Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 2 RJ 847/00
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 12 RJ 32/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RJ 28/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. November 2000 aufgehoben und die Klagen abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme eines Bescheides über die Bewilligung von Übergangsgeld.
Die Beklagte hatte dem Kläger seit dem 1. Februar 1994 eine berufsfördernde Maßnahme zur Rehabilitation gewährt. Zugleich war der Kläger bis Januar 1997 versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Bescheid vom 20. Mai 1994, der einen vorherigen Bescheid vom 15. März 1994 ersetzte, bewilligte die Beklagte Übergangsgeld. Sie belehrte den Kläger darüber, dass der Bezug von Erwerbseinkommen und anderen Leistungen der Beklagten mitzuteilen sei, wegen unterbliebener Mitteilung zuviel gezahltes Übergangsgeld könne zurückgefordert werden. In der Folge mehrfach dynamisiert, zahlte die Beklagte dem Kläger insgesamt für den Zeitraum vom 1. Februar 1994 bis zum Ende der Maßnahme am 30. Januar 1997 einen Betrag von 111.048,88 DM. Zugleich erzielte der Kläger einen Nettolohn von 69.256,11 DM.
Mit Schreiben vom 15. August 1997 machte die Bundesanstalt für Angestellte (BfA) die Beklagte auf mögliche Doppelleistungen von Übergangsgeld und Arbeitsentgelt für die Zeit ab Februar 1994 aufmerksam. Dieses Schreiben ließ die Beklagte unbeachtet. Im Verlaufe eines Widerspruchsverfahrens wegen einer Eingliederungshilfe bemerkte die Beklagte im Oktober 1998 selbst Unstimmigkeiten zwischen Übergangsgeldzahlung und Arbeitsentgelt (Aktenvermerk vom 22. Oktober 1998). Ermittlungen bei der AOK Bad Hersfeld bestätigten eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers vom 1. Januar 1995 bis 31. Januar 1997. Anforderungsgemäß übersandte der Arbeitgeber am 26. November 1998 Lohnunterlagen über die Zeit von 1995 bis 31. Januar 1997. In diesen Unterlagen fand sich der Hinweis, dass der Kläger am 1. Januar 1994 in die Firma eingetreten war. Unter dem 24. November 1998 hatte die Beklagte den Kläger um Mitteilung gebeten, in welcher Höhe er in der Zeit vom 1. Februar 1994 bis 14. März 1997 Arbeitsentgelt bezogen habe. Dieses Schreiben blieb sachlich unbeantwortet.
In einem Anhörungsschreiben vom 8. Dezember 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, den Bescheid vom 15. März 1994 mit Wirkung vom 1. Januar 1995 aufzuheben und den im Einzelnen ausgewiesenen überzahlten Betrag von 45.835,80 DM zurückzufordern. Mit Bescheid vom 7. Januar 1999 hob die Beklagte den Bescheid vom 15. März 1994 mit Wirkung vom 1. Januar 1995 auf und forderte für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 31. Januar 1997 Übergangsgeld in Höhe von 45.835,80 DM zurück. Ebenfalls mit Schreiben vom 7. Januar 1999 nahm der Kläger zu dem Anhörungsschreiben Stellung und führte aus, er habe nicht grob fahrlässig gehandelt, als er seine Tätigkeit bei der Firma G. nicht mitgeteilt habe. Im Übrigen sei er für diese Firma nur beratend tätig gewesen und habe eine pauschale Vergütung von monatlich 1.500,00 DM erhalten. Die Berechnung der Beklagten sei nicht zutreffend. Am 14. Januar 1999 erhob der Kläger ohne weitere Begründung Widerspruch. Die Beklagte ermittelte bei dem Arbeitgeber des Klägers, der über seinen Steuerberater mitteilte, dass der Kläger in einem Arbeitsverhältnis gestanden und Lohnzahlungen entsprechend der korrekt abgewickelten Lohn- und Gehaltsabrechnung erhalten habe. Mit Bescheid vom 25. August 1999 nahm die Beklagte den Rückforderungsbescheid vom 7. Januar 1999 zurück. Den Übergangsgeldbescheid vom 20. Mai 1994 hob sie gem. § 48 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) mit Wirkung vom 1. Januar 1995 auf. Für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Januar 1997 stellte sie eine Überzahlung von 45.835,80 DM fest. Dieser Betrag sei gem. § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Dagegen legte der Kläger ohne weitere Begründung am 29. September 1999 Widerspruch ein.
