Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3 R 85/11 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 170/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung hat einen Antrag auf eine Leistung zur Teilhabe durch eine stationäre Drogentherapie nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI abzulehnen, wenn sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung noch im Vollzug einer Freiheitsstrafe befindet.
Eine Bewilligung mit einer Nebenbestimmung nach § 32 SGB X ist nicht das geeignete Instrument, um eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach
§ 57 Abs. 1 StGB zu erlangen, weil das Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 12 SGB VI zu den wesentlichen Leistungsvoraussetzungen gehört. Insoweit sind auch die für Maßnahmen der Strafvollstreckung zuständigen Gerichte an die vom Gesetzgeber vorgegebene Kompetenzordnung gebunden.
Allerdings steht es im Ermessen des Rentenversicherungsträgers, auf Antrag eine schriftliche Zusicherung nach § 34 SGB X für den Fall der Haftentlassung zu erteilen und insoweit auch bereits sein Auswahlermessen nach § 13 Abs. 1 S. 1 SGB VI hinsichtlich der Ausgestaltung der Leistung zur Teilhabe zu konkretisieren.
Eine Bewilligung mit einer Nebenbestimmung nach § 32 SGB X ist nicht das geeignete Instrument, um eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach
§ 57 Abs. 1 StGB zu erlangen, weil das Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 12 SGB VI zu den wesentlichen Leistungsvoraussetzungen gehört. Insoweit sind auch die für Maßnahmen der Strafvollstreckung zuständigen Gerichte an die vom Gesetzgeber vorgegebene Kompetenzordnung gebunden.
Allerdings steht es im Ermessen des Rentenversicherungsträgers, auf Antrag eine schriftliche Zusicherung nach § 34 SGB X für den Fall der Haftentlassung zu erteilen und insoweit auch bereits sein Auswahlermessen nach § 13 Abs. 1 S. 1 SGB VI hinsichtlich der Ausgestaltung der Leistung zur Teilhabe zu konkretisieren.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 30. März 2011 aufgehoben und der Antrag abgelehnt.
Die Beteiligten haben einander in beiden Rechtszügen keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Bewilligung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke.
Der Antragsteller war mit Unterbrechungen von August 1987 bis Februar 1994 versicherungspflichtig beschäftigt und schloss 1995 eine Berufsausbildung zum Dachdecker erfolgreich ab. Anschließend war er erneut mit Unterbrechungen von Juli 2002 bis April 2009 versicherungspflichtig beschäftigt. Auf den Kontenspiegel vom 17. November 2010 (Bl. 3 Verwaltungsakten) wird wegen des genauen Versicherungsverlaufs Bezug genommen. Zur Zeit verbüßt der Antragsteller aufgrund eines Urteils des Amtsgerichts Gießen vom 14. August 2009 (Az. XY.) die dort ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe wegen eines Drogendelikts von einem Jahr und sechs Monaten sowie verschiedene weitere Freiheitsstrafen nach Bewährungswiderrufen, die nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft ZQ. vom 23. April 2010 mangels Kausalität nicht zurückstellungsfähig im Sinne von § 35 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) sind. Haftentlassungstermin bei vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe wäre der 21. April 2013. Eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Strafgesetzbuch (StGB) wäre erstmals ab 20. Januar 2011 möglich gewesen. In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 11. März 2011 hat der Antragsteller erklärt, die zuständige Strafvollstreckungskammer habe ihm in einer mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2011 zu erkennen gegeben, eine Aussetzung des Strafrestes komme nur bei einem nahtlosen Übergang in eine stationäre Drogentherapie in Betracht. Ein Therapieplatz in der Fachklinik C. in D. sei ihm von dort bereits zugesagt worden, sobald die Kostenträgerschaft geklärt sei.
Am 16. November 2010 beantragte er bei der Antragsgegnerin die Bewilligung von Leistungen zur stationären medizinischen Rehabilitation unter Vorlage einer befürwortenden Stellungnahme des Facharztes für Neurochirurgie und Neuroorthopädie Dr. E. vom 8. November 2010 sowie eines Sozialberichts der Sucht- und HIV-Beratung der JVA A-Stadt vom 3. November 2010, mit dem die angestrebte stationäre Drogentherapie ebenfalls dringend befürwortet wurde. Mit Bescheid vom 22. November 2010 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab, weil sich der Antragsteller zur Zeit im Vollzug einer Freiheitsstrafe befinde. In dem sich anschließenden Widerspruchsverfahren wies der Antragsteller darauf hin, die stationäre Drogentherapie erst für die Zeit nach Haftentlassung anzustreben. Die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung sei allerdings von der vorgängigen Kostenzusage der Antragsgegnerin abhängig. Hierzu ging eine ebenfalls befürwortende Stellungnahme des Leiters der JVA A-Stadt vom 29. November 2010 bei der Antragsgegnerin ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar habe der Antragsteller die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Leistung erfüllt. Jedoch liege ein Ausschlussgrund nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) vor, weil sich der Antragsteller im Vollzug einer Freiheitsstrafe befinde. Nach Haftentlassung könne erneut ein Antrag auf Durchführung einer Entwöhnungsbehandlung gestellt werden.
