L 1 KR 88/06

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 KR 1579/02
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 88/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 41/08 B
Datum
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 7. Januar 2004 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist, ob ehrenamtliche Stadträte der Klägerin in der Zeit zwischen dem 1. April 1999 und dem 31. Dezember 2000 als Beschäftigte derselben tätig waren und ob insoweit pauschale und sitzungsabhängige Aufwandsentschädigungen, welche den lohn- und einkommensteuerrechtlichen Freibetrag für Aufwendungsentschädigungen an Träger von Ehrenämtern überschritten, beitragspflichtig zur Sozialversicherung sind.

Im Sommer 2001 führte die Beklagte – damals noch die LVA Hessen – bei der Klägerin eine Betriebsprüfung gemäß § 28 p Abs. 1 SGB IV durch. Für sieben ehrenamtliche Stadträte, die Beigeladenen zu 1) bis 7), wurde hierbei festgestellt, dass sie pauschal für die Funktion als ehrenamtliche Stadträte und daneben noch für die jeweiligen Sitzungen des Gemeindevorstands Aufwandsentschädigungen erhalten hatten, welche den nach Einkommensteuerrecht steuerfreien Betrag überschritten, und es wurden gemäß den beitragsrechtlichen Vorschriften für diese Personen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungsbeiträge bzw. Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung insoweit nacherhoben, als die Aufwandsentschädigungen steuerpflichtig waren.

Als Ergebnis dieser Betriebsprüfung wurde durch Bescheid vom 15. August 2001 ein Nacherhebungsbetrag von 2.328,60 DM (1.190,59 EUR) festgesetzt. Der hiergegen erhobene Widerspruch vom 29. August 2001 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2002 zurückgewiesen. Ehrenamtliche Stadträte, also nach § 45 Abs. 2 HGO Beigeordnete, seien ebenso wie die Bürgermeister selbst Beschäftigte ihrer Gemeinde. Darum seien ihre Aufwandsentschädigungen insoweit, als sie den einkommensteuerrechtlich pauschal steuerfreien Betrag überschritten, Arbeitsentgelt. Die Beigeladenen zu 1) bis 7) seien in der fraglichen Zeit als Stadträte geringfügig beschäftigt gewesen. Dennoch seien für den Beigeladenen zu 1), der in der fraglichen Zeit auch noch eine versicherungspflichtige Hauptbeschäftigung ausgeübt habe, im Wege der Zusammenrechnung der Arbeitsentgelte aus den Aufwandsentschädigungen Beiträge zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten gewesen. Für die Beigeladenen zu 2) bis 7), welche neben ihrer geringfügigen Beschäftigung als Stadträte keine versicherungspflichtige Haupttätigkeit ausgeübt hätten und nicht gesetzlich krankenversichert gewesen seien, seien Pauschbeiträge des Arbeitgebers zur Rentenversicherung zu entrichten gewesen. Die insgesamt nachzuentrichtenden Beiträge habe der Bescheid der Beklagten richtig festgesetzt.

Hiergegen hat die Klägerin am 21. August 2002 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben. Die Beklagte habe verkannt, dass ehrenamtliche Stadträte nach hessischem Kommunalverfassungsrecht zum einen nicht weisungsgebunden und darum nicht abhängig beschäftigt seien und zum anderen wegen der Erfordernisse für das passive Wahlrecht nicht das von der Rechtsprechung entwickelte Kriterium für die Beschäftigteneigenschaft der Inhaber kommunaler Ehrenämter erfüllten, eine dem allgemeinen Arbeitsmarkt zugängliche Verwaltungstätigkeit auszuüben.

Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 15. August 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2002 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie hat sich im Wesentlichen auf die Begründung ihres Widerspruchsbescheides gestützt und ergänzend vertreten, auch die ehrenamtlichen Stadträte nähmen wie die hauptamtlichen Bürgermeister Verwaltungsaufgaben wahr. Die Erfordernisse des passiven Wahlrechts seien lediglich Zugangsvoraussetzungen, wie es sie auch für andere abhängige Tätigkeiten geben könne.

