Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 83/00
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 1133/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits im Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung eines Eingliederungszuschusses der Beklagten an die Klägerin in Höhe von 19.600,00 DM streitig.
Auf Antrag der Klägerin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 30. April 1998 unter Hinweis auf die Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 223 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III in der vor dem 1. August 1999 geltenden Fassung) einen Eingliederungszuschuss an die Klägerin in Höhe von 2.800,00 DM monatlich für die Beschäftigung des Arbeitnehmers K. M. in der Zeit vom 1. Mai 1998 bis 30. April 1999. Laut Anstellungsvertrag vom 18. Juni 1998 stellte die Klägerin den Arbeitnehmer ab 1. Mai 1998 als "Automobilverkäufer" ein.
Mit Schreiben vom 22. Januar 1999 sprach die Klägerin gegenüber dem Arbeitnehmer M. eine außerordentliche fristlose Kündigung, hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum nächst möglichen Zeitpunkt aus.
Durch Vergleich vom 25. Februar 1999 vor dem Arbeitsgericht Marburg (Az.: XXXXX) wurde u.a. vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 22. Januar 1999 zum 31. März 1999 beendet ist.
Über die Kündigung benachrichtigte die Klägerin die Beklagte vorab telefonisch am 5. Januar 1999.
Bis dahin hatte die Beklagte den Eingliederungszuschuss für die Monate Mai bis November 1998, mithin insgesamt 19.600,00 DM, an die Klägerin bereits ausgezahlt.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 1999 setzte die Beklagte unter Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 30. April 1998 "gemäß § 47 SGB X" den von der Klägerin gemäß § 223 Abs. 2 SGB III zu erstattenden Betrag auf 19.600,00 DM fest.
Den hiergegen am 8. November 1999 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit dem am 5. Januar 2000 abgesandten Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2000 zurück.
Die hiergegen am 3. Februar 2000 beim Sozialgericht Marburg erhobene Klage hat die Klägerin damit begründet, entgegen der Auffassung der Beklagten finde § 223 Abs. 2 SGB III in der ab 1. August 1999 geltenden Fassung Anwendung, wonach der Eingliederungszuschuss u.a. dann nicht zurückzuzahlen sei, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers lagen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstanden, zu kündigen.
Jedenfalls aber sei die Beklagte nach der Neufassung dieser Vorschrift nur zur Rückforderung der Hälfte des Förderungsbetrages berechtigt.
Mit Urteil vom 25. Juli 2000 hat das Sozialgericht Marburg (Az.: S 5 AL 83/00) den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2000 abgeändert, soweit ein Erstattungsanspruch von mehr als 9.800,00 DM geltend gemacht wurde. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage für die angefochtene Verwaltungsentscheidung sei § 223 Abs. 2 SGB III in der ab dem 1. August 1999 geltenden Fassung. Da es sich insoweit um eine Verfahrensregelung handele, die aus Gleichbehandlungsgründen auch laufende Fälle erfassen müsse, gelte insoweit § 422 SGB III nicht.
Allerdings seien die Voraussetzungen für einen völligen Wegfall der Rückzahlungspflicht nach § 223 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III nicht erfüllt, weil die Klägerin nach den von ihr vorgelegten Unterlagen und insbesondere nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 25. Februar 1999 nicht berechtigt gewesen sei, das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers lagen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstanden, zu kündigen. Nach § 223 Abs. 2 Satz 3 SGB III in der ab 1. August 1999 geltenden Fassung sei die Rückzahlung jedoch auf die Hälfte des Förderungsbetrages, höchstens aber den in den letzten 12 Monaten vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährten Förderungsbetrag begrenzt, weshalb die Beklagte lediglich einen Erstattungsanspruch in Höhe von 9.800,00 DM besitze.
