L 4 KA 33/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 575/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 33/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 8/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten für das Berufungsverfahren zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert wird auf 60.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Genehmigung der Anstellung einer Ärztin in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ).

Die Klägerin betreibt das MVZ Universitätsklinikum AAB. I (im Folgenden MVZ I) sowie das MVZ Universitätsklinikum AAB. II (im folgenden MVZ II) als Zweigniederlassungen im Sinne des § 13 HGB. Mit Schreiben vom 22. Oktober 2007 beantragte sie, die Anstellung von Frau Dr. L., einer Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden im MVZ II zu genehmigen. Frau Dr. L. war bislang als angestellte Ärztin in Vollzeit beim MVZ I tätig. Die Arztstelle, auf welcher sie im neuen MVZ II angestellt werden sollte, hatte sie bisher im MVZ I ausgefüllt. Diese Stelle sollte mit ihr ab dem 1. Januar 2008 in das neue MVZ II wechseln, in dem sie die ärztliche Leitung übernehmen sollte. Hintergrund war nach Angaben der Klägerin, dass das bisherige MVZ in ein MVZ II mit patientennäheren und sprechstundenintensiveren Leistungen (Pädiatrie, Chirurgie, Neurologie) und ein MVZ I mit weniger sprechstundenintensiven Leistungen aufgeteilt werden sollte.

Der Zulassungsausschuss stellte mit Beschluss vom 27. November 2007 fest, dass die wöchentliche Arbeitszeit von Frau Dr. L. im MVZ I von 40 Stunden auf 31 Stunden zum 1. Januar 2008 reduziert werde. Mit weiterem Beschluss vom 27. November 2007 ließ er das MVZ II zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung mit Wirkung zum 1. Januar 2008 zu, die ärztliche Leitung wurde durch Frau Dr. L. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 9 Stunden wahrgenommen. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2007 teilte die Klägerin mit, dass der Antrag auf Wechsel der Arztstelle der Frau Dr. L. von dem bereits seit dem Jahr 2005 zugelassenen MVZ I in das MVZ II mitsamt der Anstellung der Frau Dr. L. im MVZ II im selben Vollzeitarbeitsverhältnis wie bislang aufrechterhalten werde. Die Beigeladene zu 1) vertrat hierzu die Auffassung, dass eine Weitergabe einer Angestelltenstelle von einem MVZ auf ein anderes im Gesetz nicht vorgesehen und damit nicht zulässig sei. Insbesondere sei eine analoge Anwendung des § 103 Abs. 4a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nicht möglich. Hier sei lediglich die Fallgestaltung geregelt, dass ein Vertragsarzt, welcher sich anschließend in einem Medizinischen Versorgungszentrum anstellen lassen möchte, auf seine Zulassung verzichte. Eine Übertragung dieser Regelung auf Medizinische Versorgungszentren sei nicht möglich.

Der Zulassungsausschuss für Ärzte lehnte mit Beschluss vom 29. Januar 2008 (ausgefertigt: 15. April 2008) den Antrag der Klägerin auf Anstellung der Frau Dr. L. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ab. Zur Begründung schloss er sich der Rechtsauffassung der Beigeladenen zu 1) an. Hiergegen legte die Klägerin am 16. Mai 2008 Widerspruch ein. Sie legte eine Erklärung des MVZ I über den Verzicht auf die Kinderarztstelle zu Gunsten des MVZ II vor.

Der Beklagte wies mit Beschluss vom 6. August 2008 (ausgefertigt: 29. August 2008), der Klägerin am 1. September 2008 zugestellt, den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er aus, ein Anspruch der Klägerin auf die von ihr beantragte Genehmigung des Übergangs der pädiatrischen Vertragsarztstelle der Frau Dr. L. vom MVZ I auf das MVZ II sei nicht ersichtlich. Eine unmittelbare Anwendung des § 103 Abs. 4a SGB V scheide aus, da die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift nicht erfüllt seien. Auch eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift komme nicht in Betracht. Weitere Rechtsgrundlagen, die den Antrag der Klägerin zu tragen in der Lage wären, seien nicht ersichtlich.

Hiergegen hat die Klägerin am 1. Oktober 2008 Klage beim Sozialgericht Marburg erhoben und die Auffassung vertreten, ihr Anspruch ergebe sich aus § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V mit der daraus herzuleitenden entsprechenden Anwendung des § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V.

