Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 13 U 1005/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 409/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 15/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 18. Februar 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berechnung des der Hinterbliebenenrente zugrundeliegenden Jahresarbeitsverdienstes (JAV) des Versicherten R. A ...
Der 1942 geborene Versicherte verstarb am 16. Dezember 1994 an Herzversagen nach einem an ihm verübten Raubüberfall. Dieser hatte sich ereignet, als der Versicherte mit den Tageseinnahmen des Eishockeyspieles der F. L. gegen die A. M. unterwegs war. Der Versicherte war Vereinsmitglied des F. Eissportclubs "D. L. e.V." und aufgrund eines Beschlusses des Vereinsvorstandes vom 13. Juni 1991 für den Kassendienst, d.h. "Tageskartenverkauf/Kassendienst, Organisation, Einsatzdienst, Kassendienst", eingeteilt. Am Nachmittag des 16. Dezember 1994 hatte sich der Versicherte ab 16:00 Uhr in der Eissporthalle aufgehalten und von dort aus gegen 21:00 Uhr den Heimweg unter Mitnahme der Tageseinnahmen angetreten. Diese wollte er wie üblich am nächsten Tag zur Bank bringen.
Vor seinem Tod bezog der Versicherte seit dem 1. März 1991 eine Erwerbsunfähigkeitsrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) in Berlin in Höhe von 2.293,35 DM, eine Rente von dem Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiersgewerbes a.G. in Höhe von 1.339,86 DM sowie Zusatzversorgungsleistungen von der BfG Bank in Höhe von 550,01 DM monatlich, so dass er insgesamt über eine Rente von 4.183,22 DM verfügte. Bei seinem Tod hinterließ der Versicherte seine Ehefrau, die Klägerin zu 1) und seinen am 22. Juli 1983 geborenen Sohn, den Kläger zu 2).
Mit an die Klägerin als gesetzliche Vertreterin ihres Sohnes gerichteten Bescheid vom 18. Dezember 1996 gewährte die Beklagte dem Kläger zu 2) eine Waisenrente ab dem 16. Dezember 1994 in Höhe von 1/5 des JAV. Bei der Berechnung des JAV legte sie den Mindestsatz in Höhe von 28.224,00 DM (§ 575 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung -RVO-) zugrunde. Dagegen legte der Kläger zu 2) am 14. Januar 1997 Widerspruch ein.
Der Klägerin zu 1) gewährte die Beklagte durch Bescheid vom 28. Januar 1997 Witwenrente in Höhe von 2/5 des JAV unter teilweiser Anrechnung des von ihr erzielten Einkommens. Der Berechnung des JAV legte sie wiederum den Mindestsatz von 28.224,00 DM zugrunde. Auch die Klägerin zu 1) legte hiergegen am 11. Februar 1997 Widerspruch ein. Sie machte ebenso wie der Kläger zu 2) geltend, der JAV sei nach billigem Ermessen festzusetzen und nach dem Renteneinkommen des Versicherten zu berechnen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 1997, der an die Klägerin adressiert und ihrem Bevollmächtigten Rechtsanwalt B. am 20. August 1997 per Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, führte die Beklagte aus, der Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 18. Dezember 1996 werde zurückgewiesen. Der Witwenrentenbescheid vom 28. Januar 1997 sei Teil des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden, weil sich der Widerspruch auf die JAV-Feststellung beziehe und der JAV Berechnungsgrundlage aller Renten sei. Der JAV sei als Mindest-JAV gemäß § 575 RVO festgestellt worden, da der Versicherte im Jahr vor dem Unfall kein Einkommen erzielt habe. Eine unbillige Härte ergebe sich nicht, da die Rente aus der Rentenversicherung weiterhin aus der höheren Berechnungsgrundlage ermittelt werde und die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusätzlich zur Witwen- und Waisenrente aus der Rentenversicherung gezahlt werde. Ein höhere Rente aus der Unfallversicherung führe vielmehr zu einem entsprechend höheren Anrechnungsbetrag bei der Rentenversicherung.
Mit Schreiben vom 18. November 1997 wandten sich die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) wieder an die Beklagte und machten geltend, der Widerspruchsbescheid vom 19. August 1997 sei zwar bindend geworden, der Bescheid sei jedoch aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen unrichtig. Die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung werde nicht zusätzlich zu der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Vielmehr sei die Rentenversicherung "freigestellt". Wenn aber eine Zahlung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr stattfinde, dann stelle es eine unbillige Härte dar, wenn die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht nach dem tatsächlichen Renteneinkommen des Versicherten, sondern nach dem Mindest-JAV berechnet werde.
Mit Bescheid vom 18. Februar 1998 teilte die Beklagte mit, eine Rücknahme des Bescheides vom 18. Dezember 1996 in Form des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1997 nach § 44 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) werde nicht vorgenommen. Das Renteneinkommen zähle nicht zu den Einkommensarten, die der Berechnung des JAV zugrunde zu legen seien. Im Namen der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) legte deren Prozessbevollmächtigter am 24. Februar 1998 gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.
Die Beklagte erließ unter dem 14. April 1998 einen an die Klägerin zu 1) gerichteten Widerspruchsbescheid und führte darin aus, der Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 18. Februar 1998 werde zurückgewiesen. Der Bescheid vom 18. Dezember 1996 in Form des Widerspruchbescheides vom 19. August 1997 werde nicht zurückgenommen, da das Recht bei dessen Erlass nicht unrichtig angewandt worden sei. Der bestandskräftige Bescheid sei rechtmäßig.
Gegen diesen Bescheid hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1) in deren Namen am 14. Mai 1998 beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) Klage erhoben (Az.: S 8 U 534/98).
Nachdem das SG die Beteiligten darauf hingewiesen hatte, über den Widerspruch vom 7. Februar 1997 gegen den Witwenrentenbescheid der Klägerin zu 1) vom 28. Januar 1997 sei bislang keine Entscheidung durch Widerspruchsbescheid ergangen, erließ die Beklagte unter dem 18. August 1998 einen weiteren Widerspruchsbescheid mit dem sie den Widerspruch gegen den Witwenrentenbescheid vom 28. Januar 1997 zurückwies.
Den Bescheid vom 18. Februar 1998 und Widerspruchsbescheid vom 14. April 1998, nunmehr gerichtet an die Klägerin zu 1) als gesetzliche Vertreterin des Klägers zu 2), übersandte die Beklagte im August 1998 an die Kläger und teilte mit, es handele sich um zwei berichtigte Bescheide.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 18. August 1998 hat die Klägerin zu 1) am 14. September 1998 Klage erhoben (Az.: S 13 U 1005/98). Das SG hat durch Beschluss vom 8. Oktober 1998 die unter den Az. S 8 U 534/98 und S 8 U 1005/98 geführten Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Az. S 8 U 1005/98 fortgeführt.
