L 3 U 22/07

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 70/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 22/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 17/10 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die für die Annahme einer mittelbaren Unfallfolge zu fordernde wesentliche sachliche Verbindung ist nur dann gegeben, wenn objektiv die Voraussetzungen für einen ärztlichen Eingriff wegen Unfallfolgen vorliegen. Nur wenn die ärztliche Behnadlungsmaßnahme ohne den Versicherungsfall nicht oder anders durchgeführt worden wäre, kommt eine mittelbare Folge des Versicherungsfalls überhaupt in Betracht.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines isolierten Meniskusschadens als Folge eines Arbeitsunfalls vom 10. September 2003 sowie von Thrombosen und einer Venenklappeninsuffizienz als mittelbare Unfallfolgen und die Gewährung einer Rente nach den Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII).

Der 1954 geborene Kläger erlitt am 10. September 2003 einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall. An diesem Tag leitete er eine Tauchgruppe auf der Insel XY ... Mit seiner vollen Tauchausrüstung nebst Kamera mit einem Gesamtgewicht von ca. 40 bis 60 kg betrat der Kläger das Wasser. Als dieses mehr als knie-, aber noch nicht hüfttief war, trat er auf einen Stein und knickte um. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland unterzog sich der Kläger einer durchgangsärztlichen Untersuchung. Dr. C. diagnostizierte in seinem Durchgangsarztbericht vom 16. September 2003 nach Untersuchung vom 13. September 2003 eine Distorsion des rechten Knies. Nach einer weiteren Untersuchung vom 23. September 2003 (Bericht vom selben Tag) äußerte Dr. C. den Verdacht auf Innenmeniskusläsion, es bestehe die Indikation zur Arthroskopie, Aufnahme und Operation wurden für den folgenden Tag vereinbart.

Unter der Diagnose einer degenerativen Innenmeniskushinterhornläsion wurde am 24. September 2003 die Arthroskopie durchgeführt (Bericht vom 2. Oktober 2003). Intraoperativ hatte sich keine frische Läsion gefunden. Im Operationsbericht vom 24. September 2003 heißt es, das Hinterhorn selbst habe aufgefaserte Strukturen gezeigt, so dass die klinische Diagnose bestätigt sei.

In der Folgezeit trat bei dem Kläger eine rechtsseitige Teilthrombosierung der Vena saphena parva bei Stammvarikosis mit Insuffizienz der mittleren Cockett’schen Vena perforans auf. Am 15. Oktober 2003 erfolgte eine entsprechende Operation in der AAY. AAU. Klinik in AAG. bei gleichzeitiger operativer Exhairese radikulärer Varizen am linken Unterschenkel. Am 10. November 2003 wurde der Kläger wegen akuter linksthorakaler Schmerzen und Dyspnoe stationär im D.hospital D. aufgenommen. Es wurde u. a. eine Lungenembolie bei Oberschenkelthrombose links diagnostiziert.