Unter Verweis auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss hat der Beklagte ausgeführt, § 103 Abs. 4a SGB V regele nur den Fall, dass ein Vertragsarzt seine Zulassung aufgebe, um in einem MVZ tätig zu werden. Eine solche Fallgestaltung liege hier nicht vor, da hier ein MVZ eine ihm zurechenbare Vertragsarztstelle an ein anderes MVZ weiterreichen wolle. Mit dem Eintritt in das MVZ beende der Vertragsarzt jedwede vertragsärztliche Tätigkeit in eigener Verantwortung, demgegenüber sei das abgebende MVZ weiterhin tätig. Auch bei der Anstellung von Ärzten finde eine nicht wieder umkehrbare Verwandlung einer vertragsärztlichen Zulassung in eine Angestelltenstelle statt.

Mit Urteil vom 14. Januar 2009 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Anstellung der Frau Dr. L. mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden im MVZ II, da hierfür keine zu besetzende Vertragsarztstelle in diesem Umfang vorhanden sei und eine entsprechende, bei dem MVZ I vorhandene Vertragsarztstelle nicht auf das MVZ II übertragen werden könne. Für eine Übertragung einer bei dem MVZ I vorhandenen Vertragsarztstelle auf das MVZ II sei eine Rechtsgrundlage nicht vorhanden. § 103 Abs. 4a SGB V privilegiere die Gründer und Betreiber eines Medizinischen Versorgungszentrums, das als weiterer Leistungserbringer in der vertragsärztlichen Versorgung durch das Gesundheitsmodernisierungsgesetz in § 95 Abs. 1 SGB V eingefügt worden sei. Die Norm schaffe weitere Ausnahmeregelungen zu den Zulassungsbeschränkungen in überversorgten Planungsbereichen, um die Gründung von MVZ zu forcieren. Es bestehe insoweit eine Privilegierung des MVZ, als es Ärzten den Wechsel aus der vertragsarztrechtlichen Zulassung und Niederlassung in die Angestelltentätigkeit in einem MVZ erleichtere und es einem MVZ ermögliche, einen zur Nachfolge ausgeschriebenen Vertragsarztsitz zu übernehmen und die vertragsärztliche Tätigkeit durch einen angestellten Arzt weiterzuführen. § 103 Abs. 4a Satz 2 SGB V fingiere unabhängig von den tatsächlichen Verhältnissen, dass eine Praxisfortführung erfolge. § 103 Abs. 4a SGB V regele insgesamt dezidiert die Möglichkeiten, die ein MVZ bei der Übernahme von Vertragsarztsitzen habe. Diese Vertragsarztsitze benötige es, da für ein MVZ das Bedarfsplanungsrecht gleichermaßen wie für Vertragsärzte gelte, und es ohne die Regelung keine Ärzte anstellen könnte. Eine analoge Anwendung auf MVZ scheide damit aus. Soweit das SGB V eine Gesetzesanalogie anordne, werde diese eingeschränkt. Die Vorschriften des Vertragsarztrechts, die sich auf Ärzte bezögen, gälten nur entsprechend für Zahnärzte, Psychotherapeuten und MVZ, sofern nichts Abweichendes bestimmt sei (§ 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V). § 103 Abs. 4a SGB V treffe aber gerade eine abweichende Regelung für MVZ. Bereits vom Wortlaut her gelte diese Vorschrift nicht für Ärzte, sondern nur für MVZ. Antragsteller für die Genehmigung sei nur das MVZ (§ 95 Abs. 2 Satz 6 SGB V). Es folge lediglich darüber hinaus auch ein Anspruch des Arztes auf Genehmigung. Wortlaut, Entstehungsgeschichte und jetzt auch die Systematik der Abs. 4a und 4b des § 103 SGB V zeigten damit eindeutig, dass der Gesetzgeber in diesem Bereich unterschiedliche Regelungen für MVZ und Ärzte geschaffen habe, so dass eine weitergehende Analogie nicht in Betracht komme