Im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens bemerkte die Beklagte schließlich, dass der Kläger bereits seit dem 1. Januar 1994 beschäftigt gewesen war. Sie nahm mit Bescheid vom 27. Dezember 1999 den Bescheid vom 25. August 1999 zurück. Den Übergangsgeldbescheid vom 20. Mai 1994 nahm sie, ohne eine weitere Anhörung durchzuführen, gem. § 45 Abs. 2 Ziff. 3 SGB X zurück. Für die Zeit vom 1. Februar 1994 bis zum 31. Januar 1997 stellte sie einen überzahlten Betrag von 69.257,40 DM fest. Diesen verlangte sie gem. § 50 Abs. 1 SGB X zurück. Sie führte aus, der Bescheid werde gem. § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Mit Bescheid vom 18. Januar 2000 änderte die Beklagte den Bescheid vom 27. Dezember 1999 dahingehend ab, dass die Überzahlung lediglich einen Betrag von 69.256,46 DM betrage. Sodann wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2000 den Widerspruch zurück.
Dagegen hat der Kläger am 5. Mai 2000 Klage vor dem Sozialgericht in Gießen erhoben, das mit Urteil vom 14. November 2000 die Bescheide vom 27. Dezember 1999 und 18. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 aufgehoben hat. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der ein fehlendes Anhörungsverfahren im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden könne, wenn dem Kläger im Bescheid alle entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt gemacht worden seien, sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil weitere Voraussetzung sei, dass der Kläger im Bescheid, zumindest in der Rechtsmittelbelehrung, darauf hingewiesen werde, dass er sich noch im Widerspruchsverfahren zum Rechts- und Sachstand äußern könne. Ein solcher Hinweis auf die Möglichkeit der Gegenäußerung fehle in den angefochtenen Bescheiden.
Gegen das ihr am 21. Dezember 2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9. Januar 2001 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Insbesondere vertritt sie die Ansicht, der Anspruch auf rechtliches Gehör im Rahmen der Anhörung solle nur "Gelegenheit" zur Kenntnis und Stellungnahme geben. Diese Gelegenheit sei im anhängigen Widerspruchsverfahren gewährt worden. Durch die Rechtsmittelbelehrung sei dem Kläger bekannt gewesen, dass die angefochtenen Bescheide Gegenstand des bereits anhängigen Widerspruchsverfahrens gewesen seien und noch keine abschließende Entscheidung darstellten.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren einen Bescheid vom 8. Dezember 1998 überreicht, mit dem das Übergangsgeld in der Zeit vom 1. Februar 1994 bis 31. Januar 1997 unter Berücksichtigung des anrechnungsfähigen Arbeitsentgeltes des Klägers neu berechnet worden war; ferner einen Bescheid vom 30. November 2000, mit dem die Beklagte zuviel gezahltes Übergangsgeld in Höhe von 69.297,40 DM zurückfordert. Dieser Bescheid enthält den Hinweis, dass er nur dann gilt, wenn der Bescheid vom 27. Dezember 1999 keine Bestandskraft erlangen sollte.
Der Kläger legt einen Schriftwechsel mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aus dem Jahre 1995 sowie weitere dazu gehörende Unterlagen vor. Daraus ergebe sich, dass dem Kläger nicht ohne weiteres vorgeworfen werden könne, er habe vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Mitteilungspflichten verletzt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. November 2000 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Bescheide vom 8. Dezember 1998 und 30. November 2000 aufzuheben.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gegenstand des Verfahrens geworden ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten damit ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Die zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist begründet. Die Beklagte hat zu Recht das zuviel gezahlte Übergangsgeld vom Kläger zurückgefordert. Die angefochtenen Bescheide sind zutreffend, das sozialgerichtliche Urteil ist aufzuheben und die Klagen abzuweisen. Der Vorbehaltsbescheid vom 30. November 2000 hat keine Bedeutung gewonnen, da dessen Voraussetzungen nicht eingetreten sind.
Ein bestandskräftiger Bescheid kann auch für die Vergangenheit nach § 45 SGB X zurückgenommen werden, wenn
a) er anfänglich rechtswidrig war,
b) die Beklagte die Jahresfrist nach Abs. 4 Satz 2 eingehalten hat,
c) die Beklagte die 10-Jahres-Frist des Abs. 3 eingehalten hat,
d) Unlauterheit nach Abs. 4 Satz 1 vorliegt,
e) der Kläger sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen nach Abs. 2 berufen kann und f) die Beklagte ihr Ermessen (Abs. 1 Satz 1) richtig ausgeübt hat.
a) Der Bescheid vom 20. Mai 1994 war anfänglich rechtswidrig. Die Berechnung des Übergangsgeldes wurde nach § 22 SGB VI vorgenommen, ohne das gleichzeitig erzielte Erwerbseinkommen des Klägers gemäß § 27 SGB VI anzurechnen.
