Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3b/2d U 692/99
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 159/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 16. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin streitet um die Entschädigung eines Unfalles als Arbeitsunfall, den sie bei Eigenheimbauarbeiten erlitten hat.
Die Eheleute A. B. und B. A.-B. errichteten ab März 1997 ein Zweifamilienhaus mit integrierter Garage in Fertighausbauweise auf einem Grundstück in der A-Straße in A-Stadt. Die mittlerweile 7ljährige Klägerin - die Mutter des Bauherrn - half neben weiteren Verwandten und Freunden beim Innenausbau des Hauses und stürzte am 18. Juni 1997 beim Isolieren der Innenwände von der Leiter, fiel auf den Rücken und brach sich den 12. Brustwirbelkörper (BWK). Prof. C. und Dr. D., Direktor und Oberarzt der Unfallchirurgischen Klinik des Städtischen Klinikums E., beschrieben in den Berichten vom 22. Oktober 1997 die BWK-Fraktur als stabil verheilt und hielten die Klägerin ab 23. Oktober 1997 wieder für arbeitsfähig bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. oder mehr für die Unfallfolge.
Der Bauherr übersandte der Beklagten den 1. Eigenbaunachweis vom 24. Juni 1997 Eingang am 8. Juli 1997 -‚ in dem er angab, seine Eltern, sein Bruder, sein Schwiegervater und sein Schwager hätten bis 30. Juni 1997 im Ausmaß von insgesamt 233 Stunden am Bau mitgearbeitet und die Klägerin dabei 12 Stunden bei Isolierungsarbeiten mitgeholfen. Mit dem 2. Eigenbaunachweis vom 20. September 1997, der sich auf den Zeitraum bis 31. Juli 1997 erstreckte, gab er an, die Mutter habe neben den übrigen Verwandten Isolierungsarbeiten im Umfang von 22 Stunden verrichtet. Am 26. Oktober 1997 schlüsselte der Bauherr die stundenweise Mithilfe der Klägerin in der Zeit vom 26. Mai bis 18. Juni 1997 im Umfang von 22 Stunden im Einzelnen auf und teilte mit, die Klägerin hätte bis zur Beendigung der Isolierungsarbeiten am 22. Juni 1997 noch voraussichtlich weitere vier Stunden mitgeholfen. In seiner Familie sei es üblich, sich bei Bedarf untereinander zu helfen. Mit Eigenbaunachweis vom 7. Juni 1998 gab er an, die Klägerin habe - nach Wiedergenesung - im ersten Halbjahr 1998 weitere 32 Stunden Isolierungsarbeiten geleistet und mit Eigenbaunachweis vom 6. Januar 1999, sie habe im zweiten Halbjahr 1998 16 Stunden beim Isolieren und Putzen gearbeitet.
Am 17. und 24. März 1998 und am 15. September 1998 erließ die Beklagte gegenüber den Bauherren Beitragsbescheide für die bis 30. Juni 1998 erklärten Arbeitsstunden unter Einschluss der für die Klägerin angegebenen Mithilfezeiten. Diese Bescheide änderte sie mit Bescheid vom 13. Mai 1998, in dem sie den Beitrag um die für die Klägerin angeforderten Beitragsanteile reduzierte.
Mit Bescheid vom 5. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfallereignisses vom 18. Juni 1997 als Arbeitsunfall ab, da die Klägerin nicht arbeitnehmerähnlich sondern aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehung zu ihrem Sohn bei einer Gefälligkeitsleistung zwischen Verwandten verunglückt sei. Da man sich in der Familie A. bei Bedarf untereinander helfe und der Sohn B. auch die Klägerin bei deren Wiedererrichtung eines Einfamilienhauses nach Brandschaden in der ersten Hälfte der 90er Jahre unterstützt habe, sei von einer konkreten verwandtschaftlichen Bindung auszugehen, die die Mithilfe der Klägerin bei den Eigenbauarbeiten geprägt habe. Auch Art und Umfang der Mithilfe sprächen nicht gegen die Annahme einer Gefälligkeitsleistung. Die von der Klägerin verrichtete Arbeit sei insbesondere nicht gefährlich gewesen.
Die Klägerin erhob hiergegen am 8. November 1999 vor dem Sozialgericht Fulda (SG) Klage und trug vor, ihre Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt habe nur einen kleinen Teil der gesamten Hilfeleistungen ausgemacht. Die Isolierungsarbeiten seien durchaus auch gefahrgeneigt gewesen und hätten von ihr auch im Treppenhaus unter Benutzung eines Gerüstes durchgeführt werden müssen.
Das SG hat einen Bericht des behandelnden Orthopäden F. vom 20. Juni 2000 beigezogen, dem Fremdbefunde beigefügt waren. Im Kammertermin vom 16. Januar 2001 hat es die Klägerin persönlich zum Unfallgeschehen und zu ihren Hilfeleistungsmaßnahmen insgesamt gehört sowie auch ihren Sohn B. A.-B. als Zeugen. Wegen deren Angaben/Aussage wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen.
