Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 33 AL 132/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AL 37/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten der Berufung zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander für die Berufung keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob die Beklagte zu Recht für den Zeitraum vom 9. Mai 2000 bis 7. September 2000 das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs des Klägers festgestellt hat.
Der 1947 geborene Kläger war ab dem 1. April 1990 bei der Beigeladenen als Niederlassungsleiter beschäftigt. Laut Anstellungsvertrag vom 1. Dezember 1989 war eine Kündigungsfrist von sechs Monaten entweder zum 30. Juni oder zum 31. Dezember eines Jahres verabredet (Bl. 125 ff. GA xxx des ArbG - GA).
Am 28. Januar 2000 kündigte die Beigeladene das Arbeitsverhältnis außerordentlich, fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. April 2000 (Bl. 5 GA). Der Kläger nahm hiergegen gerichtlichen Rechtsschutz bei dem Arbeitsgericht im Wege der Kündigungsschutzklage mit dem Az. xxx in Anspruch, die später um Entgelt- und korrespondierende Auskunftsansprüche erweitert ist.
Der Kläger meldete sich am 4. Februar 2000 arbeitslos und wies dabei auf die Kündigungsschutzklage hin.
Die Beklagte zeigte der Beigeladenen mit Schreiben vom 22. März 2000 den Übergang der vom Kläger geltend gemachten weiteren Ansprüche auf Arbeitsentgelt an, soweit sie Arbeitslosengeld für den entsprechenden Zeitraum erbringe, und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 24. März 2000 Arbeitslosengeld in Höhe von 102,48 DM täglich, im Hinblick auf den möglichen Eintritt einer Sperrzeit zunächst nur vorläufig für längstens 585 Tage ab 22. April 2000. Mit weiterem Bescheid vom 11. April 2000 gewährte sie dann Arbeitslosengeld in unveränderter Höhe bereits ab dem 10. Februar 2000 für längstens 780 Tage. Ab 26. Juli 2000 erhöhte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 22. Juni 2000 den täglichen Leistungssatz auf 104,61 DM.
Die Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht mit Teilurteil vom 31. Juli 2001 ab (Bl. 325 ff. GA). Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Im Berufungsverfahren stellte die Beigeladene vorsorglich mit Schriftsatz vom 2. April 2003 (Bl. 491 ff. GA) einen Auflösungsantrag zum 30. April 2000 gegen eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Abfindung, sofern das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet sein sollte (§ 9 Abs. 2 KSchG). Mit Urteil vom 4. September 2003 (Bl. 591 ff. GA) gab das LAG diesem Antrag statt. Es änderte auf die Berufung des Klägers das Teilurteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig nur insoweit ab, als es die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zum 30. April 2004 gegen Verurteilung der Beigeladenen zur Zahlung einer Abfindung an den Kläger in Höhe von 50.000 EUR feststellte.
Den nachträglich bei dem LAG gestellten Antrag des Klägers, den Tenor des Berufungsurteils dahingehend zu korrigieren, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien erst zum 31. Dezember 2000 aufgelöst werde, weil eine vorherige Kündigung vertraglich ausgeschlossen sei, lehnte das LAG mit Beschluss vom 8. Dezember 2004 ab (Bl. 647 f. GA). Zur Begründung führte es aus, nach § 319 ZPO seien Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in einem Urteil vorkämen, jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen. Unrichtig sei ein Urteilstenor, wenn er dem Ergebnis der Beratung des Spruchkörpers nicht entspreche. Die Unrichtigkeit sei offenbar, wenn sie sich aus dem Zusammenhang des Urteils selbst oder aus den Vorgängen bei seiner Verkündung ergebe. Das Auseinanderfallen von Gewolltem und Erklärtem müsse für die Parteien erkennbar sein. Eine solche Unrichtigkeit greife vorliegend nicht, weil die Kammer als Ergebnis ihrer Beratungen davon ausgegangen sei, das Arbeitsverhältnis habe zum 30. April 2000 der gesetzlichen Kündigungsfrist entsprechend ordentlich gekündigt werden können. Auch wenn die Kündigungsfrist aufgrund der vertraglichen Regelung länger als die gesetzliche Kündigungsfrist gewesen sei, sei der Urteilstenor das zutreffende Ergebnis der Beratung der Kammer.