b) Die nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X notwendige Kenntnis von der Rechtswidrigkeit hat die Beklagte frühestens am 6. Dezember 1999 erhalten, als ihr die Lohnunterlagen des Klägers für das Jahr 1994 zugingen. Die Jahresfrist zur Rücknahme ist mit dem Bescheid vom 27. Dezember 1999, abgeändert am 18. Januar 2000, gewahrt. Eine frühere Kenntnisnahme der Beklagten kann nicht festgestellt werden, denn diese müsste alle entscheidungserheblichen Tatsachen umfassen, die den Erlass eines rechtlich und tatsächlich vollständigen Rücknahmebescheides rechtfertigen würde, also auch die Berechnungsgrundlagen für einen solchen rechtmäßigen Bescheid. Ein bloßer Verdacht ersetzt diese Kenntnis nicht, ebenso nicht ein selbst grob fahrlässiges "Kennen müssen" (BSG, SozR 3 - 1300 § 45 Nr. 2, Kasseler Kommentar, § 45 SGB X, Rdnr. 29).
In dem vom Kläger vorgelegten Schriftwechsel mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) aus dem Jahre 1995 findet sich keine ausdrückliche Mitteilung des Klägers über seinen Arbeitsverdienst an die Beklagte und deren Kenntnisnahme. Kenntnis nehmen muss die bescheiderlassende Behörde (BSGE 63, 224), nach neuerer Rechtsprechung sogar der zuständige Sachbearbeiter (BSGE 77, 295).
Eine ausreichende Kenntnis hat die Beklagte auch nicht durch die Anfrage der BfA vom 15. August 1997 gewonnen. Darin wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in nicht nachvollziehbarem hohen Umfang Leistungen zur Berufsförderung gewährt seien. Es sind für die fragliche Zeit die Höhe des Übergangsgeldes und das versicherungspflichtige Erwerbseinkommen genannt, wobei die BfA von einem Übermittlungsfehler ausging und die bei der Beklagten befindlichen Daten erneut anforderte. Eine sorgfältig handelnde Behörde hätte nach dieser Anfrage sofort Verdacht schöpfen müssen, dass mit größter Wahrscheinlichkeit zuviel Übergangsgeld gezahlt worden war und der entsprechende Bescheid rechtswidrig war. Allerdings war die Höhe der Überzahlung und damit der Umfang der Rechtswidrigkeit aus den übermittelten Entgeltbeträgen nicht zu entnehmen, denn diese betrafen nur das versicherungspflichtige Einkommen, nicht jedoch das zur Berechnung des Übergangsgeldes notwendige Nettoeinkommen (§ 27 SGB VI). Es muss zwar als grob fahrlässig angesehen werden, dass die Beklagte aufgrund des Schreibens der BfA bei dem Kläger keine weiteren Auskünfte eingeholt hat, wie ausgeführt, ist dies jedoch nicht rechtserheblich. Nur ein missbräuchliches Sichverschließen vor der Kenntnis könnte eine tatsächliche Kenntnisnahme ersetzen (Kasseler Kommentar, a.a.O.), dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Auch bei ordnungsgemäßer Bearbeitung hätte die Beklagte allein aus dem Schreiben der BfA nicht den Umfang der Überzahlung und damit die Rechtswidrigkeit des Bescheides feststellen können. Die bekannt gewordenen Daten hätten zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Erlass eines Rücknahmebescheides ausgereicht, die Jahresfrist begann also noch nicht zu laufen.
Bei ihren eigenen Ermittlungen im Herbst 1998 ging die Beklagte zunächst entsprechend der ihr übermittelten Daten von einer Überzahlung ab dem 1. Januar 1995 aus. Aus den am 26. November 1998 übersandten Lohnunterlagen war allerdings zu ersehen, dass der Kläger schon seit dem 1. Januar 1994 bei seinem Arbeitgeber angestellt gewesen war. Aber auch hier ersetzt die Kenntnis des Beschäftigungsbeginns noch nicht die notwendige Kenntnis des entsprechenden Nettolohns in der fraglichen Zeit. Die Beklagte hat zwar versucht, darüber Auskünfte vom Kläger zu erhalten, dieser hat jedoch seine Tätigkeit im Jahre 1994 weiter verschwiegen. Deshalb kann zum Zeitpunkt der Übersendung der Lohnunterlagen für 1995 noch keine ausreichende Kenntnisnahme über die Beschäftigung im Jahre 1994 unterstellt werden. Die Kenntnis aller zur Rücknahme des Bescheides notwendiger Tatsachen nach § 45 SGB X wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit hatte die Beklagte erst mit Zugang der Lohnunterlagen für das Jahr 1994.
