S 11 AS 112/08 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 112/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 B 180/08 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.03.2008, mit welchem die Leistungen für den Antragsteller zu 3) um 111,00 Euro monatlich für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 wegen Nichterscheinens zu dem Termin am 31.01.2008 abgesenkt werden, wird angeordnet. Außerdem wird die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.03.2008, mit welchem die verbleibende Leistungshöhe geregelt wird, insoweit angeordnet, als er die Leistungshöhe gegenüber dem zuvor ergangenen Bewilligungsbescheid vom 04.02.2008 um 111,00 Euro absenkt. Im Übrigen wird der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide vom 19.03.2008 abgelehnt. Die Antragsgegnerin erstattet ein Viertel der außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 3). Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme von Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe, die Zahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Vornahme einer Einbehaltung sowie die Übernahme einer Nebenkostennachforderung für das Jahr 2007 in Höhe von 410,48 Euro und von Mietrückständen für die Jahre 2005 und 2006 in Höhe von 1.026,15 Euro und wenden sich zugleich gegen die Absenkung von Leistungen durch vier Bescheide vom 19.03.2008.

Der 1949 geborene Antragsteller zu 1) und die 1957 geborene Antragstellerin zu 2) sind verheiratet und Eltern des 1987 geborenen Antragstellers zu 3). Die Antragsteller beziehen seit dem 01.01.2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnen ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 100 qm. Die monatliche Miete beläuft sich ohne Heizkosten auf 650,00 Euro; bis Januar 2008 betrug sie 625,00 Euro. Mit Schreiben vom 17.01.2005 wurden die Antragsteller von der Antragsgegnerin zum Umzug zum Zweck der Senkung der Kosten der Unterkunft aufgefordert. Da die Antragsgegnerin davon ausgeht, dass die Aufwendungen für diese Unterkunft nicht angemessen sind, zahlt sie seit 01.08.2005 monatlich Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 410,00 Euro.

Mit Bescheid vom 18.01.2008 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern Leistungen für den Zeitraum Februar bis Juli 2008 in Höhe von monatlich insgesamt 1.312,00 Euro und berücksichtigte dabei wiederum Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 410,00 Euro.

Mit Bescheid vom 04.02.2008 senkte die Antragsgegnerin die Leistungen für die Antragstellerin zu 2) um 31,00 Euro bzw. 10 % der Regelleistung monatlich für die Zeit vom 01.03.2008 bis zum 31.05.2008 mit der Begründung ab, die Antragstellerin zu 2) habe einen Termin bei der proArbeit gGmbH am 15.01.2008 nicht wahrgenommen. Aufgrund dieser Absenkung erließ die Antragsgegnerin am selben Tag auch einen Änderungsbescheid zum Bewilligungsbescheid vom 18.01.2008.

Am 31.01.2008 legten die Antragsteller eine Abrechnung des Vermieters vor und beantragten deren Übernahme durch die Antragsgegnerin. Die Abrechnung wies für das Jahr 2007 einen Nachzahlungsbetrag für Nebenkosten von 410,48 Euro sowie für rückständige Miete für 2005 und 2006 in Höhe von 662,75 Euro, Nebenkosten für 2006 in Höhe von 245,35 Euro und Zinsen in Höhe von 118,05 Euro, insgesamt 1.436,63 Euro aus. Mit Bescheid vom 04.02.2008 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme der Abrechnung ab. Zur Begründung führte sie aus, die Kosten für die Wohnung seien nicht angemessen. Für die Nebenkostennachforderung des Jahres 2006 sei bereits am 25.01.2007 ein Darlehen in Höhe von 245,35 Euro bewilligt worden. Die Antragsgegnerin forderte die Antragsteller auf, sich um eine angemessene Wohnung zu bemühen und fügte Wohnungsanzeigen aus der Internet-Ausgabe des Mindener Tagblatts bei. Gegen den Bescheid vom 04.02.2008 legten die Antragsteller am 19.02.2008 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 19.03.2008 senkte die Antragsgegnerin nach vorheriger Anhörung die Leistungen für die Antragstellerin zu 2) um 62,00 Euro bzw. 20 % der Regelleistung monatlich für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 mit der Begründung ab, die Antragstellerin zu 2) habe einen Termin bei der proArbeit gGmbH am 27.02.2008 nicht wahrgenommen.