Die Beklagte hatte bereits zuvor nach Kenntnisnahme des Urteils des LAG mit angefochtenen Bescheid vom 22. November 2004 (Bl. 193 f. L-Akte) verfügt, durch die zwischenzeitlich zuerkannten Ansprüche auf Arbeitsentgelt Ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß §§ 143 Abs. 1 bis 3, 143a Abs. 1 bis 3 SGB III. Für den Zeitraum vom 10. Februar 2000 bis 7. September 2000 sei Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 SGB III bzw. § 143a Abs. 4 SGB III in Höhe von 11.140,76 EUR gezahlt worden. Dieser Betrag sei von den vom Arbeitgeber zu erfüllenden Ansprüchen einzubehalten und an die Beklagte zu überweisen. Die Beigeladene kam dem gegenüber der Beklagten nach.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger in der Folgezeit das Arbeitslosengeld bis zur Anspruchserschöpfung.
Den Widerspruch des Klägers vom 29. November 2004 gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2004 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2005 als unbegründet zurück. Sie stützte sich wegen des im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraums im Wesentlichen darauf, § 143a Abs. 1 und 2 SGB III sehe vor, dass der Leistungsanspruch ruhe, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen habe und außerdem das Arbeitsverhältnis beendet sei, ohne dass die ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers eingehalten sei. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sei zunächst zum 28. Januar 2000 fristlos beendet worden. Im Arbeitsgerichtsverfahren sei das Ende des Arbeitsverhältnisses dann unter Zahlung der Arbeitsentgelte bis 30. April 2001 und einer Abfindung in Höhe von 50.000 EUR auf den 30. April 2000 festgelegt worden. Über den 30. April 2000 hinaus ruhe der Leistungsanspruch wegen der Entlassungsentschädigung. Bei Einhaltung der für den Arbeitgeber maßgeblichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Halb- bzw. Jahresende hätte das Arbeitsverhältnis erst zum 31. Dezember 2000 geendet. Eine vorzeitige Beendigung sei damit eingetreten. Der Leistungsanspruch ruhe grundsätzlich bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet hätte (§ 143 Abs. 1 S. 1 SGB III). Aufgrund der in § 143a Abs. 2 S. 2 und 3 SGB III vorgesehenen nur anteiligen Berücksichtigung gezahlter Abfindungen errechne sich hieraus ein Ruhenszeitraum bis 30. August 2000. Auf die Gründe, aus denen das Arbeitsverhältnis beendet sei, komme es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an. Da der Kläger darüber hinaus eine Urlaubsabgeltung erhalten habe, verlängere sich der Ruhenszeitraum um die Zeit des abgegoltenen Urlaubs bis zum 7. September 2000. Für den gesamten Ruhenszeitraum vom 10. Februar 2000 bis 7. September 2000 seien Leistungen in Höhe von 11.140,76 EUR erbracht worden, die nun von dem vom Arbeitgeber zu erfüllenden Ansprüchen einzubehalten und der Beklagten zu erstatten seien (§ 143 Abs. 3 und § 143a Abs. 4 SGB III).