Mit Urteil vom 16. Januar 2001 hat das SG den Unfall der Klägerin vom 18. Juni 1997 als Arbeitsunfall anerkannt, da die Klägerin wie eine Beschäftigte tätig geworden sei, als sich der Unfall ereignet habe. Die Klägerin habe ihrem Sohn bei dessen Neubau eines Holzständerhauses bei Eigenbauleistungen unentgeltlich geholfen. Zwischen beiden bestehe zwar eine Eltern-Kind-Beziehung als engstes verwandtschaftliches Gemeinschaftsverhältnis. Die tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehungen seien jedoch nicht besonders stark gewesen. Eine häusliche Gemeinschaft habe seit Juli 1990 nicht mehr bestanden, als der Sohn der Klägerin zum Studium nach G. verzogen sei. Das errichtete Haus habe auch nicht von Klägerin und Sohn gemeinsam bewohnt werden sollen. Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin und ihres Sohnes als Zeuge im Kammertermin sollte die Klägerin Isolier- und Tapezierarbeiten übernehmen, wobei die Isolierarbeiten zum Unfallzeitpunkt ziemlich fertig gestellt gewesen seien, nachdem die Klägerin bis dahin 22 Stunden mitgeholfen habe. Es seien noch Restisolierungsarbeiten sowie Tapezier- und Malerarbeiten zu verrichten gewesen. Ausweislich der vom Bauherrn vorgelegten weiteren Eigenbaunachweise habe die Klägerin im Anschluss an den Unfall noch 48 weitere Stunden beim Isolieren und Säubern mitgeholfen. Ohne den Unfall wäre ihre Mithilfe noch größer ausgefallen und sie hätte insbesondere bezüglich der Tapezier- und Streicharbeiten noch mehr Arbeitsstunden verrichtet. Die Klägerin habe danach im Alter von 66 Jahren weitaus mehr Arbeiten verrichtet, als allgemein in einem Familienverband zu erwarten gewesen sei. Dabei habe es sich bei den Isolierungsarbeiten um keine angenehme Tätigkeit gehandelt und die Klägerin habe zudem gefährliche Arbeiten auf Gerüsten verrichten müssen. In Anbetracht des Umfanges von 70 geleisteten Arbeitsstunden und zu erwartender umfangreicherer Mithilfe bei Nichterleiden des Unfalls stelle die Mithilfe der Klägerin insgesamt keine verwandtschaftlich geprägte Gefälligkeitsleistung mehr dar.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 5. Februar 2001 zugestellte Urteil am 9. Februar 2001 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, die Klägerin habe bei den Isolierungsarbeiten lediglich 22 Stunden bis zum Unfall mitgearbeitet und anschließend seien weitere vier Stunden Mithilfe vorgesehen gewesen. Später habe der Bauherr weitere Mithilfeleistungen im Umfang von 48 Stunden beim Tapezieren, Isolieren und Putzen für 1998 angegeben. Bei der Mithilfe einer Mutter gegenüber ihrem Sohn in diesem Umfange handele es sich um eine Gefälligkeitsleistung, da eine derartige Mithilfe noch ihr Gepräge durch das familiäre Band erhalte und nicht als arbeitnehmerähnlich angesehen werden könne. Die Klägerin habe etwa vier Tage Tapezier- und zwei Tage für Isolierarbeiten aufgebracht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 16. Januar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht hat die Klägerin im Termin vom 20. Dezember 2001 ergänzend gehört und in gleicher Weise den Zeugen B. A.-B., wegen der Aussagen/Angaben auf das Terminsprotokoll Bezug genommen wird. Beide Beteiligte haben sich damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter den Rechtsstreit als Einzelrichter im Termin vom 20. Dezember 2001 entscheidet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten als Einzelrichter entscheiden durfte (§ 155 SGG), ist nicht begründet, da das SG den Unfall der Klägerin vom 18. Juni 1997 zu Recht als Arbeitsunfall anerkannt hat. Denn die Klägerin war arbeitnehmerähnlich mit Eigenbauarbeiten am Bauvorhaben ihres Sohnes B. A.-B. und ihrer Schwiegertochter A. B. beschäftigt, als sie von der Leiter stürzte und sich den 12. BWK brach.
Die Eheleute A. B. und B. A.-B. waren als Eigenbauherren "Unternehmer" nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 136 Abs. 3 Ziffer 1, Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch -SGB- VII). Da das Eigenbauvorhaben und die dabei erforderlichen Mithilfearbeiten sich über mehrere Monate hinzogen, war die Beklagte fachlich und örtlich zuständiger Unfallversicherungsträger (§§ 114 Abs. 1 Ziffer 1, 121 Abs. 1, 122 Abs. 1, 129 Abs. 1 Ziffer 3 SGB VII). Die Klägerin stand unstreitig nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu den Bauherren gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 1 SGB VII, war aber wie eine Beschäftigte im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig, als sie verunfallte.
Die Anwendung dieser Bestimmung setzt voraus, dass es sich bei der zum Unfall führenden Handlung um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, ihrer Art nach von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, und dass die Tätigkeit derjenigen aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist, so dass durch sie ein innerer Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen hergestellt wird. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Tätigkeit durch ihre Zielsetzung fremdbestimmt ist. Dabei reicht es aus, dass sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit der aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses geleisteten Tätigkeit es rechtfertigt, den Verunglückten einem Arbeitnehmer des Unfallbetriebes gleichzustellen (Schwerdtfeger, in: Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, Kommentar, Anm. 640, 641 zu § 2; BSGE 5, 168; 18, 143, 145, 146; BSG, Urteil vom 26. November 1987 - Az.: 2 RU 34/86 -).
Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen, denn sie verrichtete am Wohnhaus des Sohnes und der Schwiegertochter dem Bauvorhaben dienliche Isolierungsarbeiten, womit sie auch dem ausdrücklichen Willen der Bauherren entsprach. Derartige, dem Unternehmen der Bauherren dienliche und damit fremdbestimmte Isolierungsarbeiten werden auch von Bauhandwerkern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erbracht.
Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass es an der Ähnlichkeit einer Tätigkeit mit der aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses nach gefestigter Rechtsprechung bei Gefälligkeitshandlungen fehlen kann, die unter Verwandten vorgenommen werden und von familiären Beziehungen zwischen Angehörigen geprägt sind (BSG SozR 2200 § 539 RVO Nrn. 43, 55, 66, 134, Urteil des BSG vom 30. April 1991 - 2 RU 78/90 -), ebenso bei sonstigen tatsächlich ähnlich engen Bindungen im Rahmen eines Gemeinschaftsverhältnisses (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 49) oder eines gutnachbarschaftlichen Verhältnisses (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 57, SozR 3-2200 § 539 Nr. 6, BSG, Urteil vom 17. März 1992 - 2 RU 6/91 -). Handelt es sich um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst oder ist die zum Unfall führende Verrichtung als Erfüllung gesellschaftlicher, nicht rechtlicher Verpflichtungen anzusehen, die bei besonders engen Beziehungen zwischen Verwandten, Freunden oder Nachbarn typisch, üblich und deshalb zu erwarten sind, entfällt der Versicherungsschutz nach § 2 Ziffer 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SGB VII (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1992 -2 RU 6/91 - m.w.N.). Auf die Zeitdauer der Verrichtung kommt es hierbei nicht alleine an. Es hat eine Wertung im Rahmen einer Zurechnungsentscheidung zu erfolgen, wobei die gesamten Umstände des Einzelfalls - beispielsweise Art, Umfang, Zeitdauer der verrichteten Tätigkeit und Intensität der tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehungen - zu beachten sind (BSG, Urteil vom 27. März 1990 - 2 RU 32/89 -; BSG in SozR 2200 Nrn. 43, 59, 55 zu § 539 RVO). Die familienhafte Prägung einer Tätigkeit ist umso eher zu bejahen, je enger die familienrechtlichen Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Beteiligten sind (BSG SozR 2200 Nrn. 49 und 66 zu § 539 RVO; BSG, Urteil vom 20. April 1993 -2 RU 38/92-; Wiester in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, Anm. 855 zu § 2). Ausschlaggebend ist aber letztlich nicht allein der Grad der verwandtschaftlichen Beziehung sondern die tatsächlich praktizierte Intensität derselben, die beispielsweise bei einem Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt eine besondere Stärke aufweist (Bereiter-Hahn, Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Anm. 34 zu § 2 SGB VII; BSG SozR 2200 § 539 RVO Nr. 134).
Zur Abgrenzung familienhafter Mithilfe von arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit speziell bei Eigenbauarbeiten hat die Rechtsprechung auch auf die Art der Tätigkeit abgestellt und hat Ausbesserungs-, Anstreicher- und Tapezierarbeiten als ohne besondere Sachkunde zu erledigende vielfach in Eigenarbeit verrichtete Arbeiten angesehen, bei denen familienhafte Mithilfe regelmäßig vorkomme und auch noch bei einem Aufwand von 40 Stunden bejaht werden könne (Urteil des BSG vom 29. September 1992 - Az.: 2 RU 46/91 -). Die zweitägige Reparatur eines Garagendaches hat das BSG noch als familienhafte Mithilfe gewertet, weil der die Arbeiten verrichtende Vater mit der Tochter in häuslicher Gemeinschaft lebte und von daher auch ein eigenes Interesse am Erhalt des gemeinsam bewohnten Hauses hatte (BSG in SozR 3-2200 § 539 Nr. 25). Beim Fehlen derartiger enger Beziehungen hat das BSG vergleichbare Arbeiten nicht mehr der familienhaften Mithilfe zugerechnet (Urteile des BSG vom 30. April 1991 - Az.: 2 RU 78/90 - und vom 21. August 1991 - Az.: 2 RU 2/91 -). Das Landessozialgericht Niedersachsen (Urteil vom 13. März 1997 - Az.: L 6 U 348/96 -) hat gesetzlichen Unfallversicherungsschutz für den Unfall eines am Hauses seines Schwiegersohnes verunglückten Putzers verneint, der Anstreicharbeiten im Umfang von 16 Stunden durchführen wollte und beim Aufstellen des Gerüstes abstürzte. Es hat die beabsichtigte Arbeit als familienhafte Mithilfe angesehen. Das Landessozialgericht Saarland hat mit Urteil vom 30. März 1993 - Az.: L 2 U 8/89 - ein ebenfalls beim Aufbau eines Gerüstes erlittenen Unfall in gleicher Weise gewürdigt. Das Unfallopfer wollte am Hause seiner Eltern Wärmedämmungs- und Holzverkleidungsarbeiten durchführen, die einen Gesamtaufwand von ca. 160 Stunden erfordert hätten, wovon der Verunglückte ohne den Unfall etwa 50 Stunden geleistet hätte.