Gegen das ihr am 20. Januar 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. Februar 2009 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Ergänzend zu ihrem bisherigen Vortrag führt sie zur Begründung im Wesentlichen aus, § 104 Abs. 4a Satz 1 SGB V sei nach § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V entsprechend auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden. Dies ergebe sich auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1525). Einer Regelungslücke bedürfe es für die entsprechende Anwendung nicht. Soweit darüber hinaus das Erfordernis einer planwidrigen Regelungslücke gesehen werde, handele es sich nicht um eine bewusste Nichtregelung, das Bundesgesundheitsministerium, das bei den jüngsten Gesundheitsreformen federführend gewesen sei, habe hierzu angegeben, die Übertragbarkeit einer Arztstelle von MVZ zu MVZ sei im Gesetzgebungsverfahren nicht diskutiert worden. Auch § 103 Abs. 4a Satz 1 2. HS SGB V spreche nicht gegen den Genehmigungsanspruch, denn mit der Nichtfortführung einer Praxis in diesem Sinne sei auch die Nichtfortführung des zulassungsbezogenen Teils einer Gemeinschaftspraxis erfasst; nach der Einbringung des Vertragsarztsitzes eines Mitglieds in ein MVZ könne die restliche Praxis ohne den ausscheidenden Arzt und ohne dessen anteilige Mitarbeit fortgeführt werden; entsprechend solle das MVZ I nach dem Ausscheiden der Kinderärztin ohne den Fachbereich Pädiatrie weiterarbeiten. Darüber hinaus sei entgegen der Auffassung des Sozialgerichts die vom Gesetzgeber beabsichtigte Privilegierung von MVZ ein Argument für die analoge Anwendung von § 103 Abs. 4a SGB V betreffend die einen Vertragsarztsitz abgebende Stelle. Ebenso wie nach der Rechtsprechung des Sozialgerichts Marburg (Urteil vom 30. Januar 2008 – S 12 KA 1079/06) § 121 SGB V für die belegärztliche Tätigkeit von MVZ-Ärzten entsprechend anwendbar sei, gelte dies für die streitgegenständliche Frage der Anwendbarkeit von § 103 Abs. 4a SGB V. Weiterhin bestehe ein durch Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschütztes Interesse an der Übertragung einer Arztstelle von einem MVZ auf ein anderes. Schließlich dürfe es nicht zu einer Benachteiligung gegenüber der sonst mittlerweile gleichgestellten vertragsärztlichen Tätigkeit in Einzel- oder Gemeinschaftspraxis kommen. Jeder Vertragsarzt könne die Entscheidung treffen, eine Gemeinschaftspraxis aufzulösen und eine neue Gemeinschaftspraxis an einem anderen Ort mit einem anderen Arzt zu begründen. Es sei daher kein sachlicher Grund erkennbar, weshalb ein MVZ insoweit rechtlich anders behandelt werden solle als eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis. Außerdem stelle § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V eine Regelung dar, die genau das Bestreben der Klägerin, die Arztstelle für Pädiatrie von dem seit 2005 zugelassenen MVZ I in das MVZ II mitsamt der Anstellung von Frau Dr. L. zu verlegen, erlaube. Durch diese Verlegung werde der Fortbestand beider MVZ nicht gefährdet. Darüber hinaus würden auch bei Beendigung eines MVZ die Vertragsarztzulassung entweder von einem anderen MVZ oder anderen Vertragsarztpraxen übernommen. Wenn die Stelle eines angestellten Arztes, der auf seine Zulassung zugunsten des eigenen MVZ verzichtet habe, nicht auf ein anderes MVZ übertragen werden könne, falle die Zulassung ohne analoge Anwendung von § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V weg, es müsse daher die Möglichkeit bestehen, die Vertragsarztzulassung rückumzuwandeln oder den Sitz entweder in ein MVZ oder in eine Arztpraxis zu verlegen. Nur so sei eine auch vom Gesetzgeber gewollte Sicherstellung der Versorgung der Versicherten gewährleistet. Könne bei Auflösung eines MVZ der in das MVZ eingebrachte Vertragsarztsitz in dieser Weise separiert werden, könne auch ein Vertragsarztsitz von einem MVZ in ein anderes verlegt werden. Sei dies nicht möglich, stehe dem Art. 14 GG entgegen. Vor dem Hintergrund des Eigentumsschutzes müsse nicht nur § 103 Abs. 4 SGB V analog auf die Fälle der Auflösung der MVZ angewandt werden, sondern auch es müsse dieser Paragraph auch analog auf die Verlegung des Arztsitzes von einem MVZ in das andere angewandt werden können. Andernfalls stelle dies auch eine Ungleichbehandlung dar. Der zugelassene Vertragsarzt könne jederzeit seine Praxis verlegen, der Arzt, der auf seine Zulassung des MVZ verzichtet habe, habe zwar das Recht, unter bestimmten Voraussetzung nach fünf Jahren Tätigkeit eine neue Zulassung zu erhalten, dürfe aber nicht in ein anderes MVZ wechseln bzw. würde alles ersatzlos verlieren, wenn das MVZ in irgendeiner Form beendet werde.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 14. Januar 2009 und den Beschluss des Beklagten vom 6. August 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Anstellung von Frau Dr. L. im MVZ Universitätsklinikum AAB. II zu genehmigen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte vertritt die Auffassung, das erstinstanzliche Urteil sei zutreffend. Eine direkte oder analoge Anwendung von § 103 Abs. 4a SGB V scheide aufgrund des Wortlauts, des systematischen Regelungsgehaltes der Vorschrift, ihrer Zielsetzung und ihrer historischen Genese aus. Die Norm diene der Privilegierung von MVZ, mit ihr solle die Einbringung einer vertragsärztlichen Zulassung in ein MVZ erleichtert werden, hierdurch würden MVZ mittelbar privilegiert. § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V stelle eine Spezialvorschrift dar, deren Regelungsgehalt nicht im Sinne der Klägerin auf den streitgegenständlichen Sachverhalt übertragen werden könne, denn es handele sich hierbei um eine vollständig andere Fallgestaltung als die gesetzlich geregelte. § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V stelle eine Sonderregelung für einzelne angestellte Ärzte dar, deren analoge Anwendung rechtsmethodisch unzulässig sei. Unabhängig von der Frage des Fortbestands des abgebenden MVZ habe der Gesetzgeber generell die Herauslösung von Arztstellen aus vorhandenen MVZ nicht vorgesehen. Ein Vergleich mit einer Gemeinschaftspraxis sei nicht anzustellen, da es sich dabei im Verhältnis zu MVZ um unterschiedliche Rechtskonfigurationen handele, die auch nach der Rechtsauffassung des SG eine unterschiedliche rechtliche Betrachtung notwendig mache. Weiterhin sei die Frage, wie mit eingebrachten Vertragsarztsitzen im Falle der Auflösung eines MVZ zu verfahren sei, nicht zu entscheiden; es sei aber keineswegs außergewöhnlich oder gar ausgeschlossen, dass vorhandene Vertragsarztsitze ersatzlos wegfielen, insofern stelle dies keinen regelungsbedürftigen Sonderfall dar. Nicht nachvollziehbar sei deshalb, warum eine Entschädigungspflicht nach Art. 14 Abs. 3 GG eintreten solle, weil bei der Auflösung eines MVZ ein Vertragsarztsitz nicht weitergegeben werden könne. Soweit sich die Klägerin auf Art 3 Abs. 1 GG berufe, seien unterschiedliche Regelungen für Vertragsärzte und MVZ unter verfassungsrechtlichen Aspekten völlig unbedenklich.