Das Sozialgericht Gießen hat mit Urteil vom 7. Januar 2004 der Klage stattgegeben und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Die Stadträte seien nach hessischem Kommunalrecht nicht weisungsgebunden und darum nicht persönlich abhängig. Sie seien auch nicht in den Betrieb der Klägerin eingegliedert gewesen. Das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Gegen das Urteil, welches der Beklagten am 26. April 2004 zugestellt worden ist, hat diese am 23. April 2004 Berufung eingelegt. Die Beklagte vertritt weiterhin ihre im Widerspruchsverfahren und erstinstanzlich geäußerte Auffassung. Ergänzend führt sie aus, soweit erstinstanzlich auf die Rechtsprechung des BSG zu als nicht abhängig beschäftigt angesehenen "Stadträten” Bezug genommen worden sei, sei verkannt worden, dass es sich dabei um rheinland-pfälzische Stadträte, also Mitglieder der Gemeindevertretung, gehandelt habe. Mitglieder des Gemeindevorstands als Verwaltungsbehörde der Gemeinde in Hessen seien hingegen nach der Rechtsprechung des BSG zu vergleichbaren Amtsträgern in anderen Ländern Beschäftigte.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 7. Januar 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für richtig. Auch das inzwischen ergangene Urteil des BSG vom 25. Januar 2006 (B 12 KR 12/05 R, SozR 4-2400 § 7 Nr. 6) gebe keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung der Tätigkeit ehrenamtlicher Stadträte in Hessen. Wie das BSG in dem genannten Urteil bestätigt habe, komme es auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles an. Dazu gehörten auch die kommunalverfassungsrechtlichen Besonderheiten im jeweiligen Bundesland. Schon deshalb sei das Urteil zu einem ehrenamtlichen Bürgermeister in Sachsen nicht präjudiziell für die Qualifikation der Tätigkeit ehrenamtlicher Beigeordneter in Hessen.

Der Senat hat die betroffenen Stadträte B., C., D., E., F., G. und H. sowie die Deutsche Angestellten Krankenkasse und die Deutsche Angestellten Krankenkasse - Pflegekasse nach § 75 Abs. 2 Alt. 1 SGG beigeladen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Im Übrigen wird zum Sach- und Streitstand auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft, ohne dass es auf die Zulassung ankommt, da der Betrag nach § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG überschritten ist und der Tatbestand des § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht erfüllt ist. Sie ist auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung ist begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 15. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2002 aufgehoben. Dieser Bescheid ist rechtmäßig.

Umstritten und allein problematisch ist in diesem Zusammenhang die Qualifikation der Beigeladenen zu 1) bis 7) als Beschäftigte und demzufolge des steuerpflichtigen Anteils ihrer Aufwandsentschädigungen als Arbeitsentgelt. Die auf dieser Basis für die Beitragsnacherhebung angestellten Berechnungen und sozialversichungsrechtlichen Konsequenzen für die einzelnen berührten Sozialversicherungszweige sind hingegen nicht strittig.

Die Beigeladenen zu 1) bis 7) sind als ehrenamtliche Beigeordnete Beschäftigte mit den daraus folgenden sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen.

Nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Die Beigeladenen zu 1) bis 7) haben im fraglichen Zeitraum mit ihrer Tätigkeit als ehrenamtliche Beigeordnete nichtselbständige Arbeit im Sinne dieser für alle einschlägigen Sozialversicherungsverhältnisse geltenden Vorschriften geleistet. Es ist seit langem in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass auch ehrenamtliche kommunale Funktionsträger Beschäftigte sein können. Voraussetzung ist, wie das BSG in seinem Urteil vom 25. Januar 2006 (a.a.O.) erneut bestätigt hat, dass solche Personen – gegebenenfalls neben der Wahrnehmung weisungsfreier Repräsentativaufgaben – weisungsgebunden "dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen und hierfür eine den tatsächlichen Aufwand übersteigende pauschale Aufwandsentschädigung erhalten” (Tz. 15 des amtlich Umdrucks). Entscheidend ist in einer Gemengelage solcher unterschiedlicher Aufgaben eine "Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der Ausgestaltung des Ehrenamtes in der Kommunalverfassung des jeweiligen Bundeslandes” (BSG a.a.O.).