Das SG hat richtig erkannt, dass die Eltern-Kind-Beziehung als engstes verwandtschaftliches Gemeinschaftsverhältnis zu gelten hat. Davon ausgehend hat es zutreffend dargelegt, dass die konkreten Umstände eine besonders intensive gelebte familiäre Verbindung zwischen Klägerin und ihrem Sohn B. bzw. der Schwiegertochter A. nicht ergeben, weswegen zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 6 der erstinstanzlichen Gründe verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch Art, Umfang und Zeitdauer der von der Klägerin ausgeübten Mithilfearbeiten, wie sie sich aus dem Gesamtbild der ausgeführten und beabsichtigten Verrichtungen ergeben (dazu BSG in SozR 3-2200 Nr. 8 zu § 539 RVO), rechtfertigen es nicht, die Aktivitäten der Klägerin, beim Eigenbauvorhaben des Sohnes als maßgeblich familienhaft geprägte Mithilfe zu werten. Die Klägerin stürzte zwar am 18. Juni 1997 bei Isolierungsarbeiten in einem Wohnraum aus nur geringer Höhe von der Stehleiter, so dass für die konkrete zum Unfall führende Tätigkeit eine besondere Gefährlichkeit nicht angenommen werden kann. Sie hatte aber sowohl beim Isolieren der Decken ein fahrbares Gerüst zu besteigen und hatte auch bei den Isolierungsarbeiten im Treppenhaus auf einem sogenannten Arbeits- und Steckgerüst mitgeholfen, wobei das Treppenhaus von der Kellertreppe bis zum Dach offen stand, da die Geschosstreppe noch nicht eingebaut war, wodurch Arbeiten in einer Höhe von bis zu mehr als 8 m erforderlich wurden. Zumindest die Arbeiten auf den Gerüsten in einer Höhe bis zu über 8 m sind als nicht ungefährlich anzusehen und erlauben nicht die Annahme, dass ein Sohn derartige Aktivitäten von seiner 66jährigen Mutter im Rahmen der Beistandspflicht aus § 1618 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - sei es als sittliche oder gar rechtliche Verpflichtung - erwarten konnte. Insoweit ist vielmehr auf Literatur und Rechtsprechung - auch die des erkennenden Senats - zu verweisen (Urteil des Senats vom 9. August 2001 - Az.: L 3 U 358/01 -; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 1987 Az.: L 3 U 9/86 -; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Oktober 1993 - Az.: L 2 U 592/91 -; Riebel in: Hauck, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 280 a zu K § 2), die Arbeiten mit erheblichem Gefährdungspotential nur eingeschränkt im Rahmen der familienhaften Mithilfe zumuten. Hinzukommt, dass die von der Klägerin ausgeführten Dämmarbeiten mit Dämmkeilen aus Glaswolle verrichtet wurden, die vor Ort zugeschnitten wurden, so dass auch eine gesundheitliche Gefährdung durch diese Arbeiten nicht auszuschließen war, zumal für die Verwendung irgendwelcher Schutzmaßnahmen keinerlei Anhaltspunkte vorliegen.
Schließlich ging auch der Umfang der von der Klägerin geleisteten Arbeitsstunden deutlich über das Maß hinaus, das in der Rechtsprechung noch als familienhaft zu erwarten angesehen wird. Denn die Klägerin hatte bis zum Unfall - wie in dem Eigenbaunachweis vom 25. September 1997 angegeben - bereits 22 Stunden bei Isolierungsarbeiten geholfen. Soweit der Zeuge B. A.-B. im 1. Eigenbaunachweis vom 24. Juni 1997 nur 12 Stunden angegeben hatte, hat er diese Differenz vor dem Berufungsgericht aufgeklärt und hat hierzu angegeben, dass die erste Zusammenstellung von seiner Frau erstellt worden sei, die sich dabei geirrt habe, so dass er diese Angaben habe korrigieren müssen. Nach Wiedergenesung der Klägerin hat sie 1998 gemäß Eigenbaunachweisen vom 7. Juni 1998 und 6. Januar 1999 weitere 48 Stunden mitgeholfen, woraus sich eine Gesamtstundenzahl von 70 errechnet. Wäre die Klägerin nicht verunfallt, hätte sie im zweiten Halbjahr 1997 zusätzliche Arbeitsstunden geleistet. In Anbetracht dessen überschreitet ihre Arbeitsstundenzahl beim Eigenbau des Sohnes die bisher als noch familienhaft zu erwartende im Bereich von 40 bis 50 Stunden angesiedelte Arbeitsleistung um fast das Doppelte, so dass auch der Umfang ihrer Mithilfe eine nicht mehr zwischen Mutter und Kind zu erwartende Arbeitsleistung darstellt, die vielmehr nicht familienhaft sondern arbeitnehmerähnlich erbracht wurde.
Da das Berufungsgericht sich an der bisherigen Rechtsprechung orientiert hat und der Fall der Klägerin nach den darin aufgestellten Kriterien zweifelsfrei als Arbeitsunfall bei arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit anzusehen war, hat es die Revision nicht zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG). Auf die weiteren Fragen des Bestehens einer Formalversicherung und evtl. Folgen einer fehlerhaften Information der Beklagten durch Verwendung des dem Bauherrn A.-B. überlassenen Merkblattes kam es danach nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin streitet um die Entschädigung eines Unfalles als Arbeitsunfall, den sie bei Eigenheimbauarbeiten erlitten hat.
