Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 15 AL 688/01
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 209/10 ZVW
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. September 2005 wird zurückgewiesen.
II. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld und die Rückforderung überzahlter Leistungen (Arbeitslosengeld, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) im Zeitraum vom 1. März 1998 bis 17. Januar 1999 in Höhe von insgesamt 23.446,35 DM bzw. 11.987,93 Euro und über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 18. Januar 1999 bis 1. Februar 1999.
Die 1941 geborene Klägerin bezog von der Beklagten aufgrund des Bescheides vom 1. Oktober 1997 ab dem 4. August 1997 Arbeitslosengeld, ab Januar 1998 in Höhe von 389,34 DM wöchentlich (täglich 55,62 DM). In ihrem Leistungsantrag hatte sie als Wohnanschrift "C-Straße, A-Stadt" angegeben. Am 18. Januar 1999 ging ein an die Klägerin gerichteter Änderungsbescheid bei der Beklagten als Postrücklauf ein, mit dem Vermerk, der Empfänger sei unbekannt verzogen. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 22. Januar 1999 die Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 18. Januar 1999 ein.
Am 2. Februar 1999 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld, das die Beklagte ihr mit Bescheid vom 18. Februar 1999 ab dem Tag der erneuten Vorsprache bewilligte. Als Wohnanschrift gab die Klägerin "D Straße, A-Stadt" an. Gegen die Aufhebung der Leistungsbewilligung legte sie am 11. Februar 1999 Widerspruch ein und machte geltend, bereits zum 1. März 1998 in die D-Straße umgezogen zu sein. Der Sachbearbeiter Herr E. könne sich daran erinnern, dass sie die Adressänderung bereits mitgeteilt hatte. Er habe ihr bei der Neubeantragung am 2. Februar 1999 gesagt, "die D-Straße war doch schon mal im Computer".
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 31. Januar 2000 die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab dem 1. März 1998 ganz auf und forderte von der Klägerin die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen (Arbeitslosengeld: 18.031,90 DM, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge: 5.414,45 DM). Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe der Arbeitsvermittlung aufgrund des nicht angezeigten Umzuges nicht zur Verfügung gestanden.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2000 zurück, weil die Klägerin ihren Pflichten aus der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) i.V.m. § 119 Abs. 3 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht hinreichend nachgekommen sei. Sie habe ihre Pflicht zur Mitteilung der neuen Anschrift grob fahrlässig verletzt. Die Bewilligung von ALG sei demnach gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. mit § 330 Abs. 3 SGB III aufzuheben gewesen.
Gegen den am 19. Februar 2001 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 27. Februar 2001 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Sie hat vorgetragen, auch nach ihrem Umzug durch den erteilten Postnachsendeauftrag erreichbar gewesen zu sein. So sei sie auch einem undatierten Schreiben der Beklagten nachgekommen, durch das sie gebeten worden sei, spätestens am 14. April 1998 persönlich vorzusprechen. Auf diesem Schreiben habe sie selbst die Adresse geändert und ihre neue Adresse bei der Vorsprache am 9. April 1998 dem Sachbearbeiter E. mitgeteilt.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 26. September 2005 unter Hinweis auf die Begründung der angefochtenen Verwaltungsakte abgewiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass weder aus der Leistungsakte noch aus den elektronischen Beratungsvermerken ersichtlich sei, dass die Klägerin die Änderung ihrer Adresse vor dem 2. Februar 1999 mitgeteilt habe. Erst zu diesem Zeitpunkt sei die Adressänderung im Computer vermerkt worden. Ihr Vortrag, sie habe diese am 9. April 1998 anlässlich einer Vorsprache bei Herrn E. angegeben, könne bereits deshalb nicht zutreffen, weil die Vorsprache nach Aktenlage bei Frau F. stattgefunden habe. Die Nichterweislichkeit der Anzeige der Adressänderung gehe zu Lasten der Klägerin.
Die am 26. Oktober 2005 eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Das Hessische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 19. Dezember 2008 ausgeführt, die rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung sei rechtmäßig erfolgt, denn die Klägerin sei unter der von ihr benannten Anschrift seit dem 1. März 1998 nicht mehr erreichbar und damit nicht verfügbar gewesen. Ein etwaig gestellter Postnachsendeauftrag sei insoweit unerheblich. Die vom Berufungsgericht vernommene Zeugin G., vormals F., habe sich nicht an die Klägerin erinnern können. Der Sachbearbeiter E. habe mangels Verhandlungsfähigkeit nicht befragt werden können. Seine Vernehmung sei zudem entbehrlich gewesen, da er sich nach seiner Erklärung im Sommer 2007 an die damaligen Vorgänge nicht mehr habe erinnern können. Weil die Pflicht zur Unterrichtung über einen Umzug allein in die Sphäre des Arbeitslosen falle, komme eine Umkehr der Beweislast in Betracht. Der Arbeitslose müsse die nicht aktenkundige Unterrichtung zumindest in den Fällen nachweisen, in denen sich -wie vorliegend- über die reine Behauptung des Arbeitslosen, eine mündliche Mitteilung gemacht zu haben, keine weiteren Anhaltspunkte aus den Akten ergäben.
Die Klägerin hat gegen das Urteil die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes und die Verletzung von Beweisregeln gerügt, da der Zeuge E. nicht gehört worden sei. Es sei Beweis darüber angeboten worden, dass die Klägerin anlässlich ihrer Vorsprache am 9. April 1998 auf dem Meldeaufforderungsschreiben im Adressfeld handschriftlich ihre neue Adresse vermerkt und dieses Schreiben dem zuständigen Sachbearbeiter vorgelegt habe.