Mit weiterem Bescheid vom 19.03.2008 senkte die Antragsgegnerin nach vorheriger Anhörung die Leistungen für den Antragsteller zu 3) um 111,00 Euro bzw. 40 % der Regelleistung monatlich für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 mit der Begründung ab, der Antragsteller zu 3) habe einen Termin bei der proArbeit gGmbH am 31.01.2008 nicht wahrgenommen.

Ebenfalls mit Bescheid vom 19.03.2008 senkte die Antragsgegnerin die Leistungen für den Antragsteller zu 3) nach vorheriger Anhörung um 278,00 Euro monatlich für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 ab und beschränkte das Arbeitslosengeld II auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung. Zur Begründung führte sie aus, der Antragsteller zu 3) habe sich geweigert, die in der Eingliederungsvereinbarung vom 05.10.2007 festgelegten Pflichten zu erfüllen, da er danach monatlich acht Eigenbemühungen um einen Arbeitsplatz nachzuweisen habe, dies jedoch nicht getan habe.

Schließlich änderte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 19.03.2008 die Bewilligungsbescheide für die Zeit von Februar bis Juli 2008 entsprechend den Absenkungsbescheiden vom 19.03.2008 ab.

Gegen die Bescheide vom 19.03.2008 legten die Antragsteller mit Schreiben vom 26.03.2008 Widerspruch ein.

Am 20.03.2008 haben die Antragsteller um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.

Sie tragen vor, die Nebenkosten seien immer übernommen worden. Sie bemühten sich seit Monaten um eine günstigere Wohnung bzw. ein günstigeres Haus, jedoch ohne Erfolg. Es müsse gewährleistet sein, dass die neue Unterkunft verkehrsgünstig, einkaufsgünstig usw. sei. Des Weiteren hätten sie einen größeren Hund und der Antragsteller zu 3) lade seine Freunde und Freundin ein, weshalb das Wohngebiet ausgesucht werden müsse. Aus X wollten sie nicht wegziehen. Es sei ihnen nie mitgeteilt worden, wie sich die Kosten der Unterkunft genau berechneten. Die Antragstellerin zu 2) sei mit der Angelegenheit psychisch weit überfordert. Der Antragsteller zu 3) habe Maßnahmen und Regelungen mit der proArbeit gGmbH abgesprochen und halte diese auch ein. Zu dem Termin am 31.01.2008 habe er nicht erscheinen können, weil er sich einen Zahn abgebrochen habe und zum Zahnarzt habe gehen müssen.

Die Antragsteller beantragen schriftsätzlich sinngemäß,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen die Kosten der Unterkunft in tatsächlicher Höhe zu bewilligen, die Nebenkostennachforderung für das Jahr 2007 in Höhe von 410,48 Euro und die Mietschulden für die Jahre 2005 und 2006 in Höhe von 1.026,15 Euro zu übernehmen und die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Vornahme einer Einbehaltung zu zahlen sowie die aufschiebende Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide vom 19.03.2008 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,

die Anträge abzulehnen.

Sie trägt vor, die Antragsteller litten seit Jahren an selbst verschuldeten finanziellen Engpässen, die zum einen aus der Unangemessenheit der Wohnung resultierten, zum anderen aus immer wieder verhängten Sanktionen wegen fehlender Arbeitsbereitschaft. Die Antragsteller lebten seit Jahren in einer nicht angemessenen Unterkunft und müssten auf Grund dessen seit dem 01.08.2005 monatlich 215,00 Euro an Kosten selber tragen. Auch seien immer wieder Vorschüsse auf zukünftige Ansprüche gewährt worden, welche dazu führten, dass der Familie in der Folgezeit weniger Geld zur Verfügung gestanden habe, weil von den verbleibenden Ansprüchen die in der Vergangenheit gezahlten Vorschüsse wieder einzubehalten gewesen seien. Auch seien Darlehen für Stromschulden oder Nebenkostennachforderungen gewährt worden. Mittlerweile sei ein Stand erreicht, der weitere Einbehaltungen vom Leistungsanspruch nicht mehr zulasse, da ansonsten das Existenzminimum unterschritten würde. Es seien inzwischen Darlehen gewährt worden, deren Rückzahlung bzw. ratenweise Einbehaltung erst am 01.08.2008 beginnen könne. Es werde deshalb ausdrücklich abgelehnt, noch weitere, den Antragstellern dem Grunde nach nicht zustehende Leistungen oder Vorschüsse oder Darlehen zu gewähren. Der Antragsteller zu 3) habe trotz mehrfacher Aufforderung einen ausreichenden Nachweis für ein Nichterscheinen zum Termin am 31.01.2008 nicht vorgelegt. Die Übernahme von Mietschulden sei aufgrund der den Antragstellern seit Jahren bekannten Unangemessenheit nicht gerechtfertigt.