Die Eheleute A. B. und B. A.-B. errichteten ab März 1997 ein Zweifamilienhaus mit integrierter Garage in Fertighausbauweise auf einem Grundstück in der A-Straße in A-Stadt. Die mittlerweile 7ljährige Klägerin - die Mutter des Bauherrn - half neben weiteren Verwandten und Freunden beim Innenausbau des Hauses und stürzte am 18. Juni 1997 beim Isolieren der Innenwände von der Leiter, fiel auf den Rücken und brach sich den 12. Brustwirbelkörper (BWK). Prof. C. und Dr. D., Direktor und Oberarzt der Unfallchirurgischen Klinik des Städtischen Klinikums E., beschrieben in den Berichten vom 22. Oktober 1997 die BWK-Fraktur als stabil verheilt und hielten die Klägerin ab 23. Oktober 1997 wieder für arbeitsfähig bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. oder mehr für die Unfallfolge.
Der Bauherr übersandte der Beklagten den 1. Eigenbaunachweis vom 24. Juni 1997 Eingang am 8. Juli 1997 -‚ in dem er angab, seine Eltern, sein Bruder, sein Schwiegervater und sein Schwager hätten bis 30. Juni 1997 im Ausmaß von insgesamt 233 Stunden am Bau mitgearbeitet und die Klägerin dabei 12 Stunden bei Isolierungsarbeiten mitgeholfen. Mit dem 2. Eigenbaunachweis vom 20. September 1997, der sich auf den Zeitraum bis 31. Juli 1997 erstreckte, gab er an, die Mutter habe neben den übrigen Verwandten Isolierungsarbeiten im Umfang von 22 Stunden verrichtet. Am 26. Oktober 1997 schlüsselte der Bauherr die stundenweise Mithilfe der Klägerin in der Zeit vom 26. Mai bis 18. Juni 1997 im Umfang von 22 Stunden im Einzelnen auf und teilte mit, die Klägerin hätte bis zur Beendigung der Isolierungsarbeiten am 22. Juni 1997 noch voraussichtlich weitere vier Stunden mitgeholfen. In seiner Familie sei es üblich, sich bei Bedarf untereinander zu helfen. Mit Eigenbaunachweis vom 7. Juni 1998 gab er an, die Klägerin habe - nach Wiedergenesung - im ersten Halbjahr 1998 weitere 32 Stunden Isolierungsarbeiten geleistet und mit Eigenbaunachweis vom 6. Januar 1999, sie habe im zweiten Halbjahr 1998 16 Stunden beim Isolieren und Putzen gearbeitet.
Am 17. und 24. März 1998 und am 15. September 1998 erließ die Beklagte gegenüber den Bauherren Beitragsbescheide für die bis 30. Juni 1998 erklärten Arbeitsstunden unter Einschluss der für die Klägerin angegebenen Mithilfezeiten. Diese Bescheide änderte sie mit Bescheid vom 13. Mai 1998, in dem sie den Beitrag um die für die Klägerin angeforderten Beitragsanteile reduzierte.
Mit Bescheid vom 5. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfallereignisses vom 18. Juni 1997 als Arbeitsunfall ab, da die Klägerin nicht arbeitnehmerähnlich sondern aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehung zu ihrem Sohn bei einer Gefälligkeitsleistung zwischen Verwandten verunglückt sei. Da man sich in der Familie A. bei Bedarf untereinander helfe und der Sohn B. auch die Klägerin bei deren Wiedererrichtung eines Einfamilienhauses nach Brandschaden in der ersten Hälfte der 90er Jahre unterstützt habe, sei von einer konkreten verwandtschaftlichen Bindung auszugehen, die die Mithilfe der Klägerin bei den Eigenbauarbeiten geprägt habe. Auch Art und Umfang der Mithilfe sprächen nicht gegen die Annahme einer Gefälligkeitsleistung. Die von der Klägerin verrichtete Arbeit sei insbesondere nicht gefährlich gewesen.
Die Klägerin erhob hiergegen am 8. November 1999 vor dem Sozialgericht Fulda (SG) Klage und trug vor, ihre Tätigkeit zum Unfallzeitpunkt habe nur einen kleinen Teil der gesamten Hilfeleistungen ausgemacht. Die Isolierungsarbeiten seien durchaus auch gefahrgeneigt gewesen und hätten von ihr auch im Treppenhaus unter Benutzung eines Gerüstes durchgeführt werden müssen.
Das SG hat einen Bericht des behandelnden Orthopäden F. vom 20. Juni 2000 beigezogen, dem Fremdbefunde beigefügt waren. Im Kammertermin vom 16. Januar 2001 hat es die Klägerin persönlich zum Unfallgeschehen und zu ihren Hilfeleistungsmaßnahmen insgesamt gehört sowie auch ihren Sohn B. A.-B. als Zeugen. Wegen deren Angaben/Aussage wird auf das Terminsprotokoll Bezug genommen.