Die Beigeladenen zu 1) bis 8) stellen keinen Antrag.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Beklagtenakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz des Ausbleibens der Beigeladenen zu 2) bis 8) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. Februar 2010 entscheiden, weil die Beigeladenen zu 2) bis 8) ordnungsgemäß zum Termin geladen waren und mit der Ladung darauf hingewiesen wurde, dass auch im Falle ihres Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass kein Anspruch auf die Genehmigung der Anstellung von Frau Dr. L. im MVZ II der Klägerin besteht. Das Urteil vom 14. Januar 2009 sowie der Beschluss des Beklagten vom 6. August 2008 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Als Inhaberin des MVZ II ist die Klägerin zunächst aktivlegitimiert. Das MVZ II stellt sich als Zweigniederlassung nach § 13 HGB nicht als selbständige juristische Person des Privatrechts dar und ist selbst nicht rechtsfähig (Hopt in: Baumbach/Hopt, Handelsgesetzbuch, 33. Auflage 2008, § 13 RdNr. 4).

Der Beklagte hatte den Antrag der Klägerin auf Anstellung von Frau Dr. L. im MVZ II gemäß § 95 Abs. 2 Satz 9 SGB V jedoch abzulehnen, weil bei Antragstellung Zulassungsbeschränkungen im betroffenen Planungsbereich nach § 103 Abs. 1 Satz 2 SGB V angeordnet waren und es sich – entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht um eine Nachbesetzung einer Arztstelle gemäß § 103 Abs. 4a Satz 5 SGB V handelt, die auch möglich ist, wenn Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind.

