Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 11 AL 1560/97
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 236/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Januar 1998 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Erlass der bindend festgestellten Forderungen gegen die Kläger im Gesamtumfang von 9.695,90 DM.
Die Beklagte besitzt gegen die Klägerin zu 1), geboren im Jahr 1939, eine bindend festgestellte Forderung in Höhe von 552,00 DM aus den Jahren 1988 und 1989 wegen eines überzahlten Kindergeld-Zuschlages.
Gegenüber dem Kläger zu 2), geboren im Jahr 1935, besitzt die Beklagte eine aus dem Jahr 1977 stammende Forderung aus zu Unrecht gezahlter Arbeitslosenhilfe. Diese Forderung beträgt - einschließlich Mahngebühren - 9.143,90 DM.
Die Beitreibungsversuche der Beklagten blieben erfolglos, da die Kläger auf Sozialhilfe angewiesen sind. Der Kläger zu 2) hat letztmalig im Jahr 1991 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben.
Am 6. November 1996 beantragten die Kläger bei der Beklagten den Erlass der Forderung.
Mit Bescheid vom 19. Februar 1997 sprach die Beklagte daraufhin eine zins- und ratenfreie Stundung der Forderung bis zum 31. Januar 1998 aus.
Dagegen erhoben die Kläger am 10. März 1997 Widerspruch unter Hinweis auf ihre Sozialhilfebedürftigkeit. Weiter vertraten sie die Auffassung, dass sich an ihrer Vermögenslage nichts verändern werde. Auch die zu erwartende Altersrente werde an dieser Lage nichts ändern.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1997 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 Bundeshaushaltsordnung (BHO) dürften Forderungen nur erlassen werden, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Schuldner eine besondere Härte darstellen würde. Zur verwaltungsmäßigen Durchführung dieser Bestimmung habe ihr Vorstand unter Beachtung der Grundsätze der Bestimmungen der BHO über den Erlass von vermögensrechtlichen Forderungen Bestimmungen verfasst. Danach sei der Erlass einer Forderung nur dann möglich, wenn ihre Einziehung nach Lage des Falles für den Schuldner eine besondere Härte bedeuten würde und eine Stundung nicht in Betracht komme. Bei der Beurteilung der besonderen Härte seien alle Umstände in Betracht zu ziehen, insbesondere die Entstehungsursache, die Höhe der bisher gezahlten Beträge, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und das Ausmaß seines mit der Entstehung der Forderung zusammenhängenden Vermögensvorteils. Allgemeine Billigkeitserwägungen rechtfertigten die Annahme einer besonderen Härte nicht. Die derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger sei ohne Zweifel so, dass die Einziehung der Forderung derzeit nicht möglich sei. Deshalb sei eine zins- und ratenfreie Stundung bis zum 31. Januar 1998 ausgesprochen worden. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Kläger nach Ablauf dieser Zeit mit Beitreibungsmaßnahmen rechnen müssten. Vielmehr sei damit zu rechnen, dass auf Antrag erneut eine zins- und ratenfreie Stundung ausgesprochen werde, sofern sich die jetzigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger bis dahin nicht ändern würden. Jährliche Überprüfungen hätten die Kläger hinzunehmen. Für einen Erlass der Forderung reichten die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger nicht aus. Derzeit könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich ihre wirtschaftliche Situation nicht derart ändern würde, sowie dass die Einziehung der Forderung dauerhaft nicht möglich sei. Durch die ausgesprochene zins- und ratenfreie Stundung würden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger nicht zusätzlich belastet. Eine besondere Härte im Sinne von § 59 BHO liege damit nicht vor. Dies sei auch deshalb der Fall, weil eine Härte nur dann vorliege, wenn eine Stundung nicht in Betracht komme.
Dagegen haben die Kläger am 18. August 1997 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt (SG) erhoben.