Am 28. Februar 2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Fulda hiergegen Klage erhoben (S 3 R 72/11) und am 4. März 2011 beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Kostenzusage für eine Drogentherapie zu bewilligen. Hierzu hat der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung vom 11. März 2011 vorgelegt, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird. Mit Beschluss vom 30. März 2011 hat das Sozialgericht Fulda die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung "verpflichtet, dem Antragsteller eine Zusage für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Form einer stationären Drogentherapie zu erteilen". Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung seien nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erfüllt. Sowohl Anordnungsgrund als auch Anordnungsanspruch lägen vor. Ein Anspruch auf die beantragte Leistung zur Rehabilitation und damit der Anordnungsanspruch scheitere nicht an § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI. Der Entscheidung des erkennenden Senats vom 6. Januar 2011 (L 5 R 486/10 B ER) sei nicht zu folgen, denn § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI schließe lediglich die Erbringung von Leistungen während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe aus, nicht aber die Beantragung einer solchen Leistung für die Zeit nach dem Vollzug. § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI solle lediglich klarstellen, dass die Rehabilitation inhaftierter Personen nicht in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Rentenversicherung falle. Diese aber stehe einer Antragstellung aus der Haft heraus nicht entgegen. Zwar stehe der Beklagten bei der Auswahl der Reha-Leistung Ermessen zu, gleichwohl sei hier im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes eine konkrete Leistung zur Abwendung eines schweren und unzumutbaren Nachteils für den Antragsteller anzuordnen gewesen. Denn die Bewilligung der Drogentherapie sei Voraussetzung für die vorzeitige Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 StGB und damit im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz (GG) grundrechtsrelevant. Zwar stehe außer Zweifel, dass das Freiheitsgrundrecht des Antragstellers durch die Haftstrafen in verfassungsrechtlich zulässiger Weise begrenzt werde. Indessen zeige § 57 StGB, dass der Freiheitsbeschränkung Grenzen gesetzt seien. Könne sich eine Entscheidung auf diese Grenzen auswirken, was auf die streitgegenständliche Leistung zutreffe, so sei der objektive Wertgehalt des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG auch bei dieser Entscheidung zu berücksichtigen. Dies gelte insbesondere bei einer Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB, auf die bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen ein Anspruch bestehe. Der Entscheidung der Antragsgegnerin über eine Drogentherapie komme eine überragende Bedeutung bei der Entscheidung des Strafvollstreckungsgerichts über die Strafaussetzung zur Bewährung nach zwei Dritteln der Haftzeit zu. Aufgrund der Empfehlung des Leiters der JVA sei das Strafaussetzungsersuchen des Antragstellers ohne Zusage einer stationären Drogentherapie aussichtslos. Mit ihrer Entscheidung vereitele die Antragsgegnerin von vornherein die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung. Die Antragsgegnerin habe eine Leistungsbewilligung mit einer aufschiebenden Bedingung nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) erteilen können, wie dies auch in der Vergangenheit in anderen Fällen schon geschehen sei. Auch bewillige die Antragsgegnerin in Fällen des § 35 BtMG stationäre Drogentherapien gegenüber Häftlingen, die nur außerhalb der Haft angetreten werden könnten, um § 35 BtMG nicht ins Leere laufen zu lassen. Unter diesen Voraussetzungen müsse das Gericht seine Entscheidung an die Stelle des behördlichen Ermessens setzen, was aus dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folge. Es seien keine Gründe ersichtlich, die der beantragten Leistung entgegenstünden. Ein Anordnungsgrund ergebe sich aus der faktisch freiheitsentziehenden Wirkung der Ablehnung.