Die Beklagte holte ein unfallchirurgisches Zusammenhangsgutachten von Prof. Dr. E. und Dr. F. vom 16. August 2004 mit fachinternistischem Zusatzgutachten von Prof. Dr. G. vom 5. August 2004 und gefäßchirurgischem Zusatzgutachten von Prof. Dr. H. vom 22. September 2004 ein. Prof. Dr. G. führte zusammenfassend aus, als Folgen des Unfalls vom 10. September 2003 bestehe ein Zustand nach Innenmeniskushinterhorn-Resektion rechts wegen eines traumatisch bedingten Einrisses bei degenerativ bedingtem Vorschaden sowie ein Zustand nach Unterschenkelvenenthrombose rechts im Bereich der Vena saphena parva als mittelbare Unfallfolge mit operativer Entfernung des thrombotischen Gefäßes und jetzt bestehender Perforansvenenklappeninsuffizienz im rechten Unterschenkel. Die bei dem Kläger aufgetretene Oberschenkelvenenthrombose links und die Lungenembolie seien keine Unfallfolgen, sondern Folgen der Venenoperation am linken Unterschenkel wegen einer anlagebedingten retikulären Varikosis. Prof. Dr. E. und Dr. F. führten aus, es bestehe kein Zusammenhang zwischen der Innenmeniskusläsion und dem angeschuldigten Ereignis. Die Kniedistorsion vom 10. September 2003 habe keine substantielle Schädigung im Bereich des rechten Kniegelenks verursacht. Die aktuell glaubhaft angegebenen Kniebeschwerden seien durch unfallunabhängige degenerative Veränderungen zu erklären. Ein Zusammenhang der zu begutachtenden nachgewiesenen Thrombosen und der Lungenembolie mit dem Unfallereignis vom 10. September 2003 sei nicht gegeben, vielmehr sei ein Zusammenhang mit der unfallunabhängig aufgetretenen Thrombophlebitis und der im Rahmen dessen erforderlichen Operation zu sehen. Bei dem Kläger sei aufgrund einer als unfallunabhängig anzusehenden Thrombophlebitis eine Farbdoppleruntersuchung des tiefen Venensystems durchgeführt worden. Die zu diesem Zeitpunkt vorliegende Thrombophlebitis habe einen operativen Eingriff, welcher erneut ein Thromboserisiko mit sich bringe, nach sich gezogen. Darüber hinaus sei bereits die Thrombophlebitis allein ein Risikofaktor für das Entstehen einer tiefen Beinvenenthrombose bzw. einer Lungenembolie. Prof. Dr. H. kam in seinem gefäßchirurgischen Gutachten zu dem Ergebnis, Unfallfolgen seien auf seinem Fachgebiet nicht festzustellen. Es bestehe kein zeitlicher und ätiologischer Zusammenhang zwischen der unfallverursachten Kniedistorsion rechts und der unfallunabhängig aufgetretenen Thrombophlebitis der Vena parva rechts mit operativer Therapie und nachfolgender Thrombose und Lungenembolie.

Mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 erkannte die Beklagte als Folgen des Versicherungsfalls an: "Folgenlos ausgeheilte Kniedistorsion rechts mit Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für den Zeitraum 13. bis 27. September 2003."

Nicht anerkannt als Unfallfolgen wurden: "Degenerative Innenmeniskopathie rechts, Chondromalazie Grad I-III im Bereich des rechten Kniegelenks, Zustand nach Thrombophlebitis im Unterschenkel rechts, Thrombosen im Bereich der Unterschenkelvenen rechts, Thromboembolie und persistierende pulmonale Beschwerden." Die Gewährung einer Rente wegen der anerkannten Unfallfolgen lehnte die Beklagte ab, da die Erwerbsfähigkeit durch die Unfallfolgen nicht in rentenberechtigendem Umfang gemindert sei.

Den hiergegen am 13. Dezember 2004 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2005 zurück.

Der Kläger hat am 21. März 2005 bei dem Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) Klage gegen diese Entscheidung der Beklagten erhoben.

Die Beklagte hat eine beratende fachärztliche Stellungnahme des Chirurgen Dr. I. vom 22. Juli 2005 vorgelegt, der die Auffassung vertreten hat, es sei eindeutig belegt, dass der Meniskusschaden nicht Folge des angeschuldigten Ereignisses sei. Dies sei bereits vor der Arthroskopie klar gewesen, so dass die Arthroskopie objektiv nicht zur Abklärung von Unfallfolgen erforderlich gewesen sei. Damit erübrige sich die Diskussion über mittelbare Unfallfolgen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. Oktober 2006 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, aufgrund der im Verwaltungsverfahren eingeholten Sachverständigengutachten seien keinerlei Unfallfolgen mehr festzustellen. Der Kläger habe beim streitigen Ereignis am 10. September 2003 lediglich eine Distorsion des rechten Knies erlitten. Die Innenmeniskusläsion rechts, die in der Arthroskopie vom 24. September 2003 diagnostiziert und operativ behandelt worden sei, sei hingegen nicht auf das Ereignis vom 10. September 2003 zurückzuführen. Dies folge schon aus dem Arztbrief des D.hospitals D. vom 2. Oktober 2003 und sei durch die unfallchirurgische Begutachtung eindeutig bestätigt worden. Bei der Arthroskopie habe man keine frische Läsion vorgefunden. Darüber hinaus sei das vom Kläger detailliert geschilderte Ereignis nicht geeignet, einen isolierten Meniskusschaden ohne begleitende Verletzungen der Kniebänder hervorzurufen. Soweit aber schon die Meniskusläsion nicht als Primärschaden des Arbeitsunfalls vom 10. September 2003 anerkannt werden könne, seien die Sekundärschäden auf internistischem und gefäßchirurgischem Fachgebiet in keinem Zusammenhang mit dem Ereignis zu bringen. Die geltend gemachten Thrombosen und die eingetretene Lungenembolie seien keinesfalls direkt auf das Ereignis vom 10. September 2003 zurückzuführen; sie könnten höchstens in Zusammenhang gebracht werden mit der Arthroskopie vom 24. September 2003. In zeitlicher Folge nach dieser Arthroskopie seien sie beim Kläger aufgetreten. Mit der Arthroskopie sei aber keine Unfallfolge behandelt worden, so dass die weiteren Schäden auch nicht als mittelbare Unfallfolgen anzuerkennen gewesen seien.

Gegen dieses seinem Prozessbevollmächtigten am 19. Januar 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 31. Januar 2007 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.

Der Kläger ist der Auffassung, das Sozialgericht habe sich nicht ausreichend mit dem Gutachten von Prof. Dr. G. auseinander gesetzt, wonach davon auszugehen sei, dass es bei dem Unfallereignis trotz eines degenerativ bedingten Vorschadens zu einem traumatisch bedingten Einriss gekommen sei. Die Arthroskopie vom 24. September 2003 sei auch in Folge des Unfallereignisses vom 10. September 2003 erfolgt. Der Kläger habe sich wegen der nach dem Unfallereignis bestehenden nachhaltigen und fortbestehenden Beschwerden am 23. September 2003 im D.hospital in D. vorgestellt, wo dann die Arthroskopie veranlasst worden sei. Aus Sicht des Klägers habe dies infolge des Unfalls geschehen müssen, aus seiner Sicht habe es sich hierbei nur um einen Eingriff zur Feststellung der Ursache, Art, Umfang und Ausmaß der Schädigungsfolgen handeln können. Das Bundessozialgericht (BSG) stelle insoweit auf die subjektive Sicht des Versicherten ab. Die Verletzten müssten die Heilbehandlung nur aus ihrer subjektiven Sicht bei vernünftigen Überlegungen für sinnvoll halten. Darauf, ob das objektiv auch so gewesen sei, komme es nicht an.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 6. Oktober 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 1. Dezember 2004 in Form des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2005 zu verurteilen, bei ihm einen Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts sowie einen Zustand nach Unterschenkelvenen-Thrombose rechts im Bereich der Vena saphena parva mit operativer Entfernung des thrombotischen Gefäßes und einer Perforanzvenenklappeninsuffizienz als Folge des Arbeitsunfalls vom 10. September 2003 anzuerkennen und ihm eine Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.

Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Begründung der angefochtenen Bescheide und der erstinstanzlichen Entscheidung. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des BSG setze das Erleiden eines Unfalls bei der Heilbehandlung voraus, wobei zwischen der Heilbehandlung und dem zweiten Unfall ein innerer ursächlicher Zusammenhang gefordert werde. An diesen Voraussetzungen fehle es vorliegend.

Der Senat hat zunächst ein von Dr. J. vom 24. Oktober 2006 für die private Unfallversicherung des Klägers, die DBV Winterthur, sowie eine weitere Stellungnahme des Dr. J. vom 7. September 2007 bei der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik A Stadt (BGUK) angefordert.

