Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 25 KR 2781/04
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 370/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 102/09 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. November 2007 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf eine stationäre Rehabilitations-Maßnahme streitig.
Die Klägerin, geboren im Jahr 1948, ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie erlitt im November 2002 einen Gehörsturz mit Tinnitus bds. Sie wurde daraufhin vom 30. November 2002 bis zum 16. Dezember 2002 in der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde des Klinikums der C. Universität C-Stadt behandelt; die ambulante Weiterbehandlung erfolgte vom 8. Januar 2003 bis zum 24. Januar 2005 durch den HNO Arzt Dr. D ... Zusätzlich wurde in der Zeit vom 13. bis zum 24. Januar 2003 im Druckkammer-Zentrum F. 10-mal eine hyperbare Sauerstoff-Therapie durchgeführt. Ab April 2003 wurde die Klägerin ferner durch Dr. E. (Neurologe und Psychiater) mitbehandelt.
Die Klägerin beantragte über ihren HNO-Arzt Dr. D. im Februar 2003 eine stationäre Rehabilitation. Dr. D. machte den Behandlungsvorschlag, der Einübung von Entspannungstechniken. Die Klägerin äußerte den Wunsch, die stationäre Reha-Maßnahme in der Tinnitusklinik G. durchführen zu lassen.
Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in I. (MDK). Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 11. und vom 12. Februar 2003 zu dem Ergebnis, eine ambulante Infusionsbehandlung sei ausreichend bzw. es wurde eine Kompaktkur befürwortet.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. März 2003 (ohne Rechtsmittelbelehrung) mit dem Hinweis ab, der MDK halte eine Kompaktkur für ausreichend.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, die bisherige Behandlung habe zu keiner Besserung geführt. Die Beklagte habe pflichtwidrig den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. So habe der MDK es versäumt, sich mit dem behandelnden HNO-Arzt in Verbindung zu setzen. Ihre psychische Belastung sei ausgesprochen hoch und ein Kuraufenthalt in einer spezialisierten Klinik aus ärztlicher Sicht unbedingt erforderlich. Andernfalls müsse mit weiteren Kosten ggf. über eine längere Zeit gerechnet werden.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Untersuchung der Klägerin durch den MDK, die am 31. Juli 2003 durchgeführt wurde. Der MDK stellt in seinem Gutachten vom 1. August 2003 einen ständig bestehenden Tinnitus und Schwerhörigkeit bds. fest. Zusätzlich trete nunmehr ca. einmal wöchentlich eine rechtsseitige Migräne mit Sehstörungen beids. auf. Der MDK kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, sämtliche am Wohnort der Klägerin zur Verfügung stehenden Behandlungsverfahren des Tinnitus seien erfolglos durchgeführt worden. Es bestehe jedoch keine Notwendigkeit einer stationären Reha-Maßnahme, befürwortet werde eine Kompaktkur. Darüber hinaus sei eine psychologisch-psychiatrische Mitbehandlung in Form einer ambulanten Psychotherapie zur Verarbeitung der Erkrankung erforderlich.
Mit förmlichem Bescheid vom 8. August 2003 wiederholte die Beklagte die Nichtbewilligung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme und wies mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2004 den Widerspruch der Klägerin gestützt auf das MDK-Gutachten als unbegründet zurück. Ergänzend führte die Beklagte im Widerspruchsbescheid aus, der Klägerin sei entsprechend der Empfehlung des MDK eine Kompaktkur in einem anerkannten Kurort (z. B. in Bad Zwischenahn) angeboten worden. Dies habe die Klägerin abgelehnt.
Die Klägerin hat am 30. Juli 2004 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zu Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.
Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt bei Dr. D. vom 20. April 2006 und bei Dr. E. vom 17. Juli 2006. Dr. D. hat in seinem Befundbericht eine Kompaktkur für ausreichend angesehen und Dr. E. hat die Frage nach der Notwendigkeit einer Reha-Maßnahme nicht beantwortet.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 27. November 2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die beantragte stationäre Reha-Maßnahme, da die medizinische Notwendigkeit nicht nachgewiesen sei. So habe der behandelnde HNO-Arzt Dr. D. eine Kompaktkur für ausreichend angesehen.
Gegen den am 1. Dezember 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30. Dezember 2007 Berufung eingelegt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dem Gerichtsbescheid könne nicht gefolgt werden. Die Beklagte habe trotz der eindeutigen medizinischen Aussage von Dr. D. im Antrag aus 2003 die beantragte Maßnahme abgelehnt. Seit dieser Zeit sei das vorliegende Verfahren am Laufen, da die Beklagte trotz des Ergebnisses des MDK-Gutachtens, alle am Wohnort zur Verfügung stehenden Behandlungen seien ohne Erfolg geblieben, die Durchführung der beantragten Maßnahme abgelehnt habe. Es sei nicht verständlich, dass die Beklagte trotzdem die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme ablehne.