Mit Urteil vom 16. Januar 2001 hat das SG den Unfall der Klägerin vom 18. Juni 1997 als Arbeitsunfall anerkannt, da die Klägerin wie eine Beschäftigte tätig geworden sei, als sich der Unfall ereignet habe. Die Klägerin habe ihrem Sohn bei dessen Neubau eines Holzständerhauses bei Eigenbauleistungen unentgeltlich geholfen. Zwischen beiden bestehe zwar eine Eltern-Kind-Beziehung als engstes verwandtschaftliches Gemeinschaftsverhältnis. Die tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehungen seien jedoch nicht besonders stark gewesen. Eine häusliche Gemeinschaft habe seit Juli 1990 nicht mehr bestanden, als der Sohn der Klägerin zum Studium nach G. verzogen sei. Das errichtete Haus habe auch nicht von Klägerin und Sohn gemeinsam bewohnt werden sollen. Nach den glaubhaften Angaben der Klägerin und ihres Sohnes als Zeuge im Kammertermin sollte die Klägerin Isolier- und Tapezierarbeiten übernehmen, wobei die Isolierarbeiten zum Unfallzeitpunkt ziemlich fertig gestellt gewesen seien, nachdem die Klägerin bis dahin 22 Stunden mitgeholfen habe. Es seien noch Restisolierungsarbeiten sowie Tapezier- und Malerarbeiten zu verrichten gewesen. Ausweislich der vom Bauherrn vorgelegten weiteren Eigenbaunachweise habe die Klägerin im Anschluss an den Unfall noch 48 weitere Stunden beim Isolieren und Säubern mitgeholfen. Ohne den Unfall wäre ihre Mithilfe noch größer ausgefallen und sie hätte insbesondere bezüglich der Tapezier- und Streicharbeiten noch mehr Arbeitsstunden verrichtet. Die Klägerin habe danach im Alter von 66 Jahren weitaus mehr Arbeiten verrichtet, als allgemein in einem Familienverband zu erwarten gewesen sei. Dabei habe es sich bei den Isolierungsarbeiten um keine angenehme Tätigkeit gehandelt und die Klägerin habe zudem gefährliche Arbeiten auf Gerüsten verrichten müssen. In Anbetracht des Umfanges von 70 geleisteten Arbeitsstunden und zu erwartender umfangreicherer Mithilfe bei Nichterleiden des Unfalls stelle die Mithilfe der Klägerin insgesamt keine verwandtschaftlich geprägte Gefälligkeitsleistung mehr dar.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 5. Februar 2001 zugestellte Urteil am 9. Februar 2001 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und zu deren Begründung vorgetragen, die Klägerin habe bei den Isolierungsarbeiten lediglich 22 Stunden bis zum Unfall mitgearbeitet und anschließend seien weitere vier Stunden Mithilfe vorgesehen gewesen. Später habe der Bauherr weitere Mithilfeleistungen im Umfang von 48 Stunden beim Tapezieren, Isolieren und Putzen für 1998 angegeben. Bei der Mithilfe einer Mutter gegenüber ihrem Sohn in diesem Umfange handele es sich um eine Gefälligkeitsleistung, da eine derartige Mithilfe noch ihr Gepräge durch das familiäre Band erhalte und nicht als arbeitnehmerähnlich angesehen werden könne. Die Klägerin habe etwa vier Tage Tapezier- und zwei Tage für Isolierarbeiten aufgebracht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 16. Januar 2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht hat die Klägerin im Termin vom 20. Dezember 2001 ergänzend gehört und in gleicher Weise den Zeugen B. A.-B., wegen der Aussagen/Angaben auf das Terminsprotokoll Bezug genommen wird. Beide Beteiligte haben sich damit einverstanden erklärt, dass der Berichterstatter den Rechtsstreit als Einzelrichter im Termin vom 20. Dezember 2001 entscheidet.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten als Einzelrichter entscheiden durfte (§ 155 SGG), ist nicht begründet, da das SG den Unfall der Klägerin vom 18. Juni 1997 zu Recht als Arbeitsunfall anerkannt hat. Denn die Klägerin war arbeitnehmerähnlich mit Eigenbauarbeiten am Bauvorhaben ihres Sohnes B. A.-B. und ihrer Schwiegertochter A. B. beschäftigt, als sie von der Leiter stürzte und sich den 12. BWK brach.
Die Eheleute A. B. und B. A.-B. waren als Eigenbauherren "Unternehmer" nicht gewerbsmäßiger Bauarbeiten im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 136 Abs. 3 Ziffer 1, Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch -SGB- VII). Da das Eigenbauvorhaben und die dabei erforderlichen Mithilfearbeiten sich über mehrere Monate hinzogen, war die Beklagte fachlich und örtlich zuständiger Unfallversicherungsträger (§§ 114 Abs. 1 Ziffer 1, 121 Abs. 1, 122 Abs. 1, 129 Abs. 1 Ziffer 3 SGB VII). Die Klägerin stand unstreitig nicht in einem Beschäftigungsverhältnis zu den Bauherren gemäß § 2 Abs. 1 Ziffer 1 SGB VII, war aber wie eine Beschäftigte im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB VII tätig, als sie verunfallte.
Die Anwendung dieser Bestimmung setzt voraus, dass es sich bei der zum Unfall führenden Handlung um eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit handelt, die dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht, ihrer Art nach von Personen verrichtet werden kann, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, und dass die Tätigkeit derjenigen aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist, so dass durch sie ein innerer Zusammenhang mit dem unterstützten Unternehmen hergestellt wird. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Tätigkeit durch ihre Zielsetzung fremdbestimmt ist. Dabei reicht es aus, dass sie wegen ihrer Ähnlichkeit mit der aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses geleisteten Tätigkeit es rechtfertigt, den Verunglückten einem Arbeitnehmer des Unfallbetriebes gleichzustellen (Schwerdtfeger, in: Lauterbach, Unfallversicherung, SGB VII, Kommentar, Anm. 640, 641 zu § 2; BSGE 5, 168; 18, 143, 145, 146; BSG, Urteil vom 26. November 1987 - Az.: 2 RU 34/86 -).