Anschließend hat der Senat ein unfallchirurgisches Fachgutachten bei Prof. Dr. K. vom 10. April 2008 eingeholt, der ausgeführt hat, es handele sich bei dem Unfall vom 10. September 2003 um ein Distorsionstrauma des rechten Kniegelenkes. Die Untersuchungen einschließlich der Arthroskopie hätten keine traumatischen Veränderungen im rechten Kniegelenk ergeben. Alle erhobenen Veränderungen basierten auf degenerativen Veränderungen im Kniegelenk. Eine Distorsion heile folgenlos, was auch im vorliegenden Fall so sei. Es sei zu keinen morphologischen Schäden im rechten Kniegelenk gekommen. Unfallbedingte Gesundheitsstörungen lägen bei dem Kläger nicht vor, es resultiere keine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Dem Gutachten von Dr. F. sei zu folgen, die Indikation zur Arthroskopie habe sich aus den degenerativen Veränderungen, die im Gelenk vorgelegen hätten, ergeben. Die sich aus dem Eingriff ergebenden Venenkomplikationen sei dem Eingriff einerseits und dem angeborenen Gerinnungsdefekt andererseits anzulasten. Auch dem Gutachten des Dr. I. sei zu folgen. Die Arthroskopie sei nicht durchgeführt worden, um Unfallfolgen zu objektivieren. Der Eingriff habe der Behandlung der bereits präoperativ bekannten Veränderungen gedient. Der Unfallablauf sei nicht geeignet, einen intakten Innenmeniskus zu schädigen. Aus diesem Grunde könne auch nicht dem Gutachten des Dr. J. gefolgt werden. Zu einem geeigneten Unfallablauf gehöre eine Rotations-Streckbewegung, die einen Meniskus zwischen den Knochen einklemme und zum Reißen bringe, ein Sturz reiche hierzu nicht aus. Im Rahmen der Arthroskopie hätten sich keine Hinweise auf eine traumatische Genese des Innenmeniskusrisses oder anderer traumatischer Gelenkveränderungen gezeigt. Vielmehr hätten sich stärkere degenerative Veränderungen im gesamten Gelenkbereich gefunden.

Die Beteiligten haben sich mit Schriftsatz vom 7. Mai 2010 (Beklagte) bzw. vom 12. Mai 2010 (Kläger) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu übereinstimmend ihre Zustimmung erklärt haben.

Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige (§§ 143, 151 SGG) Berufung des Klägers ist unbegründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente gemäß § 56 SGB VII, weil die anzuerkennenden Folgen des Arbeitsunfalls vom 10. September 2003 kein Ausmaß erreichen, das eine MdE von mindestens 20 v.H. bedingt.

Die grundsätzliche Anerkennung eines Arbeitsunfalls steht im Falle des Klägers zwischen den Beteiligten nicht im Streit, diese ist im Rahmen der angefochtenen Bescheide erfolgt. Streitig ist nur das Bestehen von Folgen dieses Arbeitsunfalls, die eine MdE in rentenberechtigendem Umfang bedingen.

Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Die MdE richtet sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens.

Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Anerkennung der von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen "Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts" sowie "Zustand nach Unterschenkelvenen-Thrombose rechts im Bereich der Vena saphena parva mit operativer Entfernung des thrombotischen Gefäßes und einer Perforanzvenenklappeninsuffizienz" als Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 10. September 2003. Das haben die Beklagte und das Sozialgericht zu Recht entschieden.

Der Kläger hat folglich wegen des Fehlens entsprechender Unfallfolgen, die mit einer MdE von mindestens 20 v.H. zu bewerten wären, auch keinen Anspruch auf eine Rente nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII.

Voraussetzung für die Feststellung von Gesundheitsschäden als Folgen eines anerkannten Arbeitsunfalls ist, dass der Arbeitsunfall Ursache der zur Anerkennung gestellten Beschwerden ist (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Für die Anerkennung dieser ursächlichen Zusammenhänge muss eine hinreichende Wahrscheinlichkeit bestehen. Bei vernünftiger Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG, SozR Nr. 20 zu § 542 RVO). Der ursächliche Zusammenhang ist nicht schon dann wahrscheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (BSGE 60, 58, 59). Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30, 121, 123; 43, 110, 112).

Nach dem Ergebnis der medizinischen Sachermittlungen steht jedoch zur Überzeugung des Senats fest, dass bei dem Kläger keine Gesundheitsstörungen vorliegen, die mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit als Folgen des anerkannten Arbeitsunfalls festzustellen sind.

