L 2 SF 267/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SF 267/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Vergütung für das von der Antragstellerin erstellte Sachverständigengutachten vom 16. April 2009 wird auf insgesamt 1.477,55 Euro festgesetzt. Die Vergütung für das von Dr. Y. erstellte neuropsychologische Zusatzgutachten vom 17.10.2008 wird auf insgesamt 600,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

In der Rentenversicherungsstreitsache B. gegen Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd vor dem Hessischen Landessozialgericht (Az. L 2 R 417/06) wurde die Antragstellerin mit Beweisanordnung vom 31. Juli 2008 mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens beauftragt; im Rahmen dieses Auftrages wurde Dr. Y. mit der Erstellung eines neuropsychologischen Zusatzgutachtens betraut. Dabei ging es um die Feststellung von Gesundheitsstörungen im psychisch-psychosomatischen Bereich und deren Auswirkungen auf das Leistungsvermögen des Klägers zur Feststellung einer möglichen Erwerbsminderung auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Gutachten war dem Gericht dreifach zu übersenden. Am 7. Mai 2009 legte die Antragstellerin das insgesamt 87 Seiten umfassende Gutachten vom 16. April 2009 vor; hiervon entfielen 13 Seiten auf das von der Zusatzsachverständigen Dr. Y. erstellte neuropsychologische Zusatzgutachten vom 17. Oktober 2008. Mit Rechnung vom 29. April 2009 beanspruchte sie eine Vergütung für das von ihr erstellte Gutachten von 2.047,85 EUR, davon 1.912,50 EUR als Leistungshonorar (22,5 Stunden á 85,- EUR), Porto in Höhe von 10 EUR sowie 81,75 EUR für Schreibauslagen (109000 Anschläge zu 0,75 EUR) und 43,60 EUR für Mehrausfertigungen (50 Seiten zu je 0,50 EUR und jede weiter Seite zu 0,15 EUR). Mit weiterer Rechnung vom selben Tage machte sie eine Vergütung für das neuropsychologische Zusatzgutachten von Dr. Y. von 850 EUR allein als Leistungshonorar (10 Stunden á 85,- EUR) geltend. Der Kostenbeamte berechnete die Gesamtvergütung mit 1.474,85 EUR für das Hauptgutachten und mit 600,00 EUR für das Zusatzgutachten und informierte die Antragstellerin mit Schreiben vom 2. Juni 2009 über die Kürzungen. Im Einzelnen kürzte er den Stundensatz auf 60,- EUR, übernahm die Portokosten und die Schreibauslagen und reduzierte die Kostenerstattung für Mehrausfertigungen auf 33,10 EUR (50 Seiten zu 0,50 EUR und 54 Seiten zu 0,15 EUR).

Die Antragstellerin hat die richterliche Festsetzung ihrer Vergütung nach § 4 des Gesetzes über die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und ehrenamtlichen Richtern (JVEG) beantragt. Hierbei macht sie zusammengefasst geltend, die Schwierigkeit für die Erstellung der Sachverständigengutachten sei u.a. aus

der stationären Aufnahme des Klägers und der Vielzahl der abzugleichenden Vorbefunde sowie darüber hinaus der komplexen psychiatrisch-psychologischen Beurteilung erwachsen, so dass eine Einstufung in die Honorargruppe 3 vorzunehmen sei.

Die Antragstellerin beantragt (sinngemäß),
die Vergütungen für die im Rechtsstreit erstellten Gutachten vom 16. April 2009 und 17. Oktober 2008 auf insgesamt 2.897,85 EUR festzusetzen.

Der Antragsgegner beantragt (sinngemäß),
die Vergütungen der Antragstellerin für das im Rechtsstreit erstattete fachpsychiatrische Gutachten vom 16. April 2009 auf 1.477,55 EUR und für das neuropsychologische Zusatzgutachten vom 17. Oktober 2008 auf 600,00 EUR festzusetzen.

Auf die ausführliche Begründung des Antragsgegners im Schreiben vom 9. Juni 2010 wird verwiesen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Antragsakte sowie die beigezogene Streitakte mit Kostenheft, die vorgelegen haben.

II.

Die rechtzeitig (§ 2 Abs. 1 JVEG) vom der Antragstellerin geltend gemachte Vergütung für die von ihr mit dem Gutachten vom 16. April 2009 erbrachte Leistung ist auf insgesamt 1.477,55 EUR festzustellen; die Vergütung für das von Dr. Y. erstellte neuropsychologische Zusatzgutachten vom 17. Oktober 2008 ist auf 600,00 EUR festzusetzen. Es ergibt sich damit eine Gesamtvergütung von 2.077,55 EUR für beide Gutachten.

Die Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse sie beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. Hier hat die Antragstellerin die Festsetzung durch das Gericht beantragt. Das Gericht entscheidet über den Festsetzungsantrag durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und angesichts der bestehenden Rechtssprechung des erkennenden Senats keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 4 Abs. 7 JVEG).

Zwischen den Beteiligten ist allein die Einstufung der Sachverständigenentschädigung in die Honorargruppe M 2 oder M 3 im Streit. Allerdings hat der Senat mit seiner Entscheidung die angefochtene Festsetzung in vollem Umfang zu überprüfen; hinsichtlich der Kopierkosten weicht sie von der ursprünglichen Festsetzung des Kostenbeamten vom 2. Juni 2009 ab.

Die Vergütung von Sachverständigen richtet sich nach § 8 JVEG. Gemäß § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung ein Honorar für ihre Leistungen, eine Entschädigung für Aufwand sowie Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen nach den §§ 9 bis 11, 5 bis 7 und 12 JVEG. Hierbei erweist sich die Berechnung des Antragsgegners im Schriftsatz vom 9. Juni 2010 als in vollem Umfang zutreffend.

Die Höhe des nach der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG zu bemessenden Stundensatzes ist mit 60,- EUR nach der Honorargruppe M 2 anzusetzen. Die Antragstellerin hatte ein medizinisches Zustandsgutachten im Rahmen eines Streitverfahrens in der gesetzlichen Rentenversicherung zum Leistungsvermögen des Klägers zu erstellen und hat diese Leistung auch erbracht. Für die Honorierung der Stundensätze sind in der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG medizinische und psychologische Gutachten aufsteigend in die Schwierigkeitsgruppen M 1 bis M 3 eingeteilt. Wie vom Senat auch mit Blick auf die Historie und die Entwicklung von der früheren Invalidenversicherung zum heutigen Rentenrecht bereits mehrfach entschieden, sind medizinische Sachverständigengutachten zur Ermittlung des gesundheitlichen Leistungsvermögens im Streitfall der Erwerbsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung grundsätzlich den in der Honorargruppe M 2 beispielhaft aufgeführten medizinischen Zustandsgutachten "zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität" zuzurechnen (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. April 2005, L 2/9 SF 82/04; Beschluss vom 14. August 2006, L 2 SF 2/05 R; Beschluss vom 18. November 2009, L 2 KR 177/09 B). Nach der Rechtsprechung des Senats werden diese medizinischen Zustandsgutachten im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung als durchschnittlich schwierig eingestuft. Sie erfordern eingehende Überlegungen zum Zusammenhang zwischen Diagnosen und Leistungsvermögen, regelmäßig unter Berücksichtigung von Fremdbefunden und Vorgutachten. Eine solche Leistung kann sachgerecht der Honorargruppe M 2 zugeordnet werden. Eine andere Zuordnung, insb. zur Honorargruppe M 3, ist nach Wortlaut, Aufbau und Systematik der Anlage 1 nicht zu begründen.

Nach § 9 Abs. 1 JVEG erhält ein Sachverständiger für jede Stunde nach der Honorargruppe M 2 ein Honorar in Höhe von 60,00 Euro und nach der Honorargruppe M 3 ein Honorar von 85,00 Euro. Nach der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG gehören dabei in die Honorargruppe M 2 beschreibende (Ist-Zustand-Begutachtungen) nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad. In die Honorargruppe M 3 gehören dagegen Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze sind vorliegend beide erstatteten Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung der Honorargruppe M 2 zuzuordnen. Die Gutachten sind Zustandsgutachten. Die Antragstellerin hatte laut Gutachtenauftrag vom 31. Juli 2009 ein Gutachten zu den vorliegenden Krankheiten oder Behinderungen körperlicher, geistiger oder seelischer Art des Klägers zu erstatten und hierbei den erwerbsmindernden Dauereinfluss der Beeinträchtigungen zu ermitteln sowie das zeitliche Restleistungsvermögen des Klägers unter Berücksichtigung eventuell erforderlicher betriebsunüblicher Pausen und der Wegefähigkeit zu beurteilen. Ferner war der Eintritt des zeitlichen Restleistungsvermögens darzustellen. Damit ist allein ein Zustandsgutachten - wie es von der Honorargruppe M 2 umfasst wird - in Auftrag gegeben worden. Bei Gutachten aus dem Bereich der Rentenversicherung auf dem Gebiet der Erwerbsminderung sind regelmäßig eingehende Zusammenhangsüberlegungen zwischen Diagnosen und Beurteilung des Leistungsvermögens unter Berücksichtigung von Fremdbefunden und Vorgutachten erforderlich. Diese Gutachten weisen daher einen nur durchschnittlichen Schwierigkeitsgrad auf und sind grundsätzlich nach der Honorargruppe M 2 zu vergüten. Denn insbesondere Kausalzusammenhänge oder strittige Kausalfragen sind nicht zu erörtern. Wie bereits vom Antragsgegner zutreffend ausgeführt, gehören in die geltend gemachte Honorargruppe M 3 Kausalgutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad, die regelmäßig im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung vorkommen, wenn über die Feststellung des Gesundheitszustandes hinaus vielschichtige Fragen des Kausalzusammenhangs zwischen Gesundheitsstörungen und schädigenden Ereignissen oder Einwirkungen zu klären sind. Hingegen gehört die Auswertung und Bewertung von Vorbefunden und –gutachten zum regelmäßigen Erscheinungsbild von Sachverständigengutachten im sozialgerichtlichen Verfahren. Zutreffend führt der Antragsgegner aus, dass die Auseinandersetzung mit den Vorbefunden einschließlich einer umfassenden Anamnese und Testverfahren nach jeweiligem Fachgebiet ihren Niederschlag bereits in der zeitlichen Komponente der Gutachtenerstellung finden und nicht zusätzlich bei der Beurteilung des Schwierigkeitsgrades zu berücksichtigen sind. Probleme differenzialdiagnostischer Art waren lediglich in diesem Rahmen zu diskutieren, da es auf die Frage der Entstehung nicht ankam und lediglich die entscheidenden Funktionsbeeinträchtigungen darzustellen waren; eine Prognoseentscheidung war nicht zu treffen. Die Voraussetzungen, wie sie in der Honorargruppe M 3 beschrieben werden, sind damit nicht erfüllt. Die von der Antragstellerin angeführte Notwendigkeit einer stationären Einbestellung führt ebenfalls nicht zu einer anderen Beurteilung, da sie in dem besonderen Fall des Klägers deswegen notwendig war, um die geforderten Zustandsfeststellungen überhaupt treffen zu können. Dass die Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung medizinisch komplex ist, ändert nichts an der grundsätzlichen Richtung der ärztlichen Begutachtung. Gleichermaßen kann eine Differenzierung zwischen den einzelnen Fachgebieten nicht zu einer Veränderung des Gebührenrahmens führen, da die Beurteilungen auf dem jeweiligen Fachgebiet jeweils nach Lage der dort maßgeblichen ärztlichen Kunst zu erfolgen haben; allein der Umstand, dass im Bereich der psychiatrisch-psychologischen Begutachtung bestimmte Kriterien eingehalten und umfangreiche Testungen durchgeführt werden müssen, führt nicht zu einer Besonderheit gegenüber anderen Fachgebieten und wird allein durch den abrechnungsfähigen Zeitaufwand ausgeglichen. Die Honorargruppe M 2 ist damit auch im vorliegenden Fall angemessen.

Abweichend von der Festsetzung durch den Kostenbeamten sind Kopierkosten für die nach dem Gutachtenauftrag zu fertigenden beiden Mehrausfertigungen für insgesamt 122 Seiten zu erstatten. Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 JVEG werden für die Anfertigung von Ablichtungen und Ausdrucken 0,50 EUR für die ersten 50 Seiten und 0,15 EUR für jede weitere Seite ersetzt. Allerdings ist auch bei Berechnung der Pauschale für vom Gericht geforderte Mehrausfertigungen des Gutachtens nicht die Anzahl der geschriebenen und kopierten Seiten des Gutachtens maßgebend, sondern auch hier ist der objektiv erforderliche Textumfang maßgebend (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11. April 2005, L 2/9 SF 82/04). Auf der Grundlage der von der Antragstellerin ermittelten Zahl der für das Gutachten angefallenen 109000 Anschläge bei der nach der Kostenrechtsprechung des Senats als zutreffend anzusehenden Anschlagzahl von 1800 pro Gutachtenseite (Hessisches Landessozialgericht, a.a.O.) liegt ein objektiv erforderlicher Gutachtenumfang von 61 Seiten vor. Damit umfassen die beiden Mehrausfertigungen 122 Seiten, von denen 50 mit 0,50 EUR und die restlichen 72 Seiten mit 0,15 EUR je Seite zu vergüten sind (50 x 0,50 EUR zzgl. 72 x 0,15 EUR = 35,80 EUR).

Der Zeitaufwand ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten; auch der Senat teilt die Einschätzung, dass der abgerechnete Stundenaufwand von 22,5 Stunden für das Hauptgutachten (zu 60 EUR = 1.350 EUR) und von zehn Stunden für das Zusatzgutachten (zu 60 EUR = 600 EUR) objektiv erforderlich gewesen ist (vgl. § 8 Abs. 2 JVEG). Gleiches gilt für die nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 JVEG abzurechnenden Schreibauslagen in Höhe von 81,75 EUR insgesamt. Auch die Portokosten in Höhe von 10 EUR sind zutreffend abgerechnet.

Damit ergibt sich eine festzusetzende Gesamtvergütung für das – die Nebenkosten auch des Zusatzgutachtens umfassende – Hauptgutachten von 1.477,55 EUR (22, 5 Std. zu 60 EUR = 1.350 EUR zzgl. Schreibauslagen von 81,75 EUR, Kopierkosten von 35,80 EUR und Portokosten von 10 EUR) und für das Zusatzgutachten von 600 EUR (10 Std. zu 60 EUR).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 S. 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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