Durch Urteil vom 18. Februar 1999 hat das SG die Klagen abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) stünden keine höheren Hinterbliebenenrenten dergestalt zu, dass bei der Feststellung des JAV die dem Versicherten gewährten Renten zugrunde zu legen wären. Die Beklagte habe zu Recht den JAV gemäß § 575 RVO berechnet und so den Mindest-JAV der Rentenberechnung zugrunde gelegt. Bei den Renteneinnahmen handele es sich nicht um Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen im Sinne von § 571 Abs. 1 Satz 1 RVO. Dies ergebe sich im Übrigen auch aus dem eindeutigen Wortlaut der §§ 14 und 15 SGB IV. Soweit klägerseits damit argumentiert werde, auch eine Rente sei zu versteuern und daher wie Einkommen zu bewerten, gehe dies fehl. Denn aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung sei nicht zu erkennen, dass etwaige steuerrechtliche Gesichtspunke eine ausdehnende Auslegung erforderten. Im Übrigen komme es für die Berechnung des JAV nicht auf das vom Verletzten im Unfallzeitpunkt bezogene Einkommen, sondern auf die verrichtete Tätigkeit an, wie sich aus den Folgeregelungen des § 571 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 RVO ergebe. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der Regelung des § 571 Abs. 1 Satz 2 RVO. Dem Sinn und Zweck der Vorschrift entspreche es, nur solche früheren Tätigkeiten des Verletzten zu berücksichtigen, die mit der zur Unfallzeit ausgeübten Tätigkeit noch in einem durch das Arbeitsleben bestimmten Zusammenhang stünden. Da der Versicherte jedoch bereits seit dem 1. März 1991 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen habe, sei es äußerst unwahrscheinlich, dass dieser wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hätte. Auch sei die zur Unfallzeit ausgeübte und versicherte Tätigkeit des Kassierers für den F. Eishockeyverein "D. L." nicht in einem durch das Arbeitsleben bestimmten Zusammenhang zu sehen. Eine Berechnung des JAV nach § 571 Abs. 1 Satz 3 RVO scheitere schon daran, dass der Verletzte zur Zeit des Unfalls keine entgeltliche Tätigkeit ausgeübt habe. Der JAV sei deshalb nach § 575 RVO zu bemessen. Eine Feststellung des JAV nach billigem Ermessen gemäß § 577 RVO habe nicht zu erfolgen. Zwar könne diese Vorschrift auch bei der Feststellung des JAV nach § 575 RVO Anwendung finden. Jedoch sei der berechnete JAV im konkreten Falle nicht in erheblichem Maße unbillig. Zwar sei es unbillig, ein aus besonderen Gründen vorrübergehend niedriges, der normalen Lebenshaltung des Verletzten nicht entsprechendes Arbeitseinkommen der Rentenberechnung als JAV zugrunde zu legen und als Maßstab für die gesamte Laufzeit der Rente zu machen. Ein solcher Fall liege jedoch hier nicht vor. Der Versicherte sei im Zeitpunkt des Raubüberfalls schon länger als drei Jahre aus dem Arbeitsleben ausgeschieden gewesen und habe den Unfall bei einer nicht mit Arbeitseinkommen verbundenen ehrenamtlichen Tätigkeit erlitten. Sein Lebensstandard habe auf dem Bezug von Renten beruht, so dass eine Unbilligkeit im Sinne des § 577 RVO nicht vorliege.
Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 22. März 1999 zugestellte Urteil haben die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) am 1. April 1999 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, auch bei der Berechnung des JAV im Rahmen des § 571 Abs. 1 RVO seien die Renteneinkünfte des Versicherten zu berücksichtigen. Denn sowohl § 14 als auch § 15 SGB IV verwiesen auf das Einkommensteuerrecht. Nach dessen § 19 Abs. 1 Ziffer 2 Einkommensteuergesetz (EStG) gehörten zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Tätigkeit auch Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder. Demzufolge gehörten Renten auch zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit. Die Einheit der Rechtsordnung und die vom Gesetzgeber gewollte Verzahnung zwischen Sozialversicherungsrecht und Einkommensteuerrecht ließen es nicht zu, hier eine Lücke aufzureißen, die es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht gebe und die im Hinblick auf ältere, bereits verrentete Arbeitnehmer auch nicht gerechtfertigt sei. Werde der JAV nicht gemäß § 571 RVO berechnet, so habe zumindest gemäß § 577 RVO eine Feststellung des JAV nach billigem Ermessen zu erfolgen. Danach sei es unbillig, ein aus besonderen Gründen niedriges, der normalen Lebenshaltung des Verletzten nicht entsprechendes Arbeitseinkommen der Rentenberechnung als JAV zugrunde zu legen und zum Maßstab für die gesamte Laufzeit der Unfallrente zu machen. Lege man im vorliegenden Fall nicht das von dem Versicherten bezogene Renteneinkommen der JAV-Berechnung zugrunde, so komme es zu einer doppelten Absenkung der Hinterbliebenenrenten.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 18. Februar 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1998 und des berichtigten Bescheides vom 18. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 18. Dezember 1996 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19. August 1997 zurückzunehmen sowie unter Änderung des Bescheides vom 28. Januar 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 1998 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu 1) Witwenrente und dem Kläger zu 2) Waisenrente unter Zugrundelegung eines JAV in Höhe des Renteneinkommens des Versicherten R. A. zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinsichtlich der Berechnung des JAV nach billigem Ermessen neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, den JAV, der der Berechnung der Witwenrente der Klägerin zu 1) und der Waisenrente des Klägers zu 2) zugrunde liegt, neu zu berechnen. Mit der am 14. September 1998 beim SG eingegangenen Klage hat die Klägerin zu 1) den Witwenrentenbescheid vom 28. Januar 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 1998 angefochten. Der Witwenrentenbescheid vom 28. Januar 1997 ist nicht Gegenstand des den Waisenrentenbescheid vom 18. Dezember 1996 betreffenden Widerspruchsverfahrens, wie die Beklagte ursprünglich angenommen hat, geworden, weil der Witwen- und Waisenrentenbescheid Rechtsverhältnisse regeln, die voneinander verschiedene Adressaten betreffen.
Mit seiner Klage vom 14. Mai 1998 wendet sich der Kläger zu 2), vertreten durch die Klägerin zu 1), gegen den Bescheid vom 18. Februar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1998 in der jeweils berichtigten Form, wodurch die Beklagte eine Änderung des Waisenrentenbescheides vom 18. Dezember 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1997 gemäß § 44 SGB X abgelehnt hat.
Die Berufung der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) ist hinsichtlich des Hauptantrags unbegründet. Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Berechnung und Gewährung von Hinterbliebenenrenten unter Zugrundelegung eines JAV, der der Höhe des Renteneinkommens des verstorbenen Versicherten entspricht. Die Beklagte und das SG haben zutreffend entschieden, dass im vorliegenden Fall eine Berechnung des JAV nach § 571 Abs. 1 RVO nicht in Betracht kommt.
Da die Klägerin zu 1) ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht, beträgt die ihr zustehende Witwenrente 2/5 des JAV (§ 560 Abs. 2 RVO). Als JAV gilt der Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Verletzten in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Arbeitsunfall eingetreten ist (§ 551 Abs. 1 Satz 1 RVO). Für Zeiten, in denen der Verletzte in diesen 12 Kalendermonaten kein Arbeitsentgelt und kein Arbeitseinkommen bezog, wird das Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen zugrunde gelegt, das durch eine Tätigkeit erzielt wird, die der letzten Tätigkeit des Verletzten vor diesen Zeiten entspricht (§ 571 Abs. 1 Satz 2 RVO). Ist der Verletzte früher nicht tätig gewesen, so ist die Tätigkeit maßgebend, die er zur Zeit des Arbeitsunfalls ausgeübt hat (§ 571 Abs. 1 Satz 3 RVO).