Mit Schreiben vom 22.04.2008 haben die Antragsteller ein Schreiben ihrer Vermieterin vom 12.04.2008 vorgelegt, wonach aufgrund bestehender Mietschulden in Höhe von über 2.000,00 Euro das Mietverhältnis fristlos gekündigt wird.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin sowie der beigezogenen Akten zu den Verfahren S 8 AS 108/05 ER, S 8 AS 115/05 ER, S 8 AS 194/05 ER, S 8 AS 38/06 ER, S 21 AS 330/07 ER, S 21 AS 342/07 ER, S 21 AS 371/07 ER und S 21 AS 418/07 ER Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, hat jedoch keinen Erfolg, da er unbegründet ist.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. das materielle Recht für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, so wie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründen für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).

a) Hinsichtlich der geltend gemachten vollständigen Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Die Kosten für das derzeit von den Antragstellern bewohnte Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 100 qm sind nicht angemessen.

Bei der Beurteilung der Angemessenheit ist von der Wohnungsgröße auszugehen. Angemessen ist die für Wohnberechtigte im sozialen Mietwohnungsbau anerkannte Wohnraumgröße. Diesbezüglich ist abzustellen auf die Wohnungsgrößen gemäß § 10 des Gesetzes über die Soziale Wohnraumförderung vom 13.09.2001 (WoFG, BGBl I 2376). Danach können die Länder im geförderten Mietwohnungsbau die Anerkennung von bestimmten Grenzen für Wohnungsgrößen nach Grundsätzen der Angemessenheit regeln. Zum Vollzug des Wohnungsbindungsgesetzes in Verbindung mit dem Gesetz über die soziale Wohnraumförderung hat das Land Nordrhein-Westfalen Verwaltungsvorschriften zum Wohnungsbindungsgesetz (VV-WoBindG) erlassen (Runderlass vom 13.11.1989 in der Fassung des Runderlasses des Ministeriums für Städtebau und Wohnen, Kultur und Sport vom 05.07.2004 -IV B 3.613-1098/04-). Nach Nr. 5.71 dieses Erlasses zur maßgeblichen Wohnungsgröße im Sinne des § 27 Abs. 4 WoFG wird ausgeführt, dass bei den folgenden Wohnflächen davon auszugehen ist, dass auf jede haushaltsangehörige Person ein Wohnraum ausreichender Größe entfällt: Alleinstehende: 45 qm; 2 Personen: 60 qm; 3 Personen: 75 qm; 4 Personen: 90 qm. Die Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller besteht aus drei Personen. Angemessen sind daher 75 qm.