Zur Begründung haben die Kläger vorgetragen, sie seien voraussichtlich bis zu ihrer Rente sozialhilfebedürftig. Der unverhältnismäßige Verwaltungsaufwand rechtfertige deshalb den Erlass der Forderungen. Auch sei zu erwarten, dass sie im Falle der Rentengewährung weiterhin sozialhilfebedürftig sein werden.
Das SG hat mit Urteil vom 28. Januar 1998 die Klage abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Erlass der gegen sie bindend festgestellten Forderungen. Eine besondere Härte, die einen Erlass nach § 59 BHO rechtfertigen würde, liege nur vor, wenn sich der Antragsteller in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befände und zu besorgen sei, dass die Weiterverfolgung des Anspruchs zu einer Existenzgefährdung führen könne. Nach dem Vortrag der Kläger könne davon nicht ausgegangen werden. Es lasse sich keine besondere, zumal unverschuldete Notlage feststellen, wenn die Kläger auch akut nicht zur Abtragung der Forderung in der Lage seien, da sie Sozialhilfe bezögen. Diesem Umstand habe die Beklagte bereits dadurch Rechnung getragen, dass sie eine bis 31. Januar 1998 datierte zins- und ratenfreie Stundung ausgesprochen habe. Es stehe den Klägern frei, nach Ablauf dieser Frist eine weitere Stundung zu beantragen, wenn sie erneut nicht in der Lage seien, die Forderung zurückzuzahlen. Schließlich lasse sich wegen der zukünftigen Rente nicht ausschließen, dass die Kläger, wenn auch nur eine geringe Rate zahlen könnten. Da die Forderung auf eine Überzahlung aufgrund eines Fehlverhaltens der Kläger beruhe, sei die Entscheidung der Beklagten nicht ermessensfehlerhaft.
Gegen das am 13. Februar 1998 zugestellte Urteil haben die Kläger am 20. Februar 1998 Berufung eingelegt.
Die Kläger sind weiterhin der Auffassung, dass sie einen Anspruch auf Erlass der Forderung besitzen. Dazu legten sie den Bescheid des Sozialamtes der Stadt V. vom 31. Juli 2000 vor. Danach beziehen sie weiterhin Sozialhilfe in Höhe von 388,98 DM unter Anrechnung ihrer beiden Renteneinkünfte.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Januar 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über ihren Antrag auf Erlass der Forderungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das SG habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten (zwei Bände) beigezogen. Die Beteiligten haben sich am 15. September 2000 mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin des Senats einverstanden erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis nach § 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt hatten, konnte die durch den Vorsitzenden des 10. Senats bestellte Berichterstatterin des Rechtsstreits gemäß § 155 Abs. 1 und Abs. 4 SGG die Entscheidung treffen.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 19. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 rechtmäßig den Erlass der gegen die Kläger bestehenden Gesamtforderung abgelehnt.
Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung richtet sich nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 BHO, der gemäß § 219 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auch für die Beklagte maßgeblich ist. Die aufgrund des § 152 Abs. 5 AFG in Verbindung mit § 191 Abs. 3 AFG erlassene Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über Stundung, Niederschlagung und Erlass von Rückforderungen (Niederschlagungs-Anordnung) steht der Anwendung dieser Bestimmung nicht entgegen. Gemäß § 4 Abs. 1 Niederschlagungs-Anordnung erweitert diese Regelung der Anordnung lediglich den Bereich, innerhalb derer der Beklagten eine Niederschlagung möglich ist. Im Übrigen bleibt es bei der Anwendbarkeit des § 59 BHO.