Die Klägerin erfüllt diese Voraussetzungen, denn sie verrichtete am Wohnhaus des Sohnes und der Schwiegertochter dem Bauvorhaben dienliche Isolierungsarbeiten, womit sie auch dem ausdrücklichen Willen der Bauherren entsprach. Derartige, dem Unternehmen der Bauherren dienliche und damit fremdbestimmte Isolierungsarbeiten werden auch von Bauhandwerkern auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erbracht.
Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass es an der Ähnlichkeit einer Tätigkeit mit der aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses nach gefestigter Rechtsprechung bei Gefälligkeitshandlungen fehlen kann, die unter Verwandten vorgenommen werden und von familiären Beziehungen zwischen Angehörigen geprägt sind (BSG SozR 2200 § 539 RVO Nrn. 43, 55, 66, 134, Urteil des BSG vom 30. April 1991 - 2 RU 78/90 -), ebenso bei sonstigen tatsächlich ähnlich engen Bindungen im Rahmen eines Gemeinschaftsverhältnisses (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 49) oder eines gutnachbarschaftlichen Verhältnisses (BSG SozR 2200 § 539 Nr. 57, SozR 3-2200 § 539 Nr. 6, BSG, Urteil vom 17. März 1992 - 2 RU 6/91 -). Handelt es sich um einen aufgrund der konkreten sozialen Beziehungen geradezu selbstverständlichen Hilfsdienst oder ist die zum Unfall führende Verrichtung als Erfüllung gesellschaftlicher, nicht rechtlicher Verpflichtungen anzusehen, die bei besonders engen Beziehungen zwischen Verwandten, Freunden oder Nachbarn typisch, üblich und deshalb zu erwarten sind, entfällt der Versicherungsschutz nach § 2 Ziffer 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 SGB VII (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1992 -2 RU 6/91 - m.w.N.). Auf die Zeitdauer der Verrichtung kommt es hierbei nicht alleine an. Es hat eine Wertung im Rahmen einer Zurechnungsentscheidung zu erfolgen, wobei die gesamten Umstände des Einzelfalls - beispielsweise Art, Umfang, Zeitdauer der verrichteten Tätigkeit und Intensität der tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehungen - zu beachten sind (BSG, Urteil vom 27. März 1990 - 2 RU 32/89 -; BSG in SozR 2200 Nrn. 43, 59, 55 zu § 539 RVO). Die familienhafte Prägung einer Tätigkeit ist umso eher zu bejahen, je enger die familienrechtlichen Verwandtschaftsverhältnisse zwischen den Beteiligten sind (BSG SozR 2200 Nrn. 49 und 66 zu § 539 RVO; BSG, Urteil vom 20. April 1993 -2 RU 38/92-; Wiester in: Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Gesetzliche Unfallversicherung, Anm. 855 zu § 2). Ausschlaggebend ist aber letztlich nicht allein der Grad der verwandtschaftlichen Beziehung sondern die tatsächlich praktizierte Intensität derselben, die beispielsweise bei einem Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt eine besondere Stärke aufweist (Bereiter-Hahn, Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, Anm. 34 zu § 2 SGB VII; BSG SozR 2200 § 539 RVO Nr. 134).
Zur Abgrenzung familienhafter Mithilfe von arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit speziell bei Eigenbauarbeiten hat die Rechtsprechung auch auf die Art der Tätigkeit abgestellt und hat Ausbesserungs-, Anstreicher- und Tapezierarbeiten als ohne besondere Sachkunde zu erledigende vielfach in Eigenarbeit verrichtete Arbeiten angesehen, bei denen familienhafte Mithilfe regelmäßig vorkomme und auch noch bei einem Aufwand von 40 Stunden bejaht werden könne (Urteil des BSG vom 29. September 1992 - Az.: 2 RU 46/91 -). Die zweitägige Reparatur eines Garagendaches hat das BSG noch als familienhafte Mithilfe gewertet, weil der die Arbeiten verrichtende Vater mit der Tochter in häuslicher Gemeinschaft lebte und von daher auch ein eigenes Interesse am Erhalt des gemeinsam bewohnten Hauses hatte (BSG in SozR 3-2200 § 539 Nr. 25). Beim Fehlen derartiger enger Beziehungen hat das BSG vergleichbare Arbeiten nicht mehr der familienhaften Mithilfe zugerechnet (Urteile des BSG vom 30. April 1991 - Az.: 2 RU 78/90 - und vom 21. August 1991 - Az.: 2 RU 2/91 -). Das Landessozialgericht Niedersachsen (Urteil vom 13. März 1997 - Az.: L 6 U 348/96 -) hat gesetzlichen Unfallversicherungsschutz für den Unfall eines am Hauses seines Schwiegersohnes verunglückten Putzers verneint, der Anstreicharbeiten im Umfang von 16 Stunden durchführen wollte und beim Aufstellen des Gerüstes abstürzte. Es hat die beabsichtigte Arbeit als familienhafte Mithilfe angesehen. Das Landessozialgericht Saarland hat mit Urteil vom 30. März 1993 - Az.: L 2 U 8/89 - ein ebenfalls beim Aufbau eines Gerüstes erlittenen Unfall in gleicher Weise gewürdigt. Das Unfallopfer wollte am Hause seiner Eltern Wärmedämmungs- und Holzverkleidungsarbeiten durchführen, die einen Gesamtaufwand von ca. 160 Stunden erfordert hätten, wovon der Verunglückte ohne den Unfall etwa 50 Stunden geleistet hätte.