Im vorliegenden Fall hat der verstorbene Versicherte in dem Jahr vor seinem Tod, d.h. vom 16. September 1993 bis zum 15. Dezember 1994, von der BfA eine Erwerbsunfähigkeitsrente und zusätzlich eine Rente von dem Beamtenversicherungsverein a.G. des Deutschen Bank- und Bankiersgewerbes sowie eine Zusatzversorgung von der BfG Bank bezogen. Dieses Einkommen ist weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen im Sinne des § 571 RVO. Denn Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Einkünfte, die nicht das Ergebnis einer Arbeitstätigkeit sind, wie z.B. Renten, rechnen weder zum Arbeitsentgelt noch zum Arbeitseinkommen (vgl. Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, § 571 Anm. 2d; Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 28. April 1977 in BSGE 44, 13, 14). Da der Versicherte folglich in dem Jahr vor dem Unfall weder ein Arbeitsentgelt bezogen noch ein Arbeitseinkommen hatte, scheidet eine Berechnung des JAV nach § 571 Abs. 1 Satz 1 RVO aus.
Auch eine Berechnung des JAV gemäß § 571 Abs. 1 Satz 2 RVO kann hier nicht erfolgen. Denn die Anwendung dieser Vorschrift setzt nach herrschender Auffassung (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 1977, a.a.O. und Urteil vom 14. Dezember 1978 - 2 RU 51/78 - in SGb 1979, 69; Lauterbach/Watermann, a.a.O., § 571 Anm. 4a) voraus, dass die letzte Tätigkeit mit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen noch in einem durch das Arbeitsleben bestimmten Zusammenhang mit der zur Unfallzeit ausgeübten Tätigkeit steht. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, wonach erreicht werden soll, dass der durch den Ausfall von Arbeitseinkommen im Jahr vor dem Unfall bedingte niedrige Lebensstandard, der in der Regel nicht lange anhält, nicht zum Maßstab für die gesamte Laufzeit der Rente gemacht wird. Nach der Natur der Sache kommt hierfür normalerweise ein Verdienstausfall vornehmlich durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit, d.h. also eine verhältnismäßig kurze Unterbrechung ein- und derselben Erwerbsarbeit in Betracht. Im vorliegenden Fall bezog der Versicherte bereits seit dem 1. März 1991 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Im Zeitpunkt des als Arbeitsunfall anerkannten Raubüberfalls war folglich nicht damit zu rechnen, dass der Versicherte jemals wieder in das Erwerbsleben zurückkehrt. Zudem stand die zur Unfallzeit ausgeübte ehrenamtliche Tätigkeit des Versicherten in keinem Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Bankangestellter.
Eine Berechnung des JAV nach § 571 Abs. 1 Satz 3 RVO kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil die Anwendung dieser Vorschrift voraussetzt, dass der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls eine entgeltliche Tätigkeit ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 28. April 1977, a.a.O.).
War der Verletzte nicht erwerbstätig und kommt eine Berechnung des JAV nach § 571 Abs. 1 RVO nicht in Betracht, ist der JAV nach § 575 Abs. 1 RVO festzusetzen. Danach beträgt der JAV für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, mindestens 60 v.H. der im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls maßgebenden Bezugsgröße (§ 18 SGB IV). Die Beklagte hat entsprechend dieser Vorschrift den maßgeblichen JAV bestimmt. Dementsprechend betrug der JAV für die ab dem 16. Dezember 1994 zu zahlende Witwen- und Waisenrente 28.224,00 DM. Ist der nach den §§ 571 bis 576 RVO berechnete Arbeitsverdienst in erheblichem Maße unbillig, so ist der JAV im Rahmen des § 575 RVO nach billigem Ermessen festzustellen. Hierbei ist außer den Fähigkeiten, der Ausbildung und Lebensstellung des Verletzten seine Erwerbstätigkeit zur Zeit des Arbeitsunfalls oder, soweit er nicht gegen Entgelt tätig war, eine gleichartige oder vergleichbare Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen. Diese in § 577 RVO enthaltene Regelung ist auch bei der Feststellung des JAV gemäß § 575 RVO anwendbar (BSG, Urteil vom 28. April 1977, a.a.O.; Lauterbach/Watermann, a.a.O., § 571 Anm. 5b bb). Die Feststellung nach billigem Ermessen hat in den Grenzen des gesetzlichen Mindest- und Höchst-JAV zu erfolgen. D.h., dass der festzustellende JAV den in Abs. 2 des § 575 RVO genannten Betrag von höchstens 36.000,00 DM nicht übersteigen darf.
Die hier erfolgte Entscheidung der Beklagten, wonach der gemäß § 575 Abs. 1 Nr. 1 RVO festgesetzte JAV nicht "in erheblichem Maße unbillig" ist, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung. Denn die Beklagte hat hinsichtlich dieser Entscheidung weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum (BSG, Urteil vom 29. Oktober 1981 - 8/8a RU 68/80 - in SozR 2200 § 577 RVO Nr. 19, BSG, Urteil vom 9. Dezember 1993 - 2 RU 48/92 - in SozR 3-2200 § 577 Nr. 1 m.w.N.). "Das Vorliegen der erheblichen Unbilligkeit kann unter Berücksichtigung aller Tatumstände nur von Fall zu Fall entschieden werden. Bereits hier sind die für die nach Annahme der Unbilligkeit bei der Feststellung des billigen JAV zu beachtenden Bewertungsgesichtspunkts (Fähigkeiten, Ausbildung und Lebensstellung des Verletzten, seine Erwerbstätigkeit zur Zeit des Arbeitsunfalls oder eine gleichartige oder vergleichbare Erwerbstätigkeit) zu berücksichtigen" (so BSG im Urteil vom 9. Dezember 1993, a.a.O.).
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 28. April 1977 entschieden, dass ein nach § 575 RVO berechneter JAV nicht in erheblichem Maße unbillig ist, wenn der Verletzte bereits länger als ein Jahr vor dem Unfall aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und einen Unfall bei einer nicht mit Arbeitseinkommen verbundenen ehrenamtlichen Tätigkeit erleidet. Das BSG hat sich bei dieser Entscheidung auf die Begründung des Entwurfs zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (BT-Drucksache IV/120 S. 57 zu §§ 570 bis 578) gestützt und ausgeführt, nach der darin zum Ausdruck gekommenen Zielvorstellung des Gesetzgebers sei es unbillig, ein aus besonderen Gründen vorübergehend niedriges, der normalen Lebenshaltung des Verletzten nicht entsprechendes Arbeitseinkommen der Rentenberechung des JAV zugrunde zu legen und als Maßstab für die gesamte Laufzeit der Rente zu machen. Der Lebensstandard des aufgrund seiner ehrenamtlichen Tätigkeit Versicherten habe zur Zeit seines Unfalls nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer nicht mehr auf einem Arbeitseinkommen beruht, sondern auf dem Bezug von Renten und Leistungen, die ihm wegen Arbeitslosigkeit gewährt wurden.