Die angefochtenen Bescheide sind im Hinblick darauf, dass es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung handelt, nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 9. Februar 1995, Az. 7 RAr 78/93), der sich der Senat anschließt, handelt es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung. Dabei ist jedoch zu beachten, dass mit dem durch das Wort "darf" ausgedrückten Folgeermessen der Beklagten der unbestimmte Rechtsbegriff der "besonderen Härte" gekoppelt ist. Dies hat zur Folge, dass wenn eine besondere Härte vorliegt, ein Erlass der Forderung nach § 59 BHO auszusprechen ist. Für eine weitere Ermessensausübung besteht kein Raum. Im Übrigen zwingt die Verneinung des Vorliegens eines Härtefalles zur Ablehnung des Ausspruchs des Erlasses (Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Februar 1995, a.a.O.). Die vorliegend streitige Entscheidung der Beklagten weist weder eine Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensunterschreitung auf. Eine Ermessensunterschreitung hätte vorgelegen, wenn die Beklagte nicht erkannt hätte, dass die zutreffende Entscheidung über den Erlass der Forderung nach § 59 BHO in ihrem Ermessen liegt. Dabei ist jedoch das zuvor gesagte zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um ein Ermessen handelt, dass vom Vorliegen einer besonderen Härte abhängig ist. Dies hat die Beklagte vorliegend erkannt, da sie in dem streitigen Widerspruchsbescheid dazu Ausführungen gemacht hat, weshalb sie das Vorliegen einer besonderen Härte verneint und deshalb der Erlass der Forderung nicht in Betracht kommt. Diese Vorgehensweise der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Auch eine Ermessensüberschreitung ist vorliegend nicht erkennbar. Denn es liegt gerade in der Entscheidungsmacht der Beklagten, einen Antrag auf Erlass einer Forderung abzulehnen. Des weiteren ist ein Ermessensfehlgebrauch nicht zu erkennen. § 59 Abs. 1 Nr. 3 BHO ermächtigt die Verwaltung, im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit eine an sich mit den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht zu vereinbarende Entscheidung zu treffen, nämlich auf die Einnahme einer fälligen Forderung zu verzichten (Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Februar 1995, a.a.O.). Denn der Erlass bewirkt entsprechend § 397 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Erlöschen der Forderung. Die Beklagte hat im vorliegenden Fall die Besonderheiten des Falles der Kläger abgewogen und statt einem Erlass eine Stundung ausgesprochen. Dies geschah im Hinblick darauf, dass die finanzielle Lage der Kläger sich im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides der Beklagten im Hinblick auf die noch zu erwartende Rente so bessern könnte und evtl. eine geringe ratenweise Rückzahlung der Forderung möglich sein könnte. Dies ist nicht zu beanstanden.
Die von der Beklagten getroffene Entscheidung wird auch nachträglich nicht ermessensfehlerhaft. Zwischenzeitlich beziehen die Kläger Altersrente. Trotz dieser Rentenzahlung sind sie jedoch weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen, wie der Bescheid des Sozialamtes der Stadt V. vom 31. Juli 2000 zeigt. Damit ist die Hoffnung der Beklagten, die Kläger könnten im Falle der Rentengewährung zu einer zumindest kleinen Ratenzahlung in der Lage sein, nicht eingetreten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die vorliegend angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Maßgebend für die Beurteilung einer Ermessensentscheidung sind die Umstände, die im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorgelegen haben (Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Februar 1995, a.a.O.). Im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 bezogen die Kläger noch keine Altersrente. Um die Rentenbewilligung abwarten zu können - ohne dass sich die Forderung weiter erhöht - wurde den Klägern die raten- und zinsfreie Stundung gewährt.
Auf Antrag der Kläger wird die Beklagte nach der Rentengewährung im Rahmen ihrer Ermessensausübung nunmehr zu berücksichtigen haben, dass die Gewährung von Altersrente zu keiner Besserung der finanziellen Situation geführt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um den Erlass der bindend festgestellten Forderungen gegen die Kläger im Gesamtumfang von 9.695,90 DM.
Die Beklagte besitzt gegen die Klägerin zu 1), geboren im Jahr 1939, eine bindend festgestellte Forderung in Höhe von 552,00 DM aus den Jahren 1988 und 1989 wegen eines überzahlten Kindergeld-Zuschlages.
Gegenüber dem Kläger zu 2), geboren im Jahr 1935, besitzt die Beklagte eine aus dem Jahr 1977 stammende Forderung aus zu Unrecht gezahlter Arbeitslosenhilfe. Diese Forderung beträgt - einschließlich Mahngebühren - 9.143,90 DM.
Die Beitreibungsversuche der Beklagten blieben erfolglos, da die Kläger auf Sozialhilfe angewiesen sind. Der Kläger zu 2) hat letztmalig im Jahr 1991 eine eidesstattliche Versicherung abgegeben.
Am 6. November 1996 beantragten die Kläger bei der Beklagten den Erlass der Forderung.
Mit Bescheid vom 19. Februar 1997 sprach die Beklagte daraufhin eine zins- und ratenfreie Stundung der Forderung bis zum 31. Januar 1998 aus.
Dagegen erhoben die Kläger am 10. März 1997 Widerspruch unter Hinweis auf ihre Sozialhilfebedürftigkeit. Weiter vertraten sie die Auffassung, dass sich an ihrer Vermögenslage nichts verändern werde. Auch die zu erwartende Altersrente werde an dieser Lage nichts ändern.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Kläger mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1997 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 Bundeshaushaltsordnung (BHO) dürften Forderungen nur erlassen werden, wenn die Einziehung nach Lage des einzelnen Falles für den Schuldner eine besondere Härte darstellen würde. Zur verwaltungsmäßigen Durchführung dieser Bestimmung habe ihr Vorstand unter Beachtung der Grundsätze der Bestimmungen der BHO über den Erlass von vermögensrechtlichen Forderungen Bestimmungen verfasst. Danach sei der Erlass einer Forderung nur dann möglich, wenn ihre Einziehung nach Lage des Falles für den Schuldner eine besondere Härte bedeuten würde und eine Stundung nicht in Betracht komme. Bei der Beurteilung der besonderen Härte seien alle Umstände in Betracht zu ziehen, insbesondere die Entstehungsursache, die Höhe der bisher gezahlten Beträge, die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners und das Ausmaß seines mit der Entstehung der Forderung zusammenhängenden Vermögensvorteils. Allgemeine Billigkeitserwägungen rechtfertigten die Annahme einer besonderen Härte nicht. Die derzeitigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger sei ohne Zweifel so, dass die Einziehung der Forderung derzeit nicht möglich sei. Deshalb sei eine zins- und ratenfreie Stundung bis zum 31. Januar 1998 ausgesprochen worden. Dies bedeute jedoch nicht, dass die Kläger nach Ablauf dieser Zeit mit Beitreibungsmaßnahmen rechnen müssten. Vielmehr sei damit zu rechnen, dass auf Antrag erneut eine zins- und ratenfreie Stundung ausgesprochen werde, sofern sich die jetzigen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger bis dahin nicht ändern würden. Jährliche Überprüfungen hätten die Kläger hinzunehmen. Für einen Erlass der Forderung reichten die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger nicht aus. Derzeit könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich ihre wirtschaftliche Situation nicht derart ändern würde, sowie dass die Einziehung der Forderung dauerhaft nicht möglich sei. Durch die ausgesprochene zins- und ratenfreie Stundung würden die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger nicht zusätzlich belastet. Eine besondere Härte im Sinne von § 59 BHO liege damit nicht vor. Dies sei auch deshalb der Fall, weil eine Härte nur dann vorliege, wenn eine Stundung nicht in Betracht komme.
Dagegen haben die Kläger am 18. August 1997 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt (SG) erhoben.
Zur Begründung haben die Kläger vorgetragen, sie seien voraussichtlich bis zu ihrer Rente sozialhilfebedürftig. Der unverhältnismäßige Verwaltungsaufwand rechtfertige deshalb den Erlass der Forderungen. Auch sei zu erwarten, dass sie im Falle der Rentengewährung weiterhin sozialhilfebedürftig sein werden.
