L 7 KA 948/99

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 27 KA 648/98
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 KA 948/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag der Beklagten vom 10. August 1999 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Mit Urteil vom 23. Juni 1999 (S 27 KA 648/98 verbunden mit S 27 KA 4019/98) änderte das Sozialgericht Frankfurt am Main den Honorarbescheid der Beklagten vom 4. Februar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Januar 1998 und des Änderungsbescheides vom 2. März 1998, sowie die Honorarbescheide vom 24. Juli und 24 Oktober 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 1998 und des Änderungsbescheides vom 4. Juni 1999 und verpflichtete die Beklagte, die Klägerinnen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinsichtlich ihres Honoraranspruchs neu zu bescheiden. Das Urteil wurde der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 6. Juli 1999 zugestellt. Mit Schreiben vom 10. August 1999, per Fax dem Landessozialgericht am selben Tag zugegangen, hat die Beklagte Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Die Beklagte trägt vor, sie sei ohne Verschulden gehindert gewesen, die Berufungsfrist einzuhalten. Sie habe die Fristensicherung durch geeignete organisatorische Maßnahmen sichergestellt, indem sie die Kontrolle der Fristeinhaltung qualifizierten und sorgfältigen Fachkräften übertragen habe. Durch Anordnung sei sichergestellt, dass in allen Verfahren, in denen die Beklagte unterlegen sei, durch eine hierzu speziell unterwiesene, stets zuverlässige und langjährige Mitarbeiterin die von den Juristen des Hauses berechneten Rechtsmittelfristen sofort in den Fristenkalender eingetragen würden. Es sei auch eine Vorfrist von einer Woche vor Ablauf der Rechtsmittelfrist einzutragen. Die Einhaltung dieser Arbeitsvorgaben werde regelmäßig überwacht. Durch ein Versehen dieser Mitarbeiterin sei in diesem und einem weiteren Verfahren, in denen das Urteil am 6. Juli 1999 zugestellt worden sei, die Rechtsmittelfrist nicht im Fristenkalender eingetragen worden. Die Berechnung der Fristen erfolge aufgrund einer Anweisung der Juristen der Beklagten, die den jeweiligen Eintrag in das Termin- und Fristenbuch kontrollierten. Die damit betraute Mitarbeiterin trage aufgrund des Eingangs einer Entscheidung die Frist für die Einlegung des Rechtsmittels ein. Der Fristenkalender werde täglich von dieser Mitarbeiterin kontrolliert und bei eingetragenen Vorfristen oder Fristen die entsprechende Akte am gleichen Tag dem zuständigen Sachbearbeiter mit Hinweis auf den Fristablauf vorgelegt. Im konkreten Fall sei die Eintragung der Frist und auch der Vorfrist versehentlich nicht erfolgt. Hierzu werde die Kopie aus dem Fristenkalender für den 6. August 1999 (Fristablauf) und für den 30. Juni 1999 (Vorfrist) vorgelegt. In der darauffolgenden Woche sei das Versäumnis aufgefallen und unmittelbar danach Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt worden. Die mit der Fristenkontrolle beauftragten Mitarbeiterinnen seien beide langjährige (19 und 7 Jahre) Mitarbeiterinnen der Juristischen Geschäftsführung und als solche mit der Notwendigkeit korrekter Administration vertraut. Dem Senat sei bekannt, dass in dieser Zeit noch kein Wiedereinsetzungsantrag aufgrund von Fristversäumnissen gestellt worden sei. Die Beklagte hat eine eidesstattliche Versicherung von Frau R. vom 6. Oktober 1999 vorgelegt. Die Klägerinnen widersprechen dem Antrag und tragen vor, die Ausführungen der Beklagten seien nicht geeignet darzulegen, dass die Versäumung der Frist unverschuldet geschehen sei. Die Entscheidung über die Einlegung oder Nichteinlegung eines Rechtsmittels liege nicht bei den Mitarbeiterinnen, sondern beim Sachbearbeiter. Es handele sich also um eine einem Anwaltsbüro vergleichbare Struktur. Hier wie dort gelte, dass der Sachbearbeiter sich auf das korrekte Verhalten seines Büropersonals beim Notieren von Fristen nur dann verlassen dürfe, wenn das fristauslösende Schriftstück den Mitarbeitervermerk enthalte "Frist notiert". Dies sei hier nicht der Fall. Ohne einen derartigen Mitarbeitervermerk dürfe der Sachbearbeiter nicht davon ausgehen, dass die Frist notiert sei. Die Fristversäumnis gereiche also dem Sachbearbeiter und damit der Beklagten zum Verschulden. Die Beklagte hat die gerichtliche Anfrage vom 17. November 1999 hinsichtlich eines Vermerkes auf dem Urteil des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 23. Juni 1999 "Frist notiert" (o.ä.) bzw. nach der Überwachung der Fristeintragung im konkreten Fall nicht beantwortet.

II.

Der zulässige Antrag auf Wiedereinsetzung ist unbegründet und war daher abzulehnen. Die Beklagte hat die einen Monat betragende Berufungsfrist (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) versäumt. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 23. Juni 1999 wurde der Beklagten am 6. Juli 1999 zugestellt. Die am 10. August 1999 (Dienstag) per Fax im Gericht zugegangene Berufung war damit verspätet. Die Beklagte war nicht ohne Verschulden verhindert, die Berufungsfrist einzuhalten, § 67 Abs. 1. SGG. Sie hat nicht diejenige Sorgfalt angewendet, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung vernünftigerweise zuzumuten ist. Bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt wäre die Fristversäumung für die Beklagte vermeidbar gewesen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 6. Auflage, § 67 Rdnr. 3). Es ist nicht erkennbar, dass bei der Beklagten die Berechnung der Berufungsfrist durch die Juristen der zuständigen juristischen Geschäftsführung vorgenommen wird. Zwar wird noch im Berufungsschriftsatz vom 10. August 1999 behauptet (ohne Glaubhaftmachung), dass die Rechtsmittelfristen von den Juristen des Hauses berechnet würden, jedoch wird im Schriftsatz vom 6. Oktober 1999 dargelegt, dass die Mitarbeiterin R. aufgrund des Eingangs einer Entscheidung und aufgrund einer Anweisung der Juristen die Fristen berechne und auch eintrage, und zwar einen Monat nach Zustellung, sowie zusätzlich eine eine Woche vorher liegende Vorfrist. Letztere Darlegung wurde durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht. Die Berechnung besonders wichtiger Fristen, zu denen auch die Berufungsfristen gehören, darf jedoch nicht den Mitarbeitern überlassen bleiben, sondern ist von dem Rechtsanwalt selbst bzw. vergleichbar bei Behörden oder Körperschaften des öffentlichen Rechts von den dort tätigen Juristen vorzunehmen (vgl. Meyer-Ladewig § 67 Rdnr. 8d). Wiedereinsetzung war aber auch deshalb nicht zu gewähren, weil nicht erkennbar wird, wie nach der Organisation der Beklagten sichergestellt wird, dass in jedem Einzelfall für den zuständigen Juristen nachvollziehbar wird, dass eine Frist eingetragen worden ist, etwa durch einen handschriftlichen und abgezeichneten Vermerk auf dem fristauslösenden Schriftstück (oder der dazugehörigen Akte), dass die Berufungsfrist notiert sei. Die vorgetragene generelle Überwachung - auch durch häufige Stichproben - reicht demgegenüber als Sicherungsmaßnahme nicht aus.
Rechtskraft
Aus
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