In der Entscheidung vom 29. Oktober 1981 (a.a.O.) hat das BSG ausgeführt, mit der Regelung des § 577 RVO solle erreicht werden, dass der Verletzte und seine Hinterbliebenen durch den Unfall nicht in dem erreichten Lebensstandard beeinträchtigt werden. Dies folge schon aus den Grundsätzen der Berechnung des JAV in § 571 RVO und werde durch die Korrekturmöglichkeit nach § 577 RVO noch verstärkt zum Ausdruck gebracht. § 571 Abs. 1 Satz 1 RVO sehe die Addition aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Verletzten im Jahr vor dem Arbeitsunfall als JAV vor. Damit werde im Regelfall der zur Zeit des Unfalls erreichte Lebensstandard des Verletzten erfasst. Für die Ausnahmefälle, in denen diese Addition deshalb zu unbefriedigenden Ergebnissen führe, weil in das maßgebliche Jahr vor dem Arbeitsunfall Zeiten ohne Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen fielen, schreibe Satz 2 des § 571 Abs. 1 RVO den Einsatz der vor ihrem Beginn feststellbaren Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Verletzten auch für die entgelt- und einkommenslosen Zeiten vor. Schließlich erkläre § 571 Abs. 1 Satz 3 RVO für den Fall, dass der Verletzte "früher nicht tätig gewesen" sei, die Tätigkeit für maßgebend, die er zur Zeit des Arbeitsunfalls ausgeübt habe. Dies zeige deutlich, dass der Gesetzgeber mit dem JAV das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des letzten Jahres vor dem Arbeitsunfall unter Ausschluss von Bezugslücken als die den Lebensstandard des Verletzten bestimmende Größe zu erfassen suche. Auch die Anpassungsregelung des § 573 RVO mit ihrem Schutz des durch Ausbildung angestrebten und ohne den Unfall wahrscheinlich erreichten Lebensstandards lasse diese Funktion des JAV erkennen.
Unter Hinweis auf den Grundsatz, dass der Verletzte und seine Hinterbliebenen durch den Unfall nicht in dem erreichten Lebensstandard beeinträchtigt werden sollen, vertreten die Kläger die Auffassung, der JAV sei auch im Rahmen des § 577 RVO nach dem Renteneinkommen des Versicherten zu bemessen. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn der Bezieher eines Renteneinkommens erleidet durch den Eintritt eines Arbeitsunfalls keinen Einkommensverlust wie ein Versicherter, der im Erwerbsleben stehend einen Arbeitsunfall erleidet. Der Letztere wird unter Umständen in erheblichem Maße in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert und kann unter Umständen nicht mehr dasjenige Erwerbseinkommen erzielen, das ihm vor dem Unfall zur Verfügung stand. Bezieht jedoch ein Versicherter im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls bereits eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, so bezieht er seine Rente auch nach dem Arbeitsunfall ungemindert weiter. Denn die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird in vollem Umfang weitergezahlt, auch wenn wegen des Arbeitsunfalls ein Rentenanspruch oder ein Anspruch auf sonstige Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für den selben Zeitraum besteht. Dies folgt aus § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI, wonach eine Anrechnung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine Rentenleistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfolgt, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Versicherungsfall geleistet wird, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ereignet hat. Derjenige Versicherte, der im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls bereits einen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat, bezieht demzufolge auch nach dem Arbeitsunfall die bereits vor dem Unfall ausbezahlte Rente und zusätzlich zu dieser Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Da er das vor dem Arbeitsunfall bezogene Renteneinkommen weiterbezieht, ist der Lebensstandard des Versicherten schon aus diesem Grunde durch den Arbeitsunfall nicht beeinträchtigt.
Allerdings gilt diese Regelung des § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI nicht für Hinterbliebenenrenten (so die Regelung in § 93 Abs. 5 Satz 3 SGB VI). Für Hinterbliebene gelten vielmehr die Vorschriften der Abs. 1 bis 4 des § 93 SGB VI, wonach die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit nicht geleistet wird, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge, d.h. die Summe der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung, vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. Der Grenzbetrag beträgt nach § 93 Abs. 3 SGB VI 70 v.H. eines Zwölftels des JAV, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt, vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenfaktor für persönliche Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten. Mindestgrenzbetrag ist der Monatsbetrag der Rente.
Bei den Beziehern einer Hinterbliebenenrente könnte folglich der nach § 575 festgestellte JAV "in erheblichem Maße unbillig" sein, weil sich die Höhe der Hinterbliebenenrenten insgesamt nach einem Grenzbetrag bemisst, dessen Höhe in Abhängigkeit von der Höhe des jeweiligen JAV, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt, errechnet wird. Dies hat zur Folge, dass sich der Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Abhängigkeit zu der Höhe des JAV verringert oder erhöht. Dieser Umstand allein führt jedoch nicht dazu, dass ein niedrig bemessener JAV "in erheblichem Maße" unbillig ist. Denn den Hinterbliebenen verbleibt zumindest eine Gesamtrente in Höhe des Monatsbetrags der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Hinterbliebenen erhalten demzufolge zumindest eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. aus der gesetzlichen Unfallversicherung und aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die in der Höhe der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Die Höhe dieser Rente bemisst sich wiederum nach dem Rentenanspruch des Versicherten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, so dass das Renteneinkommen des Versicherten vor dem Arbeitsunfall Maßstab für die Höhe des Hinterbliebenenrentenanspruchs insgesamt ist. Insofern kann nicht davon die Rede sein, dass durch den Arbeitsunfall die Hinterbliebenen in dem erreichten Lebensstandard beeinträchtigt würden.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin zu 1) ab dem 1. April 1995 einen monatlichen Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.376,01 DM. Abzüglich des Krankenversicherungsbeitrags und des Beitrags zur Pflegeversicherung errechnete sich ein Rentenanspruch in Höhe von 1.276,94 DM. Aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat die Beklagte der Klägerin ab dem 1. April 1995 eine laufende Rente in Höhe von 940,80 DM gezahlt. Wegen des gleichzeitigen Bezugs von Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Unfallversicherung wurde die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ab April 1995 um 873,06 DM gekürzt, so dass der Klägerin eine Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 403,88 DM verblieben ist. Der Klägerin stand somit eine Gesamtrente in Höhe von 1.344,68 DM zur Verfügung. Der Kläger zu 2) hatte ab dem 1. Januar 1995 einen Anspruch auf Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 396,40 DM monatlich. Nach Abzug des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags stand dem Kläger zu 2) eine Rente in Höhe von 367,86 DM zu. Aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat die Beklagte dem Kläger zu 2) eine Waisenrente in Höhe von 470,40 DM gewährt. Im Falle des Klägers zu 2) hat der Anspruch auf Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zum Wegfall des Anspruchs auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung geführt.
Da der gemäß § 575 Abs. 1 Nr. 1 RVO berechnete JAV im vorliegenden Fall nicht "in erheblichem Maße unbillig" ist (§ 577 RVO), ist die Beklagte nicht verpflichtet, den JAV im Rahmen des § 575 erneut nach billigem Ermessen festzustellen, so dass die Kläger auch nicht mit ihrem hilfsweise geltend gemachten Begehren Erfolg haben konnten.
Der Senat hat auf Antrag der Beteiligten die Revision zugelassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Berechnung des der Hinterbliebenenrente zugrundeliegenden Jahresarbeitsverdienstes (JAV) des Versicherten R. A ...
Der 1942 geborene Versicherte verstarb am 16. Dezember 1994 an Herzversagen nach einem an ihm verübten Raubüberfall. Dieser hatte sich ereignet, als der Versicherte mit den Tageseinnahmen des Eishockeyspieles der F. L. gegen die A. M. unterwegs war. Der Versicherte war Vereinsmitglied des F. Eissportclubs "D. L. e.V." und aufgrund eines Beschlusses des Vereinsvorstandes vom 13. Juni 1991 für den Kassendienst, d.h. "Tageskartenverkauf/Kassendienst, Organisation, Einsatzdienst, Kassendienst", eingeteilt. Am Nachmittag des 16. Dezember 1994 hatte sich der Versicherte ab 16:00 Uhr in der Eissporthalle aufgehalten und von dort aus gegen 21:00 Uhr den Heimweg unter Mitnahme der Tageseinnahmen angetreten. Diese wollte er wie üblich am nächsten Tag zur Bank bringen.