Das SG hat mit Urteil vom 28. Januar 1998 die Klage abgewiesen. Dazu hat es ausgeführt, die angefochtenen Bescheide seien nicht zu beanstanden. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Erlass der gegen sie bindend festgestellten Forderungen. Eine besondere Härte, die einen Erlass nach § 59 BHO rechtfertigen würde, liege nur vor, wenn sich der Antragsteller in einer unverschuldeten wirtschaftlichen Notlage befände und zu besorgen sei, dass die Weiterverfolgung des Anspruchs zu einer Existenzgefährdung führen könne. Nach dem Vortrag der Kläger könne davon nicht ausgegangen werden. Es lasse sich keine besondere, zumal unverschuldete Notlage feststellen, wenn die Kläger auch akut nicht zur Abtragung der Forderung in der Lage seien, da sie Sozialhilfe bezögen. Diesem Umstand habe die Beklagte bereits dadurch Rechnung getragen, dass sie eine bis 31. Januar 1998 datierte zins- und ratenfreie Stundung ausgesprochen habe. Es stehe den Klägern frei, nach Ablauf dieser Frist eine weitere Stundung zu beantragen, wenn sie erneut nicht in der Lage seien, die Forderung zurückzuzahlen. Schließlich lasse sich wegen der zukünftigen Rente nicht ausschließen, dass die Kläger, wenn auch nur eine geringe Rate zahlen könnten. Da die Forderung auf eine Überzahlung aufgrund eines Fehlverhaltens der Kläger beruhe, sei die Entscheidung der Beklagten nicht ermessensfehlerhaft.
Gegen das am 13. Februar 1998 zugestellte Urteil haben die Kläger am 20. Februar 1998 Berufung eingelegt.
Die Kläger sind weiterhin der Auffassung, dass sie einen Anspruch auf Erlass der Forderung besitzen. Dazu legten sie den Bescheid des Sozialamtes der Stadt V. vom 31. Juli 2000 vor. Danach beziehen sie weiterhin Sozialhilfe in Höhe von 388,98 DM unter Anrechnung ihrer beiden Renteneinkünfte.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 28. Januar 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 19. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über ihren Antrag auf Erlass der Forderungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das SG habe mit dem angefochtenen Urteil zutreffend entschieden.
Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten (zwei Bände) beigezogen. Die Beteiligten haben sich am 15. September 2000 mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin des Senats einverstanden erklärt.
Wegen der Einzelheiten des Vortrags der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Akte verwiesen, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Nachdem die Beteiligten ihr Einverständnis nach § 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt hatten, konnte die durch den Vorsitzenden des 10. Senats bestellte Berichterstatterin des Rechtsstreits gemäß § 155 Abs. 1 und Abs. 4 SGG die Entscheidung treffen.
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 19. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 rechtmäßig den Erlass der gegen die Kläger bestehenden Gesamtforderung abgelehnt.
Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung richtet sich nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 BHO, der gemäß § 219 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) auch für die Beklagte maßgeblich ist. Die aufgrund des § 152 Abs. 5 AFG in Verbindung mit § 191 Abs. 3 AFG erlassene Anordnung des Verwaltungsrates der Beklagten über Stundung, Niederschlagung und Erlass von Rückforderungen (Niederschlagungs-Anordnung) steht der Anwendung dieser Bestimmung nicht entgegen. Gemäß § 4 Abs. 1 Niederschlagungs-Anordnung erweitert diese Regelung der Anordnung lediglich den Bereich, innerhalb derer der Beklagten eine Niederschlagung möglich ist. Im Übrigen bleibt es bei der Anwendbarkeit des § 59 BHO.
