Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5a Ar 236/97
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 1487/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Oktober 1997 wird zurückgewiesen.
Die Klage auf Gewährung höheren Kurzarbeitergeldes für die Monate Februar 1997 bis Juni 1997 wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Kurzarbeitergeldes (Kug) im Streit.
Der im Jahre 1959 geborene Kläger war seit März 1990 bei der Klinik - Verwaltungs-Gesellschaft M. mbH & Co. Klinik-Betriebs KG W. als Arzt beschäftigt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Wildungen vom 1. März 1998 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers der Konkurs eröffnet und der Beigeladene zu 1) zum Konkursverwalter bestellt.
Nach Angaben des Klägers war er arbeitsvertraglich zu einer wöchentlichen Grundarbeitszeit von 38,5 Stunden sowie zu Nacht- und Wochenenddiensten durchschnittlich fünf Mal pro Monat verpflichtet. Für die Grundarbeitszeit habe er ein Grundgehalt erhalten, die über die Grundarbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden seien grundsätzlich durch Freizeit ausgeglichen worden, die Nacht- und Wochenenddienste seien einzeln vergütet worden und bei der Beklagten beitragspflichtig gewesen.
Im Jahre 1996 zeichnete sich beim Arbeitgeber ein deutlicher Rückgang der Patientenzahlen ab. Wegen dieser Entwicklung kam es zu mehreren Betriebsversammlungen und schließlich am 22. November 1996 zu einer Betriebsvereinbarung, mit welcher die Betriebsparteien zur Beschäftigungssicherung die Einführung von Kurzarbeit beschlossen. Gemäß § 11 sollte der Arbeitgeber u.a. als Härteausgleich für infolge der Kurzarbeit durchschnittlich ausgefallenen Stunden einen Betrag in Höhe von 1,50 DM brutto pro Ausfallstunde leisten; je nach Steuerklasse sollten unterschiedliche Quoten gelten. Die durchschnittlich wegen Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitsstunden sollten quartalsmäßig ermittelt werden. Gemäß § 8 sollten während der Kurzarbeit Überstunden in den von Kurzarbeit betroffenen Abteilungen nur in Ausnahmefällen mit Zustimmung des Betriebsrates angesetzt werden. Die "Anzeige über den Arbeitsausfall ab 1. Januar 1997 bis voraussichtlich 30. Juni 1997" ging der Beklagten am 13. Dezember 1996 zu; auf den Inhalt wird Bezug genommen (Blatt 11 f. der Verwaltungsvorgänge). Am 3. Februar 1997 übermittelte der Arbeitgeber der Beklagten die Abrechnungslisten für den Januar 1997, wobei für den Kläger ein Ausfallvolumen von 168,5 Stunden angegeben wurde (Blatt 39 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten).
Mit Bescheiden vom 13. Februar 1997 und 27. Februar 1997 (Blatt 112 der Verwaltungsvorgänge) bewilligte die Beklagte dem Arbeitgeber Kug in Höhe von insgesamt 114.631,37 DM.
Dabei wurde für den Kläger ein Betrag von 1.694,99 DM ermittelt. Der Kläger widersprach am 21. Februar 1997 mit der Begründung, er sei neben der normalen Wochenarbeitzeit vertraglich zur Ableistung von Nacht- und Wochenenddiensten verpflichtet und von seinem Gesamtbruttogehalt seien doch auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden, weshalb er um Neuberechnung bitte. Mit Bescheid vom 2. April 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Berücksichtigung von Ausfallstunden, die über die tarifliche Arbeitszeit hinausreichten, sei nach § 68 Abs. 1 i.V.m. § 69 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ausgeschlossen; auf die Begründung im Einzelnen wird Bezug genommen.
Mit am 14. April 1997 beim Sozialgericht Marburg (SG) erhobener Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er sei nicht tarifgebunden, folglich gebe es für ihn auch keine tarifliche Arbeitszeit und es gehöre zu einem normalen Klinikbetrieb, dass auch zur Nachtzeit und am Wochenende ein Arzt anwesend sei, mithin handele es sich insoweit um Regelarbeitszeiten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16. Oktober 1997 abgewiesen. Die Kammer war der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig, da nur der Arbeitgeber des Klägers (neben der Betriebsvertretung) Subjekt des Verwaltungsverfahrens sein könne und die Anspruchsberechtigten, wie der Kläger, keine Befugnis hätten, ihre Rechte selbst zu verfolgen. Der Arbeitgeber und die Betriebsvertretung seien als Prozessstandschafter der Arbeitnehmer anzusehen und aus dieser Rechtsstellung leite sich ihre Befugnis ab, anstelle der materiell-rechtlich Berechtigten auf Kurzarbeitergeld zu klagen; eine Klagebefugnis der Anspruchsberechtigten sei auch insoweit nicht anzuerkennen, als es sich um die "persönlichen Voraussetzungen" des Anspruchs auf Kug handele, denn die Prozessführungsbefugnis könne sich nur auf den geltend gemachten Anspruch als Ganzen beziehen, nicht aber auf einzelne Elemente seiner Begründung. Wenn aber den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern neben dem Arbeitgeber und der Betriebsvertretung eine Klagebefugnis nicht zustehe, bestehe auch keine Gefahr divergierender Entscheidungen, denen durch eine notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zu begegnen sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 28. Oktober 1997 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. November 1997 eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt vor, der Arbeitnehmer sei bei der Beantragung und Gewährung von Kug der in erster Linie materiell Betroffene, da es um sein Einkommen gehe. Soweit die individuelle Höhe des Kug im Streit sei, stoße die Prozessstandschaft des Arbeitgebers dabei an ihre Grenzen und in einem solchen Fall müsse es dem Arbeitnehmer selbst zumindest neben dem Arbeitgeber möglich sein, seine Ansprüche auf dem Rechtsweg zu verfolgen, da sich aus der Interessenslage des Arbeitgebers heraus mehrere Gründe ergäben, keinen Widerspruch einzulegen. Soweit das SG in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten habe, dass der Arbeitnehmer einen vor den Arbeitsgerichten einklagbaren Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Erhebung