September und am 8. Oktober 1997 hat sich der Kläger bereits bei Dr. A. in erneuter Behandlung befunden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind vorliegend die Voraussetzungen für eine durchgängige Aufhebung der bewilligenden Verwaltungsakte für die Zeit vom 5. März 1997 bis zum 28. Oktober 1997 nicht erfüllt. Es ist zwar zutreffend, dass, wenn feststeht, dass der Arbeitslose wiederkehrend mehrtägig ortsabwesend ist, ohne dass die Tage künftiger Abwesenheit festliegen, das heute vornehmlich von Montag bis Freitag laufende Vermittlungsgeschäft der Arbeitsämter bezüglich dieses Arbeitslosen in ganz erheblichem Umfang beeinträchtigt wird (BSG SozR 3-4100 § 103 Nr. 9. In einem solchen Falle ist das Erfordernis, dass der Arbeitslose das Arbeitsamt täglich aufsuchen kann und täglich für das Arbeitsamt erreichbar ist, für die ganze Zeit nicht erfüllt. Zugleich hat das BSG jedoch betont, dass nur bei Vorliegen besonderer Umstände der Schluss auf eine durchgehende fehlende Verfügbarkeit des Arbeitslosen gerechtfertigt sei. Als Beispiel hat es die mehrtägige und zeitlich völlig unregelmäßige Nichterreichbarkeit des Arbeitslosen genannt. Bejaht hat es diese besonderen Umstände bei einem Arbeitslosen, dessen Reisepass innerhalb eines Jahres über 50 Stempeleinträge von Grenzübertritten an der Grenze zwischen Österreich und Jugoslawien enthielt, wobei eine Unterscheidung nach Ein- oder Ausreisestempeln nicht möglich war; außerdem entfielen über die Hälfte der Stempeleinträge auf die Wochentage Dienstag, Mittwoch und Donnerstag. Mit dieser Fallgestaltung ist der vorliegende Sachverhalt nicht vergleichbar. Dem Kläger sind während eines halbjährigen Zeitraums lediglich fünf Grenzübertritte nachgewiesen, von denen noch einer, nämlich derjenige vom 24. Juli 1997, sich auf den vom Arbeitsamt genehmigten "Urlaub" vom 28. Juli bis zum 17. August 1997 bezog. Besondere Umstände, etwa im Sinne einer zeitlich völlig unregelmäßigen Nichterreichbarkeit des Arbeitslosen, sind darin nicht zu erkennen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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