c) Der Übergangsgeldbescheid stellt einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, der nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann, sofern der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 2 Satz 3 Ziff. 3 SGB X). Der Kläger war im Bescheid vom 20. Mai 1994 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er Erwerbseinkommen der Beklagten mitzuteilen habe, weil die Höhe des Übergangsgeldes davon abhängig sein könnte. Der Kläger musste somit wissen, dass wegen seines Arbeitseinkommens der Übergangsgeldbescheid zu seinen Gunsten falsch war. Der entsprechende Aufklärungstext im Bescheid ist unzweideutig und verständlich. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Kläger subjektiv nicht in der Lage wäre, dessen Inhalt zu verstehen. Sofern er den Text nicht gelesen haben sollte, hätte er in besonders schwerem Maße die erforderliche Sorgfalt verletzt, die bei Erhalt eines begünstigenden Bescheides jedenfalls darin besteht, diesen vollständig und genau zu lesen. In diesem Fall wäre seine Unkenntnis der Rechtswidrigkeit unbeachtlich, weil sie auf grober Fahrlässigkeit beruhte.
d) Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X kann der Bescheid auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, weil, wie eben ausgeführt, die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 vorliegen.
e) Auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 SGB X kann sich der Kläger ebenfalls nicht berufen, weil die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 vorliegen.
f) Die Rücknahme nach § 45 SGB X stellt eine Ermessensentscheidung dar. Ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten ist nicht ersichtlich. Weder hat der Kläger Tatsachen vorgebracht, mit denen sich die Beklagte hätte auseinandersetzen müssen, noch sind solche aus den Akten ersichtlich. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte das Interesse der Versichertengemeinschaft auf Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes dem Interesse des Versicherten am Fortbestehen des Verwaltungsaktes vorgezogen hat.
Materiellrechtlich sind die angefochtenen Bescheide somit zutreffend. Allerdings hat die Beklagte die nach § 24 SGB X notwendige Anhörung nicht durchgeführt. Entgegen der im Urteil des Sozialgerichts vertretenen Ansicht ist dieser Verfahrensfehler jedoch im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X kann eine Anhörung nachgeholt werden. Dabei ist der Verfahrensmangel einer fehlender Anhörung vor Erlass eines Bescheides ohne gesonderte Nachholungshandlung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens heilbar, wenn der Bescheid selbst alle wesentlichen Tatsachen enthält (BSG, Urteil vom 14.07.1994 - 7 RAr 104/93; vgl. auch Kasseler Kommentar, § 41 Rdnr. 15 ff. m.w.N.). Der Bescheid vom 27. Dezember 1999 erfüllt diese Voraussetzungen. Er ist von der für die Erstentscheidung zuständigen Verwaltungsbehörde erlassen, er enthält die neue Berechnung des Übergangsgeldes und die Berechnung der Überzahlung und er benennt die Voraussetzungen des § 45 SGB X einschließlich eines Hinweises zur Ermessensausübung. Allerdings fehlt ein gesonderter Hinweis auf die Äußerungsmöglichkeit. Dieser war früher vom 4. Senat des BSG (BSGE 69, 247) gefordert worden. Die übrigen Senate des BSG sind dieser Rechtsprechung jedoch nicht gefolgt und auch der 4. Senat selbst hat seine Ansicht im Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 3/94 aufgegeben. Nach dem Wortlaut des § 24 SGB X ist den Beteiligten "Gelegenheit" zur Stellungnahme zu geben. Es reicht also, dass der Kläger im Widerspruchsverfahren die Möglichkeit hatte, sich zu äußern. Dies gilt auch in dem hier vorliegenden, besonderen Fall, in dem der die fehlende Anhörung heilende Bescheid in einem nach § 86 SGG anhängigen Widerspruchsverfahren ergangen ist. Auch ein von der Ausgangsbehörde erlassener neuer Bescheid im Widerspruchsverfahren kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Anhörung ersetzen. Der entsprechende Hinweis, der sich anstelle einer Rechtsmittelbelehrung im Bescheid befindet, macht deutlich, dass eine endgültige Entscheidung noch nicht ergangen ist und noch weitere Stellungnahmen abgegeben werden können. Dies war vom Kläger auch zu erkennen. Er hätte jederzeit noch Einwände gegen die dem Bescheid zu Grunde gelegten Tatsachen erheben können. Dazu hätte auch der Zeitraum zwischen der Erteilung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides ausgereicht.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Rücknahme eines Bescheides über die Bewilligung von Übergangsgeld.