Auf die hiergegen am 8. Februar 2005 erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) mit Urteil vom 9. November 2007 den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2005 aufgehoben, soweit das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld über den 8. Mai 2000 hinaus festgestellt ist und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der angefochtene Bescheid der Beklagten sei nicht zu beanstanden, soweit für die Zeit des Bestehens des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. April 2000 Anspruch auf Arbeitsentgelt und daran anschließend bis zum 8. Mai 2000 ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestanden habe. Der Klage sei jedoch stattzugeben, soweit darüber hinaus bis zum 7. September 2000 das Ruhen festgestellt sei. § 143a Abs. 1 S. 1 SGB III ordne das Ruhen nur an, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet sei. Daran fehle es, weil das LAG in seinem Urteil rechtskräftig nach § 9 Abs. 2 KSchG das Arbeitsverhältnis bereits zum 30. April 2000 aufgelöst habe. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift, die dazu diene, den in einer Abfindung bei vorzeitiger Beendigung eines Arbeitsverhältnisses typischerweise enthaltenen Anteil, der der Abgeltung der dadurch wegfallenden Lohnansprüche diene, den sogenannten Arbeitsentgeltanteil, wie die Lohnansprüche selbst zu behandeln und auch ihm Ruhenswirkung zukommen zu lassen, sei in diesem Fall von einer fristgerechten Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Das gelte auch, weil die gesetzliche Regelung eine Doppelzahlung von Entgelt (bzw. an seine Stelle tretende Abfindung) und Arbeitslosengeld vermeiden und zugleich verhindern wolle, dass für die Arbeitsvertragsparteien ein Interesse bestehe, zu Lasten der Beklagten Entgelt in eine Abfindungszahlung umzuwandeln. Dafür spreche weiter, dass die Arbeitsvertragsparteien keine Möglichkeit gehabt hätten, das Urteil des LAG zu manipulieren. Der Reaktion des Klägers sei vielmehr zu entnehmen, dass er nur versehentlich die Rüge des beantragten Auflösungszeitpunkts durch die Beigeladene unterlassen habe. Weiter komme es darauf aber auch nicht an, weil das LAG auch ohne diese Rüge gehalten gewesen wäre, die vertraglich verabredete Kündigungsfrist zu beachten. Setze § 9 Abs. 2 KSchG gerade voraus, dass die Auflösung erst für den Zeitpunkt nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist erfolgen dürfe, sei zwingend davon auszugehen, dass in der vom LAG festgesetzten Abfindung ein Arbeitsentgeltanteil nicht enthalten sei. Schließlich sei es auch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bedenklich, einem erkennbar falschen, aber im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung aus guten Gründen nicht mehr korrigierbaren Urteils Folgewirkungen für andere Rechtsgebiete zukommen zu lassen, soweit dies im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung nicht zwingend geboten erscheine. Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, der Kläger habe aufgrund der Ruhenswirkung Arbeitslosengeld für einen längeren Zeitraum erhalten. Insoweit sei davon auszugehen, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht abstrakt, sondern immer nur für einen konkreten Zeitraum bestehe und damit spätere Zeiträume nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids und damit auch des Klageverfahrens seien.
Gegen das der Beklagten am 18. Januar 2008 zugestellte Urteil hat diese am 13. Februar 2008 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Die Beklagte begründet die Berufung damit, dass SG habe verkannt, dass für die Ruhenswirkung allein maßgeblich sei, ob das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist geendet habe (BSG, 21.9.1995 - 11 RAr 41/95). Unmaßgeblich sei, ob die Entlassungsentschädigung willentlich auch ausgefallenes Arbeitsentgelt ersetzen soll.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 2007 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Der Kläger weist darauf hin, die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung beziehe sich allein auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitsvertragsparteien und sei daher auf eine Auflösung durch Urteil des Arbeitsgerichts nach § 9 Abs. 2 KSchG nicht übertragbar.
Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Leistungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte des Arbeitsgerichts mit dem Az.: xxx verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, weil das SG den angefochtenen Bescheid der Beklagten zu Recht ab dem 9. Mai 2000 aufgehoben hat.
Dem SG ist darin zu folgen, dass die Ruhensregelung des § 143a Abs. 1 S. 1 SGB III teleologisch zu reduzieren ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch Gestaltungsurteil nach § 9 KSchG beendet wird.
Zusammengefasst folgt das daraus, dass die Ruhensregelung auf eine Beendigung durch die Arbeitsvertragsparteien abstellt. Es soll den Motiven, die zur Ausgestaltung der Entschädigung geführt haben, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen, sondern die unwiderlegliche Vermutung greifen, dass bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Entschädigung auch für ausgefallenes Arbeitsentgelt gezahlt ist.
Die arbeitsgerichtlich festgesetzte Entlassungsentschädigung setzt jedoch sachlogisch voraus, dass eine Entschädigung für Arbeitsentgelte nicht enthalten sein kann, weil das Gericht die Entschädigung nur für die Zeit nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist festsetzen darf (§ 9 Abs. 2 KSchG). Ist eine Entschädigung für ausgefallenes Arbeitsentgelt jedoch bereits sachlogisch ausnahmslos ausgeschlossen, bleibt kein Raum für eine gesetzliche unwiderlegliche Vermutung des Gegenteils.
Wegen der Einzelheiten wird auf die überzeugenden Entscheidungsgründe des Urteils des SG nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Soweit die Beklagte in der ersten Instanz vorgebracht hat, im Falle der Aufhebung der Ruhenswirkung sei dem Kläger für spätere Zeiträume Arbeitslosengeld rechtswidrig bewilligt worden, hat der Senat bereits entschieden, dass über Arbeitslosengeld nur für den streitgegenständlichen Zeitraum zu entscheiden ist und eine spätere Anspruchserschöpfung den für einen vorherigen Zeitpunkt bestehenden Arbeitslosengeldanspruch nicht erlöschen lässt (Senat, 21.5.2010 - L 7 AL 108/09; Revision anhängig bei dem BSG).
Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang der Berufung gemäß § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Über Kosten der Beigeladenen in der Berufung ist nicht zu entscheiden, weil sie keinen Sachantrag mehr gestellt hat.
Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob eine spätere Anspruchserschöpfung den Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen vorherigen Zeitraum erlöschen lassen kann.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten der Berufung zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander für die Berufung keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darüber, ob die Beklagte zu Recht für den Zeitraum vom 9. Mai 2000 bis 7. September 2000 das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs des Klägers festgestellt hat.
Der 1947 geborene Kläger war ab dem 1. April 1990 bei der Beigeladenen als Niederlassungsleiter beschäftigt. Laut Anstellungsvertrag vom 1. Dezember 1989 war eine Kündigungsfrist von sechs Monaten entweder zum 30. Juni oder zum 31. Dezember eines Jahres verabredet (Bl. 125 ff. GA xxx des ArbG - GA).
Am 28. Januar 2000 kündigte die Beigeladene das Arbeitsverhältnis außerordentlich, fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. April 2000 (Bl. 5 GA). Der Kläger nahm hiergegen gerichtlichen Rechtsschutz bei dem Arbeitsgericht im Wege der Kündigungsschutzklage mit dem Az. xxx in Anspruch, die später um Entgelt- und korrespondierende Auskunftsansprüche erweitert ist.
Der Kläger meldete sich am 4. Februar 2000 arbeitslos und wies dabei auf die Kündigungsschutzklage hin.
Die Beklagte zeigte der Beigeladenen mit Schreiben vom 22. März 2000 den Übergang der vom Kläger geltend gemachten weiteren Ansprüche auf Arbeitsentgelt an, soweit sie Arbeitslosengeld für den entsprechenden Zeitraum erbringe, und bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 24. März 2000 Arbeitslosengeld in Höhe von 102,48 DM täglich, im Hinblick auf den möglichen Eintritt einer Sperrzeit zunächst nur vorläufig für längstens 585 Tage ab 22. April 2000. Mit weiterem Bescheid vom 11. April 2000 gewährte sie dann Arbeitslosengeld in unveränderter Höhe bereits ab dem 10. Februar 2000 für längstens 780 Tage. Ab 26. Juli 2000 erhöhte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 22. Juni 2000 den täglichen Leistungssatz auf 104,61 DM.
Die Kündigungsschutzklage wies das Arbeitsgericht mit Teilurteil vom 31. Juli 2001 ab (Bl. 325 ff. GA). Der Kläger legte gegen dieses Urteil Berufung bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Im Berufungsverfahren stellte die Beigeladene vorsorglich mit Schriftsatz vom 2. April 2003 (Bl. 491 ff. GA) einen Auflösungsantrag zum 30. April 2000 gegen eine in das Ermessen des Gerichts gestellte Abfindung, sofern das Arbeitsverhältnis weder durch die außerordentliche noch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet sein sollte (§ 9 Abs. 2 KSchG). Mit Urteil vom 4. September 2003 (Bl. 591 ff. GA) gab das LAG diesem Antrag statt. Es änderte auf die Berufung des Klägers das Teilurteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig nur insoweit ab, als es die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zum 30. April 2004 gegen Verurteilung der Beigeladenen zur Zahlung einer Abfindung an den Kläger in Höhe von 50.000 EUR feststellte.
Den nachträglich bei dem LAG gestellten Antrag des Klägers, den Tenor des Berufungsurteils dahingehend zu korrigieren, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien erst zum 31. Dezember 2000 aufgelöst werde, weil eine vorherige Kündigung vertraglich ausgeschlossen sei, lehnte das LAG mit Beschluss vom 8. Dezember 2004 ab (Bl. 647 f. GA). Zur Begründung führte es aus, nach § 319 ZPO seien Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die in einem Urteil vorkämen, jederzeit von dem Gericht auch von Amts wegen zu berichtigen. Unrichtig sei ein Urteilstenor, wenn er dem Ergebnis der Beratung des Spruchkörpers nicht entspreche. Die Unrichtigkeit sei offenbar, wenn sie sich aus dem Zusammenhang des Urteils selbst oder aus den Vorgängen bei seiner Verkündung ergebe. Das Auseinanderfallen von Gewolltem und Erklärtem müsse für die Parteien erkennbar sein. Eine solche Unrichtigkeit greife vorliegend nicht, weil die Kammer als Ergebnis ihrer Beratungen davon ausgegangen sei, das Arbeitsverhältnis habe zum 30. April 2000 der gesetzlichen Kündigungsfrist entsprechend ordentlich gekündigt werden können. Auch wenn die Kündigungsfrist aufgrund der vertraglichen Regelung länger als die gesetzliche Kündigungsfrist gewesen sei, sei der Urteilstenor das zutreffende Ergebnis der Beratung der Kammer.
Die Beklagte hatte bereits zuvor nach Kenntnisnahme des Urteils des LAG mit angefochtenen Bescheid vom 22. November 2004 (Bl. 193 f. L-Akte) verfügt, durch die zwischenzeitlich zuerkannten Ansprüche auf Arbeitsentgelt Ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld gemäß §§ 143 Abs. 1 bis 3, 143a Abs. 1 bis 3 SGB III. Für den Zeitraum vom 10. Februar 2000 bis 7. September 2000 sei Arbeitslosengeld nach § 143 Abs. 3 SGB III bzw. § 143a Abs. 4 SGB III in Höhe von 11.140,76 EUR gezahlt worden. Dieser Betrag sei von den vom Arbeitgeber zu erfüllenden Ansprüchen einzubehalten und an die Beklagte zu überweisen. Die Beigeladene kam dem gegenüber der Beklagten nach.
Die Beklagte bewilligte dem Kläger in der Folgezeit das Arbeitslosengeld bis zur Anspruchserschöpfung.
Den Widerspruch des Klägers vom 29. November 2004 gegen den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2004 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2005 als unbegründet zurück. Sie stützte sich wegen des im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraums im Wesentlichen darauf, § 143a Abs. 1 und 2 SGB III sehe vor, dass der Leistungsanspruch ruhe, wenn der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen habe und außerdem das Arbeitsverhältnis beendet sei, ohne dass die ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers eingehalten sei. Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger sei zunächst zum 28. Januar 2000 fristlos beendet worden. Im Arbeitsgerichtsverfahren sei das Ende des Arbeitsverhältnisses dann unter Zahlung der Arbeitsentgelte bis 30. April 2001 und einer Abfindung in Höhe von 50.000 EUR auf den 30. April 2000 festgelegt worden. Über den 30. April 2000 hinaus ruhe der Leistungsanspruch wegen der Entlassungsentschädigung. Bei Einhaltung der für den Arbeitgeber maßgeblichen Kündigungsfrist von sechs Monaten zum Halb- bzw. Jahresende hätte das Arbeitsverhältnis erst zum 31. Dezember 2000 geendet. Eine vorzeitige Beendigung sei damit eingetreten. Der Leistungsanspruch ruhe grundsätzlich bis zu dem Tag, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung der maßgeblichen Kündigungsfrist geendet hätte (§ 143 Abs. 1 S. 1 SGB III). Aufgrund der in § 143a Abs. 2 S. 2 und 3 SGB III vorgesehenen nur anteiligen Berücksichtigung gezahlter Abfindungen errechne sich hieraus ein Ruhenszeitraum bis 30. August 2000. Auf die Gründe, aus denen das Arbeitsverhältnis beendet sei, komme es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an. Da der Kläger darüber hinaus eine Urlaubsabgeltung erhalten habe, verlängere sich der Ruhenszeitraum um die Zeit des abgegoltenen Urlaubs bis zum 7. September 2000. Für den gesamten Ruhenszeitraum vom 10. Februar 2000 bis 7. September 2000 seien Leistungen in Höhe von 11.140,76 EUR erbracht worden, die nun von dem vom Arbeitgeber zu erfüllenden Ansprüchen einzubehalten und der Beklagten zu erstatten seien (§ 143 Abs. 3 und § 143a Abs. 4 SGB III).
Auf die hiergegen am 8. Februar 2005 erhobene Klage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) mit Urteil vom 9. November 2007 den Bescheid der Beklagten vom 22. November 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2005 aufgehoben, soweit das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld über den 8. Mai 2000 hinaus festgestellt ist und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der angefochtene Bescheid der Beklagten sei nicht zu beanstanden, soweit für die Zeit des Bestehens des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. April 2000 Anspruch auf Arbeitsentgelt und daran anschließend bis zum 8. Mai 2000 ein Anspruch auf Urlaubsabgeltung bestanden habe. Der Klage sei jedoch stattzugeben, soweit darüber hinaus bis zum 7. September 2000 das Ruhen festgestellt sei. § 143a Abs. 1 S. 1 SGB III ordne das Ruhen nur an, wenn das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet sei. Daran fehle es, weil das LAG in seinem Urteil rechtskräftig nach § 9 Abs. 2 KSchG das Arbeitsverhältnis bereits zum 30. April 2000 aufgelöst habe. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift, die dazu diene, den in einer Abfindung bei vorzeitiger Beendigung eines Arbeitsverhältnisses typischerweise enthaltenen Anteil, der der Abgeltung der dadurch wegfallenden Lohnansprüche diene, den sogenannten Arbeitsentgeltanteil, wie die Lohnansprüche selbst zu behandeln und auch ihm Ruhenswirkung zukommen zu lassen, sei in diesem Fall von einer fristgerechten Beendigung des Arbeitsverhältnisses auszugehen. Das gelte auch, weil die gesetzliche Regelung eine Doppelzahlung von Entgelt (bzw. an seine Stelle tretende Abfindung) und Arbeitslosengeld vermeiden und zugleich verhindern wolle, dass für die Arbeitsvertragsparteien ein Interesse bestehe, zu Lasten der Beklagten Entgelt in eine Abfindungszahlung umzuwandeln. Dafür spreche weiter, dass die Arbeitsvertragsparteien keine Möglichkeit gehabt hätten, das Urteil des LAG zu manipulieren. Der Reaktion des Klägers sei vielmehr zu entnehmen, dass er nur versehentlich die Rüge des beantragten Auflösungszeitpunkts durch die Beigeladene unterlassen habe. Weiter komme es darauf aber auch nicht an, weil das LAG auch ohne diese Rüge gehalten gewesen wäre, die vertraglich verabredete Kündigungsfrist zu beachten. Setze § 9 Abs. 2 KSchG gerade voraus, dass die Auflösung erst für den Zeitpunkt nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist erfolgen dürfe, sei zwingend davon auszugehen, dass in der vom LAG festgesetzten Abfindung ein Arbeitsentgeltanteil nicht enthalten sei. Schließlich sei es auch unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bedenklich, einem erkennbar falschen, aber im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung aus guten Gründen nicht mehr korrigierbaren Urteils Folgewirkungen für andere Rechtsgebiete zukommen zu lassen, soweit dies im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung nicht zwingend geboten erscheine. Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, der Kläger habe aufgrund der Ruhenswirkung Arbeitslosengeld für einen längeren Zeitraum erhalten. Insoweit sei davon auszugehen, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht abstrakt, sondern immer nur für einen konkreten Zeitraum bestehe und damit spätere Zeiträume nicht Gegenstand des angefochtenen Bescheids und damit auch des Klageverfahrens seien.
Gegen das der Beklagten am 18. Januar 2008 zugestellte Urteil hat diese am 13. Februar 2008 bei dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.
Die Beklagte begründet die Berufung damit, dass SG habe verkannt, dass für die Ruhenswirkung allein maßgeblich sei, ob das Arbeitsverhältnis vor Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist geendet habe (BSG, 21.9.1995 - 11 RAr 41/95). Unmaßgeblich sei, ob die Entlassungsentschädigung willentlich auch ausgefallenes Arbeitsentgelt ersetzen soll.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 9. November 2007 abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
Der Kläger weist darauf hin, die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung beziehe sich allein auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die Arbeitsvertragsparteien und sei daher auf eine Auflösung durch Urteil des Arbeitsgerichts nach § 9 Abs. 2 KSchG nicht übertragbar.
Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Leistungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte des Arbeitsgerichts mit dem Az.: xxx verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg, weil das SG den angefochtenen Bescheid der Beklagten zu Recht ab dem 9. Mai 2000 aufgehoben hat.
Dem SG ist darin zu folgen, dass die Ruhensregelung des § 143a Abs. 1 S. 1 SGB III teleologisch zu reduzieren ist, wenn das Arbeitsverhältnis durch Gestaltungsurteil nach § 9 KSchG beendet wird.
Zusammengefasst folgt das daraus, dass die Ruhensregelung auf eine Beendigung durch die Arbeitsvertragsparteien abstellt. Es soll den Motiven, die zur Ausgestaltung der Entschädigung geführt haben, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen, sondern die unwiderlegliche Vermutung greifen, dass bei einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Entschädigung auch für ausgefallenes Arbeitsentgelt gezahlt ist.
Die arbeitsgerichtlich festgesetzte Entlassungsentschädigung setzt jedoch sachlogisch voraus, dass eine Entschädigung für Arbeitsentgelte nicht enthalten sein kann, weil das Gericht die Entschädigung nur für die Zeit nach Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist festsetzen darf (§ 9 Abs. 2 KSchG). Ist eine Entschädigung für ausgefallenes Arbeitsentgelt jedoch bereits sachlogisch ausnahmslos ausgeschlossen, bleibt kein Raum für eine gesetzliche unwiderlegliche Vermutung des Gegenteils.
Wegen der Einzelheiten wird auf die überzeugenden Entscheidungsgründe des Urteils des SG nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug genommen.
Soweit die Beklagte in der ersten Instanz vorgebracht hat, im Falle der Aufhebung der Ruhenswirkung sei dem Kläger für spätere Zeiträume Arbeitslosengeld rechtswidrig bewilligt worden, hat der Senat bereits entschieden, dass über Arbeitslosengeld nur für den streitgegenständlichen Zeitraum zu entscheiden ist und eine spätere Anspruchserschöpfung den für einen vorherigen Zeitpunkt bestehenden Arbeitslosengeldanspruch nicht erlöschen lässt (Senat, 21.5.2010 - L 7 AL 108/09; Revision anhängig bei dem BSG).
Die Kostenentscheidung beruht auf dem Ausgang der Berufung gemäß § 193 Abs. 1 S. 1 SGG. Über Kosten der Beigeladenen in der Berufung ist nicht zu entscheiden, weil sie keinen Sachantrag mehr gestellt hat.
Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, weil höchstrichterlich nicht geklärt ist, ob eine spätere Anspruchserschöpfung den Anspruch auf Arbeitslosengeld für einen vorherigen Zeitraum erlöschen lassen kann.
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