Gegen das ihr am 8. August 2000 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Beklagte am 7. September 2000 Berufung eingelegt mit der Begründung, auf die streitige Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin sei § 223 Abs. 2 SGB III in der noch vor dem 1. August 1999 geltenden Fassung anzuwenden, wonach der Arbeitgeber zur vollständigen Rückzahlung des Eingliederungszuschusses verpflichtet war, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von 12 Monaten, nach Ende des Förderungszeitraums beendet wurde. Dies folge aus § 422 SGB III, wonach bei einer Änderung dieses Gesetzbuches, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf Leistung der aktiven Arbeitsförderung bis zum Ende der Leistung oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden sind, wenn vor diesem Tag der Anspruch entstanden ist, die Leistung zuerkannt worden ist oder die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist. Das Ergebnis sei insoweit auch nicht unbillig, denn die Klägerin habe die Leistungen noch unter den Bedingungen des alten Verfahrensrechts beantragt und erhalten und habe daher nicht davon ausgehen können, dass in ihrem Fall durch eine spätere Gesetzesänderung günstigere Modalitäten greifen könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. Juli 2000 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin, deren Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 24. Januar 2001 sein Mandat niedergelegt hat, hat auf die Berufung nicht erwidert und ist trotz ihr am 31. Januar 2001 mit Postzustellungsurkunde unter Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens zugestellter Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der ordnungsgemäß unter Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens geladenen Klägerin eine Entscheidung durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung treffen ( §§ 110, 126, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG ).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. Juli 2000 ist nicht zu beanstanden, soweit das Sozialgericht (sinngemäß) den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2000 aufgehoben hat, soweit die Beklagte gegen die Klägerin einen den Betrag von 9.800,00 DM übersteigenden Erstattungsanspruch festgesetzt hat.
Mit der zutreffenden Auffassung des Sozialgerichts ist auf den Erstattungsanspruch der Beklagten § 223 Abs. 2 SGB III in der Fassung des 2. SGB III Änderungsgesetzes vom 21. Juli 1999 (BGBl. I S. 1648) anzuwenden, die ab 1. August 1999 in Kraft getreten ist. Maßgeblich ist hierbei nämlich der Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung durch den angefochtenen Bescheid vom 18. Oktober 1999, mit dem die Beklagte in eine durch den bestandskräftigen Bewilligungsbescheid vom 30. April 1998 begründete Rechtsposition der Klägerin eingegriffen hat. Es gilt nämlich der Grundsatz, dass sich die verfahrensrechtlichen Befugnisse in weitestem Sinne, also auch solche mit materiell-rechtlichem Inhalt, insbesondere Umfang und Art der Erstattungsforderungen und die Möglichkeit, sie durch Verwaltungsakt durchzusetzen, nach dem jeweils im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltung geltenden Recht richten (so zutreffend Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 13. März 1990 - Az.: 11 RAr 125/89 m.w.N.; Gagel, SGB III, Arbeitsförderung, vor § 422 Rdnr. 13 m.w.N.). Insoweit können auch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes nicht entgegenstehen, denn die fragliche Rechtsänderung begünstigt die Leistungsempfänger. Zum Zeitpunkt des eingreifenden Verwaltungsaktes der Beklagten vom 18. Oktober 1999 gab es keine gesetzliche Eingriffsermächtigung für die Beklagte, den gewährten Eingliederungszuschuss in voller Höhe zurückzufordern.
Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte im Falle eines zulässigen Widerrufsvorbehalts gemäß § 32 Abs. 2 Ziff. 3 SGB X im begünstigenden Bescheid vom 30. April 1998 unter den Voraussetzungen des § 223 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31. Juli 1999 geltenden Fassung die Anwendung neuen Rechts durch die Ausübung des Widerrufs gemäß § 47 Abs. 1 Ziff. 2 SGB X verhindern könnte, wogegen allerdings schon der Rechtsgedanke aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X sprechen dürfte, wonach eine Rechtsänderung zugunsten des Betroffenen mit Wirkung für die Vergangenheit zu beachten ist, denn der Bescheid der Beklagten vom 30. April 1998 war mit einem zulässigen Widerrufsvorbehalt nicht versehen. Zwar wird dort auf der Rückseite unter "Bestandteil des Bewilligungsbescheides (Nebenbestimmungen)" der Wortlaut des § 223 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31. Juli 1999 geltenden Fassung wiedergegeben, an keiner Stelle wird jedoch für einen objektiven Betrachter der Wille der Beklagten erkennbar, den Eingliederungszuschuss insoweit unter dem Vorbehalt des Widerrufs zu bewilligen.
§ 422 Abs. 1 SGB III steht der Geltung neuen Rechts insoweit nicht entgegen. Die dort vorgeschriebene Weitergeltung alten Rechts im Falle einer Änderung des SGB III im Bereich der Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, sofern der Anspruch auf die Leistung vor dem Tag der Rechtsänderung entstanden ist, die Leistung zuerkannt worden ist oder die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist (§ 422 Abs. 1 SGB III), bezieht sich schon nach seinem Wortlaut nur auf die Bewilligung der Leistungen, nicht jedoch auf die Aufhebung einer bestandskräftigen Bewilligung und die hieran anknüpfende Erstattung der erbrachten Leistung.
Der Zweck des § 422 Abs. 1 SGB III besteht darin, Beziehern von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung insbesondere Arbeitgebern und Trägern von Maßnahmen Planungssicherheit zu geben und die Arbeitsämter vom Aufrollen laufender Fälle zu entlasten. Deswegen sollen die zu Maßnahmebeginn bzw. zum Zeitpunkt der Bewilligung geltenden Vorschriften für laufende Fälle regelmäßig weiter anwendbar bleiben, soweit nicht Sonderregelungen etwas anderes bestimmen (siehe: Bieback in Gagel, SGB III, Arbeitsförderung, § 422 Rdnr. 1 unter Hinweis auf die amtliche Gesetzesbegründung). Diesem Zweck steht die Anwendung neuen Rechts bei der Beurteilung von Erstattungsentscheidungen der Beklagten nicht entgegen, zumindest solange es sich um die Leistungsempfänger begünstigende Gesetzesänderungen handelt, denn insoweit kann die Planungssicherheit von Arbeitgebern und Trägern von Maßnahmen nicht berührt sein. Auch werden insoweit die Arbeitsämter nicht zum "Aufrollen laufender Fälle" veranlasst, denn die Erstattung bereits erbrachter Leistungen setzt ohnehin das Aufrollen nicht nur laufender sondern ggfs. sogar bereits abgeschlossener Fälle voraus. § 422 Abs. 1 SGB III stellt sich als Spezialregelung bei der Bewilligung von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung dar und ist daher nicht auf eingreifende Entscheidungen der Beklagten übertragbar. Insoweit muss es vielmehr bei den allgemeinen Rechtsgrundsätzen über das bei der Entscheidung über Anfechtungsklagen maßgebliche Recht verbleiben, die das Sozialgericht in den Gründen seiner angefochtenen Entscheidung bereits zutreffend dargestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits im Berufungsverfahren zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Rückforderung eines Eingliederungszuschusses der Beklagten an die Klägerin in Höhe von 19.600,00 DM streitig.
Auf Antrag der Klägerin bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 30. April 1998 unter Hinweis auf die Rückzahlungsverpflichtung gemäß § 223 Abs. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III in der vor dem 1. August 1999 geltenden Fassung) einen Eingliederungszuschuss an die Klägerin in Höhe von 2.800,00 DM monatlich für die Beschäftigung des Arbeitnehmers K. M. in der Zeit vom 1. Mai 1998 bis 30. April 1999. Laut Anstellungsvertrag vom 18. Juni 1998 stellte die Klägerin den Arbeitnehmer ab 1. Mai 1998 als "Automobilverkäufer" ein.
Mit Schreiben vom 22. Januar 1999 sprach die Klägerin gegenüber dem Arbeitnehmer M. eine außerordentliche fristlose Kündigung, hilfsweise eine ordentliche Kündigung zum nächst möglichen Zeitpunkt aus.
Durch Vergleich vom 25. Februar 1999 vor dem Arbeitsgericht Marburg (Az.: XXXXX) wurde u.a. vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis durch ordentliche, betriebsbedingte Kündigung der Beklagten vom 22. Januar 1999 zum 31. März 1999 beendet ist.
Über die Kündigung benachrichtigte die Klägerin die Beklagte vorab telefonisch am 5. Januar 1999.
Bis dahin hatte die Beklagte den Eingliederungszuschuss für die Monate Mai bis November 1998, mithin insgesamt 19.600,00 DM, an die Klägerin bereits ausgezahlt.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 1999 setzte die Beklagte unter Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 30. April 1998 "gemäß § 47 SGB X" den von der Klägerin gemäß § 223 Abs. 2 SGB III zu erstattenden Betrag auf 19.600,00 DM fest.
Den hiergegen am 8. November 1999 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit dem am 5. Januar 2000 abgesandten Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2000 zurück.
Die hiergegen am 3. Februar 2000 beim Sozialgericht Marburg erhobene Klage hat die Klägerin damit begründet, entgegen der Auffassung der Beklagten finde § 223 Abs. 2 SGB III in der ab 1. August 1999 geltenden Fassung Anwendung, wonach der Eingliederungszuschuss u.a. dann nicht zurückzuzahlen sei, wenn der Arbeitgeber berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers lagen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstanden, zu kündigen.
Jedenfalls aber sei die Beklagte nach der Neufassung dieser Vorschrift nur zur Rückforderung der Hälfte des Förderungsbetrages berechtigt.
Mit Urteil vom 25. Juli 2000 hat das Sozialgericht Marburg (Az.: S 5 AL 83/00) den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2000 abgeändert, soweit ein Erstattungsanspruch von mehr als 9.800,00 DM geltend gemacht wurde. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin die Hälfte der Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage für die angefochtene Verwaltungsentscheidung sei § 223 Abs. 2 SGB III in der ab dem 1. August 1999 geltenden Fassung. Da es sich insoweit um eine Verfahrensregelung handele, die aus Gleichbehandlungsgründen auch laufende Fälle erfassen müsse, gelte insoweit § 422 SGB III nicht.
Allerdings seien die Voraussetzungen für einen völligen Wegfall der Rückzahlungspflicht nach § 223 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 SGB III nicht erfüllt, weil die Klägerin nach den von ihr vorgelegten Unterlagen und insbesondere nach dem arbeitsgerichtlichen Vergleich vom 25. Februar 1999 nicht berechtigt gewesen sei, das Arbeitsverhältnis aus Gründen, die in der Person oder dem Verhalten des Arbeitnehmers lagen, oder aus dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung in diesem Betrieb entgegenstanden, zu kündigen. Nach § 223 Abs. 2 Satz 3 SGB III in der ab 1. August 1999 geltenden Fassung sei die Rückzahlung jedoch auf die Hälfte des Förderungsbetrages, höchstens aber den in den letzten 12 Monaten vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses gewährten Förderungsbetrag begrenzt, weshalb die Beklagte lediglich einen Erstattungsanspruch in Höhe von 9.800,00 DM besitze.
Gegen das ihr am 8. August 2000 zugestellte Urteil des Sozialgerichts hat die Beklagte am 7. September 2000 Berufung eingelegt mit der Begründung, auf die streitige Rückzahlungsverpflichtung der Klägerin sei § 223 Abs. 2 SGB III in der noch vor dem 1. August 1999 geltenden Fassung anzuwenden, wonach der Arbeitgeber zur vollständigen Rückzahlung des Eingliederungszuschusses verpflichtet war, wenn das Beschäftigungsverhältnis während des Förderungszeitraums oder innerhalb eines Zeitraums, der der Förderungsdauer entspricht, längstens jedoch von 12 Monaten, nach Ende des Förderungszeitraums beendet wurde. Dies folge aus § 422 SGB III, wonach bei einer Änderung dieses Gesetzbuches, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist, auf Leistung der aktiven Arbeitsförderung bis zum Ende der Leistung oder der Maßnahme die Vorschriften in der vor dem Tag des Inkrafttretens der Änderung geltenden Fassung weiter anzuwenden sind, wenn vor diesem Tag der Anspruch entstanden ist, die Leistung zuerkannt worden ist oder die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist. Das Ergebnis sei insoweit auch nicht unbillig, denn die Klägerin habe die Leistungen noch unter den Bedingungen des alten Verfahrensrechts beantragt und erhalten und habe daher nicht davon ausgehen können, dass in ihrem Fall durch eine spätere Gesetzesänderung günstigere Modalitäten greifen könnten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. Juli 2000 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin, deren Prozessbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 24. Januar 2001 sein Mandat niedergelegt hat, hat auf die Berufung nicht erwidert und ist trotz ihr am 31. Januar 2001 mit Postzustellungsurkunde unter Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens zugestellter Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.
Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der ordnungsgemäß unter Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens geladenen Klägerin eine Entscheidung durch Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung treffen ( §§ 110, 126, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG ).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig.
Sie ist jedoch nicht begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 25. Juli 2000 ist nicht zu beanstanden, soweit das Sozialgericht (sinngemäß) den Bescheid der Beklagten vom 18. Oktober 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2000 aufgehoben hat, soweit die Beklagte gegen die Klägerin einen den Betrag von 9.800,00 DM übersteigenden Erstattungsanspruch festgesetzt hat.
Mit der zutreffenden Auffassung des Sozialgerichts ist auf den Erstattungsanspruch der Beklagten § 223 Abs. 2 SGB III in der Fassung des 2. SGB III Änderungsgesetzes vom 21. Juli 1999 (BGBl. I S. 1648) anzuwenden, die ab 1. August 1999 in Kraft getreten ist. Maßgeblich ist hierbei nämlich der Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung durch den angefochtenen Bescheid vom 18. Oktober 1999, mit dem die Beklagte in eine durch den bestandskräftigen Bewilligungsbescheid vom 30. April 1998 begründete Rechtsposition der Klägerin eingegriffen hat. Es gilt nämlich der Grundsatz, dass sich die verfahrensrechtlichen Befugnisse in weitestem Sinne, also auch solche mit materiell-rechtlichem Inhalt, insbesondere Umfang und Art der Erstattungsforderungen und die Möglichkeit, sie durch Verwaltungsakt durchzusetzen, nach dem jeweils im Zeitpunkt der Entscheidung der Verwaltung geltenden Recht richten (so zutreffend Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 13. März 1990 - Az.: 11 RAr 125/89 m.w.N.; Gagel, SGB III, Arbeitsförderung, vor § 422 Rdnr. 13 m.w.N.). Insoweit können auch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes nicht entgegenstehen, denn die fragliche Rechtsänderung begünstigt die Leistungsempfänger. Zum Zeitpunkt des eingreifenden Verwaltungsaktes der Beklagten vom 18. Oktober 1999 gab es keine gesetzliche Eingriffsermächtigung für die Beklagte, den gewährten Eingliederungszuschuss in voller Höhe zurückzufordern.
Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte im Falle eines zulässigen Widerrufsvorbehalts gemäß § 32 Abs. 2 Ziff. 3 SGB X im begünstigenden Bescheid vom 30. April 1998 unter den Voraussetzungen des § 223 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) in der bis zum 31. Juli 1999 geltenden Fassung die Anwendung neuen Rechts durch die Ausübung des Widerrufs gemäß § 47 Abs. 1 Ziff. 2 SGB X verhindern könnte, wogegen allerdings schon der Rechtsgedanke aus § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X sprechen dürfte, wonach eine Rechtsänderung zugunsten des Betroffenen mit Wirkung für die Vergangenheit zu beachten ist, denn der Bescheid der Beklagten vom 30. April 1998 war mit einem zulässigen Widerrufsvorbehalt nicht versehen. Zwar wird dort auf der Rückseite unter "Bestandteil des Bewilligungsbescheides (Nebenbestimmungen)" der Wortlaut des § 223 Abs. 2 SGB III in der bis zum 31. Juli 1999 geltenden Fassung wiedergegeben, an keiner Stelle wird jedoch für einen objektiven Betrachter der Wille der Beklagten erkennbar, den Eingliederungszuschuss insoweit unter dem Vorbehalt des Widerrufs zu bewilligen.
§ 422 Abs. 1 SGB III steht der Geltung neuen Rechts insoweit nicht entgegen. Die dort vorgeschriebene Weitergeltung alten Rechts im Falle einer Änderung des SGB III im Bereich der Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, sofern der Anspruch auf die Leistung vor dem Tag der Rechtsänderung entstanden ist, die Leistung zuerkannt worden ist oder die Maßnahme begonnen hat, wenn die Leistung bis zum Beginn der Maßnahme beantragt worden ist (§ 422 Abs. 1 SGB III), bezieht sich schon nach seinem Wortlaut nur auf die Bewilligung der Leistungen, nicht jedoch auf die Aufhebung einer bestandskräftigen Bewilligung und die hieran anknüpfende Erstattung der erbrachten Leistung.
Der Zweck des § 422 Abs. 1 SGB III besteht darin, Beziehern von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung insbesondere Arbeitgebern und Trägern von Maßnahmen Planungssicherheit zu geben und die Arbeitsämter vom Aufrollen laufender Fälle zu entlasten. Deswegen sollen die zu Maßnahmebeginn bzw. zum Zeitpunkt der Bewilligung geltenden Vorschriften für laufende Fälle regelmäßig weiter anwendbar bleiben, soweit nicht Sonderregelungen etwas anderes bestimmen (siehe: Bieback in Gagel, SGB III, Arbeitsförderung, § 422 Rdnr. 1 unter Hinweis auf die amtliche Gesetzesbegründung). Diesem Zweck steht die Anwendung neuen Rechts bei der Beurteilung von Erstattungsentscheidungen der Beklagten nicht entgegen, zumindest solange es sich um die Leistungsempfänger begünstigende Gesetzesänderungen handelt, denn insoweit kann die Planungssicherheit von Arbeitgebern und Trägern von Maßnahmen nicht berührt sein. Auch werden insoweit die Arbeitsämter nicht zum "Aufrollen laufender Fälle" veranlasst, denn die Erstattung bereits erbrachter Leistungen setzt ohnehin das Aufrollen nicht nur laufender sondern ggfs. sogar bereits abgeschlossener Fälle voraus. § 422 Abs. 1 SGB III stellt sich als Spezialregelung bei der Bewilligung von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung dar und ist daher nicht auf eingreifende Entscheidungen der Beklagten übertragbar. Insoweit muss es vielmehr bei den allgemeinen Rechtsgrundsätzen über das bei der Entscheidung über Anfechtungsklagen maßgebliche Recht verbleiben, die das Sozialgericht in den Gründen seiner angefochtenen Entscheidung bereits zutreffend dargestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
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