Die Beklagte hatte dem Kläger seit dem 1. Februar 1994 eine berufsfördernde Maßnahme zur Rehabilitation gewährt. Zugleich war der Kläger bis Januar 1997 versicherungspflichtig beschäftigt. Mit Bescheid vom 20. Mai 1994, der einen vorherigen Bescheid vom 15. März 1994 ersetzte, bewilligte die Beklagte Übergangsgeld. Sie belehrte den Kläger darüber, dass der Bezug von Erwerbseinkommen und anderen Leistungen der Beklagten mitzuteilen sei, wegen unterbliebener Mitteilung zuviel gezahltes Übergangsgeld könne zurückgefordert werden. In der Folge mehrfach dynamisiert, zahlte die Beklagte dem Kläger insgesamt für den Zeitraum vom 1. Februar 1994 bis zum Ende der Maßnahme am 30. Januar 1997 einen Betrag von 111.048,88 DM. Zugleich erzielte der Kläger einen Nettolohn von 69.256,11 DM.
Mit Schreiben vom 15. August 1997 machte die Bundesanstalt für Angestellte (BfA) die Beklagte auf mögliche Doppelleistungen von Übergangsgeld und Arbeitsentgelt für die Zeit ab Februar 1994 aufmerksam. Dieses Schreiben ließ die Beklagte unbeachtet. Im Verlaufe eines Widerspruchsverfahrens wegen einer Eingliederungshilfe bemerkte die Beklagte im Oktober 1998 selbst Unstimmigkeiten zwischen Übergangsgeldzahlung und Arbeitsentgelt (Aktenvermerk vom 22. Oktober 1998). Ermittlungen bei der AOK Bad Hersfeld bestätigten eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers vom 1. Januar 1995 bis 31. Januar 1997. Anforderungsgemäß übersandte der Arbeitgeber am 26. November 1998 Lohnunterlagen über die Zeit von 1995 bis 31. Januar 1997. In diesen Unterlagen fand sich der Hinweis, dass der Kläger am 1. Januar 1994 in die Firma eingetreten war. Unter dem 24. November 1998 hatte die Beklagte den Kläger um Mitteilung gebeten, in welcher Höhe er in der Zeit vom 1. Februar 1994 bis 14. März 1997 Arbeitsentgelt bezogen habe. Dieses Schreiben blieb sachlich unbeantwortet.
In einem Anhörungsschreiben vom 8. Dezember 1998 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie beabsichtige, den Bescheid vom 15. März 1994 mit Wirkung vom 1. Januar 1995 aufzuheben und den im Einzelnen ausgewiesenen überzahlten Betrag von 45.835,80 DM zurückzufordern. Mit Bescheid vom 7. Januar 1999 hob die Beklagte den Bescheid vom 15. März 1994 mit Wirkung vom 1. Januar 1995 auf und forderte für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis 31. Januar 1997 Übergangsgeld in Höhe von 45.835,80 DM zurück. Ebenfalls mit Schreiben vom 7. Januar 1999 nahm der Kläger zu dem Anhörungsschreiben Stellung und führte aus, er habe nicht grob fahrlässig gehandelt, als er seine Tätigkeit bei der Firma G. nicht mitgeteilt habe. Im Übrigen sei er für diese Firma nur beratend tätig gewesen und habe eine pauschale Vergütung von monatlich 1.500,00 DM erhalten. Die Berechnung der Beklagten sei nicht zutreffend. Am 14. Januar 1999 erhob der Kläger ohne weitere Begründung Widerspruch. Die Beklagte ermittelte bei dem Arbeitgeber des Klägers, der über seinen Steuerberater mitteilte, dass der Kläger in einem Arbeitsverhältnis gestanden und Lohnzahlungen entsprechend der korrekt abgewickelten Lohn- und Gehaltsabrechnung erhalten habe. Mit Bescheid vom 25. August 1999 nahm die Beklagte den Rückforderungsbescheid vom 7. Januar 1999 zurück. Den Übergangsgeldbescheid vom 20. Mai 1994 hob sie gem. § 48 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) mit Wirkung vom 1. Januar 1995 auf. Für die Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Januar 1997 stellte sie eine Überzahlung von 45.835,80 DM fest. Dieser Betrag sei gem. § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten. Dagegen legte der Kläger ohne weitere Begründung am 29. September 1999 Widerspruch ein.
Im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens bemerkte die Beklagte schließlich, dass der Kläger bereits seit dem 1. Januar 1994 beschäftigt gewesen war. Sie nahm mit Bescheid vom 27. Dezember 1999 den Bescheid vom 25. August 1999 zurück. Den Übergangsgeldbescheid vom 20. Mai 1994 nahm sie, ohne eine weitere Anhörung durchzuführen, gem. § 45 Abs. 2 Ziff. 3 SGB X zurück. Für die Zeit vom 1. Februar 1994 bis zum 31. Januar 1997 stellte sie einen überzahlten Betrag von 69.257,40 DM fest. Diesen verlangte sie gem. § 50 Abs. 1 SGB X zurück. Sie führte aus, der Bescheid werde gem. § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens. Mit Bescheid vom 18. Januar 2000 änderte die Beklagte den Bescheid vom 27. Dezember 1999 dahingehend ab, dass die Überzahlung lediglich einen Betrag von 69.256,46 DM betrage. Sodann wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 18. April 2000 den Widerspruch zurück.
Dagegen hat der Kläger am 5. Mai 2000 Klage vor dem Sozialgericht in Gießen erhoben, das mit Urteil vom 14. November 2000 die Bescheide vom 27. Dezember 1999 und 18. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 2000 aufgehoben hat. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger sei nicht ordnungsgemäß angehört worden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der ein fehlendes Anhörungsverfahren im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden könne, wenn dem Kläger im Bescheid alle entscheidungserheblichen Tatsachen bekannt gemacht worden seien, sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil weitere Voraussetzung sei, dass der Kläger im Bescheid, zumindest in der Rechtsmittelbelehrung, darauf hingewiesen werde, dass er sich noch im Widerspruchsverfahren zum Rechts- und Sachstand äußern könne. Ein solcher Hinweis auf die Möglichkeit der Gegenäußerung fehle in den angefochtenen Bescheiden.
Gegen das ihr am 21. Dezember 2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 9. Januar 2001 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Insbesondere vertritt sie die Ansicht, der Anspruch auf rechtliches Gehör im Rahmen der Anhörung solle nur "Gelegenheit" zur Kenntnis und Stellungnahme geben. Diese Gelegenheit sei im anhängigen Widerspruchsverfahren gewährt worden. Durch die Rechtsmittelbelehrung sei dem Kläger bekannt gewesen, dass die angefochtenen Bescheide Gegenstand des bereits anhängigen Widerspruchsverfahrens gewesen seien und noch keine abschließende Entscheidung darstellten.
Der Kläger hat im Berufungsverfahren einen Bescheid vom 8. Dezember 1998 überreicht, mit dem das Übergangsgeld in der Zeit vom 1. Februar 1994 bis 31. Januar 1997 unter Berücksichtigung des anrechnungsfähigen Arbeitsentgeltes des Klägers neu berechnet worden war; ferner einen Bescheid vom 30. November 2000, mit dem die Beklagte zuviel gezahltes Übergangsgeld in Höhe von 69.297,40 DM zurückfordert. Dieser Bescheid enthält den Hinweis, dass er nur dann gilt, wenn der Bescheid vom 27. Dezember 1999 keine Bestandskraft erlangen sollte.
Der Kläger legt einen Schriftwechsel mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte aus dem Jahre 1995 sowie weitere dazu gehörende Unterlagen vor. Daraus ergebe sich, dass dem Kläger nicht ohne weiteres vorgeworfen werden könne, er habe vorsätzlich oder grob fahrlässig seine Mitteilungspflichten verletzt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. November 2000 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen und die Bescheide vom 8. Dezember 1998 und 30. November 2000 aufzuheben.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten, der Gegenstand des Verfahrens geworden ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten damit ihr Einverständnis erklärt haben (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG).
Die zulässige Berufung (§§ 143, 151 SGG) ist begründet. Die Beklagte hat zu Recht das zuviel gezahlte Übergangsgeld vom Kläger zurückgefordert. Die angefochtenen Bescheide sind zutreffend, das sozialgerichtliche Urteil ist aufzuheben und die Klagen abzuweisen. Der Vorbehaltsbescheid vom 30. November 2000 hat keine Bedeutung gewonnen, da dessen Voraussetzungen nicht eingetreten sind.
Ein bestandskräftiger Bescheid kann auch für die Vergangenheit nach § 45 SGB X zurückgenommen werden, wenn
a) er anfänglich rechtswidrig war,
b) die Beklagte die Jahresfrist nach Abs. 4 Satz 2 eingehalten hat,
c) die Beklagte die 10-Jahres-Frist des Abs. 3 eingehalten hat,
d) Unlauterheit nach Abs. 4 Satz 1 vorliegt,
e) der Kläger sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen nach Abs. 2 berufen kann und f) die Beklagte ihr Ermessen (Abs. 1 Satz 1) richtig ausgeübt hat.
a) Der Bescheid vom 20. Mai 1994 war anfänglich rechtswidrig. Die Berechnung des Übergangsgeldes wurde nach § 22 SGB VI vorgenommen, ohne das gleichzeitig erzielte Erwerbseinkommen des Klägers gemäß § 27 SGB VI anzurechnen.