Das BSG hat der Revision im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung mit Urteil vom 8. September 2010 stattgegeben. Das LSG habe die ihm zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft und zuungunsten der Klägerin eine Beweislastumkehr angenommen. Streitgegenstand des Verfahrens sei der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 22. Januar 1999 und der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. Januar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2000, der nach § 86 SGG in das Vorverfahren einbezogen worden sei. Es lasse sich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen nicht hinreichend beurteilen, ob die Klägerin der ihr obliegenden Pflicht, der Beklagten die Veränderung ihres Wohnsitzes mitzuteilen, genüge getan habe. Zutreffend habe das LSG ausgeführt, dass ein bei der Post gestellter Nachsendeauftrag dieser Pflicht nicht genüge. Es seien nicht alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden, denn der von der Klägerin benannte Zeuge E. hätte schriftlich vernommen werden können. Für den Fall der Nichterweislichkeit einer rechtzeitigen Umzugsmeldung der Klägerin komme keine Umkehr der Beweislast unter Berücksichtigung der sogenannten Sphärentheorie in Betracht. Die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für eine Änderung der Verhältnisse gem. § 48 SGB X trage grundsätzlich die Behörde, weil sie den Wegfall einer Anspruchsvoraussetzung geltend mache. Eine Umkehr der Beweislast sei auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar, weil die Frage der (unterbliebenen) Arbeitslosmeldung beide Verantwortungssphären gleichermaßen treffe. Die Beklagte sei in der Lage, ihre Akten und Datenbestände auf die Stichhaltigkeit der Behauptung zu sichten und Nachfragen an die Sachbearbeiter zu richten. Hiervon ausgehend stehe es dem LSG im Rahmen seiner Beweiswürdigung frei, ohne Umkehr der Beweislast eine Meldepflichtverletzung durch die Klägerin zu bejahen, wenn es sich nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht von einer rechtzeitigen Meldung zu überzeugen vermöge.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. September 2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22. Januar 1999 und 31. Januar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht hat den Zeugen E. in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2011 vernommen. Er konnte sich zwar an die Klägerin als Person, aber nicht an ein konkretes Gespräch mit ihr bzw. eine durch die Klägerin mitgeteilte Adressänderung erinnern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Nach Auslegung des klägerischen Begehrens gem. § 123 SGG und Präzisierung des Klageantrags in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG ist Streitgegenstand des Verfahrens der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 22. Januar 1999, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. Januar 2000 sowie der Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2000. Denn der Widerspruch der Klägerin gegen den Leistungsnachweis vom 26. Januar 1999 richtete sich eindeutig gegen die Leistungseinstellung, die die Beklagte mit dem Aufhebungsbescheid vom 22. Januar 1999 verfügt hatte. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. Januar 2000 ist über § 86 SGG i.d.F. bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 17. August 2001 (BGBl I 2144) in das Vorverfahren gegen den Bescheid vom 22. Januar 1999 einbezogen worden (vgl. BSG, Urteil v. 14.12.1995, 11 RAr 75/95). Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) sowohl gegen die von der Beklagten verfügte Aufhebung der Bewilligung ab dem 18. Januar 1999 als auch gegen die spätere Aufhebung ab dem 1. März 1998, d.h. gegen die von der Beklagten geltend gemachte Erstattung für den Zeitraum vom 1. März 1998 bis 17. Januar 1999 und zudem gegen die Nichtzahlung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 18. Januar 1999 bis 1. Februar 1999.
Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn sie sind rechtmäßig. Die Beklagte hat die Klägerin zwar vor Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht im Sinne des § 24 SGB X angehört, jedoch führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Dieser Mangel wurde im Laufe des Widerspruchsverfahrens geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X).
Der Klägerin steht für den Zeitraum vom 18. Januar 1999 bis 1. Februar 1999 gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld zu und die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. März 1998 bis 17. Januar 1999 ist zu Recht erfolgt. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung bildet § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) i.V.m. § 48 Abs. 1 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ist der Verwaltungsakt nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn er über den Zeitpunkt der Bekanntgabe bzw. Bindungswirkung hinaus rechtliche Wirkung zeigt, (Schütze in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 48 Rn. 3, § 45 Rn. 63; BSGE 88, 172). Die Bewilligung von Arbeitslosengeld stellt einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Wesentlich im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist jede für die bewilligte Leistung rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die dazu führt, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht mehr erlassen dürfte (BSG v. 6.11.1985, 10 RKg 3/84 und v. 21.03.1996, 11 Rar 101/94).
Eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse ist ab dem 1. März 1998 dadurch eingetreten, dass die Klägerin nicht mehr verfügbar war. Ihr stand ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr zu, denn sie hat die Anspruchsvoraussetzung "arbeitslos" nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III i.d.F. des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.3.1997 (BGBl I 594) nicht mehr erfüllt. Was unter "arbeitslos" im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber in den §§ 118, 119 SGB III i.d.F. des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16.12.1997 (BGBl I 2970) geregelt. Arbeitslosigkeit setzt eine Beschäftigungslosigkeit und eine Beschäftigungssuche des Arbeitslosen voraus, § 118 Abs. 1 SGB III. Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs. 1 SGB III, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Das Merkmal der Verfügbarkeit ist u.a. nur dann gegeben, wenn der arbeitsfähige Arbeitslose Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III).
Diese Anspruchsvoraussetzung ist in § 1 Abs. 1 Satz 1 Erreichbarkeitsanordnung vom 23.10.1997 (EAO) durch eine autonome Satzung aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung der §§ 152 Nr. 2, 376 Abs. 1 Satz 1 SGB III näher geregelt worden. Danach muss der Arbeitslose in der Lage sein, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen, das Arbeitsamt aufzusuchen, mit möglichen Arbeitgebern oder Trägern einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Dazu hat der Arbeitslose nach § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Das ist nicht gewährleistet, wenn der Arbeitslose seinen Wohnsitz verlegt, ohne dem Arbeitsamt den Wohnsitzwechsel mitzuteilen.
