Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
4
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 6 SB 363/97
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SB 580/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 15. Januar 1999 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei dem Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG) vorliegen.
Bei dem 1965 geborenen Kläger waren mit Bescheid des Beklagten vom 3. Mai 1995 mit einem Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 80 als Behinderungen festgestellt worden: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der Hüftgelenke.
Die Nachteilsausgleiche "G" und "aG" wurden zugebilligt.
Auf Grund einer im Januar 1996 eingeleiteten Überprüfung von Amts wegen zog der Beklagte einen ärztlichen Bericht der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der X-Universität M. (31. März 1995, 10. Oktober 1995, 25. April 1996), den Entlassungsbericht über das Heilverfahren in S. (13. Juni 1995) und einen Befundbericht des Arztes für Orthopädie Dr. M., B. (19. September 1996), bei. Nach erfolgter Anhörung wurde der Gesamt-GdB mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 auf 60 herabgesetzt und die Behinderungen wie folgt festgestellt:
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der Hüftgelenke, Hüfttotalendoprothese rechts.
Der Nachteilsausgleich "G" wurde weiterhin zugebilligt, nicht jedoch der Nachteilsausgleich "aG".
Auf den Widerspruch des Klägers vom 25. November 1996 zog der Beklagte einen Befundbericht der Fachärztin für Orthopädie Dr. B., W. (8. Dezember 1996), bei und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 1997 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 4. April 1997 bei dem Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben und ein ärztliches Attest von Dr. B. (18. August 1997) sowie den Untersuchungsbericht des Arztes für Nuklearmedizin Prof. Dr. S., W. (3. September 1997), vorgelegt. Das Sozialgericht hat Befundberichte beigezogen von der Ärztin Dr. C., W. (24. April 1997), dem praktischen Arzt Dr. D., B. (5. Mai 1997 mit Anlagen), die medizinischen Unterlagen der X-Universität M. und weitere Befundberichte von Dr. B. (13. Juni 1997) und Dr. M. (16. Juli 1997). Das Sozialgericht hat des weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. By ... Im Gutachten vom 13. Mai 1998 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 27. Oktober 1998 kommt der gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Gesamt-GdB mit 80 zu beurteilen sei und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" vorlägen. Der Beklagte hat sich zu den medizinischen Unterlagen mit versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Gx. (7. August 1997, 15. Juni 1998, 16. November 1998) geäußert. Mit Bescheid vom 29. Juni 1998 hat der Beklagte den Gesamt-GdB auf 80 erhöht.
Mit Urteil vom 15. Januar 1999 hat das Sozialgericht Wiesbaden die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Der Kläger könne nicht dem Personenkreis gleichgestellt werden, für den die gesetzlichen Vorschriften den Nachteilsausgleich "aG" vorsähen, obwohl er auf die Benutzung einer Unterarmgehstütze angewiesen sei. Dies ergebe sich aus den beigezogenen medizinischen Unterlagen. Zwar sei der Kläger erheblich gehbehindert, dem werde jedoch durch den Nachteilsausgleich "G" Rechnung getragen. Im Vergleich zu dem Personenkreis, der als außergewöhnlich gehbehindert anzusehen sei, sei der Kläger noch besser gestellt, insoweit lasse sich durch die vorgesehene Totalendoprothese auf der nicht versorgten Seite möglicherweise sogar eine Besserung erzielen. Eine Gleichstellung unter dem Aspekt der drohenden Verschlechterung komme jedoch nicht in Betracht, da aus den medizinischen Berichten und dem Sachverständigengutachten nicht hervorgehe, dass der Kläger möglichst jegliche Bewegung oder das Gehen über einige Schritte hinaus vermeiden solle.