Für diese Gesamtwürdigung bedarf es im Interesse der Praktikabilität nicht einer quantitativen und qualitativen Bewertung der konkret vom betreffenden Amtsträger wahrgenommenen Aufgaben. Insofern genügt eine typisierende, an den gesetzlichen oder auf anderen Rechtsgrundlagen beruhenden Aufgaben orientierte Betrachtung. Insbesondere ist eine quantitative oder qualitative Bewertung der zu erfüllenden Verwaltungsaufgaben ebenso wenig erforderlich wie eine Ermittlung des tatsächlich wahrgenommenen Umfangs übertragener Verwaltungsaufgaben (BSG, a.a.O.). In diesem Verzicht auf gar nicht oder nur mit großem Verwaltungsaufwand zu leistende Detailuntersuchungen hat das BSG zu erkennen gegeben, dass die Abgrenzung aufgrund der Gesamtwürdigung aller Umstände sowohl für die betroffenen Sozialversicherungsträger als auch für die betroffenen Arbeitgeber praktikabel sein muss. Dem folgt der Senat.

Die Tätigkeit jedes Beigeordneten nach hessischem Kommunalrecht ist, wie der Senat schon in seinem Urteil vom 29. März 2007 (L 1 KR 86/06) entschieden hat, eine dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Verwaltungstätigkeit. Dabei darf das Kriterium, dass die Tätigkeit dem allgemeinen Erwerbsleben zugänglich sein muss, nicht etwa personenbezogen dahingehend missverstanden werden, die Aufgabe müsse im Prinzip jedem fachlich und qualitativ geeigneten Bewerber zugänglich sein. Insbesondere stehen die persönlichen Anforderungen, die sich aus dem Erfordernis und den Umsetzungselementen demokratischer Legitimation ergeben, einer entsprechenden Einordnung der Verwaltungstätigkeit nicht entgegen. Insofern kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf die spezifischen kommunalrechtlichen Wählbarkeitsvoraussetzungen und das Erfordernis einer Wahl durch die Gemeindevertretung an. Dem entspricht auch die Rechtsprechung des BSG. So wurden Tätigkeiten von Personen mit entsprechenden Anforderungen demokratischer Legitimation als Beschäftigung qualifiziert, nämlich diejenige eines ehrenamtlichen Bürgermeisters im Saarland (BSG, Breithaupt 1969, 823), ebenso die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Ortsbürgermeisters einer amtsangehörigen Gemeinde in Schleswig-Holstein (BSG, SozR 2200 § 165 Nr. 44, S. 61 f.; entsprechend auch BSG, SozR 2200 § 1248 Nr. 41, S. 103 f. für Rheinland-Pfalz) und schließlich auch die Tätigkeit eines ehrenamtlichen Bürgermeisters einer verbandsangehörigen Gemeinde in Sachsen (BSG v. 25. Januar 2006).

Insofern folgt der Senat nicht dem Urteil des 8. Senats des HLSG vom 28. Juli 2005 (L 8/14 KR 331/04), welches das genannte Kriterium aus der Rechtsprechung des BSG personenbezogen verstanden hat und der Tatsache, dass Ortsvorsteher aus dem Kreis der Mitglieder des Ortsbeirates zu wählen seien und damit auch alle einschlägigen Voraussetzungen des passiven Wahlrechts zu erfüllen hätten, für die Frage entscheidende Bedeutung beigemessen hat, ob die Tätigkeit die Erfüllung einer dem allgemeinen Erwerbsleben zugänglichen Verwaltungsaufgabe ist.

Das Kriterium, dass die Tätigkeit im Prinzip auch im allgemeinen Erwerbsleben in Betracht kommen kann, ist – nur dieses Verständnis ist auch mit den zitierten Entscheidungen des BSG zu kommunalen Amtsträgern kompatibel – vielmehr sachbezogen zu verstehen. Es geht um den Inhalt der Verwaltungstätigkeit gerade in der Abgrenzung gegenüber den Repräsentationsfunktionen, wie sie insbesondere die Tätigkeit eines Gemeindevertreters kennzeichnen. Im Erwerbsleben prinzipiell in Betracht kommende Tätigkeiten sind insbesondere solche, die – abgesehen vom Umfang, der bei Ehrenämtern typischerweise geringer ist – auch hauptamtlich vorstellbar wären. Für die Abgrenzung gegenüber den selbständigen, nämlich nach den Kommunalverfassungen explizit weisungsfreien, Repräsentativaufgaben ist auch die typische Entgegensetzung von Gemeindevertretung und "Verwaltung” als Inbegriff der Administrativorganisation einschließlich ihrer Spitze relevant. Dieser Unterscheidung hat auch das BSG im zitierten Urteil vom 25. Januar 2006 Rechnung getragen, indem es die Qualifikation der Vorinstanz billigte, welche im Falle des sächsischen Bürgermeisters, der auch Vorsitzender der Gemeindevertretung ist, die administrative Vorbereitung von Beschlüssen der Gemeindevertretung außerhalb von deren Sitzungen als Tätigkeiten eingeordnet hatte, die für eine Gesamtwürdigung als Beschäftigung sprachen.