Zu berücksichtigen sind die Aufwendungen für eine Wohnung nur dann, wenn diese nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen genügt und keinen gehobenen Wohnstandard aufweist. Die Wohnung muss von daher hinsichtlich der aufgeführten Kriterien, die als mietpreisbildende Faktoren regelmäßig im Quadratmeterpreis ihren Niederschlag finden, im unteren Segment der nach der Größe in Betracht kommenden Wohnungen liegen. Da es im Ergebnis allein auf die Kostenbelastung des Grundsicherungsträgers ankommt, kann dahinstehen, ob einzelne Faktoren wie Ausstattung, Lage, etc., isoliert als angemessen anzusehen sind, solange der Grundsicherungsträger nicht mit unangemessen hohen Kosten belastet wird (sog. Produkttheorie). Der angemessene Mietpreis ergibt sich aus dem Produkt der angemessenen Wohnraumgröße und dem entsprechenden Quadratmeterpreis nach den konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt, die sie zum Beispiel in entsprechenden Mietspiegeln oder Mietdatenbanken abbilden (Bundessozialgericht, Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 18/06 R). Die aus dem Bescheid vom 18.01.2008 ersichtliche Berechnung der angemessenen Miete durch die Antragsgegnerin entspricht dieser Vorgehensweise und ist nicht zu beanstanden. Der zu Grunde gelegte Quadratmeterpreis von 4,46 Euro (410,00 Euro Miete abzüglich 75,00 Euro Nebenkosten ergibt 335,00 Euro Kaltmiete, dividiert durch 75 qm) ist nach der gebotenen summarischen Prüfung angemessen. Der Mietspiegel der Stadt Porta Westfalica (Stand 01.04.2006) weist als untere Grenze des Quadratmeterpreises je nach Baujahr der Wohnung Werte zwischen 2,75 Euro und 4,26 Euro aus.

Des Weiteren ist im Rahmen einer konkreten Angemessenheitsprüfung festzustellen, dass andere bedarfsgerechte und kostengünstigere Wohnungen, die konkret verfügbar und zugänglich sind, hinreichend vorhanden sind. Die Kammer hat nach einer überschlägig vorgenommenen Recherche keine Zweifel, dass Wohnungen mit einer maximalen Wohnfläche von 75 qm und einer Kaltmiete von maximal 335,00 Euro in einfacher Wohnlage in Porta Westfalica kurzfristig verfügbar sind. Eine Stichprobe bei www.immobilienscout24.de erbrachte 9 Angebote für Wohnungen mit 3 oder mehr Zimmern und einer Kaltmiete von bis zu 355,00 Euro.

Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind unangemessene Aufwendungen für Unterkunft und Heizung so lange zu berücksichtigen, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate.

Trotz vielfacher Hinweise auf die Unangemessenheit der derzeitigen Wohnung durch die Antragsgegnerin und durch das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 20.12.2007 (L 1 B 65/07 AS ER) haben die Antragsteller auch auf gerichtliche Aufforderung nicht glaubhaft gemacht, sich in geeigneter Weise um die Senkung der Kosten der Unterkunft bemüht zu haben. Die Antragsteller hätten darlegen und glaubhaft machten müssen, sich intensiv unter Zuhilfenahme aller ihnen zumutbaren und erreichbaren Hilfen und Hilfsmittel (zum Beispiel Einschaltung des Wohnungsamtes; Durchsicht von Zeitungs- und Internetanzeigen; Kontaktaufnahme mit örtlichen Großvermietern) bemüht zu haben. Die entsprechenden Bemühungen hätten sie im Einzelnen darlegen und glaubhaft machen müssen. Dem sind die Antragsteller nicht nachgekommen.

b) Hinsichtlich der geltend gemachten Übernahme der Nebenkostennachforderung für das Jahr 2007 in Höhe von 410,48 Euro kann dahin stehen, ob ein Anordnungsanspruch besteht, denn es ist jedenfalls ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in denen es um die vorläufige Gewährung der laufenden Unterkunftskosten geht, drohen einem Antragsteller wesentliche Nachteile, wenn er darlegt und glaubhaft macht, dass er ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung alsbald und ernsthaft mit einer fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses und einer anschließenden Räumungsklage zu rechnen hat (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.08.2007, L 20 B 38/07 AS ER).

Die Antragsteller haben zwar das Kündigungsschreiben vom 12.04.2008 vorgelegt. Damit ist aber noch keine konkret anstehende Wohnungslosigkeit anzunehmen, da eine Durchsetzung im Wege einer Räumungsklage nicht absehbar ist. Die Antragsteller haben nicht vorgetragen, dass eine Räumungsklage anstünde und dass sie derzeit nicht in der Wohnung verbleiben könnten. Es ist außerdem angesichts der bereits dargelegten Verfügbarkeit von Wohnraum nicht glaubhaft, dass Wohnungslosigkeit nicht durch einen kurzfristigen Umzug vermieden werden könnte.

c) Hinsichtlich der geltend gemachten Übernahme von Mietschulden für die Jahre 2005 und 2006 in Höhe von insgesamt 1.026,15 Euro ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Gemäß § 22 Abs. 5 Satz 1 und 4 SGB II können Mietschulden darlehensweise übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist.