von Widerspruch und Klage habe, stelle sich zunächst die Frage der Zumutbarkeit für die Arbeitsvertragsparteien, das Arbeitsverhältnis in einer betrieblichen Krisensituation durch einen solchen Streit noch zu belasten; darüber hinaus stehe die Ansicht des SG aber auch nicht in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG), wonach ein Arbeitgeber nicht verpflichtet sei, im Interesse seines Arbeitnehmers Widerspruch und Klage gegen den Kug-Festsetzungsbescheid zu erheben, wenn er die Rechtsauffassung der Arbeitsverwaltung teile. Im Ergebnis beinhalte dies ein Schutzlosstellen des Arbeitnehmers, der zwischen die Fronten gerate und von der einen Stelle an die andere Stelle verwiesen werde. Dadurch sei das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verletzt. Soweit das SG zu den materiellen Erfolgsaussichten der Klage Stellung genommen und unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die Richtigkeit der Bemessung des Kug und die Unbedenklichkeit des § 69 AFG bejaht habe, sei diesen Überlegungen der Kammer nicht zu folgen, denn die Leistung von Nacht- und Wochenenddiensten gehöre zum ärztlichen Berufsbild in einer Klinik schlechthin. Hierzu trägt der Kläger vor, bei ihm habe die Zahl der Dienste im Laufe seiner siebenjährigen Tätigkeit jeweils fünf pro Monat betragen und habe durchschnittlich 1.500,00 DM an Vergütung ausgemacht, was mehr als einem Fünftel seines Arbeitseinkommens entsprochen habe. Die Tatsache, dass diese Entlohnung versicherungspflichtig gewesen sei, dürfe nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Januar 1995 nicht unberücksichtigt bleiben, zumal auch das BSG in seinem Urteil vom 20. Februar 1991 (11 RAr 121/89) entschieden habe, dass beim ärztlichen Bereitschaftsdienst in einem Krankenhaus die regelmäßige Arbeitszeit über die in einem Tarifvertrag genannte Stundenzahl hinausgehen könne. Zwar gelte vorliegend kein Tarifvertrag, jedoch müsste ein solcher aus zwingenden, sachlichen Gründen zur Sicherstellung des Klinikbetriebes die Möglichkeit eröffnen, Bereitschaftsdienst durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung über die tarifliche Regelarbeitszeit hinaus zu vereinbaren.
Unter Hinweis auf die Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses aufgrund betriebsbedingter Kündigung zum 31. Dezember 1997 sowie die zwischenzeitlich erfolgte Konkursanmeldung des Arbeitgebers hat der Kläger sein Begehren in der Berufung noch auf den Zeitraum bis zum Juni 1997 erweitert. Widerspruch und Klage hätten sich nicht auf die Höhe des Kurzarbeitergeldes für Januar 1997 beschränkt, vielmehr habe die Beklagte ausweislich ihres Widerspruchsbescheides nur "vermutet", dass es nur um die Januar-Leistungen gehen sollte. Sein Widerspruch hätte sich allgemein gegen die Berechnung seines Kurzarbeitergeldes ohne zeitliche Beschränkung gerichtet. Dabei sei er davon ausgegangen, dass ein Bescheid für die gesamte voraussichtliche Dauer der Kurzarbeit vorgelegen habe. Das aus einem beitragspflichtigen Bruttolohn von 6.696,00 DM und einem Nettolohn von 5.641,00 DM ein Kurzarbeitergeldanspruch von nur 1.695,00 DM resultieren solle, sei offenkundig untragbar und unvereinbar mit der Verfassungsrechtsprechung.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Oktober 1997 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. Februar 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. April 1997 zu verurteilen, ihm Kurzarbeitergeld auf der Grundlage von 230 Ausfallstunden für die Monate Januar 1997 bis Juni 1997 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unzulässig. Gegenstand des Klageverfahrens sei lediglich die Höhe des Kurzarbeitergeldes für den Monat Januar 1997 gewesen. Ausgehend von 230 Ausfallstunden, welche der Kläger unter Berücksichtigung der Bereitschaftsdienste geltend mache, würde das Kug bei einer Ausfallentschädigung von 10,16 DM pro Stunde 2.336,80 DM betragen. Gewährt worden seien bereits für den Januar 1997 für 166,83 Stunden der Betrag von 1.695,00 DM. Somit verbleibe lediglich ein Betrag in Höhe von 641,80 DM, weshalb die für die Zulässigkeit einer Berufung erforderliche Mindesthöhe von 1.000,00 DM nicht erreicht werde. Die Höhe des Kug betrage im Falle des Klägers 60 % des pauschalierten Nettoentgelts. Ausgehend von 1.500,00 DM brutto, welche im Rahmen des Kug für fünf Bereitschaftsdienste berücksichtigt werden sollten, könne ein Streitwert von über 1.000,00 DM nicht erreicht werden. Im Übrigen hält die Beklagte das angefochtene Urteil für zutreffend. Selbst wenn man die Berufung für zulässig halte, sei sie unbegründet, denn das SG habe die Klage zu Recht als unzulässig verworfen. Ebenso zutreffend sei die Auffassung des SG, dass dem Kläger grundsätzlich die Möglichkeit verbleibe, im Innenverhältnis gegenüber seinem Arbeitgeber seine ihm zustehende Vergütungshöhe gemäß § 611 ff. BGB vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen. Unabhängig von der Frage, ob im vorliegenden Sachverhalt der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) analog anzuwenden sei, welcher eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden vorsehe, sei vorliegend auch schon aufgrund des § 4 der Betriebsvereinbarung vom 22. November 1996 eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden die Berechnungsgrundlage der Kurzarbeit gewesen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte aufgrund der Regelung in § 69 AFG bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern gesetzlich verpflichtet sei, Tarifverträge für gleiche oder ähnliche Beschäftigungen bei der Bemessung des Bezuges zugrunde zu legen, was vorliegend jedoch unbestritten der BAT sei. Insoweit bestimme § 15 Abs. 6 Buchstabe a BAT, dass der Bereitschaftsdienst auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu leisten sei. Darüber hinaus handele es sich insoweit bei den tatsächlich geleisteten Stunden um echte Mehrarbeit, deren Berücksichtigung § 69 AFG jedoch nicht zulasse.