Bezüglich der Frage der Anerkennung des Zustands nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts als Folge des Arbeitsunfalls vom 10. September 2003 schließt sich der Senat im Hinblick auf die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der erstinstanzlichen Entscheidung an, die zu Recht und mit zutreffender Begründung die Voraussetzungen für eine entsprechende Anerkennung verneint hat. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen kann daher im Wesentlichen auf das angefochtene Urteil verwiesen werden (§ 153 Abs. 2 SGG). Es fehlt vorliegend an der so genannten haftungsausfüllenden Kausalität, d.h. an der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts und dem Unfallereignis vom 10. September 2003. Ergänzend wird dies bestätigt durch das seitens des Senats eingeholte fachchirurgische Gutachten des Prof. Dr. K. vom 10. April 2008. Dieser hat für den Senat überzeugend und nachvollziehbar unter Berücksichtigung aller vorhandenen medizinischen Unterlagen bestätigt, dass zum Einen bereits das Unfallereignis ohne entsprechende Rotations-Streckbewegung mit Einklemmmechanismus des Meniskus nicht geeignet war, einen isolierten Lappenriss des Innenmeniskus, wie er beim Kläger vorlag, zu verursachen. Vielmehr konnte das vom Kläger beschriebene Unfallereignis lediglich zu einer Distorsion des Kniegelenks führen, die folgenlos ausheilt. Des Weiteren kommt auch Prof. Dr. K. nach Auswertung aller unfallnahen medizinischen Befunde zu dem Ergebnis, dass sich keinerlei traumatische, sondern ausschließlich degenerative Veränderungen des Kniegelenks feststellen lassen. Der Zustand nach Innenmeniskushinterhornresektion rechts ist somit ausschließlich Folge einer wegen degenerativer Schäden durchgeführten arthroskopischen Operation.

Auch der Zustand nach Unterschenkelvenen-Thrombose rechts im Bereich der Vena saphena parva mit operativer Entfernung des thrombotischen Gefäßes und einer Perforanzvenenklappeninsuffizienz kann nicht als (mittelbare) Folge des Arbeitsunfalls vom 10. September 2003 anerkannt werden. Dabei kann die Frage offenbleiben, ob diese Gesundheitsstörungen vor dem Hintergrund der insoweit teilweise widersprüchlichen medizinischen Sachverständigenäußerungen überhaupt als Folge der arthroskopischen Operation des rechten Kniegelenks anzusehen sind. Denn selbst wenn man der Ansicht des Prof. Dr. G. in dessen fachinternistischen Sachverständigengutachten folgt, trotz der vorbestehenden Stammvarikosis der Vena saphena parva und der Thrombophilieneigung des Klägers sei der am 24. September 2003 erfolgte arthroskopische Eingriff als Ursache der rechtsseitigen Vena saphena parva-Thrombose und der nach der nachfolgenden Venenoperation eingetretenen Perforanzvenenklappeninsuffizienz zu sehen, kommt vorliegend eine Anerkennung dieser Gesundheitsstörungen als mittelbare Folgen des Arbeitsunfalls nicht in Betracht.

Dabei richtet sich die Bewertung nach der allgemeinen Vorschrift des § 8 SGB VII und nicht nach § 11 SGB VII, der insoweit nur subsidiär ist. Eine Gesundheitsstörung infolge eines lege artis erfolgten operativen Eingriffs ist nach einhelliger Auffassung eine mittelbare Folge unmittelbar nach §§ 8, 9, 10 oder 12 SGB VII (vgl. Keller in Hauck, SGB VII, Kommentar, Rdnr. 9 zu § 11 m.w.N.), im konkreten Fall eines vorangegangenen Arbeitsunfalls also nach § 8 SGB VII. Ein ärztlicher Behandlungsfehler, der nach § 11 Nr. 1 SGB VII zu beurteilen wäre, wird vorliegend weder geltend gemacht noch ergeben sich nach Aktenlage irgendwelche derartigen Hinweise im Zusammenhang mit der Durchführung der arthroskopischen Operation oder der nachfolgenden Thromboseprophylaxe.

Unabhängig von der Frage der kunstgerechten oder aber fehlerhaften Behandlungsdurchführung und der daran anknüpfenden Frage der Rechtsgrundlage gelten aber im Hinblick auf die Anerkennung einer Gesundheitsstörung als mittelbare Unfallfolge dieselben Grundsätze. Mittelbare Unfallfolgen sind solche, die bei der Erkennung oder Behandlung von Folgen des Versicherungsfalls eingetreten sind (BSG, Urteil vom 4. November 1981, Az.: 2 RU 39/80, SozR 2200 § 548 Nr. 59).