Vielmehr fehlte es an der für die begehrte Anstellung im zulassungsbeschränkten Planungsbereich erforderlichen Kinderarztstelle, weil diese nicht vom MVZ I auf das MVZ II übertragen werden kann. Für eine solche Übertragung fehlt es auch nach Auffassung des Senats an einer Rechtsgrundlage.

Insbesondere kommt § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V nicht als Rechtsgrundlage in Betracht. Hiernach hat der Zulassungsausschuss die Anstellung zu genehmigen, wenn ein Vertragsarzt in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, auf seine Zulassung verzichtet, um in einem medizinischen Versorgungszentrum tätig zu werden; eine Fortführung der Praxis nach § 103 Abs. 4 SGB V ist nicht möglich.

§ 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V ist nicht direkt anwendbar, weil nicht ein Vertragsarzt unter Verzicht seiner Zulassung seinen Vertragsarztsitz in ein medizinisches Versorgungszentrum eingebracht hat, um dort tätig zu werden. Auch eine entsprechende Anwendung ist unbeschadet der Regelung in § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V nicht möglich; auf die insoweit zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen und insoweit von der weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Ergänzend ist folgendes auszuführen:

Nach § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V gelten die Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V, soweit sie sich auf Ärzte beziehen, zwar entsprechend auch für medizinische Versorgungszentren, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Durch diese mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) vom 14.11.2003 (BGBl. I, S. 2190) eingeführte Regelung sollte nach der Gesetzesbegründung sichergestellt werden, dass die Vorschriften der vertragsärztlichen Versorgung auch für die medizinischen Versorgungszentren und mittelbar auch für die in den Zentren tätigen Ärzte gelten (BT-Drucks. 15/1525, S. 96). Bei § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V handelt es jedoch nicht um eine "Vorschrift für Ärzte" im Sinne von § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V, sondern um eine Sonderregelung für MVZ.

Ersichtlich war mit der generalklauselartigen Regelung des von § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V intendiert, die Anwendbarkeit bisheriger Regelungen für Vertragsärzte für die neue Form der ambulanten Versorgung in Gestalt der medizinischen Versorgungszentren zu ermöglichen. Demgegenüber hat der Gesetzgeber mit § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V gleichfalls mit dem GMG eine spezielle Regelung für medizinische Versorgungszentren geschaffen, um die Möglichkeiten von deren Neugründung auch in überversorgten Planungsbereichen zu verbessern. Es handelt sich dabei um eine – inhaltlich – von den allgemeinen Vorschriften des Bedarfsplanungsrechts abweichende Sonderregelung. Wie sich bereits aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/1525, S. 112) ergibt, wird das Verhältnis von Vertragsärzten und MVZ und die Möglichkeiten der Einbringung eines Vertragsarztsitzes in das MVZ spezifisch geregelt, für eine entsprechende Anwendung auf die – streitgegenständliche – Fallgestaltung des Verzichts eines MVZ auf eine Arztstelle zugunsten eines anderen MVZ ist auch unter Berücksichtigung des vorgenannten Gesetzeszwecks kein Raum. Mit § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V wollte der Gesetzgeber ausschließlich eine – neben der Fortführung einer Praxis durch ein MVZ nach § 103 Abs. 4a Satz 2 i. V. m. § 103 Abs. 4 SGB V stehende - "bedarfsplanungsneutrale" Möglichkeit schaffen, im zulassungsgesperrten Planungsbereich medizinische Versorgungszentren einzurichten, indem der niedergelassene Arzt seinen Zulassungsstatus aufgibt und "in das medizinische Versorgungszentrum mitnimmt" (BT-Drucks. 15/1525, a.a.O.). Die Vorschrift dient damit einer Umwandlung der ambulanten Versorgung der Versicherten von der hergebrachten Versorgungsform des niedergelassenen Vertragsarztes zugunsten der neu geschaffenen Versorgungsform des medizinischen Versorgungszentrums, von welcher sich der Gesetzgeber eine Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen mit dem Ziel der Überwindung sektoraler Grenzen bei der medizinischen Versorgung und die Erschließung von Effizienzreserven verspricht (BT-Drucks. 15/1525, S. 74). Der Klägerin ist zuzugestehen, dass die Neuerrichtung von medizinischen Versorgungszentren auch durch die von ihr angestrebte Verschiebung einer Arztstelle von MVZ zu MVZ begünstigt würde, es ist jedoch weder aus der Entstehungsgeschichte der Norm noch aus den Gesetzesmaterialien ersichtlich, dass eine über den Wortlaut hinausgehende weitergehende Begünstigung medizinischer Versorgungszentren dadurch beabsichtigt war, dass die Übertragung von Arztstellen zwischen den Zentren zu ermöglichen wäre.

