L 10 AL 1585/97

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 612/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 1585/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin zur Erstattung von Arbeitslosenhilfe in Höhe von 9.811,38 DM verpflichtet ist.

Die im Jahre 1957 geborene Klägerin war als Büroassistentin beschäftigt. Im Anschluss an den Bezug von Arbeitslosengeld bewilligte ihr die Beklagte ab 7. November 1994 Arbeitslosenhilfe (Bescheid vom 2. November 1994). In dem der Leistungsbewilligung zugrunde liegenden Antrag vom 24. Oktober 1994 hatte die Klägerin angegeben, über keine laufenden oder gelegentlich wiederkehrenden Einnahmen sowie über kein Vermögen über 8.000,00 DM zu verfügen. Erstmals in dem Antrag auf Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe vom 16. Oktober 1995 erklärte die Klägerin, sie sei mit Wirkung zum 1. Januar 1995 zu einem Viertel Miteigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses (Verkehrswert: 1,2 Millionen DM) geworden. Dieses Gebäude wird weder von ihr bewohnt noch einem Angehörigen oder Dritten unentgeltlich überlassen. Das Eigentum ist ihr im Wege der vorweggenommenen Erbfolge von ihrer Mutter übertragen worden. Im Zusammenhang mit der Übertragung ist es zu keiner Zweckbestimmung des Inhalts gekommen, dass das (Teil-)Eigentum zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung der Klägerin bestimmt sei.

Nach Vorlage einer Aufstellung über Einnahmen, Ausgaben, Abschreibung und Werbungskosten lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 6. Dezember 1995 den Antrag auf Arbeitslosenhilfe ab, weil der anzurechnende Betrag den Leistungssatz übersteige, der der Klägerin ohne die Anrechnung als Arbeitslosenhilfe zugestanden habe. Mangels Bedürftigkeit bestehe kein Anspruch auf Leistung. Nach vorheriger Anhörung der Klägerin (Anhörungsschreiben vom 6. Dezember 1995) hob die Beklagte durch Bescheid vom 2. Februar 1996 außerdem die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe mit Wirkung vom 7. November 1994 auf, weil die Klägerin die Tatsache, dass sie über Einkommen verfüge, entgegen § 60 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) nicht angegeben habe; der Rückforderungsbetrag belaufe sich auf 11.841,78 DM. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. September 1996 zurück.

Am 23. September 1996 hat die Klägerin Klage erhoben.

Während des Klageverfahrens änderte die Beklagte ihre Entscheidungen ab und nahm die Entscheidung über die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe nur noch, soweit sie sich auf die Zeit ab 2. Januar 1995 bezog, zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, die Klägerin habe Leistungen von 7.261,10 DM bezogen, obwohl insoweit die rechtlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Außerdem seien die Beiträge zur Krankenversicherung für die Zeit ab 1. Januar 1995 in Höhe von 2.550,28 DM zu erstatten, so dass sich die Gesamtforderung auf 9.811,38 DM belaufe (Bescheid vom 14. März 1997).

Durch Urteil vom 30. Oktober 1997 hat das Sozialgericht Marburg (SG) die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, die Klägerin sei nicht im Sinne des § 134 Abs. 1 Nr. 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) bedürftig. Die Beklagte habe zu Recht einen zu berücksichtigenden Betrag von jährlich 17.584,34 DM als Anrechnungsbetrag zugrundegelegt. Dies entspreche § 138 Abs. 2 AFG, wonach Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert seien. Ein Verlustausgleich, wie er im Steuerrecht zwischen den Einkunftsarten möglich sei, finde nach dem Inkrafttreten des 5. AFG-Änderungsgesetzes am 1. August 1989 nicht mehr statt. Die Klägerin sei gemäss § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) berechtigt gewesen, die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe aufzuheben. Die Klägerin könne sich nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen. Sie habe ihre Anzeigepflicht bezüglich der ihr zustehenden Einnahmen und des vorhandenen Vermögens grob fahrlässig verletzt. Es habe ihr ohne jede weitere Überlegung klar sein müssen, dass sie den erworbenen Miteigentumsanteil umgehend, nämlich mit Wirkung zum 1. Januar 1995, dem Arbeitsamt hätten anzeigen müssen. Dass sie die erforderliche Einsicht in die Erheblichkeit der betreffenden Tatsachen nicht gehabt habe oder nicht hätte haben können, sei nicht ersichtlich.