Vom Senat wurden der Konkursverwalter und der Betriebsrat des ehemaligen Arbeitgebers gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen und der Kläger in einem Erörterungstermin persönlich gehört. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung war vom Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Dabei folgt der Senat der Berechnung des Streitwertes durch die Beklagte. Dem Vortrag des Klägers, Widerspruch und Klage hätten sich auf den Kug-Anspruch als solchen auch für die anschließenden Monate bezogen, steht schon die Tatsache entgegen, dass der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem SG seinen Antrag auf Monat Januar 1997 beschränkt hat. Das SG hat demnach offensichtlich irrtümlich angenommen, die Berufung sei ohne Zulassung statthaft und hat deswegen diese Frage nicht geprüft und darüber auch nicht entschieden. Die für zulassungsfreie Berufungen übliche Rechtsmittelbelehrung ist somit falsch. Eine Umdeutung der Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger der falschen Rechtsmittelbelehrung folgend wirklich Berufung einlegen wollte. Nach Auffassung des Senates darf dieser Irrtum des Gerichts aber nicht zu Lasten der Beteiligten gehen, von denen nicht zu verlangen ist, klüger zu sein, als das SG (so auch Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 6. Auflage 1998, § 144 Rdnr. 45). Jedenfalls dann, wenn Zulassungsgründe gemäß § 144 Abs. 2 SGG auf der Hand liegen, muss das Landessozialgericht nach Überzeugung des Senats die Berufung zulassen und in der Sache entscheiden. Insofern ist vorliegend aber festzustellen, dass die Rechtssache in zweifacher Hinsicht grundsätzliche Bedeutung aufweist. Zum einen ist nämlich die Frage der Prozessstandschaft und der Klagebefugnis des Anspruchsinhabers selbst beim Kurzarbeitergeld - worauf der Kläger zu Recht hinweist - in Rechtsprechung und Literatur äußerst strittig (vgl. z.B. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 1993 - 8 AzR 301/91 in: NZA 1992, Seite 1031 f.; vgl. auch Bieback, in Gagel, AFG, Kommentar, § 72 Randziffern 74 ff.). Zum anderen dürfte die Rechtsauffassung des SG ebenso wie die der Beklagten zur Frage der Berücksichtigung von Bereitschaftsdiensten mit der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nicht vereinbar sein (vgl. Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C 303/98).
Die somit statthafte Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
Zwar ist der Kläger als Arbeitnehmer Inhaber des Kug-Anspruchs, wie aus §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 65 Abs. 1 Satz 1 AFG eindeutig hervorgeht, aber der Arbeitgeber hat nach herrschender Meinung in Anlehnung an prozessrechtliche Vorstellungen im Verhältnis zu den Arbeitnehmern die Stellung eines Prozessstandschafters, der die Rechte der Arbeitnehmer im eigenen Namen geltend macht. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitsamt den Arbeitsanfall anzuzeigen (§ 72 Abs. 1 Satz 1 AFG) und die Anspruchsvoraussetzungen nachzuweisen (§ 72 Abs. 3 Satz 1 AFG). Die Arbeitnehmer brauchen nur die erforderlichen Angaben zu machen, wobei dem Regelungszusammenhang zu entnehmen ist, dass diese Pflicht nicht dem Arbeitsamt, sondern dem Arbeitgeber gegenüber besteht (§ 72 Abs. 3 Satz 2 AFG). Der Arbeitgeber hat auch den Antrag auf Kug nach § 72 Abs. 2 Satz 1 AFG zu stellen. Die Verweisung des § 72 Abs. 2 Satz 2 AFG auf die Vorschrift über die Anzeige stellt dies klar. Neben dem Arbeitgeber hat diese besondere gesetzliche Stellung auch die Betriebsvertretung (§ 72 Abs. 2 und § 72 Abs. 2 Satz 1 AFG). Ist aber der Arbeitgeber Subjekt des Verwaltungsverfahrens und haben die Anspruchsberechtigten keine Befugnis, ihre Rechte zu verfolgen, so ist der Arbeitgeber ebenso wie die Betriebsvertretung als Prozessstandschafter der Kurzarbeit leistenden Arbeitnehmer anzusehen. Aus der Rechtstellung des Arbeitgebers sowie der Betriebsvertretung im Verwaltungsverfahren ist auch ihre Befugnis zu schließen, anstelle der materiell-rechtlich Berechtigten auf Kug zu klagen.
