Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 936/99
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 845/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
II Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Höhe der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und dabei um die Frage eines weiteren Freibetrages in Höhe von DM 90.- monatlich nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3). Der 1976 geborene, ledige Kläger befindet sich seit 1. August 1998 bis voraussichtlich Juli 2001 in einer Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Sparkasse G. (J-Straße). Er hat bisher keine abgeschlossene Ausbildung absolviert. Im ersten Ausbildungsjahr erhielt der Kläger insgesamt eine Bruttoausbildungsvergütung in Höhe von DM 18.220,21 (einschließlich vermögenswirksame Leistungen entsprechend der Bescheinigung der Sparkasse G. vom 23.2.1999). Der Kläger bewohnt eine eigene Mietwohnung (Wohnbau G. GmbH - DM 493.- monatlich). Seine Eltern wohnen in demselben Haus. Die Entfernung zur Ausbildungsstätte und zur Berufsschule betrug nach Angaben des Klägers zunächst jeweils 7,5 km. Am 15. April 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von BAB. Der Vater des Klägers gab eine jährliche Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von DM 17.335.- an, die Mutter des Klägers jährliche Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 4.800.-. Die Beklagte errechnete aus dem Einkommen des Klägers einen monatlich zu berücksichtigenden Betrag von DM 1.074,32, sowie einen Gesamtbedarf in Höhe von DM 984,10. Dabei legte sie folgende Beträge zu Grunde:
anderweitige Unterbringung DM 845.-
Zusatzbedarf für Unterkunft DM 75.-
Pendelfahrten (abzüglich Zuschuss Arb.G.) DM 44,10
Arbeitskleidung DM 20.-
Gesamtbedarf DM 984,10
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Oktober 1998 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Am 13. Januar 1999 beantragte der Kläger erneut BAB und wies darauf hin, dass es unzumutbar sei, wenn er in der 2-Zimmer-Wohnung der Eltern wohne. Die kürzeste Fahrstrecke zu seiner Ausbildungsstelle seit 1. Januar 1999 (Zweigstelle B.) betrage nunmehr 20 km. Die Beklagte legte ihrer Berechnung eine jährliche Ausbildungsvergütung in Höhe von DM 18.220,21 zugrunde. Nach Abzug von verschiedenen Pauschalen (vermögenswirksame Leistung DM 420.-, Steuerpauschale DM 26,46, Sozialpauschale DM 3.933,85) errechnete die Beklagte ein monatlich zu berücksichtigendes Einkommen des Klägers in Höhe von DM 1.153,33, sowie einen Gesamtbedarf in Höhe von DM 1.122,40, letzteren nach folgender Berechnung:
anderweitige Unterbringung DM 845.-
Zusatzbedarf für Unterkunft DM 75.-
Pendelfahrten DM 182,40
Arbeitskleidung DM 20.-
Gesamtbedarf DM 1.122,40
Mit Bescheid vom 9. März 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da dem Kläger die für den Lebensunterhalt und die Berufsausbildung erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung stünden, §§ 59 ff SGB 3. Hiergegen hat der Kläger am 16. März 1999 Widerspruch erhoben und seinen monatlichen Bedarf mit DM 1.395,09 angegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück im wesentlichen mit der Begründung, der Kläger sei außerhalb des Haushaltes seiner Eltern untergebracht, so dass die Bedarfssätze für die anderweitige Unterbringung und dem Zusatzbedarf für die Unterkunft gem. § 65 Abs. 1 SGB 3 in vollem Umfang berücksichtigt worden seien. Hinsichtlich der Fahrtkosten seien nach § 67 Abs. 1 und 2 SGB 3 i.V. § 6 Abs. 1 Bundesreisekostengesetz DM 0,38 pro km berechnet worden. Unter Berücksichtigung seines anrechenbaren Einkommens in Höhe von DM 1.153,33 stünden ihm die erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung. Hiergegen hat der Kläger am 6. Mai 1999 Klage erhoben und u.a. vorgetragen, dass die Strecke der Pendelfahrten größer sei, da er an beiden Berufsschultagen noch seine Ausbildungsstätte besuchen müsse. Ab August 1999 sei sein Einkommen zu hoch gewesen, so dass er das Klageziel auf die Zeit von Januar bis Juli 1999 beschränke. Im Rahmen eines Teilvergleichs gewährte die Beklagte für die streitbefangene Zeit DM 36,35 monatlich und übernahm ein Drittel der außergerichtlichen Kosten. Der Kläger begehrte sodann noch einen weiteren monatlichen Betrag in Höhe von DM 90.- hinsichtlich der streitbefangenen Zeit. Mit Urteil vom 9. Mai 2000 wies das Sozialgericht Gießen die Klage ab mit der Begründung, der sich im Falle des Klägers nach § 65 ff SGB 3 ergebende Bedarfsbetrag in Höhe von DM 1.189,68 incl. Fahrtkosten in Höhe von DM 249,68 und Arbeitskleidungspauschale von DM 20.- überschreite das anrechenbare monatliche Einkommen des Klägers von DM 1.153,33 um DM 36,35. Dies entspreche dem Betrag, den die Beklagte im Rahmen des Teilvergleichs gewähre. Weitergehende Ansprüche habe der Kläger nicht. Insbesondere stehe ihm kein weiterer Einkommensfreibetrag in Höhe von DM 90.- monatlich nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 zu. Dieser Freibetrag sei nur zu berücksichtigen, wenn die räumliche Entfernung zwischen einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle und dem Haushalt der Eltern die Unterbringung außerhalb dieses Haushaltes erforderlich mache. Dies ergebe sich aus dem Anknüpfungstatbestand "die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle". Auch Sinn und Zweck der Regelung legten diese Auslegung nahe. In all denjenigen Fällen, in denen nicht nur aus persönlichen Gründen vom Auszubildenden ein eigenständiger Haushalt geführt werde - was nach § 64 SGB 3 die Grundvoraussetzung für die Gewährung der BAB sei - sondern unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktsituation unabhängig von den persönlichen Gründen des Auszubildenden in jedem Fall eine Unterbringung außerhalb des Haushaltes der Eltern als Voraussetzung für die Aufnahme eine Ausbildung notwendig wäre, liege es nahe, diese Auszubildenden durch einen zusätzlichen Freibetrag finanziell zu begünstigen. Wenn nämlich arbeitsmarktliche Bedingungen der Grund für erhöhte Kosten seien, dann scheine es aus der Sicht des Gerichts sachgerecht, die erhöhten Kosten in erhöhtem Umfang durch Förderungsleistungen abzufangen. Da die Eltern des Klägers - wie auch der Kläger selbst - in G., dem Ort der Ausbildung wohnten, entfalle die Anwendung des § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Gegen das am 29. Mai 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. Juni 2000 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, aus dem Wortlaut des § 71 Abs. 2 Ziff. 2 SGB 3 ergebe sich nicht, dass der Freibetrag nur dann zu gewähren sei, wenn Ausbildungsstelle und elterlicher Haushalt an verschiedenen Orten seien. Es folge nur daraus, dass nicht in jedem Fall, in dem der Auszubildende einen eigenen Haushalt führe, der weitere Freibetrag zu berücksichtigen sei. Vielmehr bedürfe es triftiger Gründe für den Auszug aus dem elterlichen Haushalt, die mit der Ausbildung selbst im Zusammenhang stehen müssten. Dies könne auch, wie in seinem Fall, wegen räumlich beengter Verhältnisse (z.B. kein eigenes Zimmer) gegeben sein, die es dem Auszubildenden unmöglich machten, seine theoretische Ausbildung (z.B. Vor- und Nachbereiten des Berufsschulunterrichts, Vorbereitung auf Prüfungen) zu absolvieren. Dann sei die Vermittlung einer solchen Ausbildungsstelle nur möglich und sinnvoll, wenn eine Unterbringung außerhalb des elterlichen Haushalts erfolge.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichtes Gießen vom 9. Mai 2000 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 9. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1999 und des Teilvergleichs vom 9. Mai 2000 zu verurteilen, ihm für die Zeit von Januar bis Juli 1999 je weitere DM 90.- monatlich an Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte trägt vor, in einem gleich gelagerten Fall habe das Bundessozialgericht entschieden (30.1.1999 - 11 RAr 13/89), dass bei der Prüfung der Frage, welche Umstände und Gründe berücksichtigungsfähig sein, um anzunehmen, dass eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht erreichbar sei, soziale Gründe, wie z.B. auch beengte Wohnverhältnisse, die auf das Ausbildungsverhältnis nur mittelbar einwirkten, nicht berücksichtigungsfähig seien. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und durch den Berichterstatter anstelle des Senats erklärt. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig. Entsprechend der Einwilligung der Beteiligten konnte der Berichterstatter anstelle des Senats, § 155 Abs. 3 und 4 SGG, und ohne mündliche Verhandlung, §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG entscheiden. Die Berufung ist unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichtes Gießen vom 9. Mai 2000 ist nicht rechtswidrig und war daher nicht aufzuheben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 9. März 1999 und vom 21. April 1999 in der Gestalt des Teilvergleichs vom 9. Mai 2000 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine höhere BAB in dem streitbefangenen Zeitraum von Januar bis Juli 1999, als die ihm von der Beklagten im Teilvergleich zugestandenen DM 36,35 je Monat. Der Anspruch des Klägers dem Grunde und der Höhe nach beruht auf §§ 59, 60, 63 Abs. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1, 65 Abs. 1, 67, 68 Abs. 3, 71 Abs. 1 und 2 SGB 3. Der Kläger nimmt an einer Ausbildung zum Bankkaufmann teil, einer staatlich anerkannten, betrieblichen Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz, § 60 Abs. 1 SGB 3; es handelt sich für den Kläger um eine erstmalige Ausbildung, § 60 Abs. 2 SGB 3. Der Kläger ist Deutscher, § 63 Abs. 1 Nr. 1 SGB 3. Der Kläger wohnt außerhalb des Haushaltes der Eltern, § 64 Abs. 1 Nr. 1 SGB 3; er hat das 18. Lebensjahr vollendet, § 64 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB 3. Der Bedarf des Klägers errechnet sich wie folgt: Bedarf ab Vollendung des 21. Lebensjahres (§ 65 Abs. 1 Satz 2 SGB 3) DM 845.- Kosten der Unterbringung (§ 65 Abs. 1 Satz 3 SGB 3) höchstens DM 75.- Pauschale für Arbeitskleidung (§ 68 Abs. 3) DM 20.- Fahrtkosten (§ 67 SGB 3) zur Ausbildungsstätte bei durchschnittlich 16 Ausbil- dungstagen monatlich á 40 km x 0,38 DM ergibt monatlich = DM 243,20.- hinzukommen zweimal wöchentlich Fahrten zur Berufsschule zusätzlich = 2 x 16 km x 0,38 DM auf den Monat hochgerechnet (entsprechend der Zahl der durchschnittlichen Ausbildungstage) x 3 = DM 36,48 abzüglich DM 30.- (vom Arbeitgeber erstattet) DM 6,48- Gesamtbedarf DM 1.189,68.- bei einem zu berücksichtigenden Einkommen in Höhe von DM 1.153,33 zu gewährende BAB DM 36,35 Diesen Betrag hat die Beklagte dem Kläger gewährt. Ein höherer Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Insbesondere steht dem Kläger nicht der begehrte weitere monatliche Freibetrag in Höhe von DM 90.- nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 i.V. § 23 Abs. 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zu. Danach gelten für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen die Vorschriften des Vierten Abschnitts des BAföG mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend. Abweichend von § 23 Abs. 3 BAföG bleiben 90 DM der Ausbildungsvergütung ...anrechnungsfrei, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle ...nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils möglich ist. Dies ist nicht der Fall. Eine Vermittlung in eine geeignete berufliche Ausbildungsstelle war auch in G. möglich. Der Kläger war nicht aus Gründen der Vermittlung gezwungen, den Haushalt seiner Eltern zu verlassen. Die Vorschrift knüpft an eine mögliche Vermittlung einer geeigneten Ausbildungsstelle an und macht diese davon abhängig, ob sie nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern möglich ist. Dagegen ist in § 64 Abs. 1 Satz 1 SGB 3 als persönliche Voraussetzung geregelt, dass Anspruch auf BAB nur hat, wer außerhalb des Haushalts der Eltern wohnt und die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht in angemessener Zeit erreichen kann. In Satz 2 Nr. 4 dieser Vorschrift ist geregelt, dass