Die Klägerin war unter der von ihr im Leistungsantrag angegebenen Anschrift "X-Straße" in A-Stadt seit dem 1. März 1998 nicht mehr erreichbar. Ein etwaiger von der Klägerin bei der Post gestellter Nachsendeauftrag war für die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit nicht ausreichend, denn arbeitslose Leistungsbezieher trifft die Pflicht dem zuständigen Leistungsträger einen Wohnsitzwechsel persönlich und unverzüglich anzuzeigen (BSG v. 20.06.2001, B 11 AL 10/01 R). Die Klägerin zählte zum Zeitpunkt ihres Umzuges auch nicht zu den älteren Arbeitslosen, die Arbeitslosengeld unter den erleichterten Bedingungen des § 428 SGB III bezogen, so dass aus diesem Grund keine abgesenkten Anforderungen (vgl. BSG v. 30.06.2005, B 7a/7 AL 98/04 R) für sie gelten konnten.
Der Senat sieht es als erwiesen an, dass die Klägerin die aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) folgende Obliegenheit, dem zuständigen Leistungsträger unverzüglich den Wechsel ihres Wohnsitzes mitzuteilen, verletzt hat. Beweismaßstab ist im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich der Vollbeweis. Das Gericht muss sich die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen (BSG, Urteil v. 24.11.2010, B 11 AL 35/09 R; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr. 3b m.w.N.). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr. 3b m.w.N.).
Dafür, dass die Klägerin ihre Adressänderung der Beklagten nicht mitgeteilt hat, spricht zunächst, dass der Bescheid vom 22. Januar 1999 und der Leistungsnachweis vom 26. Januar 1999 mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" in den Postrücklauf gelangt sind. Die an die Adresse X-Straße in A-Stadt übersandten Bescheide konnten die Klägerin nicht erreichen. Eine Änderung der Adresse war im Computersystem der Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt. Nach den Aussagen der Zeugen G. (ehemals F.) und E. sind alte Adressen im Computer nicht zu erkennen. Eine frühere Adresse könne sich lediglich aus der Beratungsakte ergeben. Der Zeuge E. konnte sich bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2011 nicht mehr an ein konkretes Gespräch mit der Klägerin erinnern. Er hat aber ausgeführt, die Aussage der Klägerin, er habe geäußert, dass die neue Adresse schon einmal im Computer vermerkt gewesen sei, könne nicht stimmen. Denn eine Adressänderung, die in einem Beratungsgespräch mitgeteilt werde, müsse immer schriftlich erfolgen und vom Leistungsempfänger unterschrieben werden. Im Falle von Adressänderungen sei eine doppelte Sicherung eingeführt. Die Adresse werde erst im PC geändert, dann ausgedruckt und unterschrieben. Der Zeuge E. hat auch nicht, wie von der Klägerin angegeben, das Beratungsgespräch am 9. April 1998 geführt. Das einzig in Betracht kommende Gespräch mit ihm fand am 12. Januar 1998 statt und damit etwa 6 Wochen vor dem Umzug der Klägerin. Es ist zwar denkbar, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt schon Kenntnis von dem bevorstehenden Umzug hatte. Eine Notiz ist aber auch zu diesem Gespräch weder in der Akte noch im PC vorgenommen worden. Der Zeuge hat hierzu ausgeführt, dass ein geplanter Umzug immer notiert und eine Umzugsmeldung des Einwohnermeldeamtes angefordert wird. Die Klägerin hat aber angegeben, dass eine Umzugsmeldung von ihr nie angefordert wurde. Dies spricht dafür, dass der Umzug der Klägerin der Beklagten erst bekannt wurde, als die Adresse bereits im Personalausweis der Klägerin geändert war. Das Gespräch am 9. April 1998 hat nicht mit dem Zeugen E. stattgefunden, sondern die Klägerin war an diesem Tag lediglich an der Anmeldung bei Frau G. vorstellig. Es handelte sich um einen Standardtermin und nicht um ein Beratungsgespräch. Frau G. konnte sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht erinnern, eine Adressänderung von der Klägerin entgegengenommen zu haben. Dies hat die Klägerin auch nicht angegeben, da sie nach ihrer Aussage dem Zeugen E. die Adressänderung mitgeteilt hat.
Eine von der Klägerin angezeigte Änderung ihrer Adresse ergibt sich folglich weder aus der Leistungsakte noch aus den Computervermerken und auch nicht aus den Aussagen der Zeugen G. und E. Die Angaben der Klägerin, wann und bei welchem Sachbearbeiter sie die Änderung der Adresse mitgeteilt hat, sind nicht schlüssig. Etwas anderes belegt auch das von der Klägerin vorgelegte Meldeaufforderungsschreiben nicht, denn die Adresse ist von ihr selbst im Adressfeld abgeändert worden. Die Klägerin kann sich nicht mehr daran erinnern, ob ihr dieses Schreiben -wie zunächst angegeben- per Post zugegangen ist, oder in dem Beratungsgespräch am 12. Januar 1998 persönlich ausgehändigt wurde. Dafür spricht der zu dem Beratungsgespräch angefertigte Computervermerk: "Pers. VS. RF SGB III-§ 122 ausgeh". Bei dem Schreiben handelt es sich um ein Kontrollblatt zur Arbeitslosmeldung, das die nächsten Meldetermine dokumentieren und zum Nachweis erfolgter Meldungen dienen soll. Es verbleibt durchgängig in den Händen des Arbeitslosen. Bei den nächsten Vorsprachen am 9. April 1998 und 9. Oktober 1998 wurden diese, ebenso wie die Folgetermine, in dem Schreiben vermerkt.
Unter Abwägung aller Umstände des Falles kommt der Senat nach Würdigung des Gesamtergebnisses zu der richterlichen Überzeugung, dass ohne vernünftige Zweifel fest steht, dass die Klägerin der Beklagten vor dem 2. Februar 1999 die Änderung ihrer Adresse nicht mitgeteilt hat. Für eine Entscheidung nach den Grundsätzen der Beweislast bleibt damit kein Raum. Die Grundsätze der objektiven Beweislast greifen erst ein, wenn das Gericht keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann -"non liquet"- (vgl. z.B.: BSG v. 26.11.1992, 7 RAr 38/92). Eine Beweislastentscheidung darf nur getroffen werden, wenn das Gericht nach Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen sich dennoch keine Überzeugung in der einen oder anderen Richtung bilden konnte.
Schließlich hat die Klägerin die ihr gesetzlich vorgeschriebene Pflicht, der Beklagten die Änderung ihrer Adresse mitzuteilen, grob fahrlässig verletzt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X). Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (BSG v. 06.03.1997, 7 RAr 40/96). Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit sein Einsichtsvermögen und sein Verhalten (BSG v. 31.08.1976, 7 Rar 112/74). Allgemein wird es als grob fahrlässig angesehen, wenn Vorschriften, auf die in einem Merkblatt besonders hingewiesen wird, außeracht gelassen werden, es sei denn, der Betroffene hat die Vorschriften nicht verstanden (BSG v. 20.09.1977, 8/12 RKg 8/76). Auf Grund der unmissverständlichen Hinweise in dem "Merkblatt für Arbeitslose", dessen Erhalt und Kenntnisnahme die Klägerin bei der Stellung des Antrags auf Arbeitslosengeld am 4. August 1997 durch Unterschrift ausdrücklich bestätigt hatte, musste für sie offensichtlich sein, dass sie der Beklagten ihre jeweilige Wohnanschrift mitzuteilen hat. Als langjährige Sachbearbeiterin in einer Verwaltungsgesellschaft (von Juli 1982 bis Juli 1997) dürfte die Klägerin auch intellektuell in der Lage gewesen sein, den Inhalt des Merkblattes verstanden zu haben. Zudem ergibt sich aus ihrem Vortrag in dem Rechtsstreit, dass sie um die Pflicht zur Mitteilung der Adressenänderung gewusst hat.
Die nach § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X geltende Jahresfrist für eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung ist eingehalten worden. Dies ist unproblematisch für den Bescheid über die Leistungseinstellung ab 18. Januar 1999, den die Beklagte bereits am 22. Januar 1999 und damit unmittelbar nach Kenntnis vom Auszug der Klägerin durch den Rücklauf des Bescheides ("unbekannt verzogen") vom 8. Januar 1999 erlassen hat. Aber auch der Bescheid vom 31. Januar 2000 ist der Klägerin innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Jahresfrist bekannt gegeben worden. Der Bescheid enthält hinsichtlich des vergangenen Zeitraums und der Erstattungsregelung eine neue Verfügung; es handelt sich nicht um einen nur wiederholenden Bescheid ohne eigene Regelung (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 Rn. 32). Dies hat zur Konsequenz, dass auch der Bescheid vom 31. Januar 2000 an den gesetzlichen Vorgaben der §§ 45, 48 SGB X i.V.m. § 330 SGB III zu messen ist, soweit er die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufhebt (BSG v. 06.04.2006, B 7a AL 64/05 R). Nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Behörde, wenn sie einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknimmt bzw. aufhebt, dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Kenntnis aller die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen hat die Behörde erst durch das Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 11. Februar 1999 erhalten, denn erst in diesem hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie bereits am 1. März 1998 umgezogen ist. Fristbeginn war damit der 12. Februar 1999 (§ 26 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB) und Fristende der 11. Februar 2000 (§ 26 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB).
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. Januar 2000 ist gegenüber der Klägerin in dem Zeitpunkt wirksam geworden, in dem er ihr bekanntgegeben worden ist (§ 39 Abs. 1 SGB X, BSG v. 02.07.1998, 9 RV 14/96). Ein Zustellungsnachweis befindet sich in den Akten nicht und auch kein Vermerk, wann dieser zur Post gegeben wurde. Damit gilt auch nicht die Vermutung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt (BSGE 97, 279). Allerdings hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 31. Januar 2000 am 7. Februar 2000 Widerspruch eingelegt, so dass der Aufhebungsbescheid ihr spätestens an diesem Tag bekannt gewesen sein muss.
Der Klägerin stand damit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 18. Januar 1999 bis 1. Februar 1999 nicht zu. Die im Zeitraum vom 1. März 1998 bis 17. Januar 1999 zu Unrecht erbrachten Leistungen in Höhe von 18.031,90 DM sind von ihr gem. § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten, weil der zugrunde liegende Leistungsbescheid aufgehoben worden ist. Die Erstattungspflicht hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Umfang von 5.414,45 DM folgt aus § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III. Insgesamt ergibt sich eine Gesamtsumme von 23.446,35 DM bzw. 11.987,93 Euro.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
II. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld und die Rückforderung überzahlter Leistungen (Arbeitslosengeld, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge) im Zeitraum vom 1. März 1998 bis 17. Januar 1999 in Höhe von insgesamt 23.446,35 DM bzw. 11.987,93 Euro und über die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 18. Januar 1999 bis 1. Februar 1999.
Die 1941 geborene Klägerin bezog von der Beklagten aufgrund des Bescheides vom 1. Oktober 1997 ab dem 4. August 1997 Arbeitslosengeld, ab Januar 1998 in Höhe von 389,34 DM wöchentlich (täglich 55,62 DM). In ihrem Leistungsantrag hatte sie als Wohnanschrift "C-Straße, A-Stadt" angegeben. Am 18. Januar 1999 ging ein an die Klägerin gerichteter Änderungsbescheid bei der Beklagten als Postrücklauf ein, mit dem Vermerk, der Empfänger sei unbekannt verzogen. Die Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 22. Januar 1999 die Zahlung von Arbeitslosengeld ab dem 18. Januar 1999 ein.
Am 2. Februar 1999 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos und beantragte die Zahlung von Arbeitslosengeld, das die Beklagte ihr mit Bescheid vom 18. Februar 1999 ab dem Tag der erneuten Vorsprache bewilligte. Als Wohnanschrift gab die Klägerin "D Straße, A-Stadt" an. Gegen die Aufhebung der Leistungsbewilligung legte sie am 11. Februar 1999 Widerspruch ein und machte geltend, bereits zum 1. März 1998 in die D-Straße umgezogen zu sein. Der Sachbearbeiter Herr E. könne sich daran erinnern, dass sie die Adressänderung bereits mitgeteilt hatte. Er habe ihr bei der Neubeantragung am 2. Februar 1999 gesagt, "die D-Straße war doch schon mal im Computer".
Die Beklagte hob mit Bescheid vom 31. Januar 2000 die Bewilligung des Arbeitslosengeldes ab dem 1. März 1998 ganz auf und forderte von der Klägerin die Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen (Arbeitslosengeld: 18.031,90 DM, Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge: 5.414,45 DM). Zur Begründung führte sie aus, die Klägerin habe der Arbeitsvermittlung aufgrund des nicht angezeigten Umzuges nicht zur Verfügung gestanden.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2000 zurück, weil die Klägerin ihren Pflichten aus der Erreichbarkeitsanordnung (EAO) i.V.m. § 119 Abs. 3 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) nicht hinreichend nachgekommen sei. Sie habe ihre Pflicht zur Mitteilung der neuen Anschrift grob fahrlässig verletzt. Die Bewilligung von ALG sei demnach gem. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i.V.m. mit § 330 Abs. 3 SGB III aufzuheben gewesen.
Gegen den am 19. Februar 2001 zugegangenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 27. Februar 2001 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben. Sie hat vorgetragen, auch nach ihrem Umzug durch den erteilten Postnachsendeauftrag erreichbar gewesen zu sein. So sei sie auch einem undatierten Schreiben der Beklagten nachgekommen, durch das sie gebeten worden sei, spätestens am 14. April 1998 persönlich vorzusprechen. Auf diesem Schreiben habe sie selbst die Adresse geändert und ihre neue Adresse bei der Vorsprache am 9. April 1998 dem Sachbearbeiter E. mitgeteilt.
Das Sozialgericht Frankfurt am Main hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 26. September 2005 unter Hinweis auf die Begründung der angefochtenen Verwaltungsakte abgewiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass weder aus der Leistungsakte noch aus den elektronischen Beratungsvermerken ersichtlich sei, dass die Klägerin die Änderung ihrer Adresse vor dem 2. Februar 1999 mitgeteilt habe. Erst zu diesem Zeitpunkt sei die Adressänderung im Computer vermerkt worden. Ihr Vortrag, sie habe diese am 9. April 1998 anlässlich einer Vorsprache bei Herrn E. angegeben, könne bereits deshalb nicht zutreffen, weil die Vorsprache nach Aktenlage bei Frau F. stattgefunden habe. Die Nichterweislichkeit der Anzeige der Adressänderung gehe zu Lasten der Klägerin.
Die am 26. Oktober 2005 eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Das Hessische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 19. Dezember 2008 ausgeführt, die rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung sei rechtmäßig erfolgt, denn die Klägerin sei unter der von ihr benannten Anschrift seit dem 1. März 1998 nicht mehr erreichbar und damit nicht verfügbar gewesen. Ein etwaig gestellter Postnachsendeauftrag sei insoweit unerheblich. Die vom Berufungsgericht vernommene Zeugin G., vormals F., habe sich nicht an die Klägerin erinnern können. Der Sachbearbeiter E. habe mangels Verhandlungsfähigkeit nicht befragt werden können. Seine Vernehmung sei zudem entbehrlich gewesen, da er sich nach seiner Erklärung im Sommer 2007 an die damaligen Vorgänge nicht mehr habe erinnern können. Weil die Pflicht zur Unterrichtung über einen Umzug allein in die Sphäre des Arbeitslosen falle, komme eine Umkehr der Beweislast in Betracht. Der Arbeitslose müsse die nicht aktenkundige Unterrichtung zumindest in den Fällen nachweisen, in denen sich -wie vorliegend- über die reine Behauptung des Arbeitslosen, eine mündliche Mitteilung gemacht zu haben, keine weiteren Anhaltspunkte aus den Akten ergäben.
Die Klägerin hat gegen das Urteil die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes und die Verletzung von Beweisregeln gerügt, da der Zeuge E. nicht gehört worden sei. Es sei Beweis darüber angeboten worden, dass die Klägerin anlässlich ihrer Vorsprache am 9. April 1998 auf dem Meldeaufforderungsschreiben im Adressfeld handschriftlich ihre neue Adresse vermerkt und dieses Schreiben dem zuständigen Sachbearbeiter vorgelegt habe.
Das BSG hat der Revision im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung mit Urteil vom 8. September 2010 stattgegeben. Das LSG habe die ihm zur Verfügung stehenden Ermittlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft und zuungunsten der Klägerin eine Beweislastumkehr angenommen. Streitgegenstand des Verfahrens sei der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 22. Januar 1999 und der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. Januar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2000, der nach § 86 SGG in das Vorverfahren einbezogen worden sei. Es lasse sich nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen nicht hinreichend beurteilen, ob die Klägerin der ihr obliegenden Pflicht, der Beklagten die Veränderung ihres Wohnsitzes mitzuteilen, genüge getan habe. Zutreffend habe das LSG ausgeführt, dass ein bei der Post gestellter Nachsendeauftrag dieser Pflicht nicht genüge. Es seien nicht alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft worden, denn der von der Klägerin benannte Zeuge E. hätte schriftlich vernommen werden können. Für den Fall der Nichterweislichkeit einer rechtzeitigen Umzugsmeldung der Klägerin komme keine Umkehr der Beweislast unter Berücksichtigung der sogenannten Sphärentheorie in Betracht. Die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für eine Änderung der Verhältnisse gem. § 48 SGB X trage grundsätzlich die Behörde, weil sie den Wegfall einer Anspruchsvoraussetzung geltend mache. Eine Umkehr der Beweislast sei auf die vorliegende Konstellation nicht anwendbar, weil die Frage der (unterbliebenen) Arbeitslosmeldung beide Verantwortungssphären gleichermaßen treffe. Die Beklagte sei in der Lage, ihre Akten und Datenbestände auf die Stichhaltigkeit der Behauptung zu sichten und Nachfragen an die Sachbearbeiter zu richten. Hiervon ausgehend stehe es dem LSG im Rahmen seiner Beweiswürdigung frei, ohne Umkehr der Beweislast eine Meldepflichtverletzung durch die Klägerin zu bejahen, wenn es sich nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht von einer rechtzeitigen Meldung zu überzeugen vermöge.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. September 2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22. Januar 1999 und 31. Januar 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2000 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht hat den Zeugen E. in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2011 vernommen. Er konnte sich zwar an die Klägerin als Person, aber nicht an ein konkretes Gespräch mit ihr bzw. eine durch die Klägerin mitgeteilte Adressänderung erinnern.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
Nach Auslegung des klägerischen Begehrens gem. § 123 SGG und Präzisierung des Klageantrags in der mündlichen Verhandlung vor dem BSG ist Streitgegenstand des Verfahrens der Aufhebungsbescheid der Beklagten vom 22. Januar 1999, der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. Januar 2000 sowie der Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2000. Denn der Widerspruch der Klägerin gegen den Leistungsnachweis vom 26. Januar 1999 richtete sich eindeutig gegen die Leistungseinstellung, die die Beklagte mit dem Aufhebungsbescheid vom 22. Januar 1999 verfügt hatte. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. Januar 2000 ist über § 86 SGG i.d.F. bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 17. August 2001 (BGBl I 2144) in das Vorverfahren gegen den Bescheid vom 22. Januar 1999 einbezogen worden (vgl. BSG, Urteil v. 14.12.1995, 11 RAr 75/95). Die Klägerin wendet sich mit ihrer Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) sowohl gegen die von der Beklagten verfügte Aufhebung der Bewilligung ab dem 18. Januar 1999 als auch gegen die spätere Aufhebung ab dem 1. März 1998, d.h. gegen die von der Beklagten geltend gemachte Erstattung für den Zeitraum vom 1. März 1998 bis 17. Januar 1999 und zudem gegen die Nichtzahlung von Arbeitslosengeld im Zeitraum vom 18. Januar 1999 bis 1. Februar 1999.
Die angefochtenen Bescheide verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, denn sie sind rechtmäßig. Die Beklagte hat die Klägerin zwar vor Aufhebung der Leistungsbewilligung nicht im Sinne des § 24 SGB X angehört, jedoch führt dies nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides. Dieser Mangel wurde im Laufe des Widerspruchsverfahrens geheilt (§ 41 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 SGB X).
Der Klägerin steht für den Zeitraum vom 18. Januar 1999 bis 1. Februar 1999 gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Arbeitslosengeld zu und die Aufhebung der Leistungsbewilligung für die Zeit vom 1. März 1998 bis 17. Januar 1999 ist zu Recht erfolgt. Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung bildet § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) i.V.m. § 48 Abs. 1 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse ist der Verwaltungsakt nach § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III i.V.m. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung liegt vor, wenn er über den Zeitpunkt der Bekanntgabe bzw. Bindungswirkung hinaus rechtliche Wirkung zeigt, (Schütze in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 48 Rn. 3, § 45 Rn. 63; BSGE 88, 172). Die Bewilligung von Arbeitslosengeld stellt einen solchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Wesentlich im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist jede für die bewilligte Leistung rechtserhebliche Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die dazu führt, dass die Behörde unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen den Verwaltungsakt nicht mehr erlassen dürfte (BSG v. 6.11.1985, 10 RKg 3/84 und v. 21.03.1996, 11 Rar 101/94).
Eine wesentliche Veränderung der Verhältnisse ist ab dem 1. März 1998 dadurch eingetreten, dass die Klägerin nicht mehr verfügbar war. Ihr stand ab diesem Zeitpunkt ein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht mehr zu, denn sie hat die Anspruchsvoraussetzung "arbeitslos" nach § 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III i.d.F. des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes (AFRG) vom 24.3.1997 (BGBl I 594) nicht mehr erfüllt. Was unter "arbeitslos" im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist, hat der Gesetzgeber in den §§ 118, 119 SGB III i.d.F. des Ersten SGB III-Änderungsgesetzes vom 16.12.1997 (BGBl I 2970) geregelt. Arbeitslosigkeit setzt eine Beschäftigungslosigkeit und eine Beschäftigungssuche des Arbeitslosen voraus, § 118 Abs. 1 SGB III. Eine Beschäftigung sucht nach § 119 Abs. 1 SGB III, wer alle Möglichkeiten nutzt und nutzen will, um seine Beschäftigungslosigkeit zu beenden und den Vermittlungsbemühungen des Arbeitsamtes zur Verfügung steht (Verfügbarkeit). Das Merkmal der Verfügbarkeit ist u.a. nur dann gegeben, wenn der arbeitsfähige Arbeitslose Vorschlägen des Arbeitsamtes zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs. 3 Nr. 3 SGB III).
Diese Anspruchsvoraussetzung ist in § 1 Abs. 1 Satz 1 Erreichbarkeitsanordnung vom 23.10.1997 (EAO) durch eine autonome Satzung aufgrund der gesetzlichen Ermächtigung der §§ 152 Nr. 2, 376 Abs. 1 Satz 1 SGB III näher geregelt worden. Danach muss der Arbeitslose in der Lage sein, unverzüglich Mitteilungen des Arbeitsamtes persönlich zur Kenntnis zu nehmen, das Arbeitsamt aufzusuchen, mit möglichen Arbeitgebern oder Trägern einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen. Dazu hat der Arbeitslose nach § 1 Abs. 1 Satz 2 EAO sicherzustellen, dass das Arbeitsamt ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann. Das ist nicht gewährleistet, wenn der Arbeitslose seinen Wohnsitz verlegt, ohne dem Arbeitsamt den Wohnsitzwechsel mitzuteilen.
Die Klägerin war unter der von ihr im Leistungsantrag angegebenen Anschrift "X-Straße" in A-Stadt seit dem 1. März 1998 nicht mehr erreichbar. Ein etwaiger von der Klägerin bei der Post gestellter Nachsendeauftrag war für die Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit nicht ausreichend, denn arbeitslose Leistungsbezieher trifft die Pflicht dem zuständigen Leistungsträger einen Wohnsitzwechsel persönlich und unverzüglich anzuzeigen (BSG v. 20.06.2001, B 11 AL 10/01 R). Die Klägerin zählte zum Zeitpunkt ihres Umzuges auch nicht zu den älteren Arbeitslosen, die Arbeitslosengeld unter den erleichterten Bedingungen des § 428 SGB III bezogen, so dass aus diesem Grund keine abgesenkten Anforderungen (vgl. BSG v. 30.06.2005, B 7a/7 AL 98/04 R) für sie gelten konnten.
Der Senat sieht es als erwiesen an, dass die Klägerin die aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) folgende Obliegenheit, dem zuständigen Leistungsträger unverzüglich den Wechsel ihres Wohnsitzes mitzuteilen, verletzt hat. Beweismaßstab ist im sozialgerichtlichen Verfahren grundsätzlich der Vollbeweis. Das Gericht muss sich die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen (BSG, Urteil v. 24.11.2010, B 11 AL 35/09 R; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr. 3b m.w.N.). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 128 RdNr. 3b m.w.N.).
Dafür, dass die Klägerin ihre Adressänderung der Beklagten nicht mitgeteilt hat, spricht zunächst, dass der Bescheid vom 22. Januar 1999 und der Leistungsnachweis vom 26. Januar 1999 mit dem Vermerk "unbekannt verzogen" in den Postrücklauf gelangt sind. Die an die Adresse X-Straße in A-Stadt übersandten Bescheide konnten die Klägerin nicht erreichen. Eine Änderung der Adresse war im Computersystem der Beklagten zu diesem Zeitpunkt nicht erfolgt. Nach den Aussagen der Zeugen G. (ehemals F.) und E. sind alte Adressen im Computer nicht zu erkennen. Eine frühere Adresse könne sich lediglich aus der Beratungsakte ergeben. Der Zeuge E. konnte sich bei seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung am 20. Juni 2011 nicht mehr an ein konkretes Gespräch mit der Klägerin erinnern. Er hat aber ausgeführt, die Aussage der Klägerin, er habe geäußert, dass die neue Adresse schon einmal im Computer vermerkt gewesen sei, könne nicht stimmen. Denn eine Adressänderung, die in einem Beratungsgespräch mitgeteilt werde, müsse immer schriftlich erfolgen und vom Leistungsempfänger unterschrieben werden. Im Falle von Adressänderungen sei eine doppelte Sicherung eingeführt. Die Adresse werde erst im PC geändert, dann ausgedruckt und unterschrieben. Der Zeuge E. hat auch nicht, wie von der Klägerin angegeben, das Beratungsgespräch am 9. April 1998 geführt. Das einzig in Betracht kommende Gespräch mit ihm fand am 12. Januar 1998 statt und damit etwa 6 Wochen vor dem Umzug der Klägerin. Es ist zwar denkbar, dass die Klägerin zu diesem Zeitpunkt schon Kenntnis von dem bevorstehenden Umzug hatte. Eine Notiz ist aber auch zu diesem Gespräch weder in der Akte noch im PC vorgenommen worden. Der Zeuge hat hierzu ausgeführt, dass ein geplanter Umzug immer notiert und eine Umzugsmeldung des Einwohnermeldeamtes angefordert wird. Die Klägerin hat aber angegeben, dass eine Umzugsmeldung von ihr nie angefordert wurde. Dies spricht dafür, dass der Umzug der Klägerin der Beklagten erst bekannt wurde, als die Adresse bereits im Personalausweis der Klägerin geändert war. Das Gespräch am 9. April 1998 hat nicht mit dem Zeugen E. stattgefunden, sondern die Klägerin war an diesem Tag lediglich an der Anmeldung bei Frau G. vorstellig. Es handelte sich um einen Standardtermin und nicht um ein Beratungsgespräch. Frau G. konnte sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht nicht erinnern, eine Adressänderung von der Klägerin entgegengenommen zu haben. Dies hat die Klägerin auch nicht angegeben, da sie nach ihrer Aussage dem Zeugen E. die Adressänderung mitgeteilt hat.
Eine von der Klägerin angezeigte Änderung ihrer Adresse ergibt sich folglich weder aus der Leistungsakte noch aus den Computervermerken und auch nicht aus den Aussagen der Zeugen G. und E. Die Angaben der Klägerin, wann und bei welchem Sachbearbeiter sie die Änderung der Adresse mitgeteilt hat, sind nicht schlüssig. Etwas anderes belegt auch das von der Klägerin vorgelegte Meldeaufforderungsschreiben nicht, denn die Adresse ist von ihr selbst im Adressfeld abgeändert worden. Die Klägerin kann sich nicht mehr daran erinnern, ob ihr dieses Schreiben -wie zunächst angegeben- per Post zugegangen ist, oder in dem Beratungsgespräch am 12. Januar 1998 persönlich ausgehändigt wurde. Dafür spricht der zu dem Beratungsgespräch angefertigte Computervermerk: "Pers. VS. RF SGB III-§ 122 ausgeh". Bei dem Schreiben handelt es sich um ein Kontrollblatt zur Arbeitslosmeldung, das die nächsten Meldetermine dokumentieren und zum Nachweis erfolgter Meldungen dienen soll. Es verbleibt durchgängig in den Händen des Arbeitslosen. Bei den nächsten Vorsprachen am 9. April 1998 und 9. Oktober 1998 wurden diese, ebenso wie die Folgetermine, in dem Schreiben vermerkt.
Unter Abwägung aller Umstände des Falles kommt der Senat nach Würdigung des Gesamtergebnisses zu der richterlichen Überzeugung, dass ohne vernünftige Zweifel fest steht, dass die Klägerin der Beklagten vor dem 2. Februar 1999 die Änderung ihrer Adresse nicht mitgeteilt hat. Für eine Entscheidung nach den Grundsätzen der Beweislast bleibt damit kein Raum. Die Grundsätze der objektiven Beweislast greifen erst ein, wenn das Gericht keine Überzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit einer streitigen und entscheidungserheblichen Tatsachenbehauptung gewinnen kann -"non liquet"- (vgl. z.B.: BSG v. 26.11.1992, 7 RAr 38/92). Eine Beweislastentscheidung darf nur getroffen werden, wenn das Gericht nach Ausschöpfung aller verfügbaren Erkenntnisquellen sich dennoch keine Überzeugung in der einen oder anderen Richtung bilden konnte.
Schließlich hat die Klägerin die ihr gesetzlich vorgeschriebene Pflicht, der Beklagten die Änderung ihrer Adresse mitzuteilen, grob fahrlässig verletzt. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X). Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Grobe Fahrlässigkeit ist zu bejahen, wenn der Betroffene schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste (BSG v. 06.03.1997, 7 RAr 40/96). Entscheidend sind stets die besonderen Umstände des Einzelfalles und die individuellen Fähigkeiten des Betroffenen, d.h. seine Urteilsfähigkeit sein Einsichtsvermögen und sein Verhalten (BSG v. 31.08.1976, 7 Rar 112/74). Allgemein wird es als grob fahrlässig angesehen, wenn Vorschriften, auf die in einem Merkblatt besonders hingewiesen wird, außeracht gelassen werden, es sei denn, der Betroffene hat die Vorschriften nicht verstanden (BSG v. 20.09.1977, 8/12 RKg 8/76). Auf Grund der unmissverständlichen Hinweise in dem "Merkblatt für Arbeitslose", dessen Erhalt und Kenntnisnahme die Klägerin bei der Stellung des Antrags auf Arbeitslosengeld am 4. August 1997 durch Unterschrift ausdrücklich bestätigt hatte, musste für sie offensichtlich sein, dass sie der Beklagten ihre jeweilige Wohnanschrift mitzuteilen hat. Als langjährige Sachbearbeiterin in einer Verwaltungsgesellschaft (von Juli 1982 bis Juli 1997) dürfte die Klägerin auch intellektuell in der Lage gewesen sein, den Inhalt des Merkblattes verstanden zu haben. Zudem ergibt sich aus ihrem Vortrag in dem Rechtsstreit, dass sie um die Pflicht zur Mitteilung der Adressenänderung gewusst hat.
Die nach § 48 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X geltende Jahresfrist für eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung ist eingehalten worden. Dies ist unproblematisch für den Bescheid über die Leistungseinstellung ab 18. Januar 1999, den die Beklagte bereits am 22. Januar 1999 und damit unmittelbar nach Kenntnis vom Auszug der Klägerin durch den Rücklauf des Bescheides ("unbekannt verzogen") vom 8. Januar 1999 erlassen hat. Aber auch der Bescheid vom 31. Januar 2000 ist der Klägerin innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Jahresfrist bekannt gegeben worden. Der Bescheid enthält hinsichtlich des vergangenen Zeitraums und der Erstattungsregelung eine neue Verfügung; es handelt sich nicht um einen nur wiederholenden Bescheid ohne eigene Regelung (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 31 Rn. 32). Dies hat zur Konsequenz, dass auch der Bescheid vom 31. Januar 2000 an den gesetzlichen Vorgaben der §§ 45, 48 SGB X i.V.m. § 330 SGB III zu messen ist, soweit er die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufhebt (BSG v. 06.04.2006, B 7a AL 64/05 R). Nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X muss die Behörde, wenn sie einen Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurücknimmt bzw. aufhebt, dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme des Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen. Die Kenntnis aller die Rücknahme rechtfertigenden Tatsachen hat die Behörde erst durch das Widerspruchsschreiben der Klägerin vom 11. Februar 1999 erhalten, denn erst in diesem hat die Klägerin mitgeteilt, dass sie bereits am 1. März 1998 umgezogen ist. Fristbeginn war damit der 12. Februar 1999 (§ 26 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB) und Fristende der 11. Februar 2000 (§ 26 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB).
Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31. Januar 2000 ist gegenüber der Klägerin in dem Zeitpunkt wirksam geworden, in dem er ihr bekanntgegeben worden ist (§ 39 Abs. 1 SGB X, BSG v. 02.07.1998, 9 RV 14/96). Ein Zustellungsnachweis befindet sich in den Akten nicht und auch kein Vermerk, wann dieser zur Post gegeben wurde. Damit gilt auch nicht die Vermutung des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X, wonach ein schriftlicher Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt (BSGE 97, 279). Allerdings hat die Klägerin gegen den Bescheid vom 31. Januar 2000 am 7. Februar 2000 Widerspruch eingelegt, so dass der Aufhebungsbescheid ihr spätestens an diesem Tag bekannt gewesen sein muss.
Der Klägerin stand damit ein Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Zeit vom 18. Januar 1999 bis 1. Februar 1999 nicht zu. Die im Zeitraum vom 1. März 1998 bis 17. Januar 1999 zu Unrecht erbrachten Leistungen in Höhe von 18.031,90 DM sind von ihr gem. § 50 Abs. 1 SGB X zu erstatten, weil der zugrunde liegende Leistungsbescheid aufgehoben worden ist. Die Erstattungspflicht hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge im Umfang von 5.414,45 DM folgt aus § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 SGB III. Insgesamt ergibt sich eine Gesamtsumme von 23.446,35 DM bzw. 11.987,93 Euro.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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