Gegen dieses ihr am 21. November 1997 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer am 19. Dezember 1997 eingegangenen Berufung. Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, zwar sei der begünstigende Verwaltungsakt rechtswidrig, dennoch sei eine Rückforderung ausgeschlossen, weil sie, die Klägerin, auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut und das gezahlte Geld zum Lebensunterhalt verbraucht habe. Allenfalls könne ihr leichte Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden. Vor der Umschreibung des Hausgrundstückes habe sie über ihre Mutter beim Steuerberater darüber Erkundigungen eingeholt, ob steuerliche Nachteile durch die Übertragung des Grundstücks zu erwarten seien. Dies sei verneint worden. Sie habe nicht davon ausgehen müssen, dass sich die sozialrechtliche Rechtslage von der steuerlichen unterscheide. Sie habe geglaubt, Investitionen und Erhaltungskosten für das Grundstück ebenso in Anrechnung bringen zu können wie bei der Steuererklärung.

Nach einem Hinweis des Senats, dass die Aufhebungsentscheidung der Beklagten möglicherweise auf § 48 SGB X gestützt werden könnte, hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Heranziehung von § 48 SGB X nicht mehr möglich und auch wegen der geltenden Jahresausschlussfristen ausgeschlossen sei. Im Übrigen hätte der Aufhebungsbescheid nicht rechtmäßig auf § 48 SGB X gestützt werden können. Sie, die Klägerin, habe nicht am 1. Januar 1995 über eigenes Einkommen verfügt und sei erst zu einem späteren Zeitpunkt als Eigentümerin eingetragen worden. Erst mit Wirkung ab Januar 1996 seien tatsächlich Zahlungen an sie geflossen. Dabei handele es sich um anrechnungsfreies Einkommen im Sinne des § 138 Abs. 3 Nr. 7 AFG. Die Zuwendungen, die sie seit Januar 1996 erhalte, seien unmittelbare Folge des ihr im Wege vorweggenommener Erbfolge durch notariellem Vertrag vom 27. Dezember 1994 übertragenen Miteigentums. Dabei sei festzustellen, dass die Übergeberin, nämlich ihre Mutter, weder zu dem genannten Zeitpunkt noch zu einem früheren Zeitpunkt und schon gar nicht zu einem späteren Zeitpunkt rechtlich oder sittlich zur Eigentumsübertragung verpflichtet gewesen sei. Eine geänderte Situation könne folglich erst mit dem Erbfall eintreten.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. Oktober 1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. September 1996 und den Änderungsbescheid vom 14. März 1997 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Sie trägt vor, die Aufhebungsentscheidung hätte nicht auf § 45 SGB X gestützt werden dürfen. Maßgebend sei vielmehr § 48 SGB X; auf ein Verschulden der Klägerin komme es im Rahmen dieser Vorschrift nicht an. Dass die Aufhebungsentscheidung nicht auf § 45 SGB X zu stützen sei, mache die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig. Es lägen nämlich die Voraussetzungen für eine Umdeutung (§ 43 Abs. 1 SGB X) des Rücknahmebescheides in eine Aufhebungsentscheidung nach § 48 SGB X vor. Der Aufhebungsbescheid hätte auch in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden können. Einer Umdeutung stehe insbesondere nicht die Pflicht zur Ausübung von Ermessen entgegen, weil seit dem 1. Januar 1994 ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben sei, wenn die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung dieses Verwaltungsaktes vorlägen. Sie, die Beklagte, hätte den Aufhebungsbescheid auch innerhalb der Jahresfrist erlassen können, weil die Tatsache, dass die Klägerin mit Wirkung vom 1. Januar 1995 Miteigentümerin des Wohn- und Geschäftshauses geworden sei und in dieser Eigenschaft Einkommen erziele, erst im Antrag auf Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe vom 16. Oktober 1995 angegeben worden sei. Bei Erlass des Verwaltungsaktes als Aufhebungsbescheid wäre die Jahresfrist damit gewahrt gewesen. Schließlich seien die Voraussetzungen für den Erlass des Aufhebungsbescheides auf der Grundlage des § 48 SGB X erfüllt; es liege das Tatbestandsmerkmal des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X (nachträgliches Erzielen von Einkommen oder Vermögen) vor.