Für den Senat steht nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen fest, dass die beim Kläger am 24. September 2003 durchgeführte Arthroskopie des rechten Kniegelenks zur Behandlung einer bereits vorab klinisch diagnostizierten Innenmeniskushinterhornläsion erfolgt ist, wie dies auch Prof. Dr. K. in seinem fachchirurgischen Sachverständigengutachten feststellt. Dies folgt insbesondere aus dem Operationsbericht vom 24. September 2003, in dem ausdrücklich ausgeführt wird, dass die arthroskopische Untersuchung die klinische Diagnose bestätigt hat. Gleichzeitig erfolgten die Feststellung ausschließlich degenerativer Veränderungen und deren operative Behandlung. Die arthroskopische Behandlung betraf damit ausschließlich unfallunabhängige Gesundheitsstörungen.

Vor diesem Hintergrund scheidet eine Anerkennung einer rechtsseitigen Vena saphena parva-Thrombose und der nach der nachfolgenden Venenoperation eingetretenen Perforanzvenenklappeninsuffizienz als mittelbare Unfallfolge auch aus, wenn man dem Kläger in seinen Angaben folgt, aus seiner subjektiven Sicht sei die Arthroskopie am rechten Kniegelenk wegen dort bestehender Unfallfolgen erforderlich gewesen.

Dem BSG kann nicht gefolgt werden, wenn es in seinem vom Kläger zitierten Urteil vom 24. Juni 1981 (Az.: 2 RU 87/80, BSGE 52, 57, 60) zu § 555 Reichsversicherungsordnung (RVO) die Auffassung vertritt, es genüge, wenn der Verletzte, der einen Arbeitsunfall erlitten hat, von seinem Standpunkt aus subjektiv der Auffassung sein konnte, dass die Heilbehandlung, zu der er sich begeben hat, geeignet sei, der Beseitigung und Besserung von durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsstörungen zu dienen. Dies entspreche der Rechtsauffassung bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen einem Unfall und einer versicherten Tätigkeit. Ob die zum Unfall führende Tätigkeit einem bestimmten Unternehmen dienlich gewesen sei, entscheide sich nicht danach, ob sie ihm objektiv habe dienen können, sondern es genüge, dass der Versicherte von seinem Standpunkt aus der Meinung sein konnte, dass die Tätigkeit geeignet ist, den Interessen des Unternehmens zu dienen und diese subjektive Meinung in den objektiv gegebenen Verhältnissen eine ausreichende Stütze findet. Diese auf die subjektive Sicht des Versicherten abstellende Auffassung verkennt, dass das Kriterium der Handlungstendenz und damit der subjektiven Sicht des Versicherten nicht für den Bereich medizinischer Kausalität, auf den sich die mittelbaren Unfallfolgen beziehen, entwickelt wurde, sondern für die Frage der versicherten Tätigkeit. Dies lässt sich nur auf die Einschätzung der Notwendigkeit einer Behandlung von objektiv bestehenden Unfallfolgen übertragen; hier genügt es, wenn der Versicherte diese aus seiner subjektiven Sicht bei vernünftigen Überlegungen für sinnvoll hält, selbst wenn sich herausstellt, dass die konkrete Behandlung tatsächlich medizinisch nicht notwendig war; eine Übertragung auf den Bereich der medizinischen Kausalität des Versicherungsfalls bei objektiv nicht bestehenden Schädigungsfolgen kann aber nicht erfolgen. So hat das BSG in sonstigen Entscheidungen stets auf die wesentliche sachliche Verbindung zwischen der Schädigung bzw. dem Arbeitsunfall und dem zur geltend gemachten Gesundheitsstörung führenden ärztlichen Eingriff abgestellt. Eine mittelbare Schädigungs- oder Unfallfolge hat es dann angenommen, wenn den Ärzten bei der versorgungsrechtlich gebotenen Behandlung ein Kunstfehler unterlaufen ist (BSGE 17, 60, 62), wenn die Gesundheitsstörungen durch einen Behandlungsfehler "bei" der Behandlung eines Arbeitsunfalls aufgetreten ist (BSGE 46, 283, 284) oder wenn die Eingriffe dazu gedient haben, Art, Umfang und Ausmaß von Schädigungs- oder Unfallfolgen festzustellen (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 59). Auf den Fall des Klägers übertragen bedeuten diese Grundsätze, dass mittelbare Unfallfolgen dann in Betracht kommen, wenn entweder die Innenmeniskushinterhornläsion eine Unfallfolge ist oder aber die arthroskopische Operation das Ziel gehabt hat festzustellen, ob Unfallfolgen vorliegen. Beides ist jedoch nicht der Fall. Die Innenmeniskushinterhornläsion war, wie Prof. Dr. K. und die im Widerspruchsverfahren beauftragten Sachverständigen übereinstimmend beurteilt haben, keine Folge des Unfalls vom 10. September 2003. Zum anderen dienten die operativen Eingriffe nicht etwa der Feststellung, ob Unfallfolgen vorliegen, sondern ausschließlich der operativen Heilbehandlung der degenerativen Innenmeniskushinterhornläsion, nach bereits vorbestehender entsprechender klinischer Diagnostik. Allein die irrtümliche Annahme des Klägers, eine Unfallfolge zu behandeln bzw. behandeln zu lassen, reicht für die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung außerhalb der Entscheidung des BSG in seinem Urteil vom 24. Juni 1981 zu § 555 RVO geforderte wesentliche sachliche Verknüpfung nicht aus. So liegt auch eine mittelbare Schädigungsfolge i.S. des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) – wo hinsichtlich des Kausalzusammenhangs zwischen Schädigung und deren Folgen vergleichbare Grundsätze gelten - bei einem anlässlich einer ärztlichen Untersuchung eingetretenen Gesundheitsschaden dann nicht vor, wenn die Untersuchung zwar wegen eines behaupteten Wehrdienstschadens durchgeführt worden ist, tatsächlich aber die behauptete Gesundheitsstörung keine Schädigungsfolge darstellt (LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1957, 150). Wird anlässlich einer zur Erkennung von Unfallfolgen durchgeführten Operation ein zusätzlicher ärztlicher Eingriff zur Behebung eines unfallfremden Leidens vorgenommen, so können die aus diesem Eingriff resultierenden Gesundheitsstörungen dem Arbeitsunfall nicht zugeordnet werden (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 13). Danach ist die für die Annahme eines mittelbaren Schadens zu fordernde wesentliche sachliche Verbindung nur dann gegeben, wenn objektiv die Voraussetzungen für einen ärztlichen Eingriff wegen Schädigungsfolgen - sei es auch nur i.S. eines angezeigten diagnostischen Eingriffs - vorliegen. Wenn also – wie vorliegend – eine ärztliche Heilbehandlungsmaßnahme in dieser Form auch ohne den Versicherungsfall stattgefunden hätte, nämlich allein wegen unfallunabhängiger Gesundheitsschäden, dann ist schon ein Ursachenzusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne nicht gegeben. Nur wenn die Behandlung ohne den Versicherungsfall nicht oder anders durchgeführt worden wäre, kommt eine mittelbare Folge des Versicherungsfalls überhaupt in Betracht. Die gegenteilige Auffassung würde außerdem zu dem nicht begründbaren Ergebnis führen, dass ein Versicherter, der entgegen der medizinisch objektiv vorliegenden Gegebenheiten subjektiv von einer unfallbedingten Kausalität einer Heilbehandlungsmaßnahme ausgeht, besser gestellt würde als derjenige, der einem solchen Irrtum nicht unterliegt, obwohl die Behandlung in beiden Fällen gleichermaßen unfallunabhängig erforderlich ist.

Nach alledem kann die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da die Rechtssache wegen der Frage einer mittelbaren Unfallfolge bei irrtümlicher Annahme der ärztlichen Behandlung von Unfallfolgen grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) und der Senat insoweit von der Entscheidung des BSG vom 24. Juni 1981, Az.: 2 RU 87/80 abweicht.
Rechtskraft
Aus
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