Gegen den ihr am 31. März 2011 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 12. April 2011 Beschwerde zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, es bestehe schon kein Anordnungsanspruch, weil § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung und auch noch zum jetzigen Zeitpunkt der beantragten Leistungsbewilligung entgegenstehe. Die Bewilligung habe auch nicht unter einer aufschiebenden Bedingung nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X erteilt werden können, weil sich diese Vorschrift nur auf Ermessensentscheidungen beziehe, die Entscheidung über das "Ob" einer medizinischen Leistung zur Teilhabe aber nicht im Ermessen der Antragsgegnerin stehe, sondern vielmehr eine gebundene Entscheidung sei. Grundsätzlich komme daher nur eine aufschiebende Bedingung nach § 32 Abs. 1 Alternative 2 SGB X in Betracht, um die Erfüllung geringfügiger tatbestandlicher Voraussetzungen des Verwaltungsakts sicherzustellen. Das Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 12 SGB VI sei jedoch eine wesentliche Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe und damit einer Sicherstellung durch eine Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt grundsätzlich nicht zugänglich. Bei Fehlen einer wesentlichen Voraussetzung sei vielmehr ein ablehnender Bescheid zu erteilen. Selbst wenn die Antragsgegnerin eine Nebenbestimmung in diesem Sinne habe treffen können, so stehe dies in ihrem Ermessen, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Entscheidung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf einer Prognose beruhe, bei der es sich um eine Momentaufnahme handele. Im vorliegenden Fall könne sich die Aussetzung des Strafrestes noch bis zum regulären Haftentlassungstermin im April 2013 hinziehen. Bei Erlass eines Bewilligungsbescheides zum heutigen Zeitpunkt mit einer Nebenbestimmung könne die Antragsgegnerin aber nicht wissen, ob zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsfolge die Bewilligung überhaupt noch auszusprechen wäre. Dies könne sich nur dann anders darstellen, wenn bereits eine entsprechende Entscheidung der Strafvollstreckungsbehörde vorliege und damit der Eintritt der Rechtsfolge in einem absehbaren zeitlichen Rahmen erfolgen werde, weil dann der zeitliche Ablauf im Rahmen der Prognoseentscheidung berücksichtigt werden könne. Das Freiheitsrecht des Antragstellers werde nicht durch die Antragsgegnerin sondern durch die Straf- und Strafvollstreckungsgerichte eingeschränkt. Sofern es der Kernbereich des Art. 2 GG gebiete, dass der Antragsteller vorzeitig aus der Haft entlassen werde, habe das Vollstreckungsgericht die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Dies sei nicht Aufgabe der Antragsgegnerin. Während der Haft habe die Strafvollzugsbehörde für die notwendigen Leistungen zur medizinischen Versorgung zu sorgen. Das Strafvollstreckungsgericht könne eine Strafe aussetzen und zum Beispiel eine Weisung nach § 56c Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB aussprechen. Eine Aussetzung des Strafrestes könne daher auch ohne vorgängige Entscheidung der Antragsgegnerin angeordnet und eine Rehabilitationsmaßnahme anschließend bewilligt und angetreten werden. Darüber hinaus bestehe auch kein Anordnungsgrund, denn der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass im Falle der Bewilligung der beantragten Leistung eine Aussetzung des Strafrestes erfolge. Die Antragsgegnerin könne innerhalb einer Woche über einen neuen Antrag entscheiden. Es bleibe dem Strafvollstreckungsgericht unbenommen, im Falle der Aussetzung des Strafrestes eine entsprechende Weisung zu erteilen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 30. März 2011 aufzuheben und den Antrag in vollem Umfang abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er stützt sich im Wesentlichen auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses und weist nochmals darauf hin, dass die zuständige Strafvollstreckungskammer die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung vom nahtlosen Übergang in eine stationäre Drogentherapie abhängig macht. Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist auch sachlich begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 30. März 2011 ist aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, weil ein Anordnungsanspruch zu Gunsten des Antragstellers nicht besteht. Ein Anspruch des Antragstellers auf die beantragte Leistung zur Teilhabe durch stationäre Drogentherapie scheitert bereits am Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI, denn der Antragsteller befand sich sowohl zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung als auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Vollzug einer Freiheitsstrafe. An der Entscheidung des erkennenden Senats vom 6. Januar 2011 (L 5 R 486/10 B ER) wird ausdrücklich festgehalten. Welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung maßgeblich ist, ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen. Vorliegend handelt es sich in der Hauptsache um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, mit der der Antragsteller die Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe anstrebt. Maßgebend für die Beurteilung der Voraussetzungen des eingeklagten Anspruchs ist für das Gericht damit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor einer Tatsacheninstanz (siehe hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Auflage, § 54 Rn. 33 ff. m. w. N.). Da sich der Antragsteller nach wie vor in Haft befindet und keine konkrete Aussicht auf Haftentlassung vor April 2013 besteht, wäre die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt als unbegründet abzuweisen, weil die Anspruchsvoraussetzungen aktuell nicht erfüllt sind. Ebenso war die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antrag abzulehnen, weil wesentliche Voraussetzungen für die beantragte Leistung zur Teilhabe zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung nicht vorlagen. Zwar steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin, die Erfüllung geringfügiger tatbestandlicher Voraussetzungen durch geeignete Nebenbestimmungen - etwa durch eine aufschiebende Bedingung - nach § 32 Abs. 1 SGB X sicherzustellen. Die Beklagte weist aber zutreffend darauf hin, dass der Vollzug einer Freiheitsstrafe kein geringfügiger sondern ein wesentlicher Ausschlussgrund für die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe ist und damit grundsätzlich nicht im Wege einer Nebenbestimmung sicherzustellen ist. § 32 Abs. 1 Alternative 2 SGB X gibt der Verwaltung die Möglichkeit, einen Verwaltungsakt, auf den ein Rechtsanspruch besteht, schon dann zu erlassen, wenn zwar wesentliche, aber noch nicht alle tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsnorm erfüllt oder nachgewiesen sind, also noch nicht endgültig feststeht, ob der Anspruch überhaupt dem Grunde nach besteht. Die Norm darf grundsätzlich nur herangezogen werden, um die Erfüllung geringfügiger tatbestandlicher Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes sicherzustellen (so zutreffend: Bundessozialgericht – BSG Urteil vom 31. Oktober 2001, B 6 KA 16/00 R, m. w. N.). Fehlen wesentliche Voraussetzungen, muss die Behörde einen ablehnenden Bescheid erteilen und der Betroffene später gegebenenfalls einen neuen Antrag stellen (so: Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 32 Rn. 10 m. w. N.). Das Sozialgericht hat in seiner angegriffenen Entscheidung selbst zutreffend darauf hingewiesen, dass § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI eine grundsätzliche Kompetenzentscheidung trifft, wonach in den dort genannten Fällen die Rehabilitation nicht in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Rentenversicherung fällt. Damit handelt es sich um eine wesentliche negative Anspruchsvoraussetzung deren Erfüllung im Falle der Bewilligung nicht dahingestellt bleiben kann, zumal die Antragsgegnerin bei Beurteilung der persönlichen Voraussetzungen eine Prognoseentscheidung zu treffen hat, die nicht unwesentlich auch vom weiteren zeitlichen Ablauf abhängig sein kann, worauf die Antragsgegnerin bereits zutreffend hingewiesen hat. Eine Nebenbestimmung nach § 32 Abs. 2 SGB X konnte die Beklagte schon deshalb nicht treffen, weil es sich bei der grundsätzlichen Entscheidung, ob medizinische Rehabilitationsleistungen zu erbringen sind, um keine Ermessensentscheidung sondern um eine gebundene Entscheidung handelt (so u.a. der erkennende Senat in seinem Beschluss vom 6. Januar 2011, a. a. O.), § 32 Abs. 2 SGB X aber unzweifelhaft nur auf Nebenbestimmungen bei Ermessensleistungen anwendbar ist (so etwa: Engelmann, a. a. O., § 32 Rn. 11; Krasney in Kasseler Kommentar, § 32 Rn. 9 SGB X). Die ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin beinhaltet im Ergebnis auch keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Freiheitsrechte des Antragstellers nach Art. 2 GG. Zwar mag es strafrechtlich und auch verfassungsrechtlich zulässig sein, die Aussetzung des Strafrestes nach § 57 Abs. 1 StGB vom nahtlosen Übergang in eine stationäre Drogentherapie abhängig zu machen, wie dies nach dem glaubhaften Vortrag des Antragstellers der Fall sein mag. Dies allerdings ist eine Entscheidung des Strafvollstreckungsgerichts, deren Rechtmäßigkeit weder vom Rentenversicherungsträger noch von der Sozialgerichtsbarkeit zu überprüfen ist und die sich im Übrigen auch durch die Erteilung von Weisungen gemäß § 56c StGB sicherstellen lässt. Der Senat sieht insoweit keine Regelungslücke, die etwa durch einschränkende Auslegung der grundsätzlichen Kompetenznorm des § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI, wonach die Rehabilitation Strafgefangener nicht in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Rentenversicherung fällt, zu schließen wäre. Dies gilt erst recht auch deshalb, weil das Sozialverwaltungsverfahrensrecht für Fälle der vorliegenden Art die schriftliche Zusicherung gemäß § 34 SGB X als geeignetes Instrument vorsieht, mit dem die Beklagte auch bereits ihr Ermessen hinsichtlich des "Wie" der zugesicherten Rehabilitationsleistungen konkretisieren kann (siehe hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom 19. März 2010, L 5 R 28/09). Die Erteilung einer Zusicherung kommt insbesondere bei Verwaltungsakten in Betracht, die in das Ermessen der Behörde gestellt sind, oder bei gebundenen Entscheidungen, bei denen der Behörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Der Bürger hat in diesen Fällen ein Bedürfnis auf Bereitstellung verlässlicher Dispositionsgrundlagen durch Erteilung bindender Vorabentscheidungen. § 34 SGB X schließt aber auch Zusicherungen bei einer gebundenen Entscheidung ohne Beurteilungsspielraum nicht aus (so zutreffend: Engelmann, a. a. O., § 34 Rn. 4 m. w. N.). So hätte der Antragsteller die Zusicherung beantragen können, dass ihm nach Haftentlassung die beantragte Leistung zur Teilhabe bewilligt wird, sofern alle übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Zugleich wäre die Antragsgegnerin, da die Zusicherung nach § 34 Abs. 3 SGB X unter dem Vorbehalt der Beständigkeit der Sach- und Rechtslage steht, an die Zusicherung nicht mehr gebunden, wenn sich der Gesundheitszustand oder andere tatsächliche Voraussetzungen der zugesicherten Leistung etwa auch hinsichtlich der anzustellenden Prognose zwischenzeitlich verändern. Allerdings steht eine solche Zusicherung grundsätzlich ebenfalls im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin, wobei im Einzelfall eine "Ermessensreduzierung auf Null" eintreten kann (siehe hierzu: BSG, Urteil vom 5. Oktober 2010, B 10 LW 4/05 R m. w. N.). Dem braucht hier aber nicht weiter nachgegangen zu werden, weil der Antragsteller einen Antrag auf Erteilung einer Zusicherung nach § 34 SGB X bisher nicht gestellt hat und demgemäß eine Zusicherung auch nicht Gegenstand dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sein kann, unabhängig von der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Erteilung einer schriftlichen Zusicherung überhaupt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes als vorläufige Regelung angeordnet werden kann und ob dem zuständigen Strafvollstreckungsgericht eine solche schriftliche Zusicherung des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung für eine Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB ausreicht, denn das Risiko, dass die Therapie nicht angetreten wird, ist weder durch eine schriftliche Zusicherung noch durch eine Leistungsbewilligung seitens des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung auszuschließen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Die Beteiligten haben einander in beiden Rechtszügen keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Bewilligung von stationären Leistungen zur medizinischen Rehabilitation für Abhängigkeitskranke.
