L 3 U 1251/99

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 1027/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1251/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 1999 sowie der Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1998 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, den Sportunfall des Klägers vom 4. Mai 1975 als Arbeitsunfall in gesetzlichem Umfang zu entschädigen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte einen in der ehemaligen DDR am 4. Mai 1975 erlittenen Unfall des Klägers als Arbeitsunfall zu entschädigen hat.

Der im Jahre 1960 geborene Kläger kam Anfang 1990 in die Bundesrepublik Deutschland. Im Juli 1997 zeigte er der Beklagten unter Vorlage entsprechender Unterlagen an, dass er am 4. Mai 1975 in der ehemaligen DDR als Mitglied der T. - Sektion Ski – D. nach Beendigung des Skirollertrainings beim Abtransport der Sportgeräte vor der POS "K. L." in S. auf die Knie gestürzt und eine Patellaluxation links erlitten habe. Er sei damals Schüler der POS "K. L." gewesen. Der Unfall sei zunächst nicht gemeldet worden. Nach Operation des linken Knies 1975 und des rechten Knies 1977 und 1989 habe er auf Anraten des behandelnden Arztes am 13. Juni 1989 bei der zuständigen staatlichen Versicherung der DDR, Kreisstelle E., eine Unfallrente beantragt. Aufgrund der eidesstattlichen Erklärung des ehemaligen Übungsleiters H. K. vom 13. Juni 1989 sei der Sportunfall vom 4. Mai 1975 nachträglich als "GT" erweiterter Unfallversicherungsschutz anerkannt und dies am 4. Juli 1989 vom FGDB - Kreisvorstand, Verwaltung der Sozialversicherung, in seinen "Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung" eingetragen worden. Ein gleichzeitig in Auftrag gegebenes und von Dr. Sch., Sportmedizinischer Dienst in Erfurt, im Frühjahr 1990 erstelltes Gutachten habe jedoch nicht zur Anerkennung einer Unfallrente geführt. Nach weiterer Behandlung in den folgenden Jahren sei 1993 dann die vorausgesagte weitere Verschlechterung und zunehmende Arthrose bestätigt worden. Er habe jedoch erst durch ein Schreiben vom 23. April 1997 des Dr. Hx., Universitätsklinik H., erfahren, dass für eine Unfallrente die Beklagte zuständig sei. Von Dr. Hx. sei ihm auch mitgeteilt worden, dass die Beklagte sämtliche Gutachten, die bei Leistungssportlern aufgrund von Unfällen aus sportlichen Tätigkeiten an Kinder- und Jugendsportschulen der ehemaligen DDR bis Ende 1993 erstellt worden seien, übernommen habe und davon auszugehen sei, dass auch das in seinem Fall 1990 erstellte Gutachten an die Beklagte gesandt worden sei. Zuvor habe er bereits im Mai 1993 beim Versorgungsamt Frankfurt am Main u.a. wegen der Behinderung an den Knien einen Antrag nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) gestellt, das dafür einen Einzel-GdB von 20 v.H. festgestellt habe.

Durch Bescheid vom 20. Oktober 1997 lehnte die Beklagte die Entschädigung des Unfalls vom 4. Mai 1975 ab. Zwar seien für den Unfall nach dem Recht der ehemaligen DDR Leistungen aufgrund von § 1 der Verordnung vom 11. April 1973 über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung organisierter gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten (VO 1973) in Betracht gekommen. Die mit der Rechtsangleichung durch das Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) in § 1150 Abs. 2 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) vorgesehene Übernahme von Unfällen, die wie der Unfall des Klägers nur nach dem Recht der ehemaligen DDR, nicht aber nach dem 3. Buch der RVO zu entschädigen wären, setze nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO jedoch voraus, dass der Unfall dem zuständigen Unfallversicherungsträger vor dem 1. Januar 1994 bekannt gewesen sei, was nicht der Fall sei. Als fristwahrend wäre auch ein Antrag anzusehen, der bis zu dem Stichtag bei einem anderen Träger der gesetzlichen Unfallversicherung, einem Krankenversicherungsträger oder bei Kommunalverwaltungen oder Arbeitsämtern eingegangen sei (§ 16 Sozialgesetzbuch -SGB-1).