Die angefochtenen Bescheide sind im Hinblick darauf, dass es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung handelt, nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 9. Februar 1995, Az. 7 RAr 78/93), der sich der Senat anschließt, handelt es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung. Dabei ist jedoch zu beachten, dass mit dem durch das Wort "darf" ausgedrückten Folgeermessen der Beklagten der unbestimmte Rechtsbegriff der "besonderen Härte" gekoppelt ist. Dies hat zur Folge, dass wenn eine besondere Härte vorliegt, ein Erlass der Forderung nach § 59 BHO auszusprechen ist. Für eine weitere Ermessensausübung besteht kein Raum. Im Übrigen zwingt die Verneinung des Vorliegens eines Härtefalles zur Ablehnung des Ausspruchs des Erlasses (Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Februar 1995, a.a.O.). Die vorliegend streitige Entscheidung der Beklagten weist weder eine Ermessensüberschreitung, Ermessensfehlgebrauch oder Ermessensunterschreitung auf. Eine Ermessensunterschreitung hätte vorgelegen, wenn die Beklagte nicht erkannt hätte, dass die zutreffende Entscheidung über den Erlass der Forderung nach § 59 BHO in ihrem Ermessen liegt. Dabei ist jedoch das zuvor gesagte zu berücksichtigen, dass es sich hierbei um ein Ermessen handelt, dass vom Vorliegen einer besonderen Härte abhängig ist. Dies hat die Beklagte vorliegend erkannt, da sie in dem streitigen Widerspruchsbescheid dazu Ausführungen gemacht hat, weshalb sie das Vorliegen einer besonderen Härte verneint und deshalb der Erlass der Forderung nicht in Betracht kommt. Diese Vorgehensweise der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Auch eine Ermessensüberschreitung ist vorliegend nicht erkennbar. Denn es liegt gerade in der Entscheidungsmacht der Beklagten, einen Antrag auf Erlass einer Forderung abzulehnen. Des weiteren ist ein Ermessensfehlgebrauch nicht zu erkennen. § 59 Abs. 1 Nr. 3 BHO ermächtigt die Verwaltung, im Interesse der Einzelfallgerechtigkeit eine an sich mit den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit nicht zu vereinbarende Entscheidung zu treffen, nämlich auf die Einnahme einer fälligen Forderung zu verzichten (Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Februar 1995, a.a.O.). Denn der Erlass bewirkt entsprechend § 397 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Erlöschen der Forderung. Die Beklagte hat im vorliegenden Fall die Besonderheiten des Falles der Kläger abgewogen und statt einem Erlass eine Stundung ausgesprochen. Dies geschah im Hinblick darauf, dass die finanzielle Lage der Kläger sich im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides der Beklagten im Hinblick auf die noch zu erwartende Rente so bessern könnte und evtl. eine geringe ratenweise Rückzahlung der Forderung möglich sein könnte. Dies ist nicht zu beanstanden.
Die von der Beklagten getroffene Entscheidung wird auch nachträglich nicht ermessensfehlerhaft. Zwischenzeitlich beziehen die Kläger Altersrente. Trotz dieser Rentenzahlung sind sie jedoch weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen, wie der Bescheid des Sozialamtes der Stadt V. vom 31. Juli 2000 zeigt. Damit ist die Hoffnung der Beklagten, die Kläger könnten im Falle der Rentengewährung zu einer zumindest kleinen Ratenzahlung in der Lage sein, nicht eingetreten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die vorliegend angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Maßgebend für die Beurteilung einer Ermessensentscheidung sind die Umstände, die im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung vorgelegen haben (Bundessozialgericht, Urteil vom 9. Februar 1995, a.a.O.). Im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1997 bezogen die Kläger noch keine Altersrente. Um die Rentenbewilligung abwarten zu können - ohne dass sich die Forderung weiter erhöht - wurde den Klägern die raten- und zinsfreie Stundung gewährt.
Auf Antrag der Kläger wird die Beklagte nach der Rentengewährung im Rahmen ihrer Ermessensausübung nunmehr zu berücksichtigen haben, dass die Gewährung von Altersrente zu keiner Besserung der finanziellen Situation geführt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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