Der Antragsteller war mit Unterbrechungen von August 1987 bis Februar 1994 versicherungspflichtig beschäftigt und schloss 1995 eine Berufsausbildung zum Dachdecker erfolgreich ab. Anschließend war er erneut mit Unterbrechungen von Juli 2002 bis April 2009 versicherungspflichtig beschäftigt. Auf den Kontenspiegel vom 17. November 2010 (Bl. 3 Verwaltungsakten) wird wegen des genauen Versicherungsverlaufs Bezug genommen. Zur Zeit verbüßt der Antragsteller aufgrund eines Urteils des Amtsgerichts Gießen vom 14. August 2009 (Az. XY.) die dort ausgesprochene Gesamtfreiheitsstrafe wegen eines Drogendelikts von einem Jahr und sechs Monaten sowie verschiedene weitere Freiheitsstrafen nach Bewährungswiderrufen, die nach der Entscheidung der Staatsanwaltschaft ZQ. vom 23. April 2010 mangels Kausalität nicht zurückstellungsfähig im Sinne von § 35 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) sind. Haftentlassungstermin bei vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafe wäre der 21. April 2013. Eine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung nach § 57 Strafgesetzbuch (StGB) wäre erstmals ab 20. Januar 2011 möglich gewesen. In seiner eidesstattlichen Versicherung vom 11. März 2011 hat der Antragsteller erklärt, die zuständige Strafvollstreckungskammer habe ihm in einer mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2011 zu erkennen gegeben, eine Aussetzung des Strafrestes komme nur bei einem nahtlosen Übergang in eine stationäre Drogentherapie in Betracht. Ein Therapieplatz in der Fachklinik C. in D. sei ihm von dort bereits zugesagt worden, sobald die Kostenträgerschaft geklärt sei.
Am 16. November 2010 beantragte er bei der Antragsgegnerin die Bewilligung von Leistungen zur stationären medizinischen Rehabilitation unter Vorlage einer befürwortenden Stellungnahme des Facharztes für Neurochirurgie und Neuroorthopädie Dr. E. vom 8. November 2010 sowie eines Sozialberichts der Sucht- und HIV-Beratung der JVA A-Stadt vom 3. November 2010, mit dem die angestrebte stationäre Drogentherapie ebenfalls dringend befürwortet wurde. Mit Bescheid vom 22. November 2010 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab, weil sich der Antragsteller zur Zeit im Vollzug einer Freiheitsstrafe befinde. In dem sich anschließenden Widerspruchsverfahren wies der Antragsteller darauf hin, die stationäre Drogentherapie erst für die Zeit nach Haftentlassung anzustreben. Die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung sei allerdings von der vorgängigen Kostenzusage der Antragsgegnerin abhängig. Hierzu ging eine ebenfalls befürwortende Stellungnahme des Leiters der JVA A-Stadt vom 29. November 2010 bei der Antragsgegnerin ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Januar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zwar habe der Antragsteller die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die beantragte Leistung erfüllt. Jedoch liege ein Ausschlussgrund nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch, Sechstes Buch (SGB VI) vor, weil sich der Antragsteller im Vollzug einer Freiheitsstrafe befinde. Nach Haftentlassung könne erneut ein Antrag auf Durchführung einer Entwöhnungsbehandlung gestellt werden.