Vor seinem Tod bezog der Versicherte seit dem 1. März 1991 eine Erwerbsunfähigkeitsrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) in Berlin in Höhe von 2.293,35 DM, eine Rente von dem Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiersgewerbes a.G. in Höhe von 1.339,86 DM sowie Zusatzversorgungsleistungen von der BfG Bank in Höhe von 550,01 DM monatlich, so dass er insgesamt über eine Rente von 4.183,22 DM verfügte. Bei seinem Tod hinterließ der Versicherte seine Ehefrau, die Klägerin zu 1) und seinen am 22. Juli 1983 geborenen Sohn, den Kläger zu 2).
Mit an die Klägerin als gesetzliche Vertreterin ihres Sohnes gerichteten Bescheid vom 18. Dezember 1996 gewährte die Beklagte dem Kläger zu 2) eine Waisenrente ab dem 16. Dezember 1994 in Höhe von 1/5 des JAV. Bei der Berechnung des JAV legte sie den Mindestsatz in Höhe von 28.224,00 DM (§ 575 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung -RVO-) zugrunde. Dagegen legte der Kläger zu 2) am 14. Januar 1997 Widerspruch ein.
Der Klägerin zu 1) gewährte die Beklagte durch Bescheid vom 28. Januar 1997 Witwenrente in Höhe von 2/5 des JAV unter teilweiser Anrechnung des von ihr erzielten Einkommens. Der Berechnung des JAV legte sie wiederum den Mindestsatz von 28.224,00 DM zugrunde. Auch die Klägerin zu 1) legte hiergegen am 11. Februar 1997 Widerspruch ein. Sie machte ebenso wie der Kläger zu 2) geltend, der JAV sei nach billigem Ermessen festzusetzen und nach dem Renteneinkommen des Versicherten zu berechnen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 1997, der an die Klägerin adressiert und ihrem Bevollmächtigten Rechtsanwalt B. am 20. August 1997 per Postzustellungsurkunde zugestellt wurde, führte die Beklagte aus, der Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 18. Dezember 1996 werde zurückgewiesen. Der Witwenrentenbescheid vom 28. Januar 1997 sei Teil des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden, weil sich der Widerspruch auf die JAV-Feststellung beziehe und der JAV Berechnungsgrundlage aller Renten sei. Der JAV sei als Mindest-JAV gemäß § 575 RVO festgestellt worden, da der Versicherte im Jahr vor dem Unfall kein Einkommen erzielt habe. Eine unbillige Härte ergebe sich nicht, da die Rente aus der Rentenversicherung weiterhin aus der höheren Berechnungsgrundlage ermittelt werde und die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zusätzlich zur Witwen- und Waisenrente aus der Rentenversicherung gezahlt werde. Ein höhere Rente aus der Unfallversicherung führe vielmehr zu einem entsprechend höheren Anrechnungsbetrag bei der Rentenversicherung.
Mit Schreiben vom 18. November 1997 wandten sich die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) wieder an die Beklagte und machten geltend, der Widerspruchsbescheid vom 19. August 1997 sei zwar bindend geworden, der Bescheid sei jedoch aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen unrichtig. Die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung werde nicht zusätzlich zu der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt. Vielmehr sei die Rentenversicherung "freigestellt". Wenn aber eine Zahlung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht mehr stattfinde, dann stelle es eine unbillige Härte dar, wenn die Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht nach dem tatsächlichen Renteneinkommen des Versicherten, sondern nach dem Mindest-JAV berechnet werde.
Mit Bescheid vom 18. Februar 1998 teilte die Beklagte mit, eine Rücknahme des Bescheides vom 18. Dezember 1996 in Form des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1997 nach § 44 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) werde nicht vorgenommen. Das Renteneinkommen zähle nicht zu den Einkommensarten, die der Berechnung des JAV zugrunde zu legen seien. Im Namen der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) legte deren Prozessbevollmächtigter am 24. Februar 1998 gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.
Die Beklagte erließ unter dem 14. April 1998 einen an die Klägerin zu 1) gerichteten Widerspruchsbescheid und führte darin aus, der Widerspruch gegen den Verwaltungsakt vom 18. Februar 1998 werde zurückgewiesen. Der Bescheid vom 18. Dezember 1996 in Form des Widerspruchbescheides vom 19. August 1997 werde nicht zurückgenommen, da das Recht bei dessen Erlass nicht unrichtig angewandt worden sei. Der bestandskräftige Bescheid sei rechtmäßig.
Gegen diesen Bescheid hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 1) in deren Namen am 14. Mai 1998 beim Sozialgericht Wiesbaden (SG) Klage erhoben (Az.: S 8 U 534/98).
Nachdem das SG die Beteiligten darauf hingewiesen hatte, über den Widerspruch vom 7. Februar 1997 gegen den Witwenrentenbescheid der Klägerin zu 1) vom 28. Januar 1997 sei bislang keine Entscheidung durch Widerspruchsbescheid ergangen, erließ die Beklagte unter dem 18. August 1998 einen weiteren Widerspruchsbescheid mit dem sie den Widerspruch gegen den Witwenrentenbescheid vom 28. Januar 1997 zurückwies.
Den Bescheid vom 18. Februar 1998 und Widerspruchsbescheid vom 14. April 1998, nunmehr gerichtet an die Klägerin zu 1) als gesetzliche Vertreterin des Klägers zu 2), übersandte die Beklagte im August 1998 an die Kläger und teilte mit, es handele sich um zwei berichtigte Bescheide.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 18. August 1998 hat die Klägerin zu 1) am 14. September 1998 Klage erhoben (Az.: S 13 U 1005/98). Das SG hat durch Beschluss vom 8. Oktober 1998 die unter den Az. S 8 U 534/98 und S 8 U 1005/98 geführten Rechtsstreite zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Az. S 8 U 1005/98 fortgeführt.
Durch Urteil vom 18. Februar 1999 hat das SG die Klagen abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, der Klägerin zu 1) und dem Kläger zu 2) stünden keine höheren Hinterbliebenenrenten dergestalt zu, dass bei der Feststellung des JAV die dem Versicherten gewährten Renten zugrunde zu legen wären. Die Beklagte habe zu Recht den JAV gemäß § 575 RVO berechnet und so den Mindest-JAV der Rentenberechnung zugrunde gelegt. Bei den Renteneinnahmen handele es sich nicht um Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen im Sinne von § 571 Abs. 1 Satz 1 RVO. Dies ergebe sich im Übrigen auch aus dem eindeutigen Wortlaut der §§ 14 und 15 SGB IV. Soweit klägerseits damit argumentiert werde, auch eine Rente sei zu versteuern und daher wie Einkommen zu bewerten, gehe dies fehl. Denn aufgrund der klaren gesetzlichen Regelung sei nicht zu erkennen, dass etwaige steuerrechtliche Gesichtspunke eine ausdehnende Auslegung erforderten. Im Übrigen komme es für die Berechnung des JAV nicht auf das vom Verletzten im Unfallzeitpunkt bezogene Einkommen, sondern auf die verrichtete Tätigkeit an, wie sich aus den Folgeregelungen des § 571 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 RVO ergebe. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht unter Berücksichtigung der Regelung des § 571 Abs. 1 Satz 2 RVO. Dem Sinn und Zweck der Vorschrift entspreche es, nur solche früheren Tätigkeiten des Verletzten zu berücksichtigen, die mit der zur Unfallzeit ausgeübten Tätigkeit noch in einem durch das Arbeitsleben bestimmten Zusammenhang stünden. Da der Versicherte jedoch bereits seit dem 1. März 1991 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen habe, sei es äußerst unwahrscheinlich, dass dieser wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hätte. Auch sei die zur Unfallzeit ausgeübte und versicherte Tätigkeit des Kassierers für den F. Eishockeyverein "D. L." nicht in einem durch das Arbeitsleben bestimmten Zusammenhang zu sehen. Eine Berechnung des JAV nach § 571 Abs. 1 Satz 3 RVO scheitere schon daran, dass der Verletzte zur Zeit des Unfalls keine entgeltliche Tätigkeit ausgeübt habe. Der JAV sei deshalb nach § 575 RVO zu bemessen. Eine Feststellung des JAV nach billigem Ermessen gemäß § 577 RVO habe nicht zu erfolgen. Zwar könne diese Vorschrift auch bei der Feststellung des JAV nach § 575 RVO Anwendung finden. Jedoch sei der berechnete JAV im konkreten Falle nicht in erheblichem Maße unbillig. Zwar sei es unbillig, ein aus besonderen Gründen vorrübergehend niedriges, der normalen Lebenshaltung des Verletzten nicht entsprechendes Arbeitseinkommen der Rentenberechnung als JAV zugrunde zu legen und als Maßstab für die gesamte Laufzeit der Rente zu machen. Ein solcher Fall liege jedoch hier nicht vor. Der Versicherte sei im Zeitpunkt des Raubüberfalls schon länger als drei Jahre aus dem Arbeitsleben ausgeschieden gewesen und habe den Unfall bei einer nicht mit Arbeitseinkommen verbundenen ehrenamtlichen Tätigkeit erlitten. Sein Lebensstandard habe auf dem Bezug von Renten beruht, so dass eine Unbilligkeit im Sinne des § 577 RVO nicht vorliege.
Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 22. März 1999 zugestellte Urteil haben die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) am 1. April 1999 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, auch bei der Berechnung des JAV im Rahmen des § 571 Abs. 1 RVO seien die Renteneinkünfte des Versicherten zu berücksichtigen. Denn sowohl § 14 als auch § 15 SGB IV verwiesen auf das Einkommensteuerrecht. Nach dessen § 19 Abs. 1 Ziffer 2 Einkommensteuergesetz (EStG) gehörten zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Tätigkeit auch Wartegelder, Ruhegelder, Witwen- und Waisengelder. Demzufolge gehörten Renten auch zu den Einkünften aus nicht selbstständiger Arbeit. Die Einheit der Rechtsordnung und die vom Gesetzgeber gewollte Verzahnung zwischen Sozialversicherungsrecht und Einkommensteuerrecht ließen es nicht zu, hier eine Lücke aufzureißen, die es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht gebe und die im Hinblick auf ältere, bereits verrentete Arbeitnehmer auch nicht gerechtfertigt sei. Werde der JAV nicht gemäß § 571 RVO berechnet, so habe zumindest gemäß § 577 RVO eine Feststellung des JAV nach billigem Ermessen zu erfolgen. Danach sei es unbillig, ein aus besonderen Gründen niedriges, der normalen Lebenshaltung des Verletzten nicht entsprechendes Arbeitseinkommen der Rentenberechnung als JAV zugrunde zu legen und zum Maßstab für die gesamte Laufzeit der Unfallrente zu machen. Lege man im vorliegenden Fall nicht das von dem Versicherten bezogene Renteneinkommen der JAV-Berechnung zugrunde, so komme es zu einer doppelten Absenkung der Hinterbliebenenrenten.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 18. Februar 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. Februar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1998 und des berichtigten Bescheides vom 18. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 18. Dezember 1996 in Gestalt des Widerspruchbescheides vom 19. August 1997 zurückzunehmen sowie unter Änderung des Bescheides vom 28. Januar 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 1998 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin zu 1) Witwenrente und dem Kläger zu 2) Waisenrente unter Zugrundelegung eines JAV in Höhe des Renteneinkommens des Versicherten R. A. zu zahlen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinsichtlich der Berechnung des JAV nach billigem Ermessen neu zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.
Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn die Beklagte ist nicht verpflichtet, den JAV, der der Berechnung der Witwenrente der Klägerin zu 1) und der Waisenrente des Klägers zu 2) zugrunde liegt, neu zu berechnen. Mit der am 14. September 1998 beim SG eingegangenen Klage hat die Klägerin zu 1) den Witwenrentenbescheid vom 28. Januar 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 1998 angefochten. Der Witwenrentenbescheid vom 28. Januar 1997 ist nicht Gegenstand des den Waisenrentenbescheid vom 18. Dezember 1996 betreffenden Widerspruchsverfahrens, wie die Beklagte ursprünglich angenommen hat, geworden, weil der Witwen- und Waisenrentenbescheid Rechtsverhältnisse regeln, die voneinander verschiedene Adressaten betreffen.
Mit seiner Klage vom 14. Mai 1998 wendet sich der Kläger zu 2), vertreten durch die Klägerin zu 1), gegen den Bescheid vom 18. Februar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1998 in der jeweils berichtigten Form, wodurch die Beklagte eine Änderung des Waisenrentenbescheides vom 18. Dezember 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1997 gemäß § 44 SGB X abgelehnt hat.
Die Berufung der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) ist hinsichtlich des Hauptantrags unbegründet. Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Berechnung und Gewährung von Hinterbliebenenrenten unter Zugrundelegung eines JAV, der der Höhe des Renteneinkommens des verstorbenen Versicherten entspricht. Die Beklagte und das SG haben zutreffend entschieden, dass im vorliegenden Fall eine Berechnung des JAV nach § 571 Abs. 1 RVO nicht in Betracht kommt.
Da die Klägerin zu 1) ein waisenrentenberechtigtes Kind erzieht, beträgt die ihr zustehende Witwenrente 2/5 des JAV (§ 560 Abs. 2 RVO). Als JAV gilt der Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Verletzten in den 12 Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Arbeitsunfall eingetreten ist (§ 551 Abs. 1 Satz 1 RVO). Für Zeiten, in denen der Verletzte in diesen 12 Kalendermonaten kein Arbeitsentgelt und kein Arbeitseinkommen bezog, wird das Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen zugrunde gelegt, das durch eine Tätigkeit erzielt wird, die der letzten Tätigkeit des Verletzten vor diesen Zeiten entspricht (§ 571 Abs. 1 Satz 2 RVO). Ist der Verletzte früher nicht tätig gewesen, so ist die Tätigkeit maßgebend, die er zur Zeit des Arbeitsunfalls ausgeübt hat (§ 571 Abs. 1 Satz 3 RVO).