Gegen dieses dem Kläger gegen Empfangsbekenntnis am 19. April 1999 zugestellte Urteil hat er am 10. Mai 1999 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und ein ärztliches Attest von Dr. C. (23. November 1999) und einen Bericht des Facharztes für Nuklearmedizin Dr. Schx., W. (28. August 2000), vorgelegt. Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. By. (11. Oktober 1999) beigezogen und einen ärztlichen Bericht der X-Universität, Orthopädische Klinik (13. Januar 2001). Der Senat hat schließlich Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. Schz ... Im Gutachten vom 15. Mai 2000 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 3. Januar 2001 diagnostiziert der Sachverständige eine Dysplasiecoxarthrose links, eine implantierte Prothese der rechten Hüfte, ein rezidivierendes Lumbalsyndrom und ein rezidivierendes Cervikalsyndrom. Der Gesamt-GdB wird von ihm auf 80 geschätzt, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" werden verneint.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 15. Januar 1999 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 1997 und den Bescheid vom 29. Juni 1998 abzuändern und diesen zu verurteilen, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Frau Dr. von Fy. und Dr. Wy. (29. November 1999, 17. Dezember 1999, 12. Februar 2001).
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter an Stelle des Senats einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch den Berichterstatter als Einzelrichter entscheiden, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG, § 4 Abs. 6 Schwerbehindertengesetz -SchwbG-).
Sie ist jedoch sachlich unbegründet.
Die Bescheide des Beklagten vom 16. Oktober 1996, 12. März 1997 und 29. Juni 1998 sowie das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 15. Januar 1999 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zubilligung des Nachteilsausgleiches "aG".
Dies hat das angefochtene Urteil im Einzelnen zutreffend und ausführlich begründet dargestellt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Überprüfung und Meinungsbildung an. Er sieht insoweit von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des Sozialgerichts als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Auch die im Berufungsverfahren durchgeführte weitere Beweisaufnahme hat zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt. Der Kläger gehört nicht zu dem Personenkreis, der als außergewöhnlich gehbehindert anzusehen ist. Wer hierzu zählt, hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil ausführlich unter Hinweis auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften dargestellt. Diese Beurteilungskriterien werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in ständiger Rechtsprechung übernommen und entsprechend angewendet. Neben den dort im Einzelnen genannten Personen sind diesem Personenkreis Schwerbehinderte gleichzustellen, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und die sich nur mit großen Anstrengungen oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen können. Die hohe Anforderung an die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" ist schon deshalb geboten, weil jede Ausweitung des Kreises der Berechtigten sich nachteilig auf den zu schützenden Personenkreis auswirkt. An diesen strengen Maßstäben haben das Bundessozialgericht und auch der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung festgehalten (vgl. hierzu Urteile des BSG vom 12. Februar 1997 - 9 RVs 11/95, vom 17. Dezember 1997 - 9 RVs 16/96 und vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R, m.w.N.).
In dem vom Senat eingeholten Gutachten des Dr. Schz. vom 15. Mai 2000 attestiert der Sachverständige dem Kläger, dass dieser sich wegen der Schwere seines Leidens nur mit Anstrengung außerhalb des Kraftfahrzeugs bewegen könne. Fremde Hilfe benötige er für Wegstrecken zwischen 50 und 200 Metern nicht. Unzweifelhaft bestehe eine erhebliche Gehbehinderung. Er sei aber nicht dem Personenkreis, für den die Vorschriften eine außergewöhnliche Gehbehinderung vorsehen, gleichzustellen. Begründet wird dies von Dr. Schz. vor allem damit, dass die relativ günstig verbliebene Restfunktion der Bewegungsausschläge am rechten Hüftgelenk und im Bereich der gesamten Wirbelsäule eine derartig ungünstige Einschätzung des Leistungsniveaus nicht zulasse. Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten Berichten von Dres. C. oder Schx ... Auch der ärztliche Bericht der X-Universität M., Orthopädische Klinik und Poliklinik, vom 13. Januar 2000 beschreibt keine davon abweichenden Befunde. Insgesamt ergibt sich aus der medizinischen Befunddokumentation, dass gegenüber den Bescheiden vom 16. Oktober 1996 und 29. Juni 1998 hinsichtlich des Gehvermögens keine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist. Insbesondere ergibt sich auch keine Änderung der Beurteilung durch die Totalendoprothese rechts. Die zementfrei implantierte Zweymüller-Prothese rechts befindet sich in regulärer Position ohne Lockerungszeichen.