Nach Vorlage der Anlagen V zur Einkommensteuererklärung 1995 und zur Feststellungserklärung 1996 (Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung) durch die Klägerin hat die Beklagte die Frage der Bedürftigkeit der Klägerin neu geprüft. Die Beklagte geht nunmehr davon aus, dass die absetzbaren Aufwendungen die Einnahmen aus Vermietung (1995: 126.321 DM bzw. 1996: 155.361 DM) überstiegen haben, so dass in den bezeichneten Zeiträumen kein anrechenbares Einkommen im Rahmen des § 138 AFG vorhanden gewesen sei. An der Anrechnung von Einkommen aus Vermietung als Begründung für die Verneinung des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe werde deshalb nicht mehr festgehalten. Allerdings verfüge die Klägerin aufgrund ihres Miteigentumsanteils an dem Wohn- und Geschäftshaus über Vermögen, welches ebenfalls bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen sei. Soweit eine Immobilie nicht selbst genutzt werde, sei sie verwertbar, und zwar vorrangig durch Verkauf oder Beleihung. Allerdings dürfte sich die Verwertung des Anteils durch Verkauf nicht verwirklichen lassen. Was die Beleihung anbetreffe, hätten von ihr befragte Kreditinstitute den Vortrag der Klägerin, eine Beleihung werde nur auf den gesamten Grundbesitz, nicht dagegen auf einen ideellen Miteigentumsanteil vorgenommen, grundsätzlich bestätigt. Daraus könne jedoch noch keine Leistungsverpflichtung gegenüber der Klägerin hergeleitet werden. In Fällen des Haus- und Grundbesitzes habe der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber nur die Verwertung eines Hausgrundstückes von angemessener Größe, das der Eigentümer bewohne, als nicht zumutbar angesehen (§ 6 Abs. 3 Nr. 7 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung). Es könne daher nicht der Wille des Verordnungsgebers gewesen sein, in Fällen, in denen der Arbeitslose Miteigentümer einer größeren Liegenschaft mit erheblichem Wert sei, Leistungen aus allgemeinen Steuermitteln zu zahlen, ohne zuvor alle Möglichkeiten, den vorhandenen (über die angemessene Größe des eigenen Wohnraumes hinaus gehenden) Vermögenswert zur Bestreitung des Lebensunterhaltes nutzbar zu machen, auf ihre Zumutbarkeit geprüft zu haben. Wenn vorliegend die Verwertung des Vermögens daran scheitern sollte, dass weder ein Verkauf noch eine Beleihung möglich sei, müsse deshalb geprüft werden, ob es andere Möglichkeiten der Verwertung gebe, bevor Mittel der Allgemeinheit zur Bestreitung des Lebensunterhalts in Anspruch genommen würden. Als eine solche Möglichkeit müsse auch der Austritt der Klägerin aus der Miteigentümergemeinschaft, verbunden mit der Auszahlung des Miteigentumsanteils an sie, in Betracht gezogen werden.