Am 28. Februar 2011 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Fulda hiergegen Klage erhoben (S 3 R 72/11) und am 4. März 2011 beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm Leistungen zur medizinischen Rehabilitation in Form einer Kostenzusage für eine Drogentherapie zu bewilligen. Hierzu hat der Antragsteller eine eidesstattliche Versicherung vom 11. März 2011 vorgelegt, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird. Mit Beschluss vom 30. März 2011 hat das Sozialgericht Fulda die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung "verpflichtet, dem Antragsteller eine Zusage für eine Leistung zur medizinischen Rehabilitation in Form einer stationären Drogentherapie zu erteilen". Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen einer einstweiligen Anordnung seien nach § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erfüllt. Sowohl Anordnungsgrund als auch Anordnungsanspruch lägen vor. Ein Anspruch auf die beantragte Leistung zur Rehabilitation und damit der Anordnungsanspruch scheitere nicht an § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI. Der Entscheidung des erkennenden Senats vom 6. Januar 2011 (L 5 R 486/10 B ER) sei nicht zu folgen, denn § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI schließe lediglich die Erbringung von Leistungen während des Vollzugs einer Freiheitsstrafe aus, nicht aber die Beantragung einer solchen Leistung für die Zeit nach dem Vollzug. § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI solle lediglich klarstellen, dass die Rehabilitation inhaftierter Personen nicht in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Rentenversicherung falle. Diese aber stehe einer Antragstellung aus der Haft heraus nicht entgegen. Zwar stehe der Beklagten bei der Auswahl der Reha-Leistung Ermessen zu, gleichwohl sei hier im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes eine konkrete Leistung zur Abwendung eines schweren und unzumutbaren Nachteils für den Antragsteller anzuordnen gewesen. Denn die Bewilligung der Drogentherapie sei Voraussetzung für die vorzeitige Strafaussetzung zur Bewährung nach § 57 Abs. 1 StGB und damit im Hinblick auf Art. 2 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz (GG) grundrechtsrelevant. Zwar stehe außer Zweifel, dass das Freiheitsgrundrecht des Antragstellers durch die Haftstrafen in verfassungsrechtlich zulässiger Weise begrenzt werde. Indessen zeige § 57 StGB, dass der Freiheitsbeschränkung Grenzen gesetzt seien. Könne sich eine Entscheidung auf diese Grenzen auswirken, was auf die streitgegenständliche Leistung zutreffe, so sei der objektive Wertgehalt des Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG auch bei dieser Entscheidung zu berücksichtigen. Dies gelte insbesondere bei einer Entlassung nach § 57 Abs. 1 StGB, auf die bei Vorliegen der dort normierten Voraussetzungen ein Anspruch bestehe. Der Entscheidung der Antragsgegnerin über eine Drogentherapie komme eine überragende Bedeutung bei der Entscheidung des Strafvollstreckungsgerichts über die Strafaussetzung zur Bewährung nach zwei Dritteln der Haftzeit zu. Aufgrund der Empfehlung des Leiters der JVA sei das Strafaussetzungsersuchen des Antragstellers ohne Zusage einer stationären Drogentherapie aussichtslos. Mit ihrer Entscheidung vereitele die Antragsgegnerin von vornherein die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung. Die Antragsgegnerin habe eine Leistungsbewilligung mit einer aufschiebenden Bedingung nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) erteilen können, wie dies auch in der Vergangenheit in anderen Fällen schon geschehen sei. Auch bewillige die Antragsgegnerin in Fällen des § 35 BtMG stationäre Drogentherapien gegenüber Häftlingen, die nur außerhalb der Haft angetreten werden könnten, um § 35 BtMG nicht ins Leere laufen zu lassen. Unter diesen Voraussetzungen müsse das Gericht seine Entscheidung an die Stelle des behördlichen Ermessens setzen, was aus dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG folge. Es seien keine Gründe ersichtlich, die der beantragten Leistung entgegenstünden. Ein Anordnungsgrund ergebe sich aus der faktisch freiheitsentziehenden Wirkung der Ablehnung.
Gegen den ihr am 31. März 2011 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 12. April 2011 Beschwerde zum Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, es bestehe schon kein Anordnungsanspruch, weil § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI jedenfalls zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung und auch noch zum jetzigen Zeitpunkt der beantragten Leistungsbewilligung entgegenstehe. Die Bewilligung habe auch nicht unter einer aufschiebenden Bedingung nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 SGB X erteilt werden können, weil sich diese Vorschrift nur auf Ermessensentscheidungen beziehe, die Entscheidung über das "Ob" einer medizinischen Leistung zur Teilhabe aber nicht im Ermessen der Antragsgegnerin stehe, sondern vielmehr eine gebundene Entscheidung sei. Grundsätzlich komme daher nur eine aufschiebende Bedingung nach § 32 Abs. 1 Alternative 2 SGB X in Betracht, um die Erfüllung geringfügiger tatbestandlicher Voraussetzungen des Verwaltungsakts sicherzustellen. Das Nichtvorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 12 SGB VI sei jedoch eine wesentliche Voraussetzung für die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe und damit einer Sicherstellung durch eine Nebenbestimmung zum Verwaltungsakt grundsätzlich nicht zugänglich. Bei Fehlen einer wesentlichen Voraussetzung sei vielmehr ein ablehnender Bescheid zu erteilen. Selbst wenn die Antragsgegnerin eine