Im vorliegenden Fall hat der verstorbene Versicherte in dem Jahr vor seinem Tod, d.h. vom 16. September 1993 bis zum 15. Dezember 1994, von der BfA eine Erwerbsunfähigkeitsrente und zusätzlich eine Rente von dem Beamtenversicherungsverein a.G. des Deutschen Bank- und Bankiersgewerbes sowie eine Zusatzversorgung von der BfG Bank bezogen. Dieses Einkommen ist weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen im Sinne des § 571 RVO. Denn Arbeitsentgelt sind alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung (§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV), Arbeitseinkommen ist der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbstständigen Tätigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Einkünfte, die nicht das Ergebnis einer Arbeitstätigkeit sind, wie z.B. Renten, rechnen weder zum Arbeitsentgelt noch zum Arbeitseinkommen (vgl. Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, § 571 Anm. 2d; Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 28. April 1977 in BSGE 44, 13, 14). Da der Versicherte folglich in dem Jahr vor dem Unfall weder ein Arbeitsentgelt bezogen noch ein Arbeitseinkommen hatte, scheidet eine Berechnung des JAV nach § 571 Abs. 1 Satz 1 RVO aus.
Auch eine Berechnung des JAV gemäß § 571 Abs. 1 Satz 2 RVO kann hier nicht erfolgen. Denn die Anwendung dieser Vorschrift setzt nach herrschender Auffassung (vgl. BSG, Urteil vom 28. April 1977, a.a.O. und Urteil vom 14. Dezember 1978 - 2 RU 51/78 - in SGb 1979, 69; Lauterbach/Watermann, a.a.O., § 571 Anm. 4a) voraus, dass die letzte Tätigkeit mit Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen noch in einem durch das Arbeitsleben bestimmten Zusammenhang mit der zur Unfallzeit ausgeübten Tätigkeit steht. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift, wonach erreicht werden soll, dass der durch den Ausfall von Arbeitseinkommen im Jahr vor dem Unfall bedingte niedrige Lebensstandard, der in der Regel nicht lange anhält, nicht zum Maßstab für die gesamte Laufzeit der Rente gemacht wird. Nach der Natur der Sache kommt hierfür normalerweise ein Verdienstausfall vornehmlich durch Krankheit oder Arbeitslosigkeit, d.h. also eine verhältnismäßig kurze Unterbrechung ein- und derselben Erwerbsarbeit in Betracht. Im vorliegenden Fall bezog der Versicherte bereits seit dem 1. März 1991 eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Im Zeitpunkt des als Arbeitsunfall anerkannten Raubüberfalls war folglich nicht damit zu rechnen, dass der Versicherte jemals wieder in das Erwerbsleben zurückkehrt. Zudem stand die zur Unfallzeit ausgeübte ehrenamtliche Tätigkeit des Versicherten in keinem Zusammenhang mit seiner früheren Tätigkeit als Bankangestellter.
Eine Berechnung des JAV nach § 571 Abs. 1 Satz 3 RVO kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil die Anwendung dieser Vorschrift voraussetzt, dass der Verletzte zur Zeit des Arbeitsunfalls eine entgeltliche Tätigkeit ausgeübt hat (BSG, Urteil vom 28. April 1977, a.a.O.).
War der Verletzte nicht erwerbstätig und kommt eine Berechnung des JAV nach § 571 Abs. 1 RVO nicht in Betracht, ist der JAV nach § 575 Abs. 1 RVO festzusetzen. Danach beträgt der JAV für Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, mindestens 60 v.H. der im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls maßgebenden Bezugsgröße (§ 18 SGB IV). Die Beklagte hat entsprechend dieser Vorschrift den maßgeblichen JAV bestimmt. Dementsprechend betrug der JAV für die ab dem 16. Dezember 1994 zu zahlende Witwen- und Waisenrente 28.224,00 DM. Ist der nach den §§ 571 bis 576 RVO berechnete Arbeitsverdienst in erheblichem Maße unbillig, so ist der JAV im Rahmen des § 575 RVO nach billigem Ermessen festzustellen. Hierbei ist außer den Fähigkeiten, der Ausbildung und Lebensstellung des Verletzten seine Erwerbstätigkeit zur Zeit des Arbeitsunfalls oder, soweit er nicht gegen Entgelt tätig war, eine gleichartige oder vergleichbare Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen. Diese in § 577 RVO enthaltene Regelung ist auch bei der Feststellung des JAV gemäß § 575 RVO anwendbar (BSG, Urteil vom 28. April 1977, a.a.O.; Lauterbach/Watermann, a.a.O., § 571 Anm. 5b bb). Die Feststellung nach billigem Ermessen hat in den Grenzen des gesetzlichen Mindest- und Höchst-JAV zu erfolgen. D.h., dass der festzustellende JAV den in Abs. 2 des § 575 RVO genannten Betrag von höchstens 36.000,00 DM nicht übersteigen darf.
Die hier erfolgte Entscheidung der Beklagten, wonach der gemäß § 575 Abs. 1 Nr. 1 RVO festgesetzte JAV nicht "in erheblichem Maße unbillig" ist, unterliegt in vollem Umfang der gerichtlichen Nachprüfung. Denn die Beklagte hat hinsichtlich dieser Entscheidung weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum (BSG, Urteil vom 29. Oktober 1981 - 8/8a RU 68/80 - in SozR 2200 § 577 RVO Nr. 19, BSG, Urteil vom 9. Dezember 1993 - 2 RU 48/92 - in SozR 3-2200 § 577 Nr. 1 m.w.N.). "Das Vorliegen der erheblichen Unbilligkeit kann unter Berücksichtigung aller Tatumstände nur von Fall zu Fall entschieden werden. Bereits hier sind die für die nach Annahme der Unbilligkeit bei der Feststellung des billigen JAV zu beachtenden Bewertungsgesichtspunkts (Fähigkeiten, Ausbildung und Lebensstellung des Verletzten, seine Erwerbstätigkeit zur Zeit des Arbeitsunfalls oder eine gleichartige oder vergleichbare Erwerbstätigkeit) zu berücksichtigen" (so BSG im Urteil vom 9. Dezember 1993, a.a.O.).
Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 28. April 1977 entschieden, dass ein nach § 575 RVO berechneter JAV nicht in erheblichem Maße unbillig ist, wenn der Verletzte bereits länger als ein Jahr vor dem Unfall aus dem Erwerbsleben ausgeschieden ist und einen Unfall bei einer nicht mit Arbeitseinkommen verbundenen ehrenamtlichen Tätigkeit erleidet. Das BSG hat sich bei dieser Entscheidung auf die Begründung des Entwurfs zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (BT-Drucksache IV/120 S. 57 zu §§ 570 bis 578) gestützt und ausgeführt, nach der darin zum Ausdruck gekommenen Zielvorstellung des Gesetzgebers sei es unbillig, ein aus besonderen Gründen vorübergehend niedriges, der normalen Lebenshaltung des Verletzten nicht entsprechendes Arbeitseinkommen der Rentenberechung des JAV zugrunde zu legen und als Maßstab für die gesamte Laufzeit der Rente zu machen. Der Lebensstandard des aufgrund seiner ehrenamtlichen Tätigkeit Versicherten habe zur Zeit seines Unfalls nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer nicht mehr auf einem Arbeitseinkommen beruht, sondern auf dem Bezug von Renten und Leistungen, die ihm wegen Arbeitslosigkeit gewährt wurden.