Eine Klagebefugnis der Anspruchsberechtigten selbst ist auch nicht insoweit anzuerkennen, als es sich um die "persönlichen Voraussetzungen" des Anspruchs auf Kug handelt. Die Prozessführungsbefugnis kann sich nur auf den geltend gemachten Anspruch als Ganzes beziehen, nicht aber auf einzelne Elemente seiner Begründung (so BSG SozR 4100 § 69 Nr. 1 mit weiteren Nachweisen). Sie zählt nach herrschender Meinung zu den allgemeinen Prozessvoraussetzungen mit der Wirkung, dass in den Fällen ihres Fehlens die Klage als unzulässig abzuweisen ist (so Thomas-Putzo, Zivilprozessordnung, 10. Auflage, München 1978, § 51 Anm. IV.1.). Der erkennende Senat folgt dieser herrschenden Meinung, denn vom Umfang und der Art der Normierung her steht bei Kurzarbeitergeld die hoheitliche Indienstnahme des Arbeitgebers im Vordergrund. Diesem obliegen die Mitwirkungspflichten und die Abwicklung der Leistungsbeziehungen gemäß §§ 71 und 72 AFG, welche bei Pflichtverletzungen scharfe Sanktionen vorsehen (so Bieback in Gagel, AFG, Kommentar, § 72 Rdz. 9 ff.). Die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, das Kug als Treuhänder seiner Arbeitnehmer zu beantragen, ist jedenfalls auch eine mit dem Arbeitsverhältnis eng verbundene Pflicht des Arbeitgebers, welche im Hinblick auf seine Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis auch in jedem Fall verfassungsrechtlich bedenkenfrei ist (BSG SozR 4100 § 72 Nr. 2 AFG). Dem entspricht zugleich die bei Pflichtverletzungen des Arbeitgebers entstehende Schadensersatzpflicht gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern (vgl. BSG SozR 4100 § 141b Nr. 12).
Aus dieser Rechtstellung des Arbeitgebers und der Betriebsvertretung als Prozessstandschafter folgt, dass sie gemäß § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen sind, wobei vorliegend der Beigeladene zu 1) als Konkursverwalter an die Stelle des Arbeitgebers getreten ist und im übrigen für die Betriebsvertretung des in Liquidation befindlichen Unternehmens ein Restmandat besteht (vgl. BAG AP 117 § 102 BetrVG 1972; AP 9 zu § 112 BetrVG 1972; AP 15 a.a.O.).
Der Senat verkennt dabei nicht, dass diese Beschränkung der verfahrensrechtlichen Position des Arbeitnehmers, welche ihm von der herrschenden Meinung in Kug-Fällen zugemessen wird, in der Literatur mit beachtlichen Argumenten angegriffen wird (so vor allem Bieback in: Gagel, a.a.O., § 72 Rdz. 74 ff.) und auch der Kläger gewichtige Gründe für ein eigenes Klagerecht vorgetragen hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die materielle Rechtsauffassung des SG im erstinstanzlichen Urteil kaum mit der Rechtsauffassung des EuGH (a.a.O.) in Einklang zu bringen sein dürfte und überdies auch im Lichte der neueren Rechtsprechung des BVerfG zur Frage der Beitragsäquivalenz nicht mehr als unumstritten gelten kann (vgl. BVerfGE vom 24. Mai 2000 - 1 BvL 1/98). Wenn der Senat gleichwohl der herrschenden Meinung folgt, so hat dies zum einen seinen Grund in der Tatsache, dass die Frage der Arbeitzeit im Sinne des § 69 AFG und damit die Frage der Ausfallstunden auch eine Frage ist, die das privatrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft und deswegen der arbeitsgerichtlichen Klärung offen steht. Sollten sich dabei, wie vom Kläger vorgetragen, zwischen der Rechtsprechung des BSG und des BAG unvereinbare Widersprüche zeigen, sieht das Verfahrensrecht insoweit die Möglichkeit einer Klärung durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vor.
Dabei sieht der Senat die Rechte der einzelnen Arbeitnehmer im übrigen durch die privilegierte Beteiligung des Betriebsrats am Kug-Verfahren noch besonders geschützt. Die Frage der Kurzarbeit fällt in den Katalog zwingender Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gemäß § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Tatsächlich wurde ja auch im vorliegenden Fall hierzu eine Betriebsvereinbarung gemäß §§ 77 f. BetrVG zur Einführung der Kurzarbeit abgeschlossen. Darüber hinaus bleibt den betroffenen Arbeitnehmern nicht nur die individuelle Klagemöglichkeit gegen den Arbeitgeber, sondern ihnen steht noch das individuelle Beschwerderecht gemäß §§ 84 f. BetrVG zur Verfügung, wenn sie sich benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlen. Dieser Weg ermöglicht den betroffenen Arbeitnehmern eine zeit- und kostensparende innerbetriebliche Klärung, notfalls auch durch Anrufung der Einigungsstelle.
Angesichts der Tatsache, dass bei der Einführung von Kurzarbeit typischerweise eine größere Zahl von Arbeitnehmern betroffen ist, würde nach Ansicht des Senates andererseits die zusätzliche Einräumung individueller Klagerechte für die betroffenen Arbeitnehmer gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit offensichtlich die Gefahr bergen, die gebotene zügige Abwicklung von Kurzarbeitsfällen zu erschweren. Insofern sprechen nach Ansicht des Senats also auch Gründe der Verwaltungspraktikabilität für die Auffassung der herrschenden Meinung.
Nach alledem konnte die Berufung somit keinen Erfolg haben.
Die Klage hinsichtlich der Leistungsansprüche für die Monate Februar bis Juni 1997 war abzuweisen, weil sie schon mangels Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens unzulässig ist (§ 78 SGG). Wie sich aus dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 2. April 1997 gegenüber dem Kläger klar ergibt, betraf diese Entscheidung lediglich den Monat Januar 1997 und dementsprechend hat der Kläger seinen Antrag vor dem SG auch auf diesen Zeitraum beschränkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Die Klage auf Gewährung höheren Kurzarbeitergeldes für die Monate Februar 1997 bis Juni 1997 wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Kurzarbeitergeldes (Kug) im Streit.
Der im Jahre 1959 geborene Kläger war seit März 1990 bei der Klinik - Verwaltungs-Gesellschaft M. mbH & Co. Klinik-Betriebs KG W. als Arzt beschäftigt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Wildungen vom 1. März 1998 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers der Konkurs eröffnet und der Beigeladene zu 1) zum Konkursverwalter bestellt.
Nach Angaben des Klägers war er arbeitsvertraglich zu einer wöchentlichen Grundarbeitszeit von 38,5 Stunden sowie zu Nacht- und Wochenenddiensten durchschnittlich fünf Mal pro Monat verpflichtet. Für die Grundarbeitszeit habe er ein Grundgehalt erhalten, die über die Grundarbeitszeit hinausgehenden Arbeitsstunden seien grundsätzlich durch Freizeit ausgeglichen worden, die Nacht- und Wochenenddienste seien einzeln vergütet worden und bei der Beklagten beitragspflichtig gewesen.
Im Jahre 1996 zeichnete sich beim Arbeitgeber ein deutlicher Rückgang der Patientenzahlen ab. Wegen dieser Entwicklung kam es zu mehreren Betriebsversammlungen und schließlich am 22. November 1996 zu einer Betriebsvereinbarung, mit welcher die Betriebsparteien zur Beschäftigungssicherung die Einführung von Kurzarbeit beschlossen. Gemäß § 11 sollte der Arbeitgeber u.a. als Härteausgleich für infolge der Kurzarbeit durchschnittlich ausgefallenen Stunden einen Betrag in Höhe von 1,50 DM brutto pro Ausfallstunde leisten; je nach Steuerklasse sollten unterschiedliche Quoten gelten. Die durchschnittlich wegen Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitsstunden sollten quartalsmäßig ermittelt werden. Gemäß § 8 sollten während der Kurzarbeit Überstunden in den von Kurzarbeit betroffenen Abteilungen nur in Ausnahmefällen mit Zustimmung des Betriebsrates angesetzt werden. Die "Anzeige über den Arbeitsausfall ab 1. Januar 1997 bis voraussichtlich 30. Juni 1997" ging der Beklagten am 13. Dezember 1996 zu; auf den Inhalt wird Bezug genommen (Blatt 11 f. der Verwaltungsvorgänge). Am 3. Februar 1997 übermittelte der Arbeitgeber der Beklagten die Abrechnungslisten für den Januar 1997, wobei für den Kläger ein Ausfallvolumen von 168,5 Stunden angegeben wurde (Blatt 39 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten).
Mit Bescheiden vom 13. Februar 1997 und 27. Februar 1997 (Blatt 112 der Verwaltungsvorgänge) bewilligte die Beklagte dem Arbeitgeber Kug in Höhe von insgesamt 114.631,37 DM.
Dabei wurde für den Kläger ein Betrag von 1.694,99 DM ermittelt. Der Kläger widersprach am 21. Februar 1997 mit der Begründung, er sei neben der normalen Wochenarbeitzeit vertraglich zur Ableistung von Nacht- und Wochenenddiensten verpflichtet und von seinem Gesamtbruttogehalt seien doch auch Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden, weshalb er um Neuberechnung bitte. Mit Bescheid vom 2. April 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Berücksichtigung von Ausfallstunden, die über die tarifliche Arbeitszeit hinausreichten, sei nach § 68 Abs. 1 i.V.m. § 69 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) ausgeschlossen; auf die Begründung im Einzelnen wird Bezug genommen.
Mit am 14. April 1997 beim Sozialgericht Marburg (SG) erhobener Klage verfolgte der Kläger sein Begehren weiter. Er sei nicht tarifgebunden, folglich gebe es für ihn auch keine tarifliche Arbeitszeit und es gehöre zu einem normalen Klinikbetrieb, dass auch zur Nachtzeit und am Wochenende ein Arzt anwesend sei, mithin handele es sich insoweit um Regelarbeitszeiten.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16. Oktober 1997 abgewiesen. Die Kammer war der Auffassung, die Klage sei bereits unzulässig, da nur der Arbeitgeber des Klägers (neben der Betriebsvertretung) Subjekt des Verwaltungsverfahrens sein könne und die Anspruchsberechtigten, wie der Kläger, keine Befugnis hätten, ihre Rechte selbst zu verfolgen. Der Arbeitgeber und die Betriebsvertretung seien als Prozessstandschafter der Arbeitnehmer anzusehen und aus dieser Rechtsstellung leite sich ihre Befugnis ab, anstelle der materiell-rechtlich Berechtigten auf Kurzarbeitergeld zu klagen; eine Klagebefugnis der Anspruchsberechtigten sei auch insoweit nicht anzuerkennen, als es sich um die "persönlichen Voraussetzungen" des Anspruchs auf Kug handele, denn die Prozessführungsbefugnis könne sich nur auf den geltend gemachten Anspruch als Ganzen beziehen, nicht aber auf einzelne Elemente seiner Begründung. Wenn aber den anspruchsberechtigten Arbeitnehmern neben dem Arbeitgeber und der Betriebsvertretung eine Klagebefugnis nicht zustehe, bestehe auch keine Gefahr divergierender Entscheidungen, denen durch eine notwendige Beiladung gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - zu begegnen sei. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 28. Oktober 1997 zugestellte Urteil richtet sich die am 19. November 1997 eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt vor, der Arbeitnehmer sei bei der Beantragung und Gewährung von Kug der in erster Linie materiell Betroffene, da es um sein Einkommen gehe. Soweit die individuelle Höhe des Kug im Streit sei, stoße die Prozessstandschaft des Arbeitgebers dabei an ihre Grenzen und in einem solchen Fall müsse es dem Arbeitnehmer selbst zumindest neben dem Arbeitgeber möglich sein, seine Ansprüche auf dem Rechtsweg zu verfolgen, da sich aus der Interessenslage des Arbeitgebers heraus mehrere Gründe ergäben, keinen Widerspruch einzulegen. Soweit das SG in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten habe, dass der Arbeitnehmer einen vor den Arbeitsgerichten einklagbaren Anspruch gegen seinen Arbeitgeber auf Erhebung von Widerspruch und Klage habe, stelle sich zunächst die Frage der Zumutbarkeit für die Arbeitsvertragsparteien, das Arbeitsverhältnis in einer betrieblichen Krisensituation durch einen solchen Streit noch zu belasten; darüber hinaus stehe die Ansicht des SG aber auch nicht in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG), wonach ein Arbeitgeber nicht verpflichtet sei, im Interesse seines Arbeitnehmers Widerspruch und Klage gegen den Kug-Festsetzungsbescheid zu erheben, wenn er die Rechtsauffassung der Arbeitsverwaltung teile. Im Ergebnis beinhalte dies ein Schutzlosstellen des Arbeitnehmers, der zwischen die Fronten gerate und von der einen Stelle an die andere Stelle verwiesen werde. Dadurch sei das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verletzt. Soweit das SG zu den materiellen Erfolgsaussichten der Klage Stellung genommen und unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die Richtigkeit der Bemessung des Kug und die Unbedenklichkeit des § 69 AFG bejaht habe, sei diesen Überlegungen der Kammer nicht zu folgen, denn die Leistung von Nacht- und Wochenenddiensten gehöre zum ärztlichen Berufsbild in einer Klinik schlechthin. Hierzu trägt der Kläger vor, bei ihm habe die Zahl der Dienste im Laufe seiner siebenjährigen Tätigkeit jeweils fünf pro Monat betragen und habe durchschnittlich 1.500,00 DM an Vergütung ausgemacht, was mehr als einem Fünftel seines Arbeitseinkommens entsprochen habe. Die Tatsache, dass diese Entlohnung versicherungspflichtig gewesen sei, dürfe nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Januar 1995 nicht unberücksichtigt bleiben, zumal auch das BSG in seinem Urteil vom 20. Februar 1991 (11 RAr 121/89) entschieden habe, dass beim ärztlichen Bereitschaftsdienst in einem Krankenhaus die regelmäßige Arbeitszeit über die in einem Tarifvertrag genannte Stundenzahl hinausgehen könne. Zwar gelte vorliegend kein Tarifvertrag, jedoch müsste ein solcher aus zwingenden, sachlichen Gründen zur Sicherstellung des Klinikbetriebes die Möglichkeit eröffnen, Bereitschaftsdienst durch Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung über die tarifliche Regelarbeitszeit hinaus zu vereinbaren.
Unter Hinweis auf die Beendigung seines bisherigen Arbeitsverhältnisses aufgrund betriebsbedingter Kündigung zum 31. Dezember 1997 sowie die zwischenzeitlich erfolgte Konkursanmeldung des Arbeitgebers hat der Kläger sein Begehren in der Berufung noch auf den Zeitraum bis zum Juni 1997 erweitert. Widerspruch und Klage hätten sich nicht auf die Höhe des Kurzarbeitergeldes für Januar 1997 beschränkt, vielmehr habe die Beklagte ausweislich ihres Widerspruchsbescheides nur "vermutet", dass es nur um die Januar-Leistungen gehen sollte. Sein Widerspruch hätte sich allgemein gegen die Berechnung seines Kurzarbeitergeldes ohne zeitliche Beschränkung gerichtet. Dabei sei er davon ausgegangen, dass ein Bescheid für die gesamte voraussichtliche Dauer der Kurzarbeit vorgelegen habe. Das aus einem beitragspflichtigen Bruttolohn von 6.696,00 DM und einem Nettolohn von 5.641,00 DM ein Kurzarbeitergeldanspruch von nur 1.695,00 DM resultieren solle, sei offenkundig untragbar und unvereinbar mit der Verfassungsrechtsprechung.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 16. Oktober 1997 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13. Februar 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. April 1997 zu verurteilen, ihm Kurzarbeitergeld auf der Grundlage von 230 Ausfallstunden für die Monate Januar 1997 bis Juni 1997 in gesetzlichem Umfang zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung für unzulässig. Gegenstand des Klageverfahrens sei lediglich die Höhe des Kurzarbeitergeldes für den Monat Januar 1997 gewesen. Ausgehend von 230 Ausfallstunden, welche der Kläger unter Berücksichtigung der Bereitschaftsdienste geltend mache, würde das Kug bei einer Ausfallentschädigung von 10,16 DM pro Stunde 2.336,80 DM betragen. Gewährt worden seien bereits für den Januar 1997 für 166,83 Stunden der Betrag von 1.695,00 DM. Somit verbleibe lediglich ein Betrag in Höhe von 641,80 DM, weshalb die für die Zulässigkeit einer Berufung erforderliche Mindesthöhe von 1.000,00 DM nicht erreicht werde. Die Höhe des Kug betrage im Falle des Klägers 60 % des pauschalierten Nettoentgelts. Ausgehend von 1.500,00 DM brutto, welche im Rahmen des Kug für fünf Bereitschaftsdienste berücksichtigt werden sollten, könne ein Streitwert von über 1.000,00 DM nicht erreicht werden. Im Übrigen hält die Beklagte das angefochtene Urteil für zutreffend. Selbst wenn man die Berufung für zulässig halte, sei sie unbegründet, denn das SG habe die Klage zu Recht als unzulässig verworfen. Ebenso zutreffend sei die Auffassung des SG, dass dem Kläger grundsätzlich die Möglichkeit verbleibe, im Innenverhältnis gegenüber seinem Arbeitgeber seine ihm zustehende Vergütungshöhe gemäß § 611 ff. BGB vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen. Unabhängig von der Frage, ob im vorliegenden Sachverhalt der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) analog anzuwenden sei, welcher eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden vorsehe, sei vorliegend auch schon aufgrund des § 4 der Betriebsvereinbarung vom 22. November 1996 eine wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden die Berechnungsgrundlage der Kurzarbeit gewesen. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte aufgrund der Regelung in § 69 AFG bei nicht tarifgebundenen Arbeitgebern gesetzlich verpflichtet sei, Tarifverträge für gleiche oder ähnliche Beschäftigungen bei der Bemessung des Bezuges zugrunde zu legen, was vorliegend jedoch unbestritten der BAT sei. Insoweit bestimme § 15 Abs. 6 Buchstabe a BAT, dass der Bereitschaftsdienst auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit zu leisten sei. Darüber hinaus handele es sich insoweit bei den tatsächlich geleisteten Stunden um echte Mehrarbeit, deren Berücksichtigung § 69 AFG jedoch nicht zulasse.
Vom Senat wurden der Konkursverwalter und der Betriebsrat des ehemaligen Arbeitgebers gemäß § 75 Abs. 2 SGG beigeladen und der Kläger in einem Erörterungstermin persönlich gehört. Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung war vom Senat wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen. Dabei folgt der Senat der Berechnung des Streitwertes durch die Beklagte. Dem Vortrag des Klägers, Widerspruch und Klage hätten sich auf den Kug-Anspruch als solchen auch für die anschließenden Monate bezogen, steht schon die Tatsache entgegen, dass der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem SG seinen Antrag auf Monat Januar 1997 beschränkt hat. Das SG hat demnach offensichtlich irrtümlich angenommen, die Berufung sei ohne Zulassung statthaft und hat deswegen diese Frage nicht geprüft und darüber auch nicht entschieden. Die für zulassungsfreie Berufungen übliche Rechtsmittelbelehrung ist somit falsch. Eine Umdeutung der Berufung in eine Nichtzulassungsbeschwerde kommt schon deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger der falschen Rechtsmittelbelehrung folgend wirklich Berufung einlegen wollte. Nach Auffassung des Senates darf dieser Irrtum des Gerichts aber nicht zu Lasten der Beteiligten gehen, von denen nicht zu verlangen ist, klüger zu sein, als das SG (so auch Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 6. Auflage 1998, § 144 Rdnr. 45). Jedenfalls dann, wenn Zulassungsgründe gemäß § 144 Abs. 2 SGG auf der Hand liegen, muss das Landessozialgericht nach Überzeugung des Senats die Berufung zulassen und in der Sache entscheiden. Insofern ist vorliegend aber festzustellen, dass die Rechtssache in zweifacher Hinsicht grundsätzliche Bedeutung aufweist. Zum einen ist nämlich die Frage der Prozessstandschaft und der Klagebefugnis des Anspruchsinhabers selbst beim Kurzarbeitergeld - worauf der Kläger zu Recht hinweist - in Rechtsprechung und Literatur äußerst strittig (vgl. z.B. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19. März 1993 - 8 AzR 301/91 in: NZA 1992, Seite 1031 f.; vgl. auch Bieback, in Gagel, AFG, Kommentar, § 72 Randziffern 74 ff.). Zum anderen dürfte die Rechtsauffassung des SG ebenso wie die der Beklagten zur Frage der Berücksichtigung von Bereitschaftsdiensten mit der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) nicht vereinbar sein (vgl. Urteil des EuGH vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C 303/98).
Die somit statthafte Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
Zwar ist der Kläger als Arbeitnehmer Inhaber des Kug-Anspruchs, wie aus §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 65 Abs. 1 Satz 1 AFG eindeutig hervorgeht, aber der Arbeitgeber hat nach herrschender Meinung in Anlehnung an prozessrechtliche Vorstellungen im Verhältnis zu den Arbeitnehmern die Stellung eines Prozessstandschafters, der die Rechte der Arbeitnehmer im eigenen Namen geltend macht. Der Arbeitgeber hat dem Arbeitsamt den Arbeitsanfall anzuzeigen (§ 72 Abs. 1 Satz 1 AFG) und die Anspruchsvoraussetzungen nachzuweisen (§ 72 Abs. 3 Satz 1 AFG). Die Arbeitnehmer brauchen nur die erforderlichen Angaben zu machen, wobei dem Regelungszusammenhang zu entnehmen ist, dass diese Pflicht nicht dem Arbeitsamt, sondern dem Arbeitgeber gegenüber besteht (§ 72 Abs. 3 Satz 2 AFG). Der Arbeitgeber hat auch den Antrag auf Kug nach § 72 Abs. 2 Satz 1 AFG zu stellen. Die Verweisung des § 72 Abs. 2 Satz 2 AFG auf die Vorschrift über die Anzeige stellt dies klar. Neben dem Arbeitgeber hat diese besondere gesetzliche Stellung auch die Betriebsvertretung (§ 72 Abs. 2 und § 72 Abs. 2 Satz 1 AFG). Ist aber der Arbeitgeber Subjekt des Verwaltungsverfahrens und haben die Anspruchsberechtigten keine Befugnis, ihre Rechte zu verfolgen, so ist der Arbeitgeber ebenso wie die Betriebsvertretung als Prozessstandschafter der Kurzarbeit leistenden Arbeitnehmer anzusehen. Aus der Rechtstellung des Arbeitgebers sowie der Betriebsvertretung im Verwaltungsverfahren ist auch ihre Befugnis zu schließen, anstelle der materiell-rechtlich Berechtigten auf Kug zu klagen.
Eine Klagebefugnis der Anspruchsberechtigten selbst ist auch nicht insoweit anzuerkennen, als es sich um die "persönlichen Voraussetzungen" des Anspruchs auf Kug handelt. Die Prozessführungsbefugnis kann sich nur auf den geltend gemachten Anspruch als Ganzes beziehen, nicht aber auf einzelne Elemente seiner Begründung (so BSG SozR 4100 § 69 Nr. 1 mit weiteren Nachweisen). Sie zählt nach herrschender Meinung zu den allgemeinen Prozessvoraussetzungen mit der Wirkung, dass in den Fällen ihres Fehlens die Klage als unzulässig abzuweisen ist (so Thomas-Putzo, Zivilprozessordnung, 10. Auflage, München 1978, § 51 Anm. IV.1.). Der erkennende Senat folgt dieser herrschenden Meinung, denn vom Umfang und der Art der Normierung her steht bei Kurzarbeitergeld die hoheitliche Indienstnahme des Arbeitgebers im Vordergrund. Diesem obliegen die Mitwirkungspflichten und die Abwicklung der Leistungsbeziehungen gemäß §§ 71 und 72 AFG, welche bei Pflichtverletzungen scharfe Sanktionen vorsehen (so Bieback in Gagel, AFG, Kommentar, § 72 Rdz. 9 ff.). Die gesetzliche Verpflichtung des Arbeitgebers, das Kug als Treuhänder seiner Arbeitnehmer zu beantragen, ist jedenfalls auch eine mit dem Arbeitsverhältnis eng verbundene Pflicht des Arbeitgebers, welche im Hinblick auf seine Fürsorgepflicht aus dem Arbeitsverhältnis auch in jedem Fall verfassungsrechtlich bedenkenfrei ist (BSG SozR 4100 § 72 Nr. 2 AFG). Dem entspricht zugleich die bei Pflichtverletzungen des Arbeitgebers entstehende Schadensersatzpflicht gegenüber den betroffenen Arbeitnehmern (vgl. BSG SozR 4100 § 141b Nr. 12).
Aus dieser Rechtstellung des Arbeitgebers und der Betriebsvertretung als Prozessstandschafter folgt, dass sie gemäß § 75 Abs. 2 SGG notwendig beizuladen sind, wobei vorliegend der Beigeladene zu 1) als Konkursverwalter an die Stelle des Arbeitgebers getreten ist und im übrigen für die Betriebsvertretung des in Liquidation befindlichen Unternehmens ein Restmandat besteht (vgl. BAG AP 117 § 102 BetrVG 1972; AP 9 zu § 112 BetrVG 1972; AP 15 a.a.O.).
Der Senat verkennt dabei nicht, dass diese Beschränkung der verfahrensrechtlichen Position des Arbeitnehmers, welche ihm von der herrschenden Meinung in Kug-Fällen zugemessen wird, in der Literatur mit beachtlichen Argumenten angegriffen wird (so vor allem Bieback in: Gagel, a.a.O., § 72 Rdz. 74 ff.) und auch der Kläger gewichtige Gründe für ein eigenes Klagerecht vorgetragen hat. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die materielle Rechtsauffassung des SG im erstinstanzlichen Urteil kaum mit der Rechtsauffassung des EuGH (a.a.O.) in Einklang zu bringen sein dürfte und überdies auch im Lichte der neueren Rechtsprechung des BVerfG zur Frage der Beitragsäquivalenz nicht mehr als unumstritten gelten kann (vgl. BVerfGE vom 24. Mai 2000 - 1 BvL 1/98). Wenn der Senat gleichwohl der herrschenden Meinung folgt, so hat dies zum einen seinen Grund in der Tatsache, dass die Frage der Arbeitzeit im Sinne des § 69 AFG und damit die Frage der Ausfallstunden auch eine Frage ist, die das privatrechtliche Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer betrifft und deswegen der arbeitsgerichtlichen Klärung offen steht. Sollten sich dabei, wie vom Kläger vorgetragen, zwischen der Rechtsprechung des BSG und des BAG unvereinbare Widersprüche zeigen, sieht das Verfahrensrecht insoweit die Möglichkeit einer Klärung durch den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes vor.
Dabei sieht der Senat die Rechte der einzelnen Arbeitnehmer im übrigen durch die privilegierte Beteiligung des Betriebsrats am Kug-Verfahren noch besonders geschützt. Die Frage der Kurzarbeit fällt in den Katalog zwingender Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates gemäß § 87 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Tatsächlich wurde ja auch im vorliegenden Fall hierzu eine Betriebsvereinbarung gemäß §§ 77 f. BetrVG zur Einführung der Kurzarbeit abgeschlossen. Darüber hinaus bleibt den betroffenen Arbeitnehmern nicht nur die individuelle Klagemöglichkeit gegen den Arbeitgeber, sondern ihnen steht noch das individuelle Beschwerderecht gemäß §§ 84 f. BetrVG zur Verfügung, wenn sie sich benachteiligt oder ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlen. Dieser Weg ermöglicht den betroffenen Arbeitnehmern eine zeit- und kostensparende innerbetriebliche Klärung, notfalls auch durch Anrufung der Einigungsstelle.
Angesichts der Tatsache, dass bei der Einführung von Kurzarbeit typischerweise eine größere Zahl von Arbeitnehmern betroffen ist, würde nach Ansicht des Senates andererseits die zusätzliche Einräumung individueller Klagerechte für die betroffenen Arbeitnehmer gegenüber der Bundesanstalt für Arbeit offensichtlich die Gefahr bergen, die gebotene zügige Abwicklung von Kurzarbeitsfällen zu erschweren. Insofern sprechen nach Ansicht des Senats also auch Gründe der Verwaltungspraktikabilität für die Auffassung der herrschenden Meinung.
Nach alledem konnte die Berufung somit keinen Erfolg haben.
Die Klage hinsichtlich der Leistungsansprüche für die Monate Februar bis Juni 1997 war abzuweisen, weil sie schon mangels Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens unzulässig ist (§ 78 SGG). Wie sich aus dem Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 2. April 1997 gegenüber dem Kläger klar ergibt, betraf diese Entscheidung lediglich den Monat Januar 1997 und dementsprechend hat der Kläger seinen Antrag vor dem SG auch auf diesen Zeitraum beschränkt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Revision war gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
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