Im vorliegenden Fall der Beigeladenen von 1) bis 7) als Stadträte, also Beigeordnete, nach hessischem Kommunalrecht ohne eigene Dezernate ist entscheidend für die Qualifikation der Tätigkeit die Funktion des Gemeindevorstands, dessen Mitglieder sie waren. Denn mangels entsprechender Aufgabenzuweisung nach § 70 Abs. 1 S. 3 HGO zur eigenständigen Erledigung laufender Verwaltungsangelegenheiten durch einen Beigeordneten selbst in einem eigenen Ressort ergeben sich die Aufgaben der Beigeordneten aus denen des Gemeindevorstands. Diese bestehen gemäß der Grundvorschrift des § 9 Abs. 2 HGO in der kollegialen Besorgung der laufenden Verwaltung. Genauer sind die Aufgaben und die Art und Weise ihrer Erledigung in §§ 66 73 HGO beschrieben. Hieraus ergibt sich deutlich, dass dem Gemeindevorstand insgesamt und damit auch jedem einzelnen seiner Mitglieder grundsätzlich alle Aufgaben nach § 66 HGO überantwortet sind. Denn es gehört zum Wesen eines Kollegialorgans, dass alle Mitglieder, soweit sie an der Beschlussfassung teilnehmen auch die Verantwortung für die Beschlüsse gemeinsam tragen.

Wie Beigeordnete im Detail in die Vorbereitung der Beschlüsse und deren Ausführung einbezogen sind, kann stark variieren – insbesondere auch im Laufe einer Amtszeit eines Beigeordneten. Solche Einzelheiten eignen sich, wie oben mit Bezug auf die Rechtsprechung des BSG ausgeführt, schon deshalb nicht als Kriterien für die Gesamtwürdigung des Ehrenamtes, weil sie nicht praktikabel sind und sowohl für die betroffenen Kommunen als auch für die zuständigen Sozialversicherungsträger keine einigermaßen klaren und einfach handhabbaren Abgrenzungskriterien geben. Diese können sich nur aus den zwingenden und im Übrigen typischen Merkmalen des jeweiligen Ehrenamtes ergeben. Das ist hier die kollektive administrative Führung der Gemeinde nach den Beschlüssen der Gemeindevertretung (§§ 50, 51, 66 Abs. 1 S. 2 HGO). Dabei besteht als Maßgabe für den Bürgermeister, der nach § 70 Abs. 1 S. 2 HGO die Kompetenz und die Verantwortung für die Verteilung der Aufgaben unter den Mitgliedern des Gemeindevorstands hat, nach § 9 Abs. 2 S. 2 HGO die verpflichtende Leitlinie, dass der Gemeindevorstand kollegial zu gestalten ist.

In einer Gesamtwürdigung dieser Elemente ist die Tätigkeit von Mitgliedern eines hessischen Gemeindevorstands – und zwar auch dann, wenn ein solches Mitglied lediglich Beigeordneter ohne eigenen vom Bürgermeister zugewiesenen Geschäftsbereich ist – als eine im Prinzip auch hauptamtlich mögliche und insofern dem allgemeinen Erwerbsleben zugängliche Tätigkeit zu qualifizieren.