Im Übrigen wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten auf den Inhalt der Akte der Beklagten und der Gerichtsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind allein die Bescheide, mit denen die Beklagte gegenüber der Klägerin die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 2. Januar 1995 bis zum 31. Oktober 1995 und die Erstattung der in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen geltend macht. Nicht Gegenstand des Verfahrens ist demgegenüber die Frage, ob die Beklagte zu Recht die Zahlung von Arbeitslosenhilfe für die anschließende Zeit aufgrund des Antrags der Klägerin vom 16. Oktober 1995 durch den Bescheid vom 6. Dezember 1995 abgelehnt hat. Denn die Klägerin hat jedenfalls ihre Berufung im Schriftsatz vom 19. Dezember 1997 bewusst auf die Anfechtung der Rückforderungsbescheide beschränkt, weil sie nunmehr von der Rechtswidrigkeit des Leistungsbezugs ausging. Insoweit ist das erstinstanzliche Urteil rechtskräftig geworden. Dem entspricht es, dass die Klägerin in der Sitzung des Senats vom 31. Juli 1998 nicht die Fortzahlung der Arbeitslosenhilfe geltend gemacht hat. Ihr im Schriftsatz vom 1. Dezember 1998 erklärtes Begehren, die Arbeitslosenhilfe "ab dem Zeitpunkt der Versagung" weiter zu bewilligen, vermag die Rechtskraft des erstinstanzlichen Urteils, soweit darin das SG über den Fortzahlungsantrag entschieden hat, nicht in Frage zu stellen.

Die Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 2. Januar 1995 bis zum 31. Oktober 1995, in dem die Klägerin Arbeitslosenhilfe bezogen hat, zu Recht aufgehoben und die insoweit erbrachten Leistungen von der Klägerin zurückgefordert.

Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Arbeitslosenhilfebewilligung und die Entziehung der Leistungen in dem oben genannten Umfang ist § 48 SGB X in Verbindung mit § 152 Abs. 3 AFG in der Fassung des Art. 1 Nr. 50 des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (1. SKWPG) vom 21. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2353). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, wenn die in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X genannten Voraussetzungen für die Aufhebung eines solchen Verwaltungsaktes vorliegen. Davon geht die Beklagte zutreffend aus. Ihr Bewilligungsbescheid vom 2. November 1994 war seit dem 1. Januar 1995 rechtswidrig, weil die Klägerin seitdem mangels Bedürftigkeit keinen Anspruch auf den Bezug von Arbeitslosenhilfe mehr hatte. Sie hatte nach Erlass des Bewilligungsbescheides Vermögen erzielt, das zum Wegfall des Anspruchs geführt hat. Dies hat auch die Klägerin in ihrer Berufungsbegründungsschrift vom 19. Dezember 1997 zugestanden.

Allerdings war nicht mehr auf der Grundlage der Angaben des Steuerberaters der Klägerin davon auszugehen, dass unter Berücksichtigung des Miteigentumsanteils von einem Viertel auf die Klägerin jährliche Mieteinnahmen in Höhe von 17.584,34 DM entfallen, woraus sich ein durchschnittliches wöchentliches zu berücksichtigendes Einkommen von 338,16 DM ergibt. Da die der Klägerin dem Grunde nach zustehende Arbeitslosenhilfe lediglich 172,20 DM ab 1. Januar 1995 betragen hatte, würde bei diesen Werten der Anrechnungsbetrag die Arbeitslosenhilfe bei weitem übersteigen, so dass Bedürftigkeit (§§ 137, 138 AFG) nicht gegeben wäre und ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe ausschiede. Jedoch beziehen sich die Angaben des Steuerberaters auf das Jahr 1994; in Bezug auf das entscheidungserhebliche Jahr 1995 hat die Auswertung der Steuererklärungen, die die Beklagte zu Recht bei der Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigt hat, ergeben, dass ein anrechenbares Einkommen aus Vermietung nicht verbleibt, weil die Werbungskosten die Einnahmen aus Vermietung übersteigen. Demzufolge ist nicht mehr davon auszugehen, dass die Klägerin jedenfalls nach Erlass des Bewilligungsbescheides Einkommen erzielt hat, welches zum Wegfall des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe geführt haben würde. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X sind insoweit nicht erfüllt.

Allerdings hat die Klägerin mit Wirkung zum 1. Januar 1995 Vermögen erzielt, das zum Wegfall der Bedürftigkeit und damit des Anspruchs auf Arbeitslosenhilfe geführt hat. Nicht bedürftig ist nach § 137 Abs. 2 AFG ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen oder das Vermögen seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten die Gewährung von Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt ist. Unter welchen Voraussetzungen dies der Fall ist, konkretisieren die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 137 Abs. 3 AFG beruhenden §§ 6 ff der Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 7. August 1974 (BGBl. I S. 1929) in der Fassung des Gesetzes vom 18. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2044). Nach § 6 Abs. 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung ist u.a. das Vermögen des Arbeitslosen und seines nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es verwertbar, die Verwertung zumutbar und der Wert des Vermögens, dessen Verwertung zumutbar ist, jeweils 8.000 DM übersteigt. Mit dieser Regelung bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Arbeitslose grundsätzlich auch die Substanz seines Vermögens zu verwerten hat, bevor er Leistungen der Arbeitslosenhilfe in Anspruch nimmt (vgl. BSG SozR 3-4220 § 6 Nr. 4).

Das Vermögen, über das die Klägerin verfügt, nämlich der Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück, war grundsätzlich verwertbar. Nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung ist Vermögen insbesondere verwertbar, soweit seine Gegenstände verbraucht, übertragen oder belastet werden können. Zwar scheidet eine Belastung nach den von der Beklagten vorgelegten Bankauskünften aus. Es ist jedoch grundsätzlich möglich, den Miteigentumsanteil der Klägerin durch Übertragung (Verfügung) zu verwerten (§ 747 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Diese Verwertungsmöglichkeit kommt dann nicht in Betracht, soweit der Inhaber des Vermögens in der Verfügung beschränkt ist und die Aufhebung der Beschränkung nicht erreichen kann (§ 6 Abs. 2 Satz 2 Arbeitslosenhilfe-Verordnung). Eine Verfügungsbeschränkung in diesem Sinne ist nicht gegeben. Insbesondere ist keine Voraussetzung der Veräußerung eines Miteigentumsanteils die Zustimmung der anderen Miteigentümer (Palandt/Bassenge, BGB, 60. Auflage, § 108 Rdnr. 4). Letztlich kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben, weil die Klägerin berechtigt gewesen ist, den anderen Miteigentümern gegenüber jederzeit die Aufhebung der Bruchteilsgemeinschaft zu verlangen (§ 749 Abs. 1 BGB). Dass das Recht, die Aufhebung zu verlangen, durch Vereinbarung für bestimmte Zeit ausgeschlossen wäre, hat die Klägerin nicht geltend gemacht.

Die Verwertung des Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück ist der Klägerin auch zumutbar. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 Arbeitslosenhilfe-Verordnung ist die Verwertung zumutbar, wenn sie nicht offensichtlich unwirtschaftlich ist und wenn sie unter Berücksichtigung einer angemessenen Lebenshaltung des Inhabers des Vermögens und seiner Angehörigen billigerweise erwartet werden kann. Anhaltspunkte für eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit in diesem Sinne sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Nach § 6 Abs. 3 Satz 2 Arbeitslosenhilfe-Verordnung ist nicht zumutbar insbesondere die Verwertung von Vermögen, das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist (Nr. 3) bzw. eines Hausgrundstückes von angemessener Größe, das der Eigentümer bewohnt, oder einer entsprechenden Eigentumswohnung oder eines Vermögens, das nachweislich zum alsbaldigen Erwerb eines solchen Hausgrundstückes oder einer solchen Eigentumswohnung bestimmt ist (Nr. 7). Auch diese Voraussetzungen liegen nicht zugunsten der Klägerin vor. Weder ist das Hausgrundstück zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt, noch wird es von der Klägerin bewohnt.

Schließlich ist auch der Zeitraum, für den die Beklagte die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe aufgehoben hat, nicht zugunsten der Klägerin zu verkürzen. Nach § 9 Arbeitslosenhilfe-Verordnung besteht Bedürftigkeit nicht für die Zahl voller Wochen, die sich aus der Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das Arbeitsentgelt ergibt, nachdem sich die Arbeitslosenhilfe richtet. Dabei ist nach § 8 Arbeitslosenhilfe-Verordnung das Vermögen ohne Rücksicht auf steuerrechtliche Vorschriften mit seinem Verkehrswert zu berücksichtigen; für die Bewertung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem der Antrag auf Arbeitslosenhilfe gestellt wird, bei späterem Erwerb von Vermögen, wie vorliegend, der Zeitpunkt des Erwerbs. Ausgehend hiervon entfallen bei einem Verkehrswert des Hausgrundstücks von 1,2 Millionen DM auf die Klägerin, die zu einem Viertel am Grundstück beteiligt ist, 300.000 DM. Da das Arbeitsentgelt, nach dem sich die Arbeitslosenhilfe richtete, 560 DM betragen hat, ergäbe sich ein Anrechnungszeitraum von 521 Wochen (300.000 - 8.000: 560). Selbst wenn der Verkehrswert mit Rücksicht darauf, dass der Klägerin lediglich ein ideeller Anteil am Hausgrundstück zusteht, der in der Regel nicht mit dem entsprechenden Anteil am wirtschaftlichen Wert realisiert werden kann, erheblich niedriger angesetzt werden müsste, würde der von der Beklagten festgesetzte Anrechnungszeitraum vom 2. Januar 1995 bis zum 31. Oktober 1995 auf jeden Fall überschritten sein. Zu einer näheren Bewertung des Verkehrswertes, etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, sieht sich der Senat daher nicht veranlasst.

Zwar durfte die Beklagte die Aufhebung der Leistungsbewilligung für den streitigen Zeitraum nicht auf § 45 SGB X stützen. Denn der Bewilligungsbescheid vom 2. November 1994 war nicht bereits bei seinem Erlass rechtswidrig, weil die Klägerin erst seit dem 1. Januar 1995 Miteigentümerin geworden war. Maßgebend für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides ist infolge dessen § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Dass sich die Beklagte irrigerweise auf § 45 SGB X berufen hat, ist unschädlich. Die Sozialgerichte haben die Rechtmäßigkeit von Verwaltungsakten unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Ein Rückgriff auf eine andere Rechtsgrundlage, die die selbe Regelung rechtfertigt, ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt oder erschwert wird (vgl. hierzu: Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 18. September 1997 - 11 RAr 9/97 m.w.N.). Die Rechtsgrundlage für die Aufhebung konnte hier ausgewechselt werden, weil die selbe Rechtsfolge eintritt und auch deren Voraussetzungen in §§ 45 Abs. 2 Satz 3 und 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X ähnlich geregelt sind und im Hinblick auf § 152 Abs. 3 AFG gerade keine Ermessensentscheidung zu ergehen hatte.

Zu Recht hat auch die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht an der Jahresfrist (§ 48 Abs. 4 in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X) scheitert. Da die Klägerin erst am 16. Oktober 1995 mitgeteilt hatte, dass sie Miteigentümerin eines Wohn- und Geschäftshauses geworden ist, lag die am 2. Februar 1996 ausgesprochene Aufhebung innerhalb der gesetzlichen Frist.

Das Recht der Beklagten zur Rückforderung ergibt sich aus § 50 Abs. 1 SGB X. Hiernach sind, soweit der Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, die bereits erbrachten Leistungen, nämlich die in der Zeit vom 1. Januar 1995 bis zum 31. Oktober 1995 von der Klägerin bezogene Arbeitslosenhilfe in Höhe von 7.261,10 DM, zu erstatten. Nach § 157 Abs. 3a AFG sind die für den gleichen Zeitraum geleisteten Krankenversicherungsbeiträge von 2.550,28 DM gleichfalls zu erstatten.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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