Nicht gerechtfertigt ist dabei grundsätzlich eine Leistung zur Sicherung einer kostenmäßig nicht angemessenen Wohnung (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 04.07.2007, L 19 B 43/07 AS ER; Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 109 m.w.N.). Die Kosten für das derzeit von den Antragstellern bewohnte Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 100 qm sind, wie bereits ausgeführt, nicht angemessen.

d) Soweit sich die Antragsteller gegen die Einbehaltung der Raten für Darlehenstilung – laut Bescheid vom 19.03.2008 für den Monat April noch in Höhe von insgesamt 75,44 Euro – wenden, ist ein Anordnungsanspruch ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.

Die Antragsteller haben mehrfach Darlehen der Antragsgegnerin in Anspruch genommen und sich jeweils mit eine ratenweisen Rückführung durch Abzug von den laufenden Leistungen einverstanden erklärt. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind Darlehen durch monatliche Aufrechnung in Höhe von bis zu 10 vom Hundert der an den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Angehörigen jeweils zu zahlende Regelleistung zu tilgen. In diesem gesetzlichen Rahmen hält sich die von der Antragsgegnerin vorgenommene Aufrechnung. Gründe dafür, dass ihnen eine Darlehenstilgung in der vorgenommenen Höhe nunmehr unzumutbar wäre, haben die Antragsteller weder vorgetragen, noch sind sie dem Gericht ersichtlich.

2. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide vom 19.03.2008 ist zulässig und teilweise begründet.

Der gestellte Antrag ist zunächst als Antrag nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG auszulegen, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche Antragsteller gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 19.03.2008 anzuordnen. Anträge sind auszulegen, wobei die Ziele des eingelegten Rechtsbehelfs zu berücksichtigen sind. Gegebenenfalls sind Anträge im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes umzudeuten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 92 Rn. 5; § 86b Rn. 9 b). Ziel der Antragsteller ist es, Leistungen von der Antragsgegnerin ohne Berücksichtigung der vorgenommen Absenkungen aufgrund von Pflichtverletzungen zu erhalten. Dieses Ziel können die Antragsteller durch einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die Bescheide vom 19.03.2008 gem. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erreichen. Der Antrag gem. § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist in Abgrenzung zur einstweiligen Anordnung gem. § 86b Abs. 2 SGG immer dann die statthafte Antragsart, wenn in der Hauptsache die Anfechtungsklage einschlägige Klageart ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rn. 24). Dies ist bezüglich der Absenkungsbescheide als belastenden Verwaltungsakten der Fall; durch die Kassation der Absenkungsbescheide würde jeweils die vorige Leistungsbewilligung ohne Berücksichtigung der Absenkungen wieder aufleben. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung bewirkt demgemäß, dass den Antragstellern Leistungen ohne Berücksichtigung der Absenkungen ausgezahlt werden müssten.

Der so ausgelegte Antrag ist begründet, soweit Leistungen für den Antragsteller zu 3) um 111,00 Euro monatlich für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 wegen Nichterscheinens zu dem Termin am 31.01.2008 abgesenkt werden. Im Übrigen ist er unbegründet.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Widersprüche gegen die Bescheide vom 19.03.2008 haben keine aufschiebende Wirkung. Die nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG grundsätzlich gegebene aufschiebende Wirkung des Widerspruchs entfällt hier gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG in Verbindung mit § 39 Nr. 1 SGB II. Denn nach dieser Regelung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung.

Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG steht im Ermessen des Gerichts und erfolgt auf der Grundlage einer Interessenabwägung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rn. 12 ff.). Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Bescheide. Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu. Erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Ist dagegen offensichtlich, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist, so überwiegt das private Aussetzungsinteresse, da am Sofortvollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein überwiegendes öffentliches Interesse besteht. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil sich bei einer summarischen Beurteilung die Anfechtungsklage weder als offensichtlich Erfolg versprechend noch offensichtlich aussichtslos erweist, so hat eine Abwägung aller wechselseitigen Interessen zu erfolgen.

a) Hinsichtlich der Absenkung der Leistungen für die Antragstellerin zu 2) um 62,00 Euro monatlich für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 besteht kein überwiegendes Interesse der Antragstellerin zu 2) an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.03.2008. Bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage bestehen keine ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.