b) Die nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X notwendige Kenntnis von der Rechtswidrigkeit hat die Beklagte frühestens am 6. Dezember 1999 erhalten, als ihr die Lohnunterlagen des Klägers für das Jahr 1994 zugingen. Die Jahresfrist zur Rücknahme ist mit dem Bescheid vom 27. Dezember 1999, abgeändert am 18. Januar 2000, gewahrt. Eine frühere Kenntnisnahme der Beklagten kann nicht festgestellt werden, denn diese müsste alle entscheidungserheblichen Tatsachen umfassen, die den Erlass eines rechtlich und tatsächlich vollständigen Rücknahmebescheides rechtfertigen würde, also auch die Berechnungsgrundlagen für einen solchen rechtmäßigen Bescheid. Ein bloßer Verdacht ersetzt diese Kenntnis nicht, ebenso nicht ein selbst grob fahrlässiges "Kennen müssen" (BSG, SozR 3 - 1300 § 45 Nr. 2, Kasseler Kommentar, § 45 SGB X, Rdnr. 29).
In dem vom Kläger vorgelegten Schriftwechsel mit der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) aus dem Jahre 1995 findet sich keine ausdrückliche Mitteilung des Klägers über seinen Arbeitsverdienst an die Beklagte und deren Kenntnisnahme. Kenntnis nehmen muss die bescheiderlassende Behörde (BSGE 63, 224), nach neuerer Rechtsprechung sogar der zuständige Sachbearbeiter (BSGE 77, 295).
Eine ausreichende Kenntnis hat die Beklagte auch nicht durch die Anfrage der BfA vom 15. August 1997 gewonnen. Darin wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in nicht nachvollziehbarem hohen Umfang Leistungen zur Berufsförderung gewährt seien. Es sind für die fragliche Zeit die Höhe des Übergangsgeldes und das versicherungspflichtige Erwerbseinkommen genannt, wobei die BfA von einem Übermittlungsfehler ausging und die bei der Beklagten befindlichen Daten erneut anforderte. Eine sorgfältig handelnde Behörde hätte nach dieser Anfrage sofort Verdacht schöpfen müssen, dass mit größter Wahrscheinlichkeit zuviel Übergangsgeld gezahlt worden war und der entsprechende Bescheid rechtswidrig war. Allerdings war die Höhe der Überzahlung und damit der Umfang der Rechtswidrigkeit aus den übermittelten Entgeltbeträgen nicht zu entnehmen, denn diese betrafen nur das versicherungspflichtige Einkommen, nicht jedoch das zur Berechnung des Übergangsgeldes notwendige Nettoeinkommen (§ 27 SGB VI). Es muss zwar als grob fahrlässig angesehen werden, dass die Beklagte aufgrund des Schreibens der BfA bei dem Kläger keine weiteren Auskünfte eingeholt hat, wie ausgeführt, ist dies jedoch nicht rechtserheblich. Nur ein missbräuchliches Sichverschließen vor der Kenntnis könnte eine tatsächliche Kenntnisnahme ersetzen (Kasseler Kommentar, a.a.O.), dafür gibt es jedoch keine Anhaltspunkte. Auch bei ordnungsgemäßer Bearbeitung hätte die Beklagte allein aus dem Schreiben der BfA nicht den Umfang der Überzahlung und damit die Rechtswidrigkeit des Bescheides feststellen können. Die bekannt gewordenen Daten hätten zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Erlass eines Rücknahmebescheides ausgereicht, die Jahresfrist begann also noch nicht zu laufen.
Bei ihren eigenen Ermittlungen im Herbst 1998 ging die Beklagte zunächst entsprechend der ihr übermittelten Daten von einer Überzahlung ab dem 1. Januar 1995 aus. Aus den am 26. November 1998 übersandten Lohnunterlagen war allerdings zu ersehen, dass der Kläger schon seit dem 1. Januar 1994 bei seinem Arbeitgeber angestellt gewesen war. Aber auch hier ersetzt die Kenntnis des Beschäftigungsbeginns noch nicht die notwendige Kenntnis des entsprechenden Nettolohns in der fraglichen Zeit. Die Beklagte hat zwar versucht, darüber Auskünfte vom Kläger zu erhalten, dieser hat jedoch seine Tätigkeit im Jahre 1994 weiter verschwiegen. Deshalb kann zum Zeitpunkt der Übersendung der Lohnunterlagen für 1995 noch keine ausreichende Kenntnisnahme über die Beschäftigung im Jahre 1994 unterstellt werden. Die Kenntnis aller zur Rücknahme des Bescheides notwendiger Tatsachen nach § 45 SGB X wegen anfänglicher Rechtswidrigkeit hatte die Beklagte erst mit Zugang der Lohnunterlagen für das Jahr 1994.
c) Der Übergangsgeldbescheid stellt einen rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar, der nur bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann, sofern der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (§ 45 Abs. 3 Satz 3 und Abs. 2 Satz 3 Ziff. 3 SGB X). Der Kläger war im Bescheid vom 20. Mai 1994 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er Erwerbseinkommen der Beklagten mitzuteilen habe, weil die Höhe des Übergangsgeldes davon abhängig sein könnte. Der Kläger musste somit wissen, dass wegen seines Arbeitseinkommens der Übergangsgeldbescheid zu seinen Gunsten falsch war. Der entsprechende Aufklärungstext im Bescheid ist unzweideutig und verständlich. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass der Kläger subjektiv nicht in der Lage wäre, dessen Inhalt zu verstehen. Sofern er den Text nicht gelesen haben sollte, hätte er in besonders schwerem Maße die erforderliche Sorgfalt verletzt, die bei Erhalt eines begünstigenden Bescheides jedenfalls darin besteht, diesen vollständig und genau zu lesen. In diesem Fall wäre seine Unkenntnis der Rechtswidrigkeit unbeachtlich, weil sie auf grober Fahrlässigkeit beruhte.
d) Nach § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X kann der Bescheid auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen werden, weil, wie eben ausgeführt, die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 vorliegen.
e) Auf Vertrauensschutz nach § 45 Abs. 2 SGB X kann sich der Kläger ebenfalls nicht berufen, weil die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 vorliegen.
f) Die Rücknahme nach § 45 SGB X stellt eine Ermessensentscheidung dar. Ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten ist nicht ersichtlich. Weder hat der Kläger Tatsachen vorgebracht, mit denen sich die Beklagte hätte auseinandersetzen müssen, noch sind solche aus den Akten ersichtlich. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte das Interesse der Versichertengemeinschaft auf Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes dem Interesse des Versicherten am Fortbestehen des Verwaltungsaktes vorgezogen hat.
Materiellrechtlich sind die angefochtenen Bescheide somit zutreffend. Allerdings hat die Beklagte die nach § 24 SGB X notwendige Anhörung nicht durchgeführt. Entgegen der im Urteil des Sozialgerichts vertretenen Ansicht ist dieser Verfahrensfehler jedoch im Widerspruchsverfahren geheilt worden. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X kann eine Anhörung nachgeholt werden. Dabei ist der Verfahrensmangel einer fehlender Anhörung vor Erlass eines Bescheides ohne gesonderte Nachholungshandlung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens heilbar, wenn der Bescheid selbst alle wesentlichen Tatsachen enthält (BSG, Urteil vom 14.07.1994 - 7 RAr 104/93; vgl. auch Kasseler Kommentar, § 41 Rdnr. 15 ff. m.w.N.). Der Bescheid vom 27. Dezember 1999 erfüllt diese Voraussetzungen. Er ist von der für die Erstentscheidung zuständigen Verwaltungsbehörde erlassen, er enthält die neue Berechnung des Übergangsgeldes und die Berechnung der Überzahlung und er benennt die Voraussetzungen des § 45 SGB X einschließlich eines Hinweises zur Ermessensausübung. Allerdings fehlt ein gesonderter Hinweis auf die Äußerungsmöglichkeit. Dieser war früher vom 4. Senat des BSG (BSGE 69, 247) gefordert worden. Die übrigen Senate des BSG sind dieser Rechtsprechung jedoch nicht gefolgt und auch der 4. Senat selbst hat seine Ansicht im Urteil vom 16.11.1995 - 4 RLw 3/94 aufgegeben. Nach dem Wortlaut des § 24 SGB X ist den Beteiligten "Gelegenheit" zur Stellungnahme zu geben. Es reicht also, dass der Kläger im Widerspruchsverfahren die Möglichkeit hatte, sich zu äußern. Dies gilt auch in dem hier vorliegenden, besonderen Fall, in dem der die fehlende Anhörung heilende Bescheid in einem nach § 86 SGG anhängigen Widerspruchsverfahren ergangen ist. Auch ein von der Ausgangsbehörde erlassener neuer Bescheid im Widerspruchsverfahren kann bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine Anhörung ersetzen. Der entsprechende Hinweis, der sich anstelle einer Rechtsmittelbelehrung im Bescheid befindet, macht deutlich, dass eine endgültige Entscheidung noch nicht ergangen ist und noch weitere Stellungnahmen abgegeben werden können. Dies war vom Kläger auch zu erkennen. Er hätte jederzeit noch Einwände gegen die dem Bescheid zu Grunde gelegten Tatsachen erheben können. Dazu hätte auch der Zeitraum zwischen der Erteilung des Bescheides und des Widerspruchsbescheides ausgereicht.
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.
Die Revision wird zugelassen.
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