Das SG hat richtig erkannt, dass die Eltern-Kind-Beziehung als engstes verwandtschaftliches Gemeinschaftsverhältnis zu gelten hat. Davon ausgehend hat es zutreffend dargelegt, dass die konkreten Umstände eine besonders intensive gelebte familiäre Verbindung zwischen Klägerin und ihrem Sohn B. bzw. der Schwiegertochter A. nicht ergeben, weswegen zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 6 der erstinstanzlichen Gründe verwiesen wird (§ 153 Abs. 2 SGG).
Auch Art, Umfang und Zeitdauer der von der Klägerin ausgeübten Mithilfearbeiten, wie sie sich aus dem Gesamtbild der ausgeführten und beabsichtigten Verrichtungen ergeben (dazu BSG in SozR 3-2200 Nr. 8 zu § 539 RVO), rechtfertigen es nicht, die Aktivitäten der Klägerin, beim Eigenbauvorhaben des Sohnes als maßgeblich familienhaft geprägte Mithilfe zu werten. Die Klägerin stürzte zwar am 18. Juni 1997 bei Isolierungsarbeiten in einem Wohnraum aus nur geringer Höhe von der Stehleiter, so dass für die konkrete zum Unfall führende Tätigkeit eine besondere Gefährlichkeit nicht angenommen werden kann. Sie hatte aber sowohl beim Isolieren der Decken ein fahrbares Gerüst zu besteigen und hatte auch bei den Isolierungsarbeiten im Treppenhaus auf einem sogenannten Arbeits- und Steckgerüst mitgeholfen, wobei das Treppenhaus von der Kellertreppe bis zum Dach offen stand, da die Geschosstreppe noch nicht eingebaut war, wodurch Arbeiten in einer Höhe von bis zu mehr als 8 m erforderlich wurden. Zumindest die Arbeiten auf den Gerüsten in einer Höhe bis zu über 8 m sind als nicht ungefährlich anzusehen und erlauben nicht die Annahme, dass ein Sohn derartige Aktivitäten von seiner 66jährigen Mutter im Rahmen der Beistandspflicht aus § 1618 a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) - sei es als sittliche oder gar rechtliche Verpflichtung - erwarten konnte. Insoweit ist vielmehr auf Literatur und Rechtsprechung - auch die des erkennenden Senats - zu verweisen (Urteil des Senats vom 9. August 2001 - Az.: L 3 U 358/01 -; Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 1987 Az.: L 3 U 9/86 -; Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 10. Oktober 1993 - Az.: L 2 U 592/91 -; Riebel in: Hauck, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, Kommentar, Anm. 280 a zu K § 2), die Arbeiten mit erheblichem Gefährdungspotential nur eingeschränkt im Rahmen der familienhaften Mithilfe zumuten. Hinzukommt, dass die von der Klägerin ausgeführten Dämmarbeiten mit Dämmkeilen aus Glaswolle verrichtet wurden, die vor Ort zugeschnitten wurden, so dass auch eine gesundheitliche Gefährdung durch diese Arbeiten nicht auszuschließen war, zumal für die Verwendung irgendwelcher Schutzmaßnahmen keinerlei Anhaltspunkte vorliegen.
Schließlich ging auch der Umfang der von der Klägerin geleisteten Arbeitsstunden deutlich über das Maß hinaus, das in der Rechtsprechung noch als familienhaft zu erwarten angesehen wird. Denn die Klägerin hatte bis zum Unfall - wie in dem Eigenbaunachweis vom 25. September 1997 angegeben - bereits 22 Stunden bei Isolierungsarbeiten geholfen. Soweit der Zeuge B. A.-B. im 1. Eigenbaunachweis vom 24. Juni 1997 nur 12 Stunden angegeben hatte, hat er diese Differenz vor dem Berufungsgericht aufgeklärt und hat hierzu angegeben, dass die erste Zusammenstellung von seiner Frau erstellt worden sei, die sich dabei geirrt habe, so dass er diese Angaben habe korrigieren müssen. Nach Wiedergenesung der Klägerin hat sie 1998 gemäß Eigenbaunachweisen vom 7. Juni 1998 und 6. Januar 1999 weitere 48 Stunden mitgeholfen, woraus sich eine Gesamtstundenzahl von 70 errechnet. Wäre die Klägerin nicht verunfallt, hätte sie im zweiten Halbjahr 1997 zusätzliche Arbeitsstunden geleistet. In Anbetracht dessen überschreitet ihre Arbeitsstundenzahl beim Eigenbau des Sohnes die bisher als noch familienhaft zu erwartende im Bereich von 40 bis 50 Stunden angesiedelte Arbeitsleistung um fast das Doppelte, so dass auch der Umfang ihrer Mithilfe eine nicht mehr zwischen Mutter und Kind zu erwartende Arbeitsleistung darstellt, die vielmehr nicht familienhaft sondern arbeitnehmerähnlich erbracht wurde.
Da das Berufungsgericht sich an der bisherigen Rechtsprechung orientiert hat und der Fall der Klägerin nach den darin aufgestellten Kriterien zweifelsfrei als Arbeitsunfall bei arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit anzusehen war, hat es die Revision nicht zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG). Auf die weiteren Fragen des Bestehens einer Formalversicherung und evtl. Folgen einer fehlerhaften Information der Beklagten durch Verwendung des dem Bauherrn A.-B. überlassenen Merkblattes kam es danach nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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