Darüber hinaus ist § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V unabhängig davon, ob ggf. eine planwidrige Regelungslücke besteht, einer erweiternden oder analogen Auslegung aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschrift nicht zugänglich.

Eine erweiternde Auslegung ist insbesondere nicht verfassungsrechtlich geboten. Soweit sich die Klägerin auf den Eigentumsschutz aus Art 14 GG beruft, sind die Verwertungsmöglichkeiten der Klägerin hinsichtlich der von ihr im MVZ I gehaltenen Arztstellen hinreichend über § 103 Abs. 4 SGB V geschützt.

Sind für eine Arztgruppe in einem Planungsbereich Zulassungsbeschränkungen wegen Überversorgung angeordnet worden (§ 103 Abs. 1 und 2 SGB V), kann dort grundsätzlich kein Arzt mehr zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen werden. Eine Ausnahme hiervon lässt das Gesetz nach § 103 Abs. 4 SGB V zu, wenn die Zulassung eines Vertragsarztes – durch Erreichen der Altersgrenze, Tod, Verzicht oder Entziehung – endet. Auf Antrag des ausscheidenden Vertragsarztes bzw. seiner zur Verfügung über die Praxis berechtigten Erben hat die Kassenärztliche Vereinigung diesen Vertragsarztsitz in den für ihre amtlichen Bekanntmachungen vorgeschriebenen Blättern unverzüglich auszuschreiben und eine Liste der eingehenden Bewerbungen zu erstellen, die dem Zulassungsausschuss zur Verfügung zu stellen ist, welcher den Nachfolger nach pflichtgemäßen Ermessen auszuwählen hat.

Regelungszweck des Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 4 SGB V ist es, den verfassungsrechtlichen Erfordernissen der Konkretisierung des sozialpflichtigen Eigentums dadurch Rechnung zu tragen, dass dem Inhaber einer Praxis deren wirtschaftliche Verwertung auch in einem für Neuzulassungen an sich gesperrten Gebiet ermöglicht wird (vgl. Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT- Drucks. 12/3927 S. 7; s. auch BSG, Urteil vom 29. September 1999 – B 6 KA 1/99 RBSGE 85, 1 ff, zitiert nach juris RdNr. 41). Weil andernfalls ein ausscheidender Arzt bzw. seine Erben keine Möglichkeit hätten, die oft einen erheblichen Wert repräsentierende Praxis zu verwerten, nimmt der Gesetzgeber damit die Fortsetzung des – an sich unerwünschten – Zustands der Überversorgung nach dem Ende der Zulassung hin. Das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Überversorgung und deren Abbau tritt in diesen Fällen zurück, wenn und soweit die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes (bzw. seiner Erben) die Erteilung einer Zulassung auch in einem gesperrten Gebiet als geboten erscheinen lassen (vgl. BSG a. a. O.). Über § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V ist die Nachbesetzungsvorschrift allein aufgrund des eigentumsrechtlich geschützten Verwertungsinteresses sicherlich auf diejenigen Fälle entsprechend anzuwenden, in denen ein medizinisches Versorgungszentrum auf seine Zulassung verzichtet und aufgelöst wird. Ob und inwieweit eine entsprechende Anwendung bei Verzicht auf nur eine Arztstelle wegen der Möglichkeit des Teilverzichts in § 103 Abs. 4 Satz 2 SGB V (in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung – GKV-OrgWG vom 15. Dezember 2008, BGBl. I, S. 2426) in Betracht kommt, bedarf für den streitgegenständlichen Sachverhalt keiner Entscheidung, denn weder ist Ausschreibung nach § 103 Abs. 4 SGB V beantragt noch ist ersichtlich, dass die Klägerin neben der Zulassung eigentumsrechtlich geschützte Werte im Sinne einer "fortführungsfähigen" Praxis vom MVZ I auf das MVZ II übertragen will. Die Zulassung als solche ist jedoch nicht über Art. 14 GG geschützt.