Die Tätigkeit als Mitglied des Gemeindevorstands ist – wiederum ohne Unterscheidung der Aufgabenverteilung innerhalb des Kollegialorgans – nichtselbständig im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Alle Aufgaben unterliegen nämlich nach §§ 9 Abs. 1 S. 2 und 50 Abs. 2 HGO umfassend der Kontrolle und nach §§ 50 Abs. 1, 66 Abs. 1 S. 2 HGO überwiegend den vom Gemeindevorstand zu befolgenden Beschlüssen der Gemeindevertretung. Insofern ist die Gemeindevertretung, wie § 9 Abs. 1 S. 1 HGO formuliert "oberstes Organ” der Gemeinde und ist der Gemeindevorstand ihr nachgeordnet. Da hinsichtlich des Ausmaßes von Weisungsgebundenheit ohnehin funktionsspezifische Unterschiede bestehen bis hin zu weitgehender Weisungsfreiheit bei manchen Diensten höherer Art (Nachweise bei Seewald, in Kasseler Kommentar, § 7 Rz. 74), ist die Abhängigkeit der Mitglieder des Gemeindevorstands von den Vorgaben und der Kontrolle der Gemeindevertretung hinreichend ausgeprägt, um die Tätigkeit als weisungsgebunden zu qualifizieren. Auch ist der Gemeindevorstand durch seine Funktionsbestimmung als "Verwaltungsbehörde der Gemeinde” (§ 66 Abs. 1 S. 1 HGO) ebenso wie durch die Organisationsnormen der §§ 67 - 70 HGO hinreichend in die Arbeitsorganisation der Gemeinde eingegliedert. Auch das stützt die Gesamtwürdigung der Tätigkeit aller Mitglieder des Gemeindevorstands als nichtselbständig.

Schließlich sind die Aufgaben aller Mitglieder des Gemeindevorstands einschließlich der ehrenamtlichen Beigeordneten ohne eigenen Geschäftsbereich klar getrennt von etwaigen als selbständig zu qualifizierenden Repräsentativtätigkeiten. Dies ergibt sich nach hessischem Kommunalrecht schon aus der klaren Trennung der Administrativspitze von der Gemeindevertretung. Das drückt sich zum einen darin aus, dass der Bürgermeister anders als nach dem Kommunalrecht einiger anderer Bundesländer nicht Vorsitzender der Gemeindevertretung ist. Zum anderen ergibt es sich aus der auch für Beigeordnete ohne eigenen Geschäftsbereich geltenden Unvereinbarkeitsbestimmung des § 65 Abs. 2 S. 1 HGO. Insbesondere für ehrenamtliche Beigeordnete folgt aus der Unvereinbarkeit mit dem Amt eines Gemeindevertreters, dass ihre Tätigkeit nicht etwa – in einer als Modell auch vorstellbaren Vermischung von administrativer Leitung und Gemeindevertretung – als Repräsentation der Gemeindevertretung im Gemeindevorstand verstanden werden kann.

Die Beigeladenen zu 1) bis 7) sind auch im Sinne der einschlägigen eine Beitragspflicht begründenden Tatbestände gegen Arbeitsentgelt beschäftigt gewesen. Insoweit hat die Beklagte auch zutreffend das für die Beitragsbemessung relevante Arbeitsentgelt zugrunde gelegt.

Unstrittig kommt es für eine Qualifikation der bezogenen Geldbeträge nicht darauf an, ob sie nach den jeweiligen kommunalrechtlichen Bestimmungen ausdrücklich als Arbeitsentgelt oder als Aufwandsentschädigung bezeichnet werden. Vielmehr sind nach § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV Arbeitsentgelt grundsätzlich alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Aufwandsentschädigungen gelten nach § 14 Abs. 1 S. 3 SGB IV in der ab 1. April 1999 geltenden und darum hier anwendbaren Fassung des Gesetzes vom 24. März 1999 (BGBl. I S. 388) insoweit nicht als Arbeitsentgelt, als sie steuerfrei sind. Hieran hat sich die Beklagte gehalten, indem sie genau den Anteil der Aufwandsentschädigungen als Arbeitsentgelt berücksichtigte, der auch in Anwendung von § 3 Nr. 12 S. 2 EStG in der jeweils geltenden Fassung von der Steuerbehörde einkommensteuerpflichtig war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Soweit es um die Auslegung von Bundesrecht geht, sind alle hier relevanten Rechtsfragen, insbesondere die sozialrechtlichen Grundsätze für die Abgrenzung der Beschäftigteneigenschaft bei Inhabern kommunaler Ehrenämter, höchstrichterlich geklärt. Von diesen Grundsätzen ist der Senat nicht abgewichen. Soweit es um die kommunalrechtlichen Vorschriften und um deren Auslegung geht, ist die Revision nicht zuzulassen, da diese nach § 162 SGG als Landesrecht nicht revisibel sind.
Rechtskraft
Aus
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