In der Entscheidung vom 29. Oktober 1981 (a.a.O.) hat das BSG ausgeführt, mit der Regelung des § 577 RVO solle erreicht werden, dass der Verletzte und seine Hinterbliebenen durch den Unfall nicht in dem erreichten Lebensstandard beeinträchtigt werden. Dies folge schon aus den Grundsätzen der Berechnung des JAV in § 571 RVO und werde durch die Korrekturmöglichkeit nach § 577 RVO noch verstärkt zum Ausdruck gebracht. § 571 Abs. 1 Satz 1 RVO sehe die Addition aller Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Verletzten im Jahr vor dem Arbeitsunfall als JAV vor. Damit werde im Regelfall der zur Zeit des Unfalls erreichte Lebensstandard des Verletzten erfasst. Für die Ausnahmefälle, in denen diese Addition deshalb zu unbefriedigenden Ergebnissen führe, weil in das maßgebliche Jahr vor dem Arbeitsunfall Zeiten ohne Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen fielen, schreibe Satz 2 des § 571 Abs. 1 RVO den Einsatz der vor ihrem Beginn feststellbaren Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen des Verletzten auch für die entgelt- und einkommenslosen Zeiten vor. Schließlich erkläre § 571 Abs. 1 Satz 3 RVO für den Fall, dass der Verletzte "früher nicht tätig gewesen" sei, die Tätigkeit für maßgebend, die er zur Zeit des Arbeitsunfalls ausgeübt habe. Dies zeige deutlich, dass der Gesetzgeber mit dem JAV das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen des letzten Jahres vor dem Arbeitsunfall unter Ausschluss von Bezugslücken als die den Lebensstandard des Verletzten bestimmende Größe zu erfassen suche. Auch die Anpassungsregelung des § 573 RVO mit ihrem Schutz des durch Ausbildung angestrebten und ohne den Unfall wahrscheinlich erreichten Lebensstandards lasse diese Funktion des JAV erkennen.
Unter Hinweis auf den Grundsatz, dass der Verletzte und seine Hinterbliebenen durch den Unfall nicht in dem erreichten Lebensstandard beeinträchtigt werden sollen, vertreten die Kläger die Auffassung, der JAV sei auch im Rahmen des § 577 RVO nach dem Renteneinkommen des Versicherten zu bemessen. Dieser Auffassung kann jedoch nicht gefolgt werden. Denn der Bezieher eines Renteneinkommens erleidet durch den Eintritt eines Arbeitsunfalls keinen Einkommensverlust wie ein Versicherter, der im Erwerbsleben stehend einen Arbeitsunfall erleidet. Der Letztere wird unter Umständen in erheblichem Maße in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert und kann unter Umständen nicht mehr dasjenige Erwerbseinkommen erzielen, das ihm vor dem Unfall zur Verfügung stand. Bezieht jedoch ein Versicherter im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls bereits eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, so bezieht er seine Rente auch nach dem Arbeitsunfall ungemindert weiter. Denn die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird in vollem Umfang weitergezahlt, auch wenn wegen des Arbeitsunfalls ein Rentenanspruch oder ein Anspruch auf sonstige Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für den selben Zeitraum besteht. Dies folgt aus § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI, wonach eine Anrechnung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf eine Rentenleistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfolgt, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Versicherungsfall geleistet wird, der sich nach Rentenbeginn oder nach Eintritt der für die Rente maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ereignet hat. Derjenige Versicherte, der im Zeitpunkt des Arbeitsunfalls bereits einen Anspruch auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hat, bezieht demzufolge auch nach dem Arbeitsunfall die bereits vor dem Unfall ausbezahlte Rente und zusätzlich zu dieser Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Da er das vor dem Arbeitsunfall bezogene Renteneinkommen weiterbezieht, ist der Lebensstandard des Versicherten schon aus diesem Grunde durch den Arbeitsunfall nicht beeinträchtigt.
Allerdings gilt diese Regelung des § 93 Abs. 5 Satz 1 SGB VI nicht für Hinterbliebenenrenten (so die Regelung in § 93 Abs. 5 Satz 3 SGB VI). Für Hinterbliebene gelten vielmehr die Vorschriften der Abs. 1 bis 4 des § 93 SGB VI, wonach die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit nicht geleistet wird, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge, d.h. die Summe der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung, vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. Der Grenzbetrag beträgt nach § 93 Abs. 3 SGB VI 70 v.H. eines Zwölftels des JAV, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt, vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenfaktor für persönliche Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten. Mindestgrenzbetrag ist der Monatsbetrag der Rente.
Bei den Beziehern einer Hinterbliebenenrente könnte folglich der nach § 575 festgestellte JAV "in erheblichem Maße unbillig" sein, weil sich die Höhe der Hinterbliebenenrenten insgesamt nach einem Grenzbetrag bemisst, dessen Höhe in Abhängigkeit von der Höhe des jeweiligen JAV, der der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zugrunde liegt, errechnet wird. Dies hat zur Folge, dass sich der Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Abhängigkeit zu der Höhe des JAV verringert oder erhöht. Dieser Umstand allein führt jedoch nicht dazu, dass ein niedrig bemessener JAV "in erheblichem Maße" unbillig ist. Denn den Hinterbliebenen verbleibt zumindest eine Gesamtrente in Höhe des Monatsbetrags der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Hinterbliebenen erhalten demzufolge zumindest eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. aus der gesetzlichen Unfallversicherung und aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die in der Höhe der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht. Die Höhe dieser Rente bemisst sich wiederum nach dem Rentenanspruch des Versicherten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, so dass das Renteneinkommen des Versicherten vor dem Arbeitsunfall Maßstab für die Höhe des Hinterbliebenenrentenanspruchs insgesamt ist. Insofern kann nicht davon die Rede sein, dass durch den Arbeitsunfall die Hinterbliebenen in dem erreichten Lebensstandard beeinträchtigt würden.
Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin zu 1) ab dem 1. April 1995 einen monatlichen Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 1.376,01 DM. Abzüglich des Krankenversicherungsbeitrags und des Beitrags zur Pflegeversicherung errechnete sich ein Rentenanspruch in Höhe von 1.276,94 DM. Aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat die Beklagte der Klägerin ab dem 1. April 1995 eine laufende Rente in Höhe von 940,80 DM gezahlt. Wegen des gleichzeitigen Bezugs von Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und Unfallversicherung wurde die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ab April 1995 um 873,06 DM gekürzt, so dass der Klägerin eine Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 403,88 DM verblieben ist. Der Klägerin stand somit eine Gesamtrente in Höhe von 1.344,68 DM zur Verfügung. Der Kläger zu 2) hatte ab dem 1. Januar 1995 einen Anspruch auf Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 396,40 DM monatlich. Nach Abzug des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags stand dem Kläger zu 2) eine Rente in Höhe von 367,86 DM zu. Aus der gesetzlichen Unfallversicherung hat die Beklagte dem Kläger zu 2) eine Waisenrente in Höhe von 470,40 DM gewährt. Im Falle des Klägers zu 2) hat der Anspruch auf Halbwaisenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zum Wegfall des Anspruchs auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung geführt.
Da der gemäß § 575 Abs. 1 Nr. 1 RVO berechnete JAV im vorliegenden Fall nicht "in erheblichem Maße unbillig" ist (§ 577 RVO), ist die Beklagte nicht verpflichtet, den JAV im Rahmen des § 575 erneut nach billigem Ermessen festzustellen, so dass die Kläger auch nicht mit ihrem hilfsweise geltend gemachten Begehren Erfolg haben konnten.
Der Senat hat auf Antrag der Beteiligten die Revision zugelassen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
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