Gegenstand des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 GG ist das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, welcher sich bei einer Arztpraxis als die Sach- und Rechtsgesamtheit aller sachlichen, persönlichen und sonstigen Mittel in allen ihren Erscheinungsformen und Ausstrahlungen darstellt, die zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Organismus zusammengefasst sind. Geschützt wird der sich hieraus ergebende Mehrwert, der den Wert der einzelnen Wirtschaftsgüter übersteigt, und dessen wirtschaftliche Verwertung durch Veräußerung der Praxis (Fiedler, NZS 2003, 574). Die Zulassung allein ist nicht übertragbar und weder vom Schutzzweck des § 103 Abs. 4 Satz 1 SGB V umfasst noch vom Schutzbereich des Art. 14 GG, da es sich nicht um eine öffentlich-rechtliche Rechtsposition handelt, die auf Eigenleistungen des Berechtigten beruht (vgl. Dieterich in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 9. Auflage 2009, Art. 14 GG RdNr. 7). Selbst wenn mit der begehrten Übertragung der Kinderarztstelle eine Verschiebung von Vermögenswerten einherginge, begründete dies nicht die Notwendigkeit der Übertragung unter den insofern erleichterten Bedingungen des § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V, sondern es wäre ein hinreichender Eigentumsschutz auch unter den Voraussetzungen des § 103 Abs. 4 SGB V gegeben. Der Klägerin wäre das Ausschreibungs- und Nachfolgeverfahren nach Abs. 4 unter verfassungsrechtlichen Grundsätzen zuzumuten, weil ihre Verwertungsinteressen bei der Auswahlentscheidung der Zulassungsgremien berücksichtigt und mithin hinreichend geschützt würden. Eine erleichterte "Verwertung" unter den Voraussetzungen von § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V ließe sich darüber hinaus vor dem Hintergrund von Art. 3 Abs. 1 GG nicht rechtfertigen.

Die Klägerin macht weiterhin geltend, der allgemeine Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebiete eine entsprechende Anwendung von § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V auch für die Einbringung von Arztstellen eines medizinischen Versorgungszentrums in ein anderes medizinisches Versorgungszentrum. Unter Berücksichtigung des bereits beschriebenen Normzwecks ist indes eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung nicht gegeben. Die Klägerin verkennt, dass es dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums vorbehalten ist zu steuern, in welcher Weise neue Strukturen der ambulanten Versorgung aufgebaut werden und inwieweit hierfür unterschiedliche Normadressaten (hier Vertragsärzte einerseits und MVZ andererseits) verschiedene rechtliche Möglichkeiten erhalten, an dem intendierten Umbau der Versorgungsstrukturen teilzunehmen.

Soweit darüber hinaus die Eigentumsrechte der Klägerin als eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb betroffen sind, weil die freie Übertragbarkeit der von ihr im MVZ I zugeordneten Arztstelle auf das ebenfalls von ihr betriebene MVZ II eingeschränkt ist, so handelt es sich hierbei um eine nach Art. 14 GG zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung des der Sozialbindung unterliegenden Eigentums.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG vorliegen. Die Rechtsfrage, ob § 103 Abs. 4a Satz 1 SGB V auf die Übertragung einer Arztstelle von einem medizinischen Versorgungszentrum auf ein anderes entsprechend anzuwenden ist, hat nach Auffassung des Senats grundsätzliche Bedeutung.

Die endgültige Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs. 2, §§ 47, 52 Abs. 1, 2 Gerichtskostengesetz (GKG). Danach bestimmt sich der Streitwert aus der sich aus dem Antrag des Rechtsmittelführers ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen des Gerichts. In der zulassungsähnlichen Streitsache war dabei in Anlehnung an den Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit (Stand: 1. April 2009; Abschnitt IX. 16.5) auf die zu erwartenden Mehreinnahmen der Arztstelle innerhalb eines Zeitraums von drei Jahren abzüglich des Praxiskostenanteils abzustellen. In Ermangelung genügender Anhaltspunkte war dabei der Regelstreitwert von 5.000,00 EUR für jedes der zwölf Quartale des Drei-Jahres-Zeitraums heranzuziehen.
Rechtskraft
Aus
Saved