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, dass die Ausnahmeregelung des § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO bei ihm nicht zum Tragen komme, weil sein Unfall zum einen seit dem 4. Juli 1989 von der staatlichen Versicherung der DDR anerkannt und dort aktenkundig gewesen sei und zum anderen der Techniker Krankenkasse (TKK) seit 1990 bekannt gewesen sei und er im Übrigen bereits schon vor dem Stichtag "31. Dezember 1993" im Mai 1993 beim Versorgungsamt Frankfurt am Main einen Antrag nach dem SchwbG gestellt habe. Nachdem die TKK auf Rückfrage der Beklagten mitgeteilt hatte, dass ihr keinerlei Unterlagen bezüglich eines Unfalls vom 4. Mai 1975 vorlägen und die für die Zeit der Mitgliedschaft des Klägers vom 1. März 1990 bis 31. Dezember 1996 gemeldeten Arbeitsunfähigkeitszeiten und Diagnosen keine Unfallfolgen erkennen ließen, wies die Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 1998 als unbegründet zurück. Auch bei einer der in § 16 SGB 1 genannten Stellen habe der Kläger nicht vor dem Stichtag "31. Dezember 1993" fristwahrend einen Antrag gestellt. Weder gehe aus den Unterlagen des Versorgungsamtes Frankfurt am Main hervor, dass die dort geltend gemachten Behinderungen auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen seien noch sei dies der TKK bis 31. Dezember 1993 bekannt gewesen.

Die am 19. März 1998 aus den Gründen des Widerspruchs erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 30. Juni 1999 abgewiesen. Der Anspruch des Klägers auf Entschädigung des lediglich nach DDR-Rechts versicherten Unfalls sei nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO ausgeschlossen, da er dem bundesdeutschen Unfallversicherungsträger erst nach dem 31. Dezember 1993 durch den Antrag des Klägers im Jahre 1997 bekannt geworden sei. Daran ändere die Anerkennung des Sportunfalls in der früheren DDR durch den dortigen Sozialversicherungsträger im Jahre 1989 nichts, da es sich nicht um den ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträger gehandelt habe. Der TKK und dem Versorgungsamt sei von dem Unfall vor dem Stichtag ebenfalls nichts bekannt gewesen. Außerdem hätte deren Kenntnis von dem Arbeitsunfall vor 1994 die Klage auch nicht begründen können, weil die Kenntnis des zuständigen Unfallversicherungsträgers entscheidend sei. § 16 SGB 1 sei insoweit nicht anwendbar, da er Anträge betreffe.

Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 21. September 1999 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 21. Oktober 1999 Berufung eingelegt. Er hat sein Vorbringen im wesentlichen wiederholt und geltend gemacht, dass jedenfalls der beim Versorgungsamt gestellte Antrag zur Fristwahrung ausreiche. Sofern er die Frist versäumt habe, sei dies ohne Verschulden geschehen, so dass ihm Wiedereinsetzung zu gewähren sei. Im Übrigen müsse - wie schon vorgetragen - auch sein Gutachten aus dem Jahre 1990, dessen Ergebnis ihm seinerzeit nicht bekannt gegeben worden sei, an die Beklagte gesandt worden sei.

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. Juni 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Oktober 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sein Sportunfall vom 4. Mai 1975 in gesetzlichem Umfang als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts und Verwaltungsakten der Beklagten und der beigezogenen Akten des Versorgungsamts Frankfurt am Main (Az.: XXXXX), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Die Beklagte kann die Entschädigung des in der ehemaligen DDR erlittenen Unfalls des Klägers vom 4. Mai 1975 nicht unter Berufung auf § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RVO verweigern.

Nach der aus Anlass der Erstreckung des Rechts der Unfallversicherung auf das Gebiet der ehemaligen DDR (Beitrittsgebiet) durch das Renten-Überleitungsgesetz (RÜG) vom 25. Juli 1991 (BGBl. I 1606) mit Wirkung vom 1. Januar 1992 (Art. 42 Abs. 1 RÜG Anh. 23) eingefügten Vorschrift des § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO gelten Unfälle und Krankheiten, die vor dem 1. Januar 1992 eingetreten sind und die nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten der Sozialversicherung waren als Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Sinne des Dritten Buches. Nach Satz 2 Nr. 1 der Vorschrift gilt dies nicht für Unfälle und Krankheiten, die einem ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Träger der Unfallversicherung erst nach dem 31. Dezember 1993 bekannt werden und die nach dem Dritten Buch nicht zu entschädigen wären. Die Vorschrift enthält damit nach zutreffender Ansicht des SG keine Antrags-, sondern eine gesetzliche Ausschlussfrist (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 26. Oktober 1998 - B 2 U 26/98 R).

Unstreitig ist, dass der Sportunfall des Klägers vom 4. Mai 1975 nach den Vorschriften der RVO bzw. dem allein in Betracht kommenden § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. b RVO nicht zu entschädigen wäre. Dieser Unfall war jedoch vom FDGB - Kreisvorstand, Verwaltung der Sozialversicherung, als der für die Feststellung von Arbeitsunfällen zuständigen Stelle der ehemaligen DDR als "GT-erweiterter Unfallversicherungsschutz" aufgrund der Verordnung über die Erweiterung des Versicherungsschutzes bei Unfällen in Ausübung gesellschaftlicher, kultureller oder sportlicher Tätigkeiten vom 11. April 1973 (GBl. I Nr. 22, S. 199) anerkannt worden und diese Entscheidung gegenüber dem Kläger als dem Betroffenen durch entsprechenden Eintrag in seinen "Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung" am 4. Juli 1989 bekannt gegeben worden. Insoweit liegt ein wirksamer, auch den Anforderungen der §§ 31, 33, 35, 37, 39 Abs. 1 SGB 10 genügender Verwaltungsakt des zuständigen Sozialversicherungsträgers der ehemaligen DDR über die Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall vor (s. BSG SozR 3-8120 Kap. VIII H II Nr. 6 - Nr. 2). Das wird auch von der Beklagten nicht bestritten. Für derartige bereits anerkannte Unfälle kann § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO nach Überzeugung des Senats jedoch nicht eingreifen. Infolgedessen kann dahinstehen, ob "ein" ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständiger Träger der Unfallversicherung, der nicht notwendig der nach dem Verteilungsschlüssel (§ 1159 RVO) zuständige Unfallversicherungsträger sein muss, aufgrund des übernommenen Daten- und Aktenbestandes der früheren Sozialversicherung der DDR infolge Unvollständigkeit bis zum 31. Dezember 1993 tatsächlich keine Kenntnis von dem Unfall des Klägers hatte, was bislang noch nicht näher geprüft worden ist.

Nach Art. 19 Sätze 1 bis 3 Einigungsvertrag (EinigVtr) vom 31. August 1990 (BGBl. II 889, 1062, 1216) ist der dem Kläger erteilte Anerkennungsbescheid über den 2. Oktober 1990 hinaus wirksam und im Sinne von § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zwischen ihm und der Beklagten als der nach Anl. I Kap. VIII Sachgebiet I Abschnitt III Nr. 1 Buchst. c Abs. 8 Nr. 2 EinigVtr zuständigen "Rechtsnachfolgerin" bindend geblieben. Nach dieser Bestimmung bleiben Verwaltungsakte der ehemaligen DDR, die vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangen sind, grundsätzlich wirksam. Sie können nur aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen des EinigVfr unvereinbar sind (BSG SozR 3-8100 § 19 Nr. 1; SozR 3-1300 § 48 Nr. 61; SozR 3-1300 § 44 Nr. 8; BSG SozR 3-8110 Kap. VIII H III Nr. 1 - Nr. 1; BSG, Urteile vom 15. Mai 1993 - 2 RU 26/94 und 23. März 1999 - B 2 U 8/98 R). Durch die mit dem RÜG vom 25. Juli 1991 erfolgte und am 1. Januar 1992 in Kraft getretene Regelung der Einzelheiten der Überleitung des Unfallversicherungsrechts auf das Beitrittsgebiet in den §§ 1148 ff. RVO, insbesondere die gesetzliche Fiktion des § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO, hat sich daran nichts geändert (BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 61; SozR 3-8100 Art. 19 Nr. 1). Nach der Amtlichen Begründung zum RÜG erfolgte mit dieser gesetzlichen Fiktion aus Gründen des Vertrauensschutzes die Übernahme aller vor dem 1. Januar 1992 eingetretenen Unfällen und Krankheiten, die nach dem früheren Recht der DDR versichert waren, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn es sich nach der RVO nicht um einen Arbeitsunfall oder eine BK gehandelt hätte (BT-Drucks. 12/630 S. 7 iVm BT-Drucks. 12/405 S. 154). Die Wahrung des Besitzstandes hat danach insofern Vorrang. Damit ist auch eine Überprüfung von nach früherem DDR-Recht bereits bindend anerkannten Arbeitsunfällen und BK’en aus Anlass der Überleitung bundesdeutschen Rechts auf das Beitrittsgebiet nach § 48 Sozialgesetzbuch (SGB) 10 ausgeschlossen; aufgrund der Überleitung ist über die Frage, ob es sich um einen Arbeitsunfall oder eine BK gehandelt hat, nicht neu zu entscheiden. Im Beitrittsgebiet festgestellte Arbeitsunfälle, für die bis 31. Dezember 1991 DDR-Recht noch weitergalt, werden vielmehr nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 in die gesetzliche Unfallversicherung als Arbeitsunfälle und BK’en übernommen und weiter entschädigt (BSG, Urteil vom 11. Mai 1995 - 2 RU 26/94) bzw. sie sind ab 1. Januar 1992 in jeder Weise nach der RVO weiter zu behandeln, soweit die §§ 1151 bis 1160 keine Abweichungen enthalten (Kasseler Kommentar, Rdnr. 3 zu § 1150 RVO). Ihre Entschädigung kann nicht unter Anwendung des § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO zusätzlich von der Kenntnis eines ab 1. Januar 1991 für das Beitrittsgebiet zuständigen Unfallversicherungsträgers von dem Unfall bis zum 31. Dezember 1993 abhängig gemacht werden und ihre Übernahme bei Nichterlangung dieser Kenntnis bis zu diesem Zeitpunkt doch noch bzw. rückwirkend wieder ausgeschlossen werden. § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO ist eine Sonderregelung für spezielle Fälle gegenüber den vom RÜG erfassten "allgemeinen" Überleitungsfällen, für die die Überleitung erst durch das RÜG endgültig geregelt wurde (BSG, Urteil vom 26. Oktober 1998 - B 2 U 26/97 R) und für die ein Vertrauensschutz nicht erforderlich ist (Kasseler Kommentar, Rdnr. 4 zu § 1150 RVO). Ob es sich um alle Fälle handelt, bei denen eine Anerkennung als Arbeitsunfall oder BK durch einen Träger der Sozialversicherung der DDR noch nicht erfolgt ist oder nur um solche, bei denen auch ein entsprechendes Verwaltungsverfahren noch nicht anhängig war, kann dahinstehen. Jedenfalls gehören dazu nach früherem DDR-Recht bindend anerkannte Arbeitsunfälle, bezüglich derer der Träger der Unfallversicherung bereits durch den EinigVfr die "Rechtsnachfolge" angetreten hat, eindeutig nicht.

Soweit die Beklagte meint, dass die fehlende Kenntnis von dem Unfall bis zum 31. Dezember 1993 nur dann unschädlich sei, wenn der Unfall von der Sozialversicherung der DDR nicht nur anerkannt ist, sondern auch bereits eine Rente gewährt wurde, findet dies im Gesetz und dem Sinn und Zweck der Besitzstandsregelung keine Grundlage. Das ergibt sich auch aus § 1154 Abs. 3 RVO, der für vor dem 1. Januar 1992 eingetretene Arbeitsunfälle, für die aufgrund von § 4 der VO 1973 am 31. Dezember 1991 kein Anspruch auf Rente besteht, vorsieht, dass die Rente am 1. Januar 1992 beginnt, sofern die Voraussetzungen des § 580 RVO vorliegen. In Satz 3 dieser Vorschrift heißt es: "Hat der Träger der Unfallversicherung keine Kenntnis von dem Arbeitsunfall, wird die Rente auf Antrag gezahlt; wird der Antrag nach dem 31. Dezember 1993 gestellt, beginnt die Rente mit dem Ersten des Antragsmonats". Unabhängig davon, ob die Vorschrift des § 1154 Abs. 3 RVO im Falle des Klägers einschlägig ist, zeigt sie jedenfalls zum einen, dass - wie oben dargelegt - für die lediglich nach dem Recht der DDR als Arbeitsunfall geltenden, aber anerkannten Versicherungsfälle nach der VO 1973 die Übernahme nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil der Träger der Unfallversicherung bis zum 31. Dezember 1993 keine Kenntnis von dem Arbeitsunfall hatte. Vielmehr setzt § 1154 Abs. 3 RVO die Überleitung nach § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO voraus und regelt nur den Beginn der Leistung für die von ihm erfassten speziellen Fälle. Schon gar nicht kann die Rentengewährung bereits durch die Sozialversicherung der DDR Voraussetzung für die Überleitung eines erst nach dem 31. Dezember 1993 einem Träger der Unfallversicherung bekannt gewordenen anerkannten Arbeitsunfalls sein, wie u.a. auch § 1154 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVO (erstmalige Rentenfeststellung nach dem 31. Dezember 1991), § 1154 Abs. 2 (Nichtzahlung einer Rente am 31. Dezember 1991 wegen Ruhens nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht) und § 1155 Abs. 4 RVO (Nichtzahlung einer Witwen-, Witwer-, Waisenrente am 31. Dezember 1991 nach dem im Beitrittsgebiet geltenden Recht) zeigen. Erlangt ein Träger der Unfallversicherung von einem bereits von der Sozialversicherung der ehemaligen DDR nach der VO 1973 anerkannten Arbeitsunfall, für den eine Rente von der Sozialversicherung der DDR abgelehnt wurde oder ein Rentenfeststellungsverfahren gar nicht eingeleitet oder nicht zu Ende geführt wurde, erst nach dem 31. Dezember 1993 Kenntnis, so kann dies allenfalls Folgen für den Leistungsbeginn unter Berücksichtigung z.B. der Vorschriften der §§ 1154 Abs. 3, 1156 Abs. 1, des ab 1. Januar 1991 im Beitrittsgebiet geltenden § 1546 RVO oder allgemeiner Rückwirkungsregelungen haben. Über den Leistungsbeginn, u.a. die Bedeutung eines vom Kläger ggf. schon 1989 bei dem zuständigen Träger der Sozialversicherung der DDR nachweisbar gestellten Antrags (s. dazu BSG, Urteil vom 26. Oktober 1998 - B 2 U 26/97 R und auch BSG SozR 3-1300 § 44 Nr. 8), hatte der Senat jedoch nicht zu befinden, da die Beklagte zunächst festzustellen hat, ob und ggf. ab wann infolge des Unfalls vom 4. Mai 1975 eine rentenberechtigende MdE besteht.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen der Vielzahl der bei der Beklagten noch anhängigen und bereits bindend abgelehnten vergleichbaren Fälle zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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