Mit Schreiben vom 13.02.2008 wurde die Antragstellerin zu 2) unter Beifügung einer Rechtsfolgenbelehrung zu einem Beratungsgespräch am 27.02.2008 eingeladen. Zu diesem Termin ist sie nicht erschienen, so dass ein Meldeversäumnis vorliegt. Die Einladung war hinsichtlich Zweck, Zeit und Ort des Erscheinens hinreichend bestimmt. Die Antragsgegnerin ist auch zu Recht von einer wiederholten Pflichtverletzung ausgegangen. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin nach summarischer Prüfung das Wirksamwerden und die Dauer der Sanktion zutreffend bestimmt. Soweit der Antragsteller zu 1) vorträgt, die Antragstellerin sei aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, der Einladung nachzukommem, ist dies nicht überzeugend. Entsprechende Nachweise wurden trotz gerichtlicher Aufforderung nicht vorgelegt.

b) Die Absenkung der Leistungen für den Antragsteller zu 3) um 111,00 Euro monatlich für die Zeit vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 wegen Nichterscheinens zu dem Termin am 31.01.2008 ist jedoch rechtswidrig, die aufschiebende Wirkung daher anzuordnen.

Die Antragsgegnerin hat in dem Absenkungsbescheid nicht ergänzend angeboten, dass für die Monate, in denen die Absenkung 30 Prozent und mehr beträgt, ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen gewährt werden können und insoweit das ihr nach § 31 Abs. 3 Satz 6 SGB II zustehenden Ermessen nicht ausgeübt. Ebenfalls hat sie den Antragsteller nicht darauf hingewiesen, dass der Zeitraum der Absenkung auf sechs Wochen verkürzt werden kann und insoweit das ihr nach § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II zustehende Ermessen nicht ausgeübt.

Soweit der weitere Bescheid vom 19.03.2008, mit welchem die verbleibende Leistungshöhe geregelt wird, diese Absenkung umsetzt und die Leistungshöhe gegenüber dem zuvor ergangenen Bewilligungsbescheid vom 04.02.2008 um 111,00 Euro absenkt, ist dieser insoweit rechtswidrig. Die aufschiebende Wirkung ist insoweit anzuordnen.

c) Hinsichtlich der Beschränkung der Leistungen für den Antragsteller zu 3) auf die Leistungen nach § 22 SGB II für die Zeit vom 01.04.2008 bis 30.06.2008 besteht kein überwiegendes Interesse des Antragstellers zu 3) an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 19.03.2008. Bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage bestehen keine ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.

In der Eingliederungsvereinbarung vom 05.10.2007 hat sich der Antragsteller zu 3) verpflichtet, monatlich 8 Nachweise über Bewerbungen vorzulegen. Dieser Verpflichtung ist er nicht nachgekommen. Einen wichtigen Grund hierfür hat er auch auf die Anhörung mit Schreiben vom 27.03.2008 nicht angegeben. Die Eingliederungsvereinbarung war hinsichtlich der Verpflichtung zur Vorlage von Eigenbemühungen hinreichend bestimmt. Die Antragsgegnerin hat nach summarischer Prüfung das Wirksamwerden und die Dauer der Sanktion zutreffend bestimmt. Die Antragsgegnerin hat in dem Absenkungsbescheid auch korrekt ergänzend angeboten, dass für die Monate, in denen die Absenkung 30 Prozent und mehr beträgt, ergänzende Sachleistungen oder geldwerte Leistungen gewährt werden können. Ebenfalls hat sie den das ihr nach § 31 Abs. 6 Satz 3 SGB II zustehende Ermessen ausgeübt und von einer Verkürzung des Absenkungszeitraums abgesehen, weil auch zuvor keine Eigenbemühungen nachgewiesen worden waren; Ermessensfehler sind insoweit nicht festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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