die Voraussetzung der nicht angemessenen Erreichbarkeit u.a. ersetzt werden kann, wenn aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern verwiesen werden kann. Der Gesetzgeber verlangt damit, dass der Auszubildende nicht nur außerhalb der Wohnung der Eltern wohnt, sondern dass es hierfür schwerwiegende Gründe geben muss, sei es die fehlende (angemessene) Erreichbarkeit des Ausbildungsplatzes oder schwerwiegende soziale Gründe. Dass daneben auch andere Gründe genügen, wie die im Falle des Klägers erreichte Vollendung des 18. Lebensjahres, ändert daran nichts. Es fehlt deshalb sowohl bei systematischer Auslegung als auch bei Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Einräumung eines zusätzlichen Freibetrages nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 an einem Anknüpfungspunkt für die Rechtsansicht des Klägers. Nur dann, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle die Unterbringung in der elterlichen Wohnung unmöglich macht, ist der Freibetrag in Höhe von DM 90.- zu berücksichtigen. Ein Beispiel mag den Unterschied verdeutlichen. Ein Ausbildungsplatzsuchender hat zwei vergleichbare Ausbildungsplatzangebote, das eine in der Gemeinde, in der sich die Wohnung der Eltern befindet, das andere unzumutbar weit außerhalb. Die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle macht die Unterbringung in der elterlichen Wohnung nicht unmöglich, selbst dann, wenn er sich für die weit entfernte Ausbildungsstelle entscheidet. So liegt es aber im zu entscheidenden Fall. Der Kläger beruft sich auf soziale Gründe, die ihn hindern, in der Wohnung der Eltern zu bleiben. Davon sind aber die Vermittlungsmöglichkeiten in eine geeignete berufliche Ausbildungsstelle im Raum G. nicht betroffen. Schließlich hat der Kläger auch eine Ausbildungsstelle in G. gefunden, die er von seiner Wohnung aus, die sich im gleichen Haus der Wohnung der Eltern befindet, erreichen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Es geht in dem Rechtsstreit um die Höhe der Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) und dabei um die Frage eines weiteren Freibetrages in Höhe von DM 90.- monatlich nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB 3). Der 1976 geborene, ledige Kläger befindet sich seit 1. August 1998 bis voraussichtlich Juli 2001 in einer Ausbildung zum Bankkaufmann bei der Sparkasse G. (J-Straße). Er hat bisher keine abgeschlossene Ausbildung absolviert. Im ersten Ausbildungsjahr erhielt der Kläger insgesamt eine Bruttoausbildungsvergütung in Höhe von DM 18.220,21 (einschließlich vermögenswirksame Leistungen entsprechend der Bescheinigung der Sparkasse G. vom 23.2.1999). Der Kläger bewohnt eine eigene Mietwohnung (Wohnbau G. GmbH - DM 493.- monatlich). Seine Eltern wohnen in demselben Haus. Die Entfernung zur Ausbildungsstätte und zur Berufsschule betrug nach Angaben des Klägers zunächst jeweils 7,5 km. Am 15. April 1998 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von BAB. Der Vater des Klägers gab eine jährliche Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von DM 17.335.- an, die Mutter des Klägers jährliche Arbeitslosenhilfe in Höhe von DM 4.800.-. Die Beklagte errechnete aus dem Einkommen des Klägers einen monatlich zu berücksichtigenden Betrag von DM 1.074,32, sowie einen Gesamtbedarf in Höhe von DM 984,10. Dabei legte sie folgende Beträge zu Grunde:
anderweitige Unterbringung DM 845.-
Zusatzbedarf für Unterkunft DM 75.-
Pendelfahrten (abzüglich Zuschuss Arb.G.) DM 44,10
Arbeitskleidung DM 20.-
Gesamtbedarf DM 984,10
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Oktober 1998 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Am 13. Januar 1999 beantragte der Kläger erneut BAB und wies darauf hin, dass es unzumutbar sei, wenn er in der 2-Zimmer-Wohnung der Eltern wohne. Die kürzeste Fahrstrecke zu seiner Ausbildungsstelle seit 1. Januar 1999 (Zweigstelle B.) betrage nunmehr 20 km. Die Beklagte legte ihrer Berechnung eine jährliche Ausbildungsvergütung in Höhe von DM 18.220,21 zugrunde. Nach Abzug von verschiedenen Pauschalen (vermögenswirksame Leistung DM 420.-, Steuerpauschale DM 26,46, Sozialpauschale DM 3.933,85) errechnete die Beklagte ein monatlich zu berücksichtigendes Einkommen des Klägers in Höhe von DM 1.153,33, sowie einen Gesamtbedarf in Höhe von DM 1.122,40, letzteren nach folgender Berechnung:
anderweitige Unterbringung DM 845.-
Zusatzbedarf für Unterkunft DM 75.-
Pendelfahrten DM 182,40
Arbeitskleidung DM 20.-
Gesamtbedarf DM 1.122,40
Mit Bescheid vom 9. März 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab, da dem Kläger die für den Lebensunterhalt und die Berufsausbildung erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung stünden, §§ 59 ff SGB 3. Hiergegen hat der Kläger am 16. März 1999 Widerspruch erhoben und seinen monatlichen Bedarf mit DM 1.395,09 angegeben. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. April 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück im wesentlichen mit der Begründung, der Kläger sei außerhalb des Haushaltes seiner Eltern untergebracht, so dass die Bedarfssätze für die anderweitige Unterbringung und dem Zusatzbedarf für die Unterkunft gem. § 65 Abs. 1 SGB 3 in vollem Umfang berücksichtigt worden seien. Hinsichtlich der Fahrtkosten seien nach § 67 Abs. 1 und 2 SGB 3 i.V. § 6 Abs. 1 Bundesreisekostengesetz DM 0,38 pro km berechnet worden. Unter Berücksichtigung seines anrechenbaren Einkommens in Höhe von DM 1.153,33 stünden ihm die erforderlichen Mittel anderweitig zur Verfügung. Hiergegen hat der Kläger am 6. Mai 1999 Klage erhoben und u.a. vorgetragen, dass die Strecke der Pendelfahrten größer sei, da er an beiden Berufsschultagen noch seine Ausbildungsstätte besuchen müsse. Ab August 1999 sei sein Einkommen zu hoch gewesen, so dass er das Klageziel auf die Zeit von Januar bis Juli 1999 beschränke. Im Rahmen eines Teilvergleichs gewährte die Beklagte für die streitbefangene Zeit DM 36,35 monatlich und übernahm ein Drittel der außergerichtlichen Kosten. Der Kläger begehrte sodann noch einen weiteren monatlichen Betrag in Höhe von DM 90.- hinsichtlich der streitbefangenen Zeit. Mit Urteil vom 9. Mai 2000 wies das Sozialgericht Gießen die Klage ab mit der Begründung, der sich im Falle des Klägers nach § 65 ff SGB 3 ergebende Bedarfsbetrag in Höhe von DM 1.189,68 incl. Fahrtkosten in Höhe von DM 249,68 und Arbeitskleidungspauschale von DM 20.- überschreite das anrechenbare monatliche Einkommen des Klägers von DM 1.153,33 um DM 36,35. Dies entspreche dem Betrag, den die Beklagte im Rahmen des Teilvergleichs gewähre. Weitergehende Ansprüche habe der Kläger nicht. Insbesondere stehe ihm kein weiterer Einkommensfreibetrag in Höhe von DM 90.- monatlich nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 zu. Dieser Freibetrag sei nur zu berücksichtigen, wenn die räumliche Entfernung zwischen einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle und dem Haushalt der Eltern die Unterbringung außerhalb dieses Haushaltes erforderlich mache. Dies ergebe sich aus dem Anknüpfungstatbestand "die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle". Auch Sinn und Zweck der Regelung legten diese Auslegung nahe. In all denjenigen Fällen, in denen nicht nur aus persönlichen Gründen vom Auszubildenden ein eigenständiger Haushalt geführt werde - was nach § 64 SGB 3 die Grundvoraussetzung für die Gewährung der BAB sei - sondern unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktsituation unabhängig von den persönlichen Gründen des Auszubildenden in jedem Fall eine Unterbringung außerhalb des Haushaltes der Eltern als Voraussetzung für die Aufnahme eine Ausbildung notwendig wäre, liege es nahe, diese Auszubildenden durch einen zusätzlichen Freibetrag finanziell zu begünstigen. Wenn nämlich arbeitsmarktliche Bedingungen der Grund für erhöhte Kosten seien, dann scheine es aus der Sicht des Gerichts sachgerecht, die erhöhten Kosten in erhöhtem Umfang durch Förderungsleistungen abzufangen. Da die Eltern des Klägers - wie auch der Kläger selbst - in G., dem Ort der Ausbildung wohnten, entfalle die Anwendung des § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Gegen das am 29. Mai 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. Juni 2000 Berufung eingelegt. Der Kläger trägt vor, aus dem Wortlaut des § 71 Abs. 2 Ziff. 2 SGB 3 ergebe sich nicht, dass der Freibetrag nur dann zu gewähren sei, wenn Ausbildungsstelle und elterlicher Haushalt an verschiedenen Orten seien. Es folge nur daraus, dass nicht in jedem Fall, in dem der Auszubildende einen eigenen Haushalt führe, der weitere Freibetrag zu berücksichtigen sei. Vielmehr bedürfe es triftiger Gründe für den Auszug aus dem elterlichen Haushalt, die mit der Ausbildung selbst im Zusammenhang stehen müssten. Dies könne auch, wie in seinem Fall, wegen räumlich beengter Verhältnisse (z.B. kein eigenes Zimmer) gegeben sein, die es dem Auszubildenden unmöglich machten, seine theoretische Ausbildung (z.B. Vor- und Nachbereiten des Berufsschulunterrichts, Vorbereitung auf Prüfungen) zu absolvieren. Dann sei die Vermittlung einer solchen Ausbildungsstelle nur möglich und sinnvoll, wenn eine Unterbringung außerhalb des elterlichen Haushalts erfolge.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichtes Gießen vom 9. Mai 2000 zu ändern und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 9. März 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 1999 und des Teilvergleichs vom 9. Mai 2000 zu verurteilen, ihm für die Zeit von Januar bis Juli 1999 je weitere DM 90.- monatlich an Berufsausbildungsbeihilfe zu gewähren,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Beklagte trägt vor, in einem gleich gelagerten Fall habe das Bundessozialgericht entschieden (30.1.1999 - 11 RAr 13/89), dass bei der Prüfung der Frage, welche Umstände und Gründe berücksichtigungsfähig sein, um anzunehmen, dass eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht erreichbar sei, soziale Gründe, wie z.B. auch beengte Wohnverhältnisse, die auf das Ausbildungsverhältnis nur mittelbar einwirkten, nicht berücksichtigungsfähig seien. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und durch den Berichterstatter anstelle des Senats erklärt. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG), ist zulässig. Entsprechend der Einwilligung der Beteiligten konnte der Berichterstatter anstelle des Senats, § 155 Abs. 3 und 4 SGG, und ohne mündliche Verhandlung, §§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1 SGG entscheiden. Die Berufung ist unbegründet.
Das Urteil des Sozialgerichtes Gießen vom 9. Mai 2000 ist nicht rechtswidrig und war daher nicht aufzuheben. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten vom 9. März 1999 und vom 21. April 1999 in der Gestalt des Teilvergleichs vom 9. Mai 2000 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine höhere BAB in dem streitbefangenen Zeitraum von Januar bis Juli 1999, als die ihm von der Beklagten im Teilvergleich zugestandenen DM 36,35 je Monat. Der Anspruch des Klägers dem Grunde und der Höhe nach beruht auf §§ 59, 60, 63 Abs. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1, 65 Abs. 1, 67, 68 Abs. 3, 71 Abs. 1 und 2 SGB 3. Der Kläger nimmt an einer Ausbildung zum Bankkaufmann teil, einer staatlich anerkannten, betrieblichen Ausbildung nach dem Berufsbildungsgesetz, § 60 Abs. 1 SGB 3; es handelt sich für den Kläger um eine erstmalige Ausbildung, § 60 Abs. 2 SGB 3. Der Kläger ist Deutscher, § 63 Abs. 1 Nr. 1 SGB 3. Der Kläger wohnt außerhalb des Haushaltes der Eltern, § 64 Abs. 1 Nr. 1 SGB 3; er hat das 18. Lebensjahr vollendet, § 64 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB 3. Der Bedarf des Klägers errechnet sich wie folgt: Bedarf ab Vollendung des 21. Lebensjahres (§ 65 Abs. 1 Satz 2 SGB 3) DM 845.- Kosten der Unterbringung (§ 65 Abs. 1 Satz 3 SGB 3) höchstens DM 75.- Pauschale für Arbeitskleidung (§ 68 Abs. 3) DM 20.- Fahrtkosten (§ 67 SGB 3) zur Ausbildungsstätte bei durchschnittlich 16 Ausbil- dungstagen monatlich á 40 km x 0,38 DM ergibt monatlich = DM 243,20.- hinzukommen zweimal wöchentlich Fahrten zur Berufsschule zusätzlich = 2 x 16 km x 0,38 DM auf den Monat hochgerechnet (entsprechend der Zahl der durchschnittlichen Ausbildungstage) x 3 = DM 36,48 abzüglich DM 30.- (vom Arbeitgeber erstattet) DM 6,48- Gesamtbedarf DM 1.189,68.- bei einem zu berücksichtigenden Einkommen in Höhe von DM 1.153,33 zu gewährende BAB DM 36,35 Diesen Betrag hat die Beklagte dem Kläger gewährt. Ein höherer Anspruch steht dem Kläger nicht zu. Insbesondere steht dem Kläger nicht der begehrte weitere monatliche Freibetrag in Höhe von DM 90.- nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 i.V. § 23 Abs. 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) zu. Danach gelten für die Ermittlung des Einkommens und dessen Anrechnung sowie die Berücksichtigung von Freibeträgen die Vorschriften des Vierten Abschnitts des BAföG mit den hierzu ergangenen Rechtsverordnungen entsprechend. Abweichend von § 23 Abs. 3 BAföG bleiben 90 DM der Ausbildungsvergütung ...anrechnungsfrei, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle ...nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern oder eines Elternteils möglich ist. Dies ist nicht der Fall. Eine Vermittlung in eine geeignete berufliche Ausbildungsstelle war auch in G. möglich. Der Kläger war nicht aus Gründen der Vermittlung gezwungen, den Haushalt seiner Eltern zu verlassen. Die Vorschrift knüpft an eine mögliche Vermittlung einer geeigneten Ausbildungsstelle an und macht diese davon abhängig, ob sie nur bei Unterbringung des Auszubildenden außerhalb des Haushalts der Eltern möglich ist. Dagegen ist in § 64 Abs. 1 Satz 1 SGB 3 als persönliche Voraussetzung geregelt, dass Anspruch auf BAB nur hat, wer außerhalb des Haushalts der Eltern wohnt und die Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht in angemessener Zeit erreichen kann. In Satz 2 Nr. 4 dieser Vorschrift ist geregelt, dass die Voraussetzung der nicht angemessenen Erreichbarkeit u.a. ersetzt werden kann, wenn aus schwerwiegenden sozialen Gründen nicht auf die Wohnung der Eltern verwiesen werden kann. Der Gesetzgeber verlangt damit, dass der Auszubildende nicht nur außerhalb der Wohnung der Eltern wohnt, sondern dass es hierfür schwerwiegende Gründe geben muss, sei es die fehlende (angemessene) Erreichbarkeit des Ausbildungsplatzes oder schwerwiegende soziale Gründe. Dass daneben auch andere Gründe genügen, wie die im Falle des Klägers erreichte Vollendung des 18. Lebensjahres, ändert daran nichts. Es fehlt deshalb sowohl bei systematischer Auslegung als auch bei Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Einräumung eines zusätzlichen Freibetrages nach § 71 Abs. 2 Nr. 2 SGB 3 an einem Anknüpfungspunkt für die Rechtsansicht des Klägers. Nur dann, wenn die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle die Unterbringung in der elterlichen Wohnung unmöglich macht, ist der Freibetrag in Höhe von DM 90.- zu berücksichtigen. Ein Beispiel mag den Unterschied verdeutlichen. Ein Ausbildungsplatzsuchender hat zwei vergleichbare Ausbildungsplatzangebote, das eine in der Gemeinde, in der sich die Wohnung der Eltern befindet, das andere unzumutbar weit außerhalb. Die Vermittlung einer geeigneten beruflichen Ausbildungsstelle macht die Unterbringung in der elterlichen Wohnung nicht unmöglich, selbst dann, wenn er sich für die weit entfernte Ausbildungsstelle entscheidet. So liegt es aber im zu entscheidenden Fall. Der Kläger beruft sich auf soziale Gründe, die ihn hindern, in der Wohnung der Eltern zu bleiben. Davon sind aber die Vermittlungsmöglichkeiten in eine geeignete berufliche Ausbildungsstelle im Raum G. nicht betroffen. Schließlich hat der Kläger auch eine Ausbildungsstelle in G. gefunden, die er von seiner Wohnung aus, die sich im gleichen Haus der Wohnung der Eltern befindet, erreichen kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen worden, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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