Nebenbestimmung in diesem Sinne habe treffen können, so stehe dies in ihrem Ermessen, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Entscheidung über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf einer Prognose beruhe, bei der es sich um eine Momentaufnahme handele. Im vorliegenden Fall könne sich die Aussetzung des Strafrestes noch bis zum regulären Haftentlassungstermin im April 2013 hinziehen. Bei Erlass eines Bewilligungsbescheides zum heutigen Zeitpunkt mit einer Nebenbestimmung könne die Antragsgegnerin aber nicht wissen, ob zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtsfolge die Bewilligung überhaupt noch auszusprechen wäre. Dies könne sich nur dann anders darstellen, wenn bereits eine entsprechende Entscheidung der Strafvollstreckungsbehörde vorliege und damit der Eintritt der Rechtsfolge in einem absehbaren zeitlichen Rahmen erfolgen werde, weil dann der zeitliche Ablauf im Rahmen der Prognoseentscheidung berücksichtigt werden könne. Das Freiheitsrecht des Antragstellers werde nicht durch die Antragsgegnerin sondern durch die Straf- und Strafvollstreckungsgerichte eingeschränkt. Sofern es der Kernbereich des Art. 2 GG gebiete, dass der Antragsteller vorzeitig aus der Haft entlassen werde, habe das Vollstreckungsgericht die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Dies sei nicht Aufgabe der Antragsgegnerin. Während der Haft habe die Strafvollzugsbehörde für die notwendigen Leistungen zur medizinischen Versorgung zu sorgen. Das Strafvollstreckungsgericht könne eine Strafe aussetzen und zum Beispiel eine Weisung nach § 56c Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB aussprechen. Eine Aussetzung des Strafrestes könne daher auch ohne vorgängige Entscheidung der Antragsgegnerin angeordnet und eine Rehabilitationsmaßnahme anschließend bewilligt und angetreten werden. Darüber hinaus bestehe auch kein Anordnungsgrund, denn der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass im Falle der Bewilligung der beantragten Leistung eine Aussetzung des Strafrestes erfolge. Die Antragsgegnerin könne innerhalb einer Woche über einen neuen Antrag entscheiden. Es bleibe dem Strafvollstreckungsgericht unbenommen, im Falle der Aussetzung des Strafrestes eine entsprechende Weisung zu erteilen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 30. März 2011 aufzuheben und den Antrag in vollem Umfang abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er stützt sich im Wesentlichen auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses und weist nochmals darauf hin, dass die zuständige Strafvollstreckungskammer die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung vom nahtlosen Übergang in eine stationäre Drogentherapie abhängig macht. Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, der Gegenstand der Beratung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist auch sachlich begründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Fulda vom 30. März 2011 ist aufzuheben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, weil ein Anordnungsanspruch zu Gunsten des Antragstellers nicht besteht. Ein Anspruch des Antragstellers auf die beantragte Leistung zur Teilhabe durch stationäre Drogentherapie scheitert bereits am Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI, denn der Antragsteller befand sich sowohl zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung als auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Vollzug einer Freiheitsstrafe. An der Entscheidung des erkennenden Senats vom 6. Januar 2011 (L 5 R 486/10 B ER) wird ausdrücklich festgehalten. Welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer behördlichen Entscheidung maßgeblich ist, ergibt sich aus allgemeinen Grundsätzen. Vorliegend handelt es sich in der Hauptsache um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, mit der der Antragsteller die Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe anstrebt. Maßgebend für die Beurteilung der Voraussetzungen des eingeklagten Anspruchs ist für das Gericht damit der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor einer Tatsacheninstanz (siehe hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 9. Auflage, § 54 Rn. 33 ff. m. w. N.). Da sich der Antragsteller nach wie vor in Haft befindet und keine konkrete Aussicht auf Haftentlassung vor April 2013 besteht, wäre die Klage zum gegenwärtigen Zeitpunkt als unbegründet abzuweisen, weil die Anspruchsvoraussetzungen aktuell nicht erfüllt sind. Ebenso war die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antrag abzulehnen, weil wesentliche Voraussetzungen für die beantragte Leistung zur Teilhabe zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung nicht vorlagen. Zwar steht es im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin, die Erfüllung geringfügiger tatbestandlicher Voraussetzungen durch geeignete Nebenbestimmungen - etwa durch eine aufschiebende Bedingung - nach § 32 Abs. 1 SGB X sicherzustellen. Die Beklagte weist aber zutreffend darauf hin, dass der Vollzug einer Freiheitsstrafe kein geringfügiger sondern ein wesentlicher Ausschlussgrund für die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe ist und damit grundsätzlich nicht im Wege einer Nebenbestimmung sicherzustellen ist. § 32 Abs. 1 Alternative 2 SGB X gibt der Verwaltung die Möglichkeit, einen Verwaltungsakt, auf den ein Rechtsanspruch besteht, schon dann zu erlassen, wenn zwar wesentliche, aber noch nicht alle tatbestandlichen Voraussetzungen der Anspruchsnorm erfüllt oder nachgewiesen sind, also noch nicht endgültig feststeht, ob der Anspruch überhaupt dem Grunde nach besteht. Die Norm darf grundsätzlich nur