Demgegenüber ist der Kläger der Auffassung, dass bei ihm eine außerordentliche Gehbehinderung deshalb vorliege, da ihm keine längeren Strecken zumutbar sind, da dies zu einer vorzeitigen Auslockerung der Hüft-Totalendoprothesenimplantate führen könne.
Grundsätzlich kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unter bestimmten Voraussetzungen schon die akute Gefahr einer erheblichen Verschlimmerung eines progredienten Leidens für die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "aG" ausreichen (Urteil des BSG vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R). Dies kann ausnahmsweise dann der Fall sein, wenn der Nachteil, der ausgeglichen werden soll, bereits unmittelbar droht und sein Eintritt nur durch ein entsprechendes Verhalten des Schwerbehinderten, wie z. B. Verzicht auf jedes überflüssige Gehen, zeitlich hinausgezögert werden kann. Das heißt, der Schwerbehinderte hat bereits dann Anspruch auf das Merkzeichen, wenn die dadurch gebotenen Erleichterungen im Straßenverkehr prophylaktisch ins Gewicht fallen. Dies ist allerdings nicht anzunehmen, solange der Behinderte noch entsprechende Wegstrecken im häuslichen Bereich oder bei sonstiger Gelegenheit zurückzulegen pflegt und unter medizinischen Gesichtspunkten auch zurücklegen darf oder sogar soll. Muss dagegen der Behinderte zur Vermeidung einer weiteren sonst alsbald eintretenden erheblichen Verschlimmerung das Gehen in allen Lebensbereichen soweit wie irgend möglich einschränken, ist er denjenigen gleichzustellen, bei denen wegen des bereits eingetretenen Gesundheitsschadens das Gehen funktionell nicht mehr möglich oder auf das Schwerste beeinträchtigt ist (BSG, a.a.O.). Das Bundessozialgericht weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass man von einer so schwerwiegenden Verschlimmerungsgefahr erst dann ausgehen kann, wenn medizinisch feststeht, dass der Schwerbehinderte zur Vermeidung überflüssiger Gehstrecken in der Regel einen Rollstuhl benutzen soll, um einer alsbaldigen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes vorzubeugen.
Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger noch nicht vor. Dies ergibt sich überzeugend aus den Ausführungen des Dr. Schz. im Gutachten vom 15. Mai 2000 und insbesondere seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. Januar 2001. Der Sachverständige führt aus, dass es selbstverständlich bei dem Zurücklegen überlanger Wegstrecken zu einer vorzeitigen Auslockerung von Hüft-Totalendoprothesenimplantaten kommen kann. Im konkreten Fall des Klägers besteht jedoch keine Lockerung, wie sich insbesondere auch aus dem Bericht der X-Universität M., Klinik und Poliklinik für Radiologie vom 13. Januar 2000 ergibt. Der Senat ist daher in Übereinstimmung mit dem Beklagten (versorgungsärztliche Stellungnahme Dr. Wz. vom 12. Februar 2001) der Auffassung, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten strengen Kriterien zur Zuerkennung des Nachteilsausgleiches "aG" bei einem erst bevorstehenden Krankheitsstadium bei dem Kläger noch nicht vorliegen.
Ob der Kläger die Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung zur Bewilligung von Parkerleichterungen für besondere Gruppen von Schwerbehinderten erfüllt (Erlass des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 18. August 2000 - Az.: VIb 1 A - 66 K 04-23-04.13), war in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei dem Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG) vorliegen.
Bei dem 1965 geborenen Kläger waren mit Bescheid des Beklagten vom 3. Mai 1995 mit einem Gesamtgrad der Behinderung (GdB) von 80 als Behinderungen festgestellt worden: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der Hüftgelenke.
Die Nachteilsausgleiche "G" und "aG" wurden zugebilligt.
Auf Grund einer im Januar 1996 eingeleiteten Überprüfung von Amts wegen zog der Beklagte einen ärztlichen Bericht der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der X-Universität M. (31. März 1995, 10. Oktober 1995, 25. April 1996), den Entlassungsbericht über das Heilverfahren in S. (13. Juni 1995) und einen Befundbericht des Arztes für Orthopädie Dr. M., B. (19. September 1996), bei. Nach erfolgter Anhörung wurde der Gesamt-GdB mit Bescheid vom 16. Oktober 1996 auf 60 herabgesetzt und die Behinderungen wie folgt festgestellt:
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und der Hüftgelenke, Hüfttotalendoprothese rechts.
Der Nachteilsausgleich "G" wurde weiterhin zugebilligt, nicht jedoch der Nachteilsausgleich "aG".
Auf den Widerspruch des Klägers vom 25. November 1996 zog der Beklagte einen Befundbericht der Fachärztin für Orthopädie Dr. B., W. (8. Dezember 1996), bei und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 1997 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 4. April 1997 bei dem Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben und ein ärztliches Attest von Dr. B. (18. August 1997) sowie den Untersuchungsbericht des Arztes für Nuklearmedizin Prof. Dr. S., W. (3. September 1997), vorgelegt. Das Sozialgericht hat Befundberichte beigezogen von der Ärztin Dr. C., W. (24. April 1997), dem praktischen Arzt Dr. D., B. (5. Mai 1997 mit Anlagen), die medizinischen Unterlagen der X-Universität M. und weitere Befundberichte von Dr. B. (13. Juni 1997) und Dr. M. (16. Juli 1997). Das Sozialgericht hat des weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. By ... Im Gutachten vom 13. Mai 1998 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 27. Oktober 1998 kommt der gerichtliche Sachverständige zu dem Ergebnis, dass der Gesamt-GdB mit 80 zu beurteilen sei und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" vorlägen. Der Beklagte hat sich zu den medizinischen Unterlagen mit versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Gx. (7. August 1997, 15. Juni 1998, 16. November 1998) geäußert. Mit Bescheid vom 29. Juni 1998 hat der Beklagte den Gesamt-GdB auf 80 erhöht.
Mit Urteil vom 15. Januar 1999 hat das Sozialgericht Wiesbaden die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Der Kläger könne nicht dem Personenkreis gleichgestellt werden, für den die gesetzlichen Vorschriften den Nachteilsausgleich "aG" vorsähen, obwohl er auf die Benutzung einer Unterarmgehstütze angewiesen sei. Dies ergebe sich aus den beigezogenen medizinischen Unterlagen. Zwar sei der Kläger erheblich gehbehindert, dem werde jedoch durch den Nachteilsausgleich "G" Rechnung getragen. Im Vergleich zu dem Personenkreis, der als außergewöhnlich gehbehindert anzusehen sei, sei der Kläger noch besser gestellt, insoweit lasse sich durch die vorgesehene Totalendoprothese auf der nicht versorgten Seite möglicherweise sogar eine Besserung erzielen. Eine Gleichstellung unter dem Aspekt der drohenden Verschlechterung komme jedoch nicht in Betracht, da aus den medizinischen Berichten und dem Sachverständigengutachten nicht hervorgehe, dass der Kläger möglichst jegliche Bewegung oder das Gehen über einige Schritte hinaus vermeiden solle.
Gegen dieses dem Kläger gegen Empfangsbekenntnis am 19. April 1999 zugestellte Urteil hat er am 10. Mai 1999 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und ein ärztliches Attest von Dr. C. (23. November 1999) und einen Bericht des Facharztes für Nuklearmedizin Dr. Schx., W. (28. August 2000), vorgelegt. Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. By. (11. Oktober 1999) beigezogen und einen ärztlichen Bericht der X-Universität, Orthopädische Klinik (13. Januar 2001). Der Senat hat schließlich Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens von Dr. Schz ... Im Gutachten vom 15. Mai 2000 sowie der ergänzenden Stellungnahme vom 3. Januar 2001 diagnostiziert der Sachverständige eine Dysplasiecoxarthrose links, eine implantierte Prothese der rechten Hüfte, ein rezidivierendes Lumbalsyndrom und ein rezidivierendes Cervikalsyndrom. Der Gesamt-GdB wird von ihm auf 80 geschätzt, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" werden verneint.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 15. Januar 1999 aufzuheben sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. Oktober 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. März 1997 und den Bescheid vom 29. Juni 1998 abzuändern und diesen zu verurteilen, die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "aG" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Frau Dr. von Fy. und Dr. Wy. (29. November 1999, 17. Dezember 1999, 12. Februar 2001).
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter an Stelle des Senats einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt Bezug genommen sowie auf den der Akten des Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte durch den Berichterstatter als Einzelrichter entscheiden, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 155 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG, § 4 Abs. 6 Schwerbehindertengesetz -SchwbG-).
Sie ist jedoch sachlich unbegründet.
Die Bescheide des Beklagten vom 16. Oktober 1996, 12. März 1997 und 29. Juni 1998 sowie das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 15. Januar 1999 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zubilligung des Nachteilsausgleiches "aG".
Dies hat das angefochtene Urteil im Einzelnen zutreffend und ausführlich begründet dargestellt. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Überprüfung und Meinungsbildung an. Er sieht insoweit von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des Sozialgerichts als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Auch die im Berufungsverfahren durchgeführte weitere Beweisaufnahme hat zu keinem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt. Der Kläger gehört nicht zu dem Personenkreis, der als außergewöhnlich gehbehindert anzusehen ist. Wer hierzu zählt, hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil ausführlich unter Hinweis auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften dargestellt. Diese Beurteilungskriterien werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in ständiger Rechtsprechung übernommen und entsprechend angewendet. Neben den dort im Einzelnen genannten Personen sind diesem Personenkreis Schwerbehinderte gleichzustellen, deren Gehfähigkeit in ungewöhnlich hohem Maße eingeschränkt ist und die sich nur mit großen Anstrengungen oder nur mit fremder Hilfe fortbewegen können. Die hohe Anforderung an die Zuerkennung des Nachteilsausgleichs "aG" ist schon deshalb geboten, weil jede Ausweitung des Kreises der Berechtigten sich nachteilig auf den zu schützenden Personenkreis auswirkt. An diesen strengen Maßstäben haben das Bundessozialgericht und auch der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung festgehalten (vgl. hierzu Urteile des BSG vom 12. Februar 1997 - 9 RVs 11/95, vom 17. Dezember 1997 - 9 RVs 16/96 und vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R, m.w.N.).
In dem vom Senat eingeholten Gutachten des Dr. Schz. vom 15. Mai 2000 attestiert der Sachverständige dem Kläger, dass dieser sich wegen der Schwere seines Leidens nur mit Anstrengung außerhalb des Kraftfahrzeugs bewegen könne. Fremde Hilfe benötige er für Wegstrecken zwischen 50 und 200 Metern nicht. Unzweifelhaft bestehe eine erhebliche Gehbehinderung. Er sei aber nicht dem Personenkreis, für den die Vorschriften eine außergewöhnliche Gehbehinderung vorsehen, gleichzustellen. Begründet wird dies von Dr. Schz. vor allem damit, dass die relativ günstig verbliebene Restfunktion der Bewegungsausschläge am rechten Hüftgelenk und im Bereich der gesamten Wirbelsäule eine derartig ungünstige Einschätzung des Leistungsniveaus nicht zulasse. Eine andere Einschätzung ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten Berichten von Dres. C. oder Schx ... Auch der ärztliche Bericht der X-Universität M., Orthopädische Klinik und Poliklinik, vom 13. Januar 2000 beschreibt keine davon abweichenden Befunde. Insgesamt ergibt sich aus der medizinischen Befunddokumentation, dass gegenüber den Bescheiden vom 16. Oktober 1996 und 29. Juni 1998 hinsichtlich des Gehvermögens keine wesentliche Verschlechterung eingetreten ist. Insbesondere ergibt sich auch keine Änderung der Beurteilung durch die Totalendoprothese rechts. Die zementfrei implantierte Zweymüller-Prothese rechts befindet sich in regulärer Position ohne Lockerungszeichen.
Demgegenüber ist der Kläger der Auffassung, dass bei ihm eine außerordentliche Gehbehinderung deshalb vorliege, da ihm keine längeren Strecken zumutbar sind, da dies zu einer vorzeitigen Auslockerung der Hüft-Totalendoprothesenimplantate führen könne.
Grundsätzlich kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unter bestimmten Voraussetzungen schon die akute Gefahr einer erheblichen Verschlimmerung eines progredienten Leidens für die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen des Nachteilsausgleiches "aG" ausreichen (Urteil des BSG vom 11. März 1998 - B 9 SB 1/97 R). Dies kann ausnahmsweise dann der Fall sein, wenn der Nachteil, der ausgeglichen werden soll, bereits unmittelbar droht und sein Eintritt nur durch ein entsprechendes Verhalten des Schwerbehinderten, wie z. B. Verzicht auf jedes überflüssige Gehen, zeitlich hinausgezögert werden kann. Das heißt, der Schwerbehinderte hat bereits dann Anspruch auf das Merkzeichen, wenn die dadurch gebotenen Erleichterungen im Straßenverkehr prophylaktisch ins Gewicht fallen. Dies ist allerdings nicht anzunehmen, solange der Behinderte noch entsprechende Wegstrecken im häuslichen Bereich oder bei sonstiger Gelegenheit zurückzulegen pflegt und unter medizinischen Gesichtspunkten auch zurücklegen darf oder sogar soll. Muss dagegen der Behinderte zur Vermeidung einer weiteren sonst alsbald eintretenden erheblichen Verschlimmerung das Gehen in allen Lebensbereichen soweit wie irgend möglich einschränken, ist er denjenigen gleichzustellen, bei denen wegen des bereits eingetretenen Gesundheitsschadens das Gehen funktionell nicht mehr möglich oder auf das Schwerste beeinträchtigt ist (BSG, a.a.O.). Das Bundessozialgericht weist allerdings ausdrücklich darauf hin, dass man von einer so schwerwiegenden Verschlimmerungsgefahr erst dann ausgehen kann, wenn medizinisch feststeht, dass der Schwerbehinderte zur Vermeidung überflüssiger Gehstrecken in der Regel einen Rollstuhl benutzen soll, um einer alsbaldigen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes vorzubeugen.
Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger noch nicht vor. Dies ergibt sich überzeugend aus den Ausführungen des Dr. Schz. im Gutachten vom 15. Mai 2000 und insbesondere seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. Januar 2001. Der Sachverständige führt aus, dass es selbstverständlich bei dem Zurücklegen überlanger Wegstrecken zu einer vorzeitigen Auslockerung von Hüft-Totalendoprothesenimplantaten kommen kann. Im konkreten Fall des Klägers besteht jedoch keine Lockerung, wie sich insbesondere auch aus dem Bericht der X-Universität M., Klinik und Poliklinik für Radiologie vom 13. Januar 2000 ergibt. Der Senat ist daher in Übereinstimmung mit dem Beklagten (versorgungsärztliche Stellungnahme Dr. Wz. vom 12. Februar 2001) der Auffassung, dass die von der Rechtsprechung aufgestellten strengen Kriterien zur Zuerkennung des Nachteilsausgleiches "aG" bei einem erst bevorstehenden Krankheitsstadium bei dem Kläger noch nicht vorliegen.
Ob der Kläger die Voraussetzungen einer Ausnahmegenehmigung zur Bewilligung von Parkerleichterungen für besondere Gruppen von Schwerbehinderten erfüllt (Erlass des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung vom 18. August 2000 - Az.: VIb 1 A - 66 K 04-23-04.13), war in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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