Der Senat hat ein Gutachten von Amts wegen auf psychiatrischem Fachgebiet bei Frau Dr. H. vom 14. Oktober 2008 eingeholt. Darin führt die Sachverständige aus, die Klägerin sei seit 2007 mit Hörgeräten versorgt, komme jedoch nicht damit zurecht. Eine Psychotherapie habe sie nach 20 Stunden abgebrochen, da sie der Auffassung gewesen sei, es habe ihr nichts gebracht. Während einer Kur im Jahr 2007 in J. sei ein psychophysicher Erschöpfungszustand festgestellt worden mit einer psychosomatischen Überlagerung. Die üblichen therapeutischen Maßnahmen bei Tinnitus seien durchgeführt worden. Nach Ausbleibenden des Erfolgs sei die Klägerin psychiatrisch-psychotherapeutische anbehandelt worden. Es bestehe ein Tinnitus Grad II. Die Klägerin werde davon (noch) nicht schwer beeinträchtigt. Der chronische Tinnitus sei als psychosomatisches Symptom im Rahmen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung anzusehen. Eine stationäre Reha-Maßnahme sei indiziert. Dies sei allerdings nur sinnvoll, wenn danach weiter eine ambulante tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie durchgeführt werde.
Der Senat hat die Klägerin im Erörterungstermin am 19. März 2009 angehört. Im Rahmen ihrer Anhörung hat die Klägerin erklärt, sie könne zurzeit keine Erklärung mit dem Inhalt abgeben, dass sie bereit sei, nach Abschluss einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme eine ambulante Psychotherapie durchzuführen. Sie verweist auf das Attest von Dr. D. (Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten vom 21. April 2009). Danach sei weiterhin eine Tinnituskur in einer spezialisierten Klinik zu empfehlen, um weitere Dekompensationen und Folgeschäden zu vermeiden. Erst im Anschluss an eine solche Reha-Maßnahme sei zu prüfen, ob eine weitere Psychotherapie durchzuführen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. November 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 13. März 2003 und vom 8. August 2003, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zur Behandlung des bei ihr bestehenden Tinnitus beids. – ohne vorherige Abgabe eines Einverständnisses zur Durchführung einer anschließenden ambulanten Psychotherapie - zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erklärt, sie sei bereit, entsprechend dem Gutachten von Frau Dr. H. vom 14. Oktober 2008 eine stationäre Reha-Maßnahme im Hinblick auf den bestehenden Tinnitus der Klägerin durchzuführen. Jedoch sei entsprechend dem Ergebnis dieses Gutachtens eine anschließende ambulante Psychotherapie notwendig. Sie mache somit die Leistungsgewährung von einer vorherigen Bereitschaftserklärung der Klägerin abhängig. Ergänzend weist die Beklagte darauf hin, vom 21. Juni bis 17. Juli 2007 habe eine stationäre Reha-Maßnahme in K. stattgefunden und für das Jahr 2009 sei eine weitere stationäre Reha-Maßnahme in der gleichen Reha-Klinik bewilligt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr Anspruch auf eine stationäre Reha-Maßnahme zur Behandlung ihres Tinnitus könne nicht vor einer vorherigen Bereitschaftserklärung für eine anschließenden ambulanten Psychotherapie auf der Grundlage des vom Amts wegen im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten abhängig gemacht werden. Sollte im Anschluss an eine medizinische Reha-Maßnahme ihr eine solche Empfehlung gegeben werden, so wäre dies für sie eine andere Sachlage. Im Übrigen sei die Reha-Maßnahme im Jahr 2007 ausschließlich im Hinblick auf die bei ihr ebenfalls bestehenden Osteoporose und orthopädischen Leiden durchgeführt worden. Am 23. Juni 2009 werde sie die erneut bewilligte stationäre Reha-Maßnahme in der gleichen Reha-Klinik antreten.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG).
Die Berufung ist zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main ist im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Beklagte lehnte im Ergebnis rechtsfehlerfrei mit den angefochtenen Bescheiden das Begehren der Klägerin auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Hinblick auf den bei ihr bestehenden Tinnitus beidseits ab. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine solche Behandlung, auch wenn die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Denn es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Behandlungsziel einer stationären Rehabilitation im Hinblick auf die Leiden der Klägerin im Zusammenhang mit dem Tinnitus beids. ohne anschließende ambulante Psychotherapie erreicht werden kann.
Nach § 11 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Eine Leistung der stationären medizinischen Rehabilitation könnte nach § 40 Abs. 2 SGB V nur gewährt werden, wenn ambulante Rehabilitationsleistungen aus medizinischen Gründen nicht ausreichend sind.
Nach dem Ergebnis des Gutachtens von Frau Dr. H. vom 14. Oktober 2008 befindet sich der bei der Klägerin bestehende Tinnitus im kompensierten Stadium (Grad II) und ist als psychosomatisches Symptom im Rahmen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung zu sehen, die in der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin begründet ist. Dem folgend ist eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme nicht ausreichend, da mit der indizierten stationären Reha-Maßnahme nur eine Entkopplung aus der Alltagssituation in Verbindung mit dem Erleben einer engen therapeutischen Gemeinschaft mit Mitpatienten und damit der Anstoß für einen Genesungsprozess bei der Klägerin bewirkt werden kann.
Gleichwohl kann die Klägerin – entgegen ihrer Auffassung – gegen die Beklagte keinen Anspruch auf stationäre Reha-Maßnahme ohne vorherige Einwilligung in eine anschließende ambulante tiefenpsychologisch fundierte (aufdeckende) Psychotherapie geltend machen. Denn es besteht ohne diese anschließende Therapie keine hinreichende Aussicht auf das Erreichen der Reha-Ziele durch eine stationäre Reha-Maßnahme. Reha-Maßnahmen dürfen nur bewilligt werden, wenn sie geeignet sind, die angestrebten Ziele nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V zu erreichen. Nach dem Gutachten von Frau Dr. H. kann das Ziel einer Reha-Maßnahme allein eine Verhinderung einer weiteren Verschlechterung der erheblichen Sekundärsymptomatik mit Beeinträchtigung im emotionalen, kognitiven, körperlichen und sozialen Bereich sein. Die Innenohrschwerhörigkeit ist mit dem Hörgerät gut kompensiert. Im Rahmen des gutachterlichen Gesprächs ergaben sich keine Hörprobleme oder Verständigungsschwierigkeiten. Zentraler Punkt der Beschwerden der Klägerin ist der Summton in beiden Ohren. Bezüglich dieser Symptomatik wurde eine umfangreiche somatische Diagnostik und Therapie durchgeführt. Da die üblichen therapeutischen Maßnahmen bei Tinnitus alle durchgeführt wurden, wurde nach ausbleibendem Erfolg die Klägerin psychiatrisch-psychosomatisch anbehandelt. Eine ambulante Psychotherapie hat die Klägerin nach eigenen Angaben nach 20 Stunden abgebrochen.
Nach allgemeinen Grundsätzen ist eine Maßnahme nur notwendig, wenn sie zur Erreichung des angestrebten Zieles (hier: Heilung oder Linderung des Tinnitusleidens) geeignet ist. Nach dem Ergebnis des Gutachtens von Frau Dr. H., ist das Ziel einer Reha-Maßnahme allein in einer Verbesserung der Krankheitsbewältigung zu sehen. Der Tinnitus ist nach den erhobenen Befunden als kompensiert (Grad II) einzustufen. Die Lebensführung der Klägerin wird durch den Tinnitus (noch) nicht schwer beeinträchtigt, es ist bisher nicht zu erheblichen Störungen im emotionalen, kognitiven und körperlichen Bereich gekommen. Die Klägerin verfügt über Lebensqualität und kann ihren häuslichen, sozialen und sportlichen Aktivitäten nachgehen. Jedoch ist die Persönlichkeitsstruktur der Klägerin durch eine starke Abwehr und Kontrolle ihrer Emotionalität gekennzeichnet. Entsprechende Fragen hat die Klägerin im Rahmen ihrer Begutachtung nicht, ausweichend oder unzureichend beantwortet. Es gibt starke Anzeichen, dass die Klägerin frühe Verluste (Vater, Mutter, Ehemann) nicht mit der notwendigen Trauerarbeit vollständig verarbeitet hat. Der chronische Tinnitus der Klägerin ist aus psychiatrischer Sicht als psychosomatisches Symptom im Rahmen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung anzusehen. Dieses Symptom wird unbewusst instrumentalisiert, um Zuwendung und Anerkennung zu erhalten und die elementaren Gefühle von Trauer, Schmerz, Enttäuschung und Wut nicht wahrnehmen zu müssen. Es stillt auch den Versorgungswunsch der Klägerin, das zu bekommen, was ihr nach ihren Vorstellungen zusteht. Nach dem Ergebnis des Gutachtens von Frau Dr. H., ist mit einer weiteren Verschlechterung bis hin zu einer Dekompensation zu rechnen. Die Durchführung einer stationären Reha-Maßnahme in einer spezialisierten psychosomatischen Einrichtung ist somit indiziert. Die Entkopplung aus der Alltagssituation und die therapeutische Gemeinschaft der Mitpatienten können zu einem Herausfinden aus dem Dilemma führen, in dem sich die Klägerin befindet.
Frau Dr. H. ist in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, die stationäre Reha-Maßnahme sei nur indiziert, wenn die Klägerin anschließend konsequent eine ambulante tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie von 80 bis 100 Sitzungen macht, die zu einer weiteren Veränderung des intrapsychischen Prozesses führt. In diesem Falle bestünden gute Chancen, eine weitere Verschlechterung mit gravierenden Folgen zu verhindern.
Die Klägerin kann dem Ergebnis des Gutachtens von Frau Dr. H. nicht das Attest von Dr. D. vom 21. April 2009 entgegen halten. Denn das Attest von Dr. D. vom 21. April 2009 widerspricht nicht dem Gutachten von Frau Dr. H ... Sowohl Frau Dr. H. (Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie) als auch Dr. D. (Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten) erachten eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme wegen des bei der Klägerin bestehenden Tinnitus für medizinisch indiziert. Frau Dr. H. ist jedoch auf ihrem Fachgebiet zu dem Ergebnis gekommen, dass der Tinnitus als psychosomatisches Syndrom im Rahmen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung anzusehen ist. Vor diesem Hintergrund ist eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nur sinnvoll, wenn sich daran eine ambulante tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie anschließt.
Da die Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Erörterungstermin am 19. März 2009 ausdrücklich ausführte, sie könne ihre Bereitschaft vor Beginn der streitigen stationären Reha-Maßnahme nicht erklären, konnte die Beklagte zur Leistungsgewährung nicht verpflichtet werden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ein Abwarten auf den Abschluss der medizinischen Reha-Maßnahme nicht vertreten werden. Denn bereits im Zeitpunkt der Bewilligung bzw. Verurteilung muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die angestrebten Ziele erreicht werden können. Ist bereits vor Beginn einer stationären Reha-Maßnahme – wie vorliegend – mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erkennbar, dass dies nur ein Anfang sein kann und anschließende Maßnahmen erforderlich sind, um den angestrebten Erfolg zu sichern, so muss der Versicherte zumindest seine Bereitschaft auch zur späteren Mitwirkung an der sich unmittelbar anschließenden notwendigen Maßnahme bereits vor Beginn der stationären Reha-Maßnahme erklären. Ist allein durch eine stationäre Reha-Maßnahme eine erfolgreiche Behandlung nicht sicherzustellen, kann die Krankenkasse nicht zur Gewährung dieser Leistung verurteilt werden (so auch Landessozialgericht für das Land Brandenburg, Urteil vom 9. März 2005, Az.: L 25 KR 57/02). Nach dem Ergebnis des Gutachtens von Frau Dr. H. ist bei einer Rückkehr der Klägerin in ihren häuslichen Alltag nach der stationären Reha-Maßnahme eine Nachhaltigkeit des Behandlungsziels ohne anschließende psychotherapeutische Behandlung im Umfang von 80 bis 100 Sitzungen nicht zu erreichen.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass der Beklagten gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V ein Ermessen hinsichtlich des "Wie" eingeräumt ist; sie bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach § 40 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. August 2008, Az.: L 1 KR 2/05 – in JURIS). Somit bestimmt die Beklagte in welcher Reha-Klinik die stationäre Reha-Maßnahme durchzuführen ist. Dabei kann sie Wünsche des Versicherten berücksichtigen, ist an diese jedoch nicht gebunden. Der Versicherte hat jedoch keinen Anspruch auf Durchführung in einer bestimmten Reha-Klinik (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. März 2003, Az.: B 1 KR 33/01 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf eine stationäre Rehabilitations-Maßnahme streitig.
Die Klägerin, geboren im Jahr 1948, ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie erlitt im November 2002 einen Gehörsturz mit Tinnitus bds. Sie wurde daraufhin vom 30. November 2002 bis zum 16. Dezember 2002 in der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde des Klinikums der C. Universität C-Stadt behandelt; die ambulante Weiterbehandlung erfolgte vom 8. Januar 2003 bis zum 24. Januar 2005 durch den HNO Arzt Dr. D ... Zusätzlich wurde in der Zeit vom 13. bis zum 24. Januar 2003 im Druckkammer-Zentrum F. 10-mal eine hyperbare Sauerstoff-Therapie durchgeführt. Ab April 2003 wurde die Klägerin ferner durch Dr. E. (Neurologe und Psychiater) mitbehandelt.
Die Klägerin beantragte über ihren HNO-Arzt Dr. D. im Februar 2003 eine stationäre Rehabilitation. Dr. D. machte den Behandlungsvorschlag, der Einübung von Entspannungstechniken. Die Klägerin äußerte den Wunsch, die stationäre Reha-Maßnahme in der Tinnitusklinik G. durchführen zu lassen.
Die Beklagte veranlasste eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in I. (MDK). Dieser kam in seiner Stellungnahme vom 11. und vom 12. Februar 2003 zu dem Ergebnis, eine ambulante Infusionsbehandlung sei ausreichend bzw. es wurde eine Kompaktkur befürwortet.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 13. März 2003 (ohne Rechtsmittelbelehrung) mit dem Hinweis ab, der MDK halte eine Kompaktkur für ausreichend.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, die bisherige Behandlung habe zu keiner Besserung geführt. Die Beklagte habe pflichtwidrig den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt. So habe der MDK es versäumt, sich mit dem behandelnden HNO-Arzt in Verbindung zu setzen. Ihre psychische Belastung sei ausgesprochen hoch und ein Kuraufenthalt in einer spezialisierten Klinik aus ärztlicher Sicht unbedingt erforderlich. Andernfalls müsse mit weiteren Kosten ggf. über eine längere Zeit gerechnet werden.
Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Untersuchung der Klägerin durch den MDK, die am 31. Juli 2003 durchgeführt wurde. Der MDK stellt in seinem Gutachten vom 1. August 2003 einen ständig bestehenden Tinnitus und Schwerhörigkeit bds. fest. Zusätzlich trete nunmehr ca. einmal wöchentlich eine rechtsseitige Migräne mit Sehstörungen beids. auf. Der MDK kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, sämtliche am Wohnort der Klägerin zur Verfügung stehenden Behandlungsverfahren des Tinnitus seien erfolglos durchgeführt worden. Es bestehe jedoch keine Notwendigkeit einer stationären Reha-Maßnahme, befürwortet werde eine Kompaktkur. Darüber hinaus sei eine psychologisch-psychiatrische Mitbehandlung in Form einer ambulanten Psychotherapie zur Verarbeitung der Erkrankung erforderlich.
Mit förmlichem Bescheid vom 8. August 2003 wiederholte die Beklagte die Nichtbewilligung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme und wies mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juni 2004 den Widerspruch der Klägerin gestützt auf das MDK-Gutachten als unbegründet zurück. Ergänzend führte die Beklagte im Widerspruchsbescheid aus, der Klägerin sei entsprechend der Empfehlung des MDK eine Kompaktkur in einem anerkannten Kurort (z. B. in Bad Zwischenahn) angeboten worden. Dies habe die Klägerin abgelehnt.
Die Klägerin hat am 30. Juli 2004 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben mit dem Ziel der Verurteilung der Beklagten zu Gewährung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme.
Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt bei Dr. D. vom 20. April 2006 und bei Dr. E. vom 17. Juli 2006. Dr. D. hat in seinem Befundbericht eine Kompaktkur für ausreichend angesehen und Dr. E. hat die Frage nach der Notwendigkeit einer Reha-Maßnahme nicht beantwortet.
Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 27. November 2007 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf die beantragte stationäre Reha-Maßnahme, da die medizinische Notwendigkeit nicht nachgewiesen sei. So habe der behandelnde HNO-Arzt Dr. D. eine Kompaktkur für ausreichend angesehen.
Gegen den am 1. Dezember 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 30. Dezember 2007 Berufung eingelegt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dem Gerichtsbescheid könne nicht gefolgt werden. Die Beklagte habe trotz der eindeutigen medizinischen Aussage von Dr. D. im Antrag aus 2003 die beantragte Maßnahme abgelehnt. Seit dieser Zeit sei das vorliegende Verfahren am Laufen, da die Beklagte trotz des Ergebnisses des MDK-Gutachtens, alle am Wohnort zur Verfügung stehenden Behandlungen seien ohne Erfolg geblieben, die Durchführung der beantragten Maßnahme abgelehnt habe. Es sei nicht verständlich, dass die Beklagte trotzdem die Durchführung einer stationären Rehabilitationsmaßnahme ablehne.
Der Senat hat ein Gutachten von Amts wegen auf psychiatrischem Fachgebiet bei Frau Dr. H. vom 14. Oktober 2008 eingeholt. Darin führt die Sachverständige aus, die Klägerin sei seit 2007 mit Hörgeräten versorgt, komme jedoch nicht damit zurecht. Eine Psychotherapie habe sie nach 20 Stunden abgebrochen, da sie der Auffassung gewesen sei, es habe ihr nichts gebracht. Während einer Kur im Jahr 2007 in J. sei ein psychophysicher Erschöpfungszustand festgestellt worden mit einer psychosomatischen Überlagerung. Die üblichen therapeutischen Maßnahmen bei Tinnitus seien durchgeführt worden. Nach Ausbleibenden des Erfolgs sei die Klägerin psychiatrisch-psychotherapeutische anbehandelt worden. Es bestehe ein Tinnitus Grad II. Die Klägerin werde davon (noch) nicht schwer beeinträchtigt. Der chronische Tinnitus sei als psychosomatisches Symptom im Rahmen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung anzusehen. Eine stationäre Reha-Maßnahme sei indiziert. Dies sei allerdings nur sinnvoll, wenn danach weiter eine ambulante tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie durchgeführt werde.
Der Senat hat die Klägerin im Erörterungstermin am 19. März 2009 angehört. Im Rahmen ihrer Anhörung hat die Klägerin erklärt, sie könne zurzeit keine Erklärung mit dem Inhalt abgeben, dass sie bereit sei, nach Abschluss einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme eine ambulante Psychotherapie durchzuführen. Sie verweist auf das Attest von Dr. D. (Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten vom 21. April 2009). Danach sei weiterhin eine Tinnituskur in einer spezialisierten Klinik zu empfehlen, um weitere Dekompensationen und Folgeschäden zu vermeiden. Erst im Anschluss an eine solche Reha-Maßnahme sei zu prüfen, ob eine weitere Psychotherapie durchzuführen sei.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 27. November 2007 und die Bescheide der Beklagten vom 13. März 2003 und vom 8. August 2003, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Juni 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zur Behandlung des bei ihr bestehenden Tinnitus beids. – ohne vorherige Abgabe eines Einverständnisses zur Durchführung einer anschließenden ambulanten Psychotherapie - zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erklärt, sie sei bereit, entsprechend dem Gutachten von Frau Dr. H. vom 14. Oktober 2008 eine stationäre Reha-Maßnahme im Hinblick auf den bestehenden Tinnitus der Klägerin durchzuführen. Jedoch sei entsprechend dem Ergebnis dieses Gutachtens eine anschließende ambulante Psychotherapie notwendig. Sie mache somit die Leistungsgewährung von einer vorherigen Bereitschaftserklärung der Klägerin abhängig. Ergänzend weist die Beklagte darauf hin, vom 21. Juni bis 17. Juli 2007 habe eine stationäre Reha-Maßnahme in K. stattgefunden und für das Jahr 2009 sei eine weitere stationäre Reha-Maßnahme in der gleichen Reha-Klinik bewilligt.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, ihr Anspruch auf eine stationäre Reha-Maßnahme zur Behandlung ihres Tinnitus könne nicht vor einer vorherigen Bereitschaftserklärung für eine anschließenden ambulanten Psychotherapie auf der Grundlage des vom Amts wegen im Berufungsverfahren eingeholten Gutachten abhängig gemacht werden. Sollte im Anschluss an eine medizinische Reha-Maßnahme ihr eine solche Empfehlung gegeben werden, so wäre dies für sie eine andere Sachlage. Im Übrigen sei die Reha-Maßnahme im Jahr 2007 ausschließlich im Hinblick auf die bei ihr ebenfalls bestehenden Osteoporose und orthopädischen Leiden durchgeführt worden. Am 23. Juni 2009 werde sie die erneut bewilligte stationäre Reha-Maßnahme in der gleichen Reha-Klinik antreten.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte verwiesen, die Gegenstand der Beratung des Senats gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG).
Die Berufung ist zulässig, konnte in der Sache jedoch keinen Erfolg haben.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main ist im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Beklagte lehnte im Ergebnis rechtsfehlerfrei mit den angefochtenen Bescheiden das Begehren der Klägerin auf eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Hinblick auf den bei ihr bestehenden Tinnitus beidseits ab. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine solche Behandlung, auch wenn die ambulanten Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind. Denn es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Behandlungsziel einer stationären Rehabilitation im Hinblick auf die Leiden der Klägerin im Zusammenhang mit dem Tinnitus beids. ohne anschließende ambulante Psychotherapie erreicht werden kann.
Nach § 11 Abs. 2 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, die notwendig sind, um eine Behinderung oder Pflegebedürftigkeit abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mildern. Eine Leistung der stationären medizinischen Rehabilitation könnte nach § 40 Abs. 2 SGB V nur gewährt werden, wenn ambulante Rehabilitationsleistungen aus medizinischen Gründen nicht ausreichend sind.
Nach dem Ergebnis des Gutachtens von Frau Dr. H. vom 14. Oktober 2008 befindet sich der bei der Klägerin bestehende Tinnitus im kompensierten Stadium (Grad II) und ist als psychosomatisches Symptom im Rahmen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung zu sehen, die in der Persönlichkeitsstruktur der Klägerin begründet ist. Dem folgend ist eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme nicht ausreichend, da mit der indizierten stationären Reha-Maßnahme nur eine Entkopplung aus der Alltagssituation in Verbindung mit dem Erleben einer engen therapeutischen Gemeinschaft mit Mitpatienten und damit der Anstoß für einen Genesungsprozess bei der Klägerin bewirkt werden kann.
Gleichwohl kann die Klägerin – entgegen ihrer Auffassung – gegen die Beklagte keinen Anspruch auf stationäre Reha-Maßnahme ohne vorherige Einwilligung in eine anschließende ambulante tiefenpsychologisch fundierte (aufdeckende) Psychotherapie geltend machen. Denn es besteht ohne diese anschließende Therapie keine hinreichende Aussicht auf das Erreichen der Reha-Ziele durch eine stationäre Reha-Maßnahme. Reha-Maßnahmen dürfen nur bewilligt werden, wenn sie geeignet sind, die angestrebten Ziele nach § 40 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB V zu erreichen. Nach dem Gutachten von Frau Dr. H. kann das Ziel einer Reha-Maßnahme allein eine Verhinderung einer weiteren Verschlechterung der erheblichen Sekundärsymptomatik mit Beeinträchtigung im emotionalen, kognitiven, körperlichen und sozialen Bereich sein. Die Innenohrschwerhörigkeit ist mit dem Hörgerät gut kompensiert. Im Rahmen des gutachterlichen Gesprächs ergaben sich keine Hörprobleme oder Verständigungsschwierigkeiten. Zentraler Punkt der Beschwerden der Klägerin ist der Summton in beiden Ohren. Bezüglich dieser Symptomatik wurde eine umfangreiche somatische Diagnostik und Therapie durchgeführt. Da die üblichen therapeutischen Maßnahmen bei Tinnitus alle durchgeführt wurden, wurde nach ausbleibendem Erfolg die Klägerin psychiatrisch-psychosomatisch anbehandelt. Eine ambulante Psychotherapie hat die Klägerin nach eigenen Angaben nach 20 Stunden abgebrochen.
Nach allgemeinen Grundsätzen ist eine Maßnahme nur notwendig, wenn sie zur Erreichung des angestrebten Zieles (hier: Heilung oder Linderung des Tinnitusleidens) geeignet ist. Nach dem Ergebnis des Gutachtens von Frau Dr. H., ist das Ziel einer Reha-Maßnahme allein in einer Verbesserung der Krankheitsbewältigung zu sehen. Der Tinnitus ist nach den erhobenen Befunden als kompensiert (Grad II) einzustufen. Die Lebensführung der Klägerin wird durch den Tinnitus (noch) nicht schwer beeinträchtigt, es ist bisher nicht zu erheblichen Störungen im emotionalen, kognitiven und körperlichen Bereich gekommen. Die Klägerin verfügt über Lebensqualität und kann ihren häuslichen, sozialen und sportlichen Aktivitäten nachgehen. Jedoch ist die Persönlichkeitsstruktur der Klägerin durch eine starke Abwehr und Kontrolle ihrer Emotionalität gekennzeichnet. Entsprechende Fragen hat die Klägerin im Rahmen ihrer Begutachtung nicht, ausweichend oder unzureichend beantwortet. Es gibt starke Anzeichen, dass die Klägerin frühe Verluste (Vater, Mutter, Ehemann) nicht mit der notwendigen Trauerarbeit vollständig verarbeitet hat. Der chronische Tinnitus der Klägerin ist aus psychiatrischer Sicht als psychosomatisches Symptom im Rahmen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung anzusehen. Dieses Symptom wird unbewusst instrumentalisiert, um Zuwendung und Anerkennung zu erhalten und die elementaren Gefühle von Trauer, Schmerz, Enttäuschung und Wut nicht wahrnehmen zu müssen. Es stillt auch den Versorgungswunsch der Klägerin, das zu bekommen, was ihr nach ihren Vorstellungen zusteht. Nach dem Ergebnis des Gutachtens von Frau Dr. H., ist mit einer weiteren Verschlechterung bis hin zu einer Dekompensation zu rechnen. Die Durchführung einer stationären Reha-Maßnahme in einer spezialisierten psychosomatischen Einrichtung ist somit indiziert. Die Entkopplung aus der Alltagssituation und die therapeutische Gemeinschaft der Mitpatienten können zu einem Herausfinden aus dem Dilemma führen, in dem sich die Klägerin befindet.
Frau Dr. H. ist in ihrem Gutachten zu dem Ergebnis gekommen, die stationäre Reha-Maßnahme sei nur indiziert, wenn die Klägerin anschließend konsequent eine ambulante tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie von 80 bis 100 Sitzungen macht, die zu einer weiteren Veränderung des intrapsychischen Prozesses führt. In diesem Falle bestünden gute Chancen, eine weitere Verschlechterung mit gravierenden Folgen zu verhindern.
Die Klägerin kann dem Ergebnis des Gutachtens von Frau Dr. H. nicht das Attest von Dr. D. vom 21. April 2009 entgegen halten. Denn das Attest von Dr. D. vom 21. April 2009 widerspricht nicht dem Gutachten von Frau Dr. H ... Sowohl Frau Dr. H. (Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie) als auch Dr. D. (Facharzt für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten) erachten eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme wegen des bei der Klägerin bestehenden Tinnitus für medizinisch indiziert. Frau Dr. H. ist jedoch auf ihrem Fachgebiet zu dem Ergebnis gekommen, dass der Tinnitus als psychosomatisches Syndrom im Rahmen einer somatoformen autonomen Funktionsstörung anzusehen ist. Vor diesem Hintergrund ist eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nur sinnvoll, wenn sich daran eine ambulante tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie anschließt.
Da die Klägerin im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung im Erörterungstermin am 19. März 2009 ausdrücklich ausführte, sie könne ihre Bereitschaft vor Beginn der streitigen stationären Reha-Maßnahme nicht erklären, konnte die Beklagte zur Leistungsgewährung nicht verpflichtet werden.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kann ein Abwarten auf den Abschluss der medizinischen Reha-Maßnahme nicht vertreten werden. Denn bereits im Zeitpunkt der Bewilligung bzw. Verurteilung muss mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die angestrebten Ziele erreicht werden können. Ist bereits vor Beginn einer stationären Reha-Maßnahme – wie vorliegend – mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erkennbar, dass dies nur ein Anfang sein kann und anschließende Maßnahmen erforderlich sind, um den angestrebten Erfolg zu sichern, so muss der Versicherte zumindest seine Bereitschaft auch zur späteren Mitwirkung an der sich unmittelbar anschließenden notwendigen Maßnahme bereits vor Beginn der stationären Reha-Maßnahme erklären. Ist allein durch eine stationäre Reha-Maßnahme eine erfolgreiche Behandlung nicht sicherzustellen, kann die Krankenkasse nicht zur Gewährung dieser Leistung verurteilt werden (so auch Landessozialgericht für das Land Brandenburg, Urteil vom 9. März 2005, Az.: L 25 KR 57/02). Nach dem Ergebnis des Gutachtens von Frau Dr. H. ist bei einer Rückkehr der Klägerin in ihren häuslichen Alltag nach der stationären Reha-Maßnahme eine Nachhaltigkeit des Behandlungsziels ohne anschließende psychotherapeutische Behandlung im Umfang von 80 bis 100 Sitzungen nicht zu erreichen.
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass der Beklagten gemäß § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB V ein Ermessen hinsichtlich des "Wie" eingeräumt ist; sie bestimmt nach den medizinischen Erfordernissen des Einzelfalls Art, Dauer, Umfang, Beginn und Durchführung der Leistungen nach § 40 Abs. 1 und Abs. 2 SGB V sowie die Rehabilitationseinrichtung nach pflichtgemäßem Ermessen (Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. August 2008, Az.: L 1 KR 2/05 – in JURIS). Somit bestimmt die Beklagte in welcher Reha-Klinik die stationäre Reha-Maßnahme durchzuführen ist. Dabei kann sie Wünsche des Versicherten berücksichtigen, ist an diese jedoch nicht gebunden. Der Versicherte hat jedoch keinen Anspruch auf Durchführung in einer bestimmten Reha-Klinik (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. März 2003, Az.: B 1 KR 33/01 R).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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