herangezogen werden, um die Erfüllung geringfügiger tatbestandlicher Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes sicherzustellen (so zutreffend: Bundessozialgericht – BSG Urteil vom 31. Oktober 2001, B 6 KA 16/00 R, m. w. N.). Fehlen wesentliche Voraussetzungen, muss die Behörde einen ablehnenden Bescheid erteilen und der Betroffene später gegebenenfalls einen neuen Antrag stellen (so: Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Auflage, § 32 Rn. 10 m. w. N.). Das Sozialgericht hat in seiner angegriffenen Entscheidung selbst zutreffend darauf hingewiesen, dass § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI eine grundsätzliche Kompetenzentscheidung trifft, wonach in den dort genannten Fällen die Rehabilitation nicht in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Rentenversicherung fällt. Damit handelt es sich um eine wesentliche negative Anspruchsvoraussetzung deren Erfüllung im Falle der Bewilligung nicht dahingestellt bleiben kann, zumal die Antragsgegnerin bei Beurteilung der persönlichen Voraussetzungen eine Prognoseentscheidung zu treffen hat, die nicht unwesentlich auch vom weiteren zeitlichen Ablauf abhängig sein kann, worauf die Antragsgegnerin bereits zutreffend hingewiesen hat. Eine Nebenbestimmung nach § 32 Abs. 2 SGB X konnte die Beklagte schon deshalb nicht treffen, weil es sich bei der grundsätzlichen Entscheidung, ob medizinische Rehabilitationsleistungen zu erbringen sind, um keine Ermessensentscheidung sondern um eine gebundene Entscheidung handelt (so u.a. der erkennende Senat in seinem Beschluss vom 6. Januar 2011, a. a. O.), § 32 Abs. 2 SGB X aber unzweifelhaft nur auf Nebenbestimmungen bei Ermessensleistungen anwendbar ist (so etwa: Engelmann, a. a. O., § 32 Rn. 11; Krasney in Kasseler Kommentar, § 32 Rn. 9 SGB X). Die ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin beinhaltet im Ergebnis auch keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Freiheitsrechte des Antragstellers nach Art. 2 GG. Zwar mag es strafrechtlich und auch verfassungsrechtlich zulässig sein, die Aussetzung des Strafrestes nach § 57 Abs. 1 StGB vom nahtlosen Übergang in eine stationäre Drogentherapie abhängig zu machen, wie dies nach dem glaubhaften Vortrag des Antragstellers der Fall sein mag. Dies allerdings ist eine Entscheidung des Strafvollstreckungsgerichts, deren Rechtmäßigkeit weder vom Rentenversicherungsträger noch von der Sozialgerichtsbarkeit zu überprüfen ist und die sich im Übrigen auch durch die Erteilung von Weisungen gemäß § 56c StGB sicherstellen lässt. Der Senat sieht insoweit keine Regelungslücke, die etwa durch einschränkende Auslegung der grundsätzlichen Kompetenznorm des § 12 Abs. 1 Nr. 5 SGB VI, wonach die Rehabilitation Strafgefangener nicht in den Zuständigkeitsbereich der gesetzlichen Rentenversicherung fällt, zu schließen wäre. Dies gilt erst recht auch deshalb, weil das Sozialverwaltungsverfahrensrecht für Fälle der vorliegenden Art die schriftliche Zusicherung gemäß § 34 SGB X als geeignetes Instrument vorsieht, mit dem die Beklagte auch bereits ihr Ermessen hinsichtlich des "Wie" der zugesicherten Rehabilitationsleistungen konkretisieren kann (siehe hierzu auch Urteil des erkennenden Senats vom 19. März 2010, L 5 R 28/09). Die Erteilung einer Zusicherung kommt insbesondere bei Verwaltungsakten in Betracht, die in das Ermessen der Behörde gestellt sind, oder bei gebundenen Entscheidungen, bei denen der Behörde ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Der Bürger hat in diesen Fällen ein Bedürfnis auf Bereitstellung verlässlicher Dispositionsgrundlagen durch Erteilung bindender Vorabentscheidungen. § 34 SGB X schließt aber auch Zusicherungen bei einer gebundenen Entscheidung ohne Beurteilungsspielraum nicht aus (so zutreffend: Engelmann, a. a. O., § 34 Rn. 4 m. w. N.). So hätte der Antragsteller die Zusicherung beantragen können, dass ihm nach Haftentlassung die beantragte Leistung zur Teilhabe bewilligt wird, sofern alle übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. Zugleich wäre die Antragsgegnerin, da die Zusicherung nach § 34 Abs. 3 SGB X unter dem Vorbehalt der Beständigkeit der Sach- und Rechtslage steht, an die Zusicherung nicht mehr gebunden, wenn sich der Gesundheitszustand oder andere tatsächliche Voraussetzungen der zugesicherten Leistung etwa auch hinsichtlich der anzustellenden Prognose zwischenzeitlich verändern. Allerdings steht eine solche Zusicherung grundsätzlich ebenfalls im pflichtgemäßen Ermessen der Antragsgegnerin, wobei im Einzelfall eine "Ermessensreduzierung auf Null" eintreten kann (siehe hierzu: BSG, Urteil vom 5. Oktober 2010, B 10 LW 4/05 R m. w. N.). Dem braucht hier aber nicht weiter nachgegangen zu werden, weil der Antragsteller einen Antrag auf Erteilung einer Zusicherung nach § 34 SGB X bisher nicht gestellt hat und demgemäß eine Zusicherung auch nicht Gegenstand dieses einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sein kann, unabhängig von der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Erteilung einer schriftlichen Zusicherung überhaupt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes als vorläufige Regelung angeordnet werden kann und ob dem zuständigen Strafvollstreckungsgericht eine solche schriftliche Zusicherung des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung für eine Entscheidung nach § 57 Abs. 1 StGB ausreicht, denn das Risiko, dass die Therapie nicht angetreten wird, ist weder durch eine schriftliche Zusicherung noch durch eine Leistungsbewilligung seitens des Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung auszuschließen.
Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved