S 6 SO 49/08 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
6
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 6 SO 49/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig darlehensweise Bestattungskosten in Höhe von 3.499,02 Euro zu übernehmen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gründe:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig und begründet.

Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, vorläufig die Kosten der Bestattung des verstorbenen Ehegatten der Antragstellerin in Höhe von 3.499,02 Euro zu übernehmen.

Gemäß § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines bestehenden Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Erforderlich ist in beiden Fällen, dass dem Antragsteller ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund zusteht (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage, § 86 b RdNr. 27 ff). Dies ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

Im vorliegenden Fall begehrt die Antragstellerin die Übernahme der Kosten der Bestattung ihres 2008 verstorbenen Ehegatten. Die Bestattung ist bislang nicht durchgeführt. Der Leichnam ist in der Ruhekammer des Krematoriums aufgebahrt. Der durch die Antragstellerin beauftragte Bestattungsunternehmer stellt zur Durchführung der Bestattung Kosten in Höhe von insgesamt 3.499,02 Euro in Rechnung. Bei einer Vorsprache der Antragstellerin bei der Antragsgegnerin lehnte diese die Übernahme der Bestattungskosten vorläufig ab mit der Begründung, vor einer endgültigen Entscheidung sei zunächst zu prüfen, ob der Sohn des Verstorbenen, dessen Mutter nicht die Antragstellerin ist, verpflichtet und in der Lage ist, die Bestattungskosten zu tragen.

Nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch und -grund bezüglich der vorläufigen Übernahme der Bestattungskosten glaubhaft gemacht.

Gemäß § 74 SGB XII werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen. Nach vorläufiger Prüfung der Sach- und Rechtslage ist die Antragstellerin als Ehegattin des Verstorbenen zunächst als Erbin gemäß § 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verpflichtet, die Bestattungskosten zu tragen. Erkenntnisse darüber, dass sie die Erbschaft nicht angenommen hat, liegen nicht vor. Des Weiteren ist die Antragstellerin als Ehegattin des Verstorbenen nach § 8 Bestattungsgesetz NRW (BestG) zur Bestattung verpflichtet. Zwar ist grundsätzlich Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII nur die Person, die letztendlich verpflichtet ist, die Kosten zu tragen. Entscheidend dafür ist die abschließende (zivilrechtliche) Verpflichtung zur Tragung der Bestattungskosten. Sofern neben der antragstellenden Person noch weitere Verpflichtete in Betracht kommen, muss die Person, die z. B. den Bestattungsunternehmer beauftragt hat, zunächst grundsätzlich mögliche Erstattungsansprüche gegen anderweitig in Betracht kommende Verpflichtete durchsetzen. Hier kommt als weiterer Verpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII der Sohn des Verstorbenen als Erbe oder Unterhaltspflichtiger in Betracht. Ist die Bestattung jedoch noch nicht vollzogen worden, so kann der Hilfesuchende, der mangels ausreichender finanzieller Mittel nicht in der Lage ist, die Kosten der Bestattung zu tragen, nicht auf anderweitige Ersatzansprüche verwiesen werden, sofern sie nicht offensichtlich sofort realisierbar sind ( Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 74 Rn. 28). Im vorliegenden Fall kann die Antragstellerin, die als Inhaberin der Totenfürsorge die Bestattung verlassen möchte, nicht darauf verwiesen werden, vor der Durchführung der Bestattung mögliche Ersatzansprüche gegen den Sohn des Verstorbenen geltend zu machen. Ein solcher möglicher Anspruch ist hier nicht sofort realisierbar, da die Antragstellerin keinen Kontakt zu dem nicht mit ihr verwandten Sohn des Verstorbenen hat und Erkenntnisse über seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht vorliegen. Die Durchsetzung möglicher Ansprüche kann eine lange Zeit in Anspruch nehmen, die aufgrund der noch nicht durchgeführten Bestattung nicht abgewartet werden kann. Bereits aus Gründen der Pietät kann nicht verlangt werden, dass die Bestattung über eine längere Zeit zurückgestellt wird, bis zivilrechtliche Ansprüche geklärt sind. Es liegt auch keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache vor, da eine Kostenübernahme durch die Antragsgegnerin nur vorläufig und, wie beantragt, im Darlehenswege begehrt wird. Sollte sich im Verwaltungsverfahren herausstellen, dass die Antragstellerin aufgrund einer Leistungspflicht des Sohnes des Verstorbenen nicht letztlich Verpflichtete im Sinne des § 74 SGB XII sein sollte, entsteht für die Antragsgegnerin durch die Pflicht zur Rückzahlung der Darlehenssumme kein Nachteil. Vorläufig sind die Kosten der Bestattung, auch unter Berücksichtigung eines eventuellen Anspruchs der Antragstellerin gegen den Sohn des Verstorbenen in voller Höhe zu übernehmen, da die noch nicht durchgeführte Bestattung ein einheitlicher Vorgang darstellt (LSG Hamburg, Beschluss vom 07.08.2006, Az.: L 4 B 390/06 ER SO).

Da die Antragstellerin Leistungsempfängerin nach dem SGB II ist, kann ihr die Tragung der Bestattungskosten mangels eigener Leistungsfähigkeit nicht zugemutet werden.

Die ausweislich der Rechnung des Bestattungsunternehmers 2008 anfallenden Kosten in Höhe von insgesamt 3.499,02 Euro stellen auch angemessene Kosten dar, da sie den Kosten entsprechen, die nach einer Vereinbarung der Antragsgegnerin mit den örtlichen Bestattungsunternehmers für eine einfache, würdige Bestattung anfallen.

Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Nach Auffassung der Kammer ist ihr ein weiteres Zuwarten bis zur Durchführung der Bestattung ihres Ehemannes unter Berücksichtigung der Gefühle trauernder Familienangehöriger nicht zumutbar. Des Weiteren ist nicht ersichtlich, dass der Bestattungsunternehmer mangels Leistungsfähigkeit der Antragstellerin die Bestattung auch ohne eine Kostenzusage der Antragsgegnerin durchführen wird. Auch ist nicht ersichtlich, dass eine ordnungsbehördliche Bestattung zeitnah durchgeführt würde, die bislang nicht veranlasst worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf analoger Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved