Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 9 KR 147/11 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 180/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Der Zugang zur Versicherung im Sinne der Begründung des Statusverhältnisses unterliegt dem Grundsatz der Tatbestandsgleichstellung nach Art. 5 lit. b) VO (EG) 883/2004. Im Rahmen der Prüfung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, ob eine Person „zuletzt“ gesetzlich krankenversichert oder „bisher“ privat krankenversichert war, sind hiernach Sachverhalte, die in anderen Mitgliedstaaten verwirklicht worden sind, so zu berücksichtigen, als ob sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingetreten wären.
2. Eine vorherige private Teilversicherung steht der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V nur dann entgegen, wenn sie wesentliche Teile der Vollversicherung umfasst. Die Absicherung muss jedenfalls eine solche Qualität haben, dass der Versicherte dem „Lager“ der Privatversicherten zuzurechnen ist.
2. Eine vorherige private Teilversicherung steht der Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a) SGB V nur dann entgegen, wenn sie wesentliche Teile der Vollversicherung umfasst. Die Absicherung muss jedenfalls eine solche Qualität haben, dass der Versicherte dem „Lager“ der Privatversicherten zuzurechnen ist.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 12. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Regelung der Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin im Rahmen der sog. Auffang-Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V).
Der 1942 geborene Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger und war in der Zeit vom 1. Oktober 1971 bis 30. September 1993 bei der Antragsgegnerin als Beschäftigter pflichtversichert. Danach verzog er nach Frankreich, wo er zuletzt in der Stadt Ouistreham wohnte. In der Zeit vom 1. Oktober 2004 bis 2. März 2008 war der Antragsteller bei der "Couverture Maladie Universelle" (CMU) in Gestalt einer Basisversicherung krankenversichert. In der Zeit vom 3. März 2008 bis 3. März 2009 war er aufgrund einer Kostenübernahmeerklärung des kommunalen Sozialhilfeträgers ("Centre Communal d´Action Sociale") bei der französischen "Assistance Etrangers" krankenversichert. Die Jahresprämie in Höhe von 803,00 EUR wurde am 4. März 2008 von der Stadt Ouistreham übernommen. Der Antragsteller verlegte seinen Wohnsitz zum 1. Juli 2009 wieder nach Deutschland und ist seitdem in A-Stadt wohnhaft. Seit dem 1. Dezember 2010 befindet sich der Antragsteller in vollstationärer Pflege im Haus AAX. in A-Stadt. Das Amtsgericht D-Stadt bestellte dem Antragsteller am 26. März 2010 einen Betreuer.
Der Antragsteller bezieht seit 1. Oktober 2007 eine Regelaltersrente, zuletzt in Höhe eines Zahlbetrages von 1.395,93 EUR. Weiterhin erhält er eine Betriebsrente der Zusatzversorgungskasse der Stadt ZN.
Der Betreuer beantragte am 15. April 2010 bei der Antragsgegnerin die Aufnahme des Antragstellers als Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit Bescheid vom 27. April 2010 lehnte die Antragsgegnerin die Aufnahme des Antragstellers in die Kranken- und Pflegeversicherung ab. Die Mitgliedschaft für nichtversicherte Bürger sei immer bei dem letzten Versicherungsunternehmen durchzuführen. Dies sei nach Angaben des Antragstellers die "Assistance Etrangers" gewesen. Diese sei somit für den weiteren Versicherungsschutz zuständig. Am 24. September 2010 fragte der Betreuer des Antragstellers bei der Antragsgegnerin nach und legte die Ablehnung des Debeka Krankenversicherungsvereins a.G. über eine Versicherung zum Basistarif vor (Schreiben vom 20. September 2010). Bei der "Assistance Etrangers" handele es sich nicht um eine private Krankheitskostenvollversicherung, der Antragsteller sei in Frankreich zuletzt gesetzlich versichert gewesen.
Die Antragsgegnerin teilte mit Schreiben vom 27. September 2010 dem Antragsteller mit, dass keine Versicherung möglich sei, da der Antragsteller in der Zeit vom 3. März 2008 bis 3. März 2009 bei einem Unternehmen der Privaten Krankenversicherung (PKV) versichert gewesen sei.
Hiergegen erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 20. Oktober 2010 Widerspruch und machte geltend, es sei ohne Bedeutung, dass er während seines Auslandsaufenthaltes bei einer französischen Versicherung gegen Krankheitsrisiken privat abgesichert gewesen sei. Der Begriff "zuletzt" des § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V lasse Versicherungsverhältnisse gegen Krankheitsrisiken, die während des Auslandsaufenthaltes bestanden hätten, unberührt.
Im Rahmen der weiteren Ermittlungen teilte die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) der Antragsgegnerin mit, dass der Grund für die Beendigung der Basisversicherung im Rahmen der CMU nach Kontaktierung der französischen Verbindungsstelle nicht nachvollzogen werden könne. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese Versicherung weiter zu führen gewesen wäre, obwohl der Antragsteller die Beiträge nicht gezahlt habe. Der Sachverhalt bezüglich der "Assistance Etrangers" könne nicht mehr genau rekonstruiert werden, da die "Assistance Etrangers" nicht mehr existiere und keine Stelle über den Vertragsinhalt Auskunft geben könne. Die Antragsgegnerin recherchierte eine englischsprachige Zusammenstellung von Vertragsbedingungen des Unternehmens "ACS-AMI" unter der Internetadresse "www.assistance-etrangers.com" ("booklet" – Bl. 72ff. der Verwaltungsakte); dort wird ein Tarif "E (NP)" angeboten, der ebenfalls zu einer Jahresprämie von 803,- EUR für 60- bis 79 jährige Ausländer angeboten wird.
Nach weiterer Korrespondenz und Fristsetzung hat der Antragsteller am 18. April 2011 bei dem Sozialgericht Gießen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Der Antragsteller hat geltend gemacht, er sei ohne Absicherung im Krankheitsfall, da sowohl die Debeka Krankenversicherungsverein a.G. den Abschluss einer Krankenversicherung abgelehnt habe und auch der Wetteraukreis Leistungen der Krankenhilfe versagt habe. Die "Assistance Etrangers" sei nicht mit einer inländischen privaten Krankenversicherung vergleichbar, sondern eine ausländische Hilfe im Sinne einer Notversicherung. In Frankreich gebe es nach der Auskunft der Debeka keine private Krankenversicherung, sondern nur private Zusatzversicherungen gegen Krankheit. Die Prämie der "Assistance Etrangers" habe nur die ärztliche Grundversorgung des Antragstellers sichergestellt. Er sei aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nicht in der Lage, die medizinisch notwendigen ärztlichen Leistungen privat zu bezahlen. Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, der Antragsteller sei zuletzt bei der "Assistance Etrangers" in Frankreich krankenversichert gewesen. Hierbei handele es sich um eine Versicherung auf Gegenseitigkeit, welche den Status einer privaten Versicherung habe, wie der Antragsteller im Übrigen in seinem Antrag auch selbst angegeben habe. Die "Assistance Etrangers" sei nicht vergleichbar mit einer gesetzlichen Krankenversicherung, vielmehr sei der Antragsteller am 2. März 2008 aus der gesetzlichen Krankenversicherung, der CMU, ausgeschlossen worden.
Das Soziagericht Gießen hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 12. Mai 2011, der Antragsgegnerin zugestellt am 18. Mai 2011, verpflichtet, den Antragsteller bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und im Falle eines daran anschließenden Klageverfahrens bis zur Rechtskraft des Urteils als Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenkasse aufzunehmen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei begründet. Nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren nur durchführbaren summarischen Prüfung spreche mehr dafür als dagegen, dass der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Pflichtmitglied geworden ist. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V seien versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren. Der Antragsteller sei am 1. Juli 2009 nach Deutschland zurückgekehrt und habe keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Inland gehabt. Er sei auch zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen. Auf die Entscheidung, ob es sich bei der "Assistance Etrangers" um eine gesetzliche oder private Krankenversicherung gehandelt habe, komme es vorliegend nicht an, da der Antragsteller im Inland zuletzt bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Das Wort "zuletzt" des § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12. Januar 2011, Az. B 12 KR 11/09 R), der sich die Kammer anschließe, nicht in dem Sinne zu verstehen, dass die einsetzende Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V zeitlich ohne Unterbrechung an eine zuvor bestehende Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung anschließen müsse, sondern dahingehend, dass § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V die Versicherungspflicht derjenigen Personen betreffe, die in der Vergangenheit bereits "gesetzlich oder privat krankenversichert waren". Der Gesetzgeber habe unter dem Begriff "zuletzt" an die zeitlich letzte Versicherung entweder in der gesetzlichen Krankenversicherung oder in der privaten Krankenversicherung anknüpfen wollen. Maßgebend könne aber für die Frage der Versicherungspflicht nur der Versicherungsstatus im Inland und nicht eine eventuell vor der Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland im Ausland bestehende Krankenversicherung sein. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V diene, wie auch aus Buchstabe b folge, der Abgrenzung zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung und der privaten Krankenversicherung. Für diese Abgrenzung zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und privater Krankenversicherung könne aber nur der Status maßgebend sein, der im Inland bestanden habe, da ausländische Versicherungssysteme nicht mit den deutschen Krankenversicherungssystemen vergleichbar seien. In vielen Ländern gebe es eine "Bürgerversicherung" und keine private Krankenversicherung, so dass keine Vergleichbarkeit mit dem deutschen System möglich sei. Der Gesetzgeber habe darüber hinaus eine nachvollziehbare und einfache Abgrenzung des versicherungspflichtigen Personenkreises nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V erreichen wollen, was nicht möglich wäre, wenn zunächst geprüft werden müsste, welcher Art der Krankenversicherung der Versicherte im Ausland angehört habe.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin ist am 31. Mai 2011 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Die Antragsgegnerin trägt vor, bei der "Assistance Etrangers" handele es sich um ein privates Versicherungsunternehmen, an dem u.a. die Allianz Leben beteiligt sei. Sie ist der Rechtsauffassung, dass das Sozialgericht zu Unrecht Art. 5 lit b der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) unberücksichtigt gelassen habe. Hiernach seien in einem anderen Mitgliedstaat eingetretene Sachverhalte so zu berücksichtigen, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären. Unter Zugrundelegung dieser Regelung sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zuletzt in Frankreich bei der "Assistance Etrangers" versichert gewesen sei.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 12. Mai 2011 aufzuheben und den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsteller ist der Rechtsauffassung, dass die Regelung des Zugangs zum innerstaatlichen Leistungssystem nicht in den Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 falle.
Hinsichtlich des Sachstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsakte (1 Band), der Gegenstand der Beratung gewesen ist, verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.
Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin zur vorläufigen Versicherung des Antragstellers im Rahmen der so genannten Auffang-Pflichtversicherung verpflichtet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs bzw. des Rechtsverhältnisses (Anordnungsanspruch) und der Grund für eine notwendige vorläufige Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. mit § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG).
Am Maßstab der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung und Interessenabwägung sprechen hinreichende Umstände dafür, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Durchführung der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V hat.
Nach dieser Vorschrift sind versicherungspflichtig in der Gesetzlichen Krankenversicherung Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und (a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder (b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.
Ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall wird von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht erkennbar.
Bei der Prüfung, ob der Antragsteller "zuletzt" gesetzlich versichert war, sind nach Art. 5 VO (EG) 883/2004 die Versicherungen in Frankreich in die Prüfung mit einzubeziehen.
Wie sich aus dem letzten Halbsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ergibt, geht der Gesetzgeber zwar grundsätzlich von einer auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkten Prüfung aus, die er nur ausnahmsweise für den Fall der letzten Variante des § 5 Abs. 1 Nr. 13 b SGB V für Auslandssachverhalte geöffnet wissen will. Auch die Verwendung des terminus technicus "gesetzlich krankenversichert" spricht für diesen dem Territorialitätsprinzip verpflichteten Prüfrahmen. Zu Recht weist die Antragsgegnerin aber darauf hin, dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb der Europäischen Union durch die Anwendung von Art. 5 lit. b VO (EG) 883/2004 Auslandsachverhalte gleichgestellt werden. Im Rahmen der Prüfung, ob der Antragsteller "zuletzt" gesetzlich krankenversichert war oder "bisher" privat krankenversichert war, sind nach Art. 5 lit b VO (EG) 883/2004 Sachverhalte, die in anderen Mitgliedstaaten verwirklicht worden sind, so zu berücksichtigen, als ob sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingetreten wären.
Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaates der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so muss nach Art. 5 lit. b VO (EG) 883/2004 dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse so berücksichtigen, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären. Art. 5 VO (EG) 883/2004 ist anwendbar. Der persönliche Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 lit. l VO (EG) 883/2004 eröffnet. Der Antragsteller ist zumindest als Empfänger von Rentenleistungen den Rechtsvorschriften eines Systems der sozialen Sicherheit unterworfen. Die begehrte Auffang-Pflichtversicherung betrifft einen Zweig der sozialen Sicherheit in Gestalt der Leistungen bei Krankheit, mithin den sachlichen Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 lit. a VO (EG) 883/2004. Die Frage der Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung eines vorherigen Versicherungsverhältnisses in einem anderen EU-Mitgliedstaat stellt auch einen grenzüberschreitenden Sachverhalt dar. Die Bundesrepublik Deutschland ist zuständiger Mitgliedstaat im Sinne dieser Vorschrift, da auf den Antragsteller als ansonsten wirtschaftlich inaktivem Bezieher einer deutschen Rente das Wohnstaatsprinzip Anwendung findet (Art. 11 Abs. 3 lit. e VO (EG) 883/2004). Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Anwendung des Art. 5 lit. b VO (EG) 883/2004 nicht auf das Leistungsrecht beschränkt; auch der Zugang zur Versicherung im Sinne der Begründung des Statusverhältnisses unterliegt im Regelfall dem Grundsatz der Tatbestandsgleichstellung (Hauschild in: Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Art. 5 Rn. 16). Das koordinierende Sozialrecht setzt vielmehr die Tatbestandsgleichstellung auch beim Versicherungsverhältnis voraus, wenn z.B. in Art. 30 VO (EG) 883/2004 klarstellend die Beitragserhebung auf ausländische Renten im Rahmen der Krankenversicherung ermöglicht bzw. begrenzt wird. Beschränkt wird die Rechtsfolge des Art. 5 VO (EG) 883/2004 lediglich durch Erwägungsgrund Nr. 11 der Verordnung. Die Gleichstellung von Sachverhalten oder Ereignissen, die in einem Mitgliedstaat eingetreten sind, kann hiernach in keinem Fall bewirken, dass ein anderer Mitgliedstaat zuständig wird oder dessen Rechtsvorschriften anwendbar werden. Wenn die Tatbestandsgleichstellung durch die Rechtsfolge im nationalen Recht koordinierungsrechtlich zugleich zur Folge hätte, dass ein anderer Mitgliedstaat zuständig werden würde, läge nämlich gleichsam ein Zirkelschluss vor. Dieser droht in der vorliegenden Konstellation nicht. Die Anwendung des Art. 5 VO (EG) 883/2004 auf Tatbestände, die den Zugang zum Versichertenstatus regeln, greift auch nicht in die alleinige Kompetenz der Mitgliedstaaten ein, den Zugang zu ihren Systemen der sozialen Sicherheit eigenverantwortlich zu regeln (vgl. z.B. EuGH, Rs. C-158/96, Slg. 1998, I-1931, Rn. 17 f. – "Kohll" m.w.N.). Die Anwendung des Art. 5 VO (EG) 883/2004 verändert nämlich die Tatbestandsvoraussetzungen des Zugangs nicht, sondern verhindert lediglich, dass diese freizügigkeitshemmend interpretiert werden. Eine "zuletzt" bzw. "bisher" bestehende private oder gesetzliche Versicherung ist ein Sachverhalt im Sinne des Art. 5 lit. b VO (EG) 883/2004. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V knüpft insoweit allein an die Tatsache einer in der Vergangenheit bestehenden Versicherung an, nicht etwa an die rechtliche Bewertung als anrechenbare Zeit o.ä. (vgl. Art. 6 VO (EG) 883/2004). Als Rechtsfolge von Art. 5 VO (EG) 883/2004 sind die in der Vergangenheit in Frankreich praktizierten Versicherungsverhältnisse in die Prüfung von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einzubeziehen. Art. 5 VO (EG) 883/2004 fingiert den Eintritt des Sachverhalts oder Ereignisses im Inland. Für die vom Sozialgericht angestellten Praktikabilitätserwägungen bleibt insoweit kein Raum. Art. 5 VO (EG) 883/2004 genießt Anwendungsvorrang vor den Regelungen des Territorialitätsprinzips (§§ 3 ff. SGB IV), einschließlich einer grundsätzlich dem Territorialitätsprinzip folgenden Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr.13 SGB V. Zudem ist es gerade Zweck der Regelungen des koordinierenden Sozialrechts der VO (EG) 883/2004, die vom Sozialgericht bestrittene Vergleichbarkeit der Systeme sozialer Sicherung bei der nationalen Rechtsanwendung durch die Prinzipien der Gleichbehandlung, Tatbestandsgleichstellung und der Zusammenrechnung von Zeiten zu ermöglichen.
Am Maßstab der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung und Interessenabwägung sprechen hinreichende Umstände dafür, dass es sich bei der Versicherung im Rahmen der "Assistance Etrangers" nicht um einen Sachverhalt handelt, der als "bisherige" private Krankenversicherung zu werten ist, so dass im Rahmen der Gewährung von Eilrechtsschutz davon auszugehen ist, dass der Antragsteller "zuletzt" gesetzlich in Gestalt der Versicherung im Rahmen der CMU krankenversichert war.
Wie das Sozialgericht zutreffend hervorgehoben hat, besteht die Versicherungspflicht nach der Variante a) des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch dann, wenn die Absicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung der (fraglichen) Auffangpflichtversicherung nicht unmittelbar voranging, sondern zwischenzeitlich eine anderweitige Absicherung gegen Krankheit erfolgte, die nicht als private Krankenversicherung beachtlich ist (BSG, Urteil vom 12. Januar 2011 - B 12 KR 11/09 R). Bei der Klärung der Frage, welche Qualität einer "bisher" bestehenden privaten Krankenversicherung der Auffang-Pflichtversicherung entgegensteht, ist nach den Zwecken der § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einerseits und § 12 Abs. 1b Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) Lückenlosigkeit anzustreben. Soweit darauf abgestellt wird, dass eine vorherige private Teilversicherung der Versicherungspflicht entgegensteht, wenn sie wesentliche Teile der Vollversicherung umfasst (Peters in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB V, Rn. 166 (66. EL); Just in: Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl., § 5 Rn. 66), ist dieses Merkmal dahingehend zu konkretisieren, dass die Absicherung jedenfalls eine solche Qualität haben muss, dass der Versicherte dem "Lager" der Privatversicherten zuzurechnen ist. Nach den Gesetzgebungsmaterialien ist für die Abgrenzung nämlich entscheidend, ob der Personenkreis "nach der in den §§ 5 und 6 zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertentscheidung" der Sphäre der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen ist (BT-Drs. 16/3100, S. 94). Dies kann nur dann verneint werden, wenn eine zwischenzeitlich andere Absicherung mit einem privaten Krankenversicherungsvertrag wesentliche Merkmale einer Krankenkostenversicherung im Sinne des § 192 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) erfüllt (so wohl für Auslandsfälle auch DVKA-Rundschreiben Nr. 35/2007 vom 2. Juli 2007, Seite 3 unter Bezugnahme auf die Vorgängervorschrift des § 178b VVG).
Die bei der "Assistance Etrangers" jedenfalls von März 2008 bis März 2009 bestandene Versicherung des Antragstellers steht nach summarischer Prüfung unter Würdigung der von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen der Versicherungspflicht nicht entgegen, da nach Aktenlage die wesentlichen Merkmale einer Krankenkostenversicherung nur schwach ausgeprägt sind.
Zwar kann aus den Akten und den Angaben der Beteiligten der genaue Umfang des Versicherungsschutzes im Rahmen der "Assistance Etrangers" nicht nachvollzogen werden. Nachforschungen der Beteiligten blieben ergebnislos, da das seinerzeit die Versicherung durchführende Unternehmen nicht mehr existiert. Indes gibt es nach den Recherchen der Antragsgegnerin einen Nachfolgeanbieter in Gestalt des Unternehmens ACS-AMI, welches im Internet unter der Domain "www.assistance-etrangers.com" einen Tarif "E (NP)" mit exakt gleicher Prämienhöhe anbietet. Dieser zielt – ebenso wie der Antragsteller hinsichtlich seines Vertrages vorgetragen hat – darauf, eine Absicherung mit im Wesentlichen gleichen Erstattungsraten wie in der Basisversicherung der CMU bzw. in der Sécurité Sociale nach dem Régime général für Personen im Alter von 60 bis 79 zu erreichen. Es kann daher unterstellt werden, dass die Versicherungsbedingungen im Wesentlichen mit denen vergleichbar sind, die dem Vertrag des Antragstellers zugrunde gelegen haben. Hiernach stellt sich die "Assistance Etrangers" ausweislich der in englischer Sprache von der Antragsgegnerin vorgelegten Zusammenstellung der Versicherungsbedingungen als eine Versicherungspolice dar, die zwar hinsichtlich der prozentualen Erstattung mit der CMU vergleichbar ist, aber eine Reihe von Ausschlusstatbeständen enthält, wie sie eher für eine Zusatz-Auslandskrankenversicherung für den vorübergehenden Aufenthalt üblich sind, die dem Charakter einer normalen Krankenkostenversicherung aber widersprechen. So bestehen über die bestehenden Beschränkungen der Basisversicherung der CMU hinaus weitere Leistungsausschlüsse. Die Aufzählung der insgesamt 23 weitergehenden Leistungsausschlüsse unter Ziff. 3 "Excluded benefits" der Versicherungsbedingungen (Bl. 73 f. der Verwaltungsakte), enthält neben privatversicherungsrechtlich typischen Leistungsausschlüssen bzgl. Vorerkrankungen auch wesentliche Beschränkungen ganzer Gruppen von Krankheitsbildern wie u.a. der Ausschluss der Behandlung von chronischen Erkrankungen, Tropenkrankheiten, HIV/AIDS, angeborenen Erkrankungen und Erbkrankheiten sowie den Ausschluss psychologischer, psychotherapeutischer und neurologischer Behandlung. Nach Art der Behandlung sind ausgeschlossen u.a. Rehabilitationen, Kuren, weite Bereiche der Zahnbehandlung. Nach Art der Ausgaben sind u.a. Krankenhausgebühren bei längeren Aufenthalten als 30 Tage ausgeschlossen. Die maximale Deckung beträgt pro Deckungsperiode und versicherter Person 8.400,- EUR. In der Broschüre zur Versicherung wird ferner auf Leistungsausschlüsse im Bereich riskanten Verhaltens/Sport sowie Drogenmissbrauch und Trunkenheit hingewiesen. Alle Leistungsausschlüsse sind vor dem Hintergrund eines nur analogen Leistungsniveaus zur CMU zu würdigen, welches ohnehin nur durch eine Teilabdeckung der Kosten gekennzeichnet ist, mithin ein erheblicher Teil an Zuzahlungen verbleibt. So werden Kosten der ambulanten ärztlichen Behandlung nur in Höhe von 70 Prozent, Krankenhausbehandlung in Höhe von grundsätzlich 80 Prozent und Medikamente zwischen 15 bis 65 Prozent übernommen.
Damit bleibt die Deckung ganz wesentlich unterhalb des durch Zuzahlungen geprägten Niveaus der CMU, da weite Bereiche der medizinisch notwendigen Heilbehandlung (vgl. § 192 Abs. 1 VVG) sowohl nach Art des Krankheitsbildes komplett ausgeschlossen sind oder durch den Ausschluss von Behandlungsarten oder Deckungsgrenzen in der Weise beschränkt werden, dass insbesondere Erkrankungen von gewisser Dauer und Schwere entweder gar nicht oder nicht im Sinne einer die notwendige Behandlung abdeckende Versicherung abgedeckt sind. Nach alledem kommt der "Assistance Etrangers" der Charakter einer für einen vorübergehenden bis mittelfristigen Aufenthalt eines Ausländers ohne dauerhafte Wohnsitznahme in Frankreich (siehe unten) konzipierten Versicherung zu, die aber nicht auf eine Krankenkostenvollversicherung für einen gewöhnlichen Aufenthalt abzielt. Die über den Sozialhilfeträger erfolgte Versicherung bei der "Assistance Etrangers" hat damit den Charakter einer vorübergehenden Nothilfemaßnahme, nachdem der Träger der CMU die Versicherung nicht mehr durchgeführt hat. Nachvollziehbar hat die DVKA gegenüber der Antragsgegnerin Zweifel daran geäußert, ob seinerzeit die Versicherung im Rahmen der CMU wirksam bzw. rechtmäßig beendet wurde.
Abzustellen ist nach alledem auf den bis 2. März 2008 bestehenden Versicherungsschutz im Rahmen der CMU als "Gesetzlicher" Krankenversicherung. Die CMU gewährt nach Art. L. 161-2-1 Code de la sécurité sociale in staatlicher Verantwortung durch eine Anstalt öffentlichen Rechts eine Basisversorgung für jede Person unabhängig von der Staatsangehörigkeit, die dauerhaft in Frankreich wohnt und einer Krankenkasse erklärt, keinen anderen Krankenversicherungsschutz zu haben; das Leistungsniveau entspricht im Wesentlichen dem des allgemeinen Sozialversicherungssystems des Régime général (Tiemann, Gesundheitssysteme in Europa, 2006, S. 36; vgl. auch http://www.botschaft-frankreich.de/spip.php?article2771). Diese Merkmale in Organisation, Zugang und Leistungsniveau rechtfertigen eine Gleichstellung mit der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung jedenfalls in der hier maßgeblichen Abgrenzung zum System der PKV.
Es besteht auch ein Anordnungsgrund, da eine vorläufige Gewährung von medizinischen Leistungen durch einen anderen Träger nicht erkennbar ist und bis April 2011 bereits Behandlungskosten in Höhe von 6.486,- EUR aufgelaufen sind. Die Rente wird nach Angaben des Betreuers im Wesentlichen für die Heimkosten verwendet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Regelung der Mitgliedschaft bei der Antragsgegnerin im Rahmen der sog. Auffang-Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V).
Der 1942 geborene Antragsteller ist deutscher Staatsangehöriger und war in der Zeit vom 1. Oktober 1971 bis 30. September 1993 bei der Antragsgegnerin als Beschäftigter pflichtversichert. Danach verzog er nach Frankreich, wo er zuletzt in der Stadt Ouistreham wohnte. In der Zeit vom 1. Oktober 2004 bis 2. März 2008 war der Antragsteller bei der "Couverture Maladie Universelle" (CMU) in Gestalt einer Basisversicherung krankenversichert. In der Zeit vom 3. März 2008 bis 3. März 2009 war er aufgrund einer Kostenübernahmeerklärung des kommunalen Sozialhilfeträgers ("Centre Communal d´Action Sociale") bei der französischen "Assistance Etrangers" krankenversichert. Die Jahresprämie in Höhe von 803,00 EUR wurde am 4. März 2008 von der Stadt Ouistreham übernommen. Der Antragsteller verlegte seinen Wohnsitz zum 1. Juli 2009 wieder nach Deutschland und ist seitdem in A-Stadt wohnhaft. Seit dem 1. Dezember 2010 befindet sich der Antragsteller in vollstationärer Pflege im Haus AAX. in A-Stadt. Das Amtsgericht D-Stadt bestellte dem Antragsteller am 26. März 2010 einen Betreuer.
Der Antragsteller bezieht seit 1. Oktober 2007 eine Regelaltersrente, zuletzt in Höhe eines Zahlbetrages von 1.395,93 EUR. Weiterhin erhält er eine Betriebsrente der Zusatzversorgungskasse der Stadt ZN.
Der Betreuer beantragte am 15. April 2010 bei der Antragsgegnerin die Aufnahme des Antragstellers als Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit Bescheid vom 27. April 2010 lehnte die Antragsgegnerin die Aufnahme des Antragstellers in die Kranken- und Pflegeversicherung ab. Die Mitgliedschaft für nichtversicherte Bürger sei immer bei dem letzten Versicherungsunternehmen durchzuführen. Dies sei nach Angaben des Antragstellers die "Assistance Etrangers" gewesen. Diese sei somit für den weiteren Versicherungsschutz zuständig. Am 24. September 2010 fragte der Betreuer des Antragstellers bei der Antragsgegnerin nach und legte die Ablehnung des Debeka Krankenversicherungsvereins a.G. über eine Versicherung zum Basistarif vor (Schreiben vom 20. September 2010). Bei der "Assistance Etrangers" handele es sich nicht um eine private Krankheitskostenvollversicherung, der Antragsteller sei in Frankreich zuletzt gesetzlich versichert gewesen.
Die Antragsgegnerin teilte mit Schreiben vom 27. September 2010 dem Antragsteller mit, dass keine Versicherung möglich sei, da der Antragsteller in der Zeit vom 3. März 2008 bis 3. März 2009 bei einem Unternehmen der Privaten Krankenversicherung (PKV) versichert gewesen sei.
Hiergegen erhob der Antragsteller durch seinen Bevollmächtigten am 20. Oktober 2010 Widerspruch und machte geltend, es sei ohne Bedeutung, dass er während seines Auslandsaufenthaltes bei einer französischen Versicherung gegen Krankheitsrisiken privat abgesichert gewesen sei. Der Begriff "zuletzt" des § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V lasse Versicherungsverhältnisse gegen Krankheitsrisiken, die während des Auslandsaufenthaltes bestanden hätten, unberührt.
Im Rahmen der weiteren Ermittlungen teilte die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA) der Antragsgegnerin mit, dass der Grund für die Beendigung der Basisversicherung im Rahmen der CMU nach Kontaktierung der französischen Verbindungsstelle nicht nachvollzogen werden könne. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass diese Versicherung weiter zu führen gewesen wäre, obwohl der Antragsteller die Beiträge nicht gezahlt habe. Der Sachverhalt bezüglich der "Assistance Etrangers" könne nicht mehr genau rekonstruiert werden, da die "Assistance Etrangers" nicht mehr existiere und keine Stelle über den Vertragsinhalt Auskunft geben könne. Die Antragsgegnerin recherchierte eine englischsprachige Zusammenstellung von Vertragsbedingungen des Unternehmens "ACS-AMI" unter der Internetadresse "www.assistance-etrangers.com" ("booklet" – Bl. 72ff. der Verwaltungsakte); dort wird ein Tarif "E (NP)" angeboten, der ebenfalls zu einer Jahresprämie von 803,- EUR für 60- bis 79 jährige Ausländer angeboten wird.
Nach weiterer Korrespondenz und Fristsetzung hat der Antragsteller am 18. April 2011 bei dem Sozialgericht Gießen einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Der Antragsteller hat geltend gemacht, er sei ohne Absicherung im Krankheitsfall, da sowohl die Debeka Krankenversicherungsverein a.G. den Abschluss einer Krankenversicherung abgelehnt habe und auch der Wetteraukreis Leistungen der Krankenhilfe versagt habe. Die "Assistance Etrangers" sei nicht mit einer inländischen privaten Krankenversicherung vergleichbar, sondern eine ausländische Hilfe im Sinne einer Notversicherung. In Frankreich gebe es nach der Auskunft der Debeka keine private Krankenversicherung, sondern nur private Zusatzversicherungen gegen Krankheit. Die Prämie der "Assistance Etrangers" habe nur die ärztliche Grundversorgung des Antragstellers sichergestellt. Er sei aufgrund seines schlechten Gesundheitszustandes nicht in der Lage, die medizinisch notwendigen ärztlichen Leistungen privat zu bezahlen. Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, der Antragsteller sei zuletzt bei der "Assistance Etrangers" in Frankreich krankenversichert gewesen. Hierbei handele es sich um eine Versicherung auf Gegenseitigkeit, welche den Status einer privaten Versicherung habe, wie der Antragsteller im Übrigen in seinem Antrag auch selbst angegeben habe. Die "Assistance Etrangers" sei nicht vergleichbar mit einer gesetzlichen Krankenversicherung, vielmehr sei der Antragsteller am 2. März 2008 aus der gesetzlichen Krankenversicherung, der CMU, ausgeschlossen worden.
Das Soziagericht Gießen hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 12. Mai 2011, der Antragsgegnerin zugestellt am 18. Mai 2011, verpflichtet, den Antragsteller bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und im Falle eines daran anschließenden Klageverfahrens bis zur Rechtskraft des Urteils als Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenkasse aufzunehmen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei begründet. Nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren nur durchführbaren summarischen Prüfung spreche mehr dafür als dagegen, dass der Antragsteller bei der Antragsgegnerin Pflichtmitglied geworden ist. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V seien versicherungspflichtig Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren. Der Antragsteller sei am 1. Juli 2009 nach Deutschland zurückgekehrt und habe keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall im Inland gehabt. Er sei auch zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen. Auf die Entscheidung, ob es sich bei der "Assistance Etrangers" um eine gesetzliche oder private Krankenversicherung gehandelt habe, komme es vorliegend nicht an, da der Antragsteller im Inland zuletzt bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Das Wort "zuletzt" des § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12. Januar 2011, Az. B 12 KR 11/09 R), der sich die Kammer anschließe, nicht in dem Sinne zu verstehen, dass die einsetzende Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V zeitlich ohne Unterbrechung an eine zuvor bestehende Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung anschließen müsse, sondern dahingehend, dass § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V die Versicherungspflicht derjenigen Personen betreffe, die in der Vergangenheit bereits "gesetzlich oder privat krankenversichert waren". Der Gesetzgeber habe unter dem Begriff "zuletzt" an die zeitlich letzte Versicherung entweder in der gesetzlichen Krankenversicherung oder in der privaten Krankenversicherung anknüpfen wollen. Maßgebend könne aber für die Frage der Versicherungspflicht nur der Versicherungsstatus im Inland und nicht eine eventuell vor der Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland im Ausland bestehende Krankenversicherung sein. Die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V diene, wie auch aus Buchstabe b folge, der Abgrenzung zwischen der gesetzlichen Krankenversicherung und der privaten Krankenversicherung. Für diese Abgrenzung zwischen gesetzlicher Krankenversicherung und privater Krankenversicherung könne aber nur der Status maßgebend sein, der im Inland bestanden habe, da ausländische Versicherungssysteme nicht mit den deutschen Krankenversicherungssystemen vergleichbar seien. In vielen Ländern gebe es eine "Bürgerversicherung" und keine private Krankenversicherung, so dass keine Vergleichbarkeit mit dem deutschen System möglich sei. Der Gesetzgeber habe darüber hinaus eine nachvollziehbare und einfache Abgrenzung des versicherungspflichtigen Personenkreises nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 a SGB V erreichen wollen, was nicht möglich wäre, wenn zunächst geprüft werden müsste, welcher Art der Krankenversicherung der Versicherte im Ausland angehört habe.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin ist am 31. Mai 2011 bei dem Hessischen Landessozialgericht eingegangen.
Die Antragsgegnerin trägt vor, bei der "Assistance Etrangers" handele es sich um ein privates Versicherungsunternehmen, an dem u.a. die Allianz Leben beteiligt sei. Sie ist der Rechtsauffassung, dass das Sozialgericht zu Unrecht Art. 5 lit b der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) unberücksichtigt gelassen habe. Hiernach seien in einem anderen Mitgliedstaat eingetretene Sachverhalte so zu berücksichtigen, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären. Unter Zugrundelegung dieser Regelung sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller zuletzt in Frankreich bei der "Assistance Etrangers" versichert gewesen sei.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Gießen vom 12. Mai 2011 aufzuheben und den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zurückzuweisen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsteller ist der Rechtsauffassung, dass die Regelung des Zugangs zum innerstaatlichen Leistungssystem nicht in den Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 falle.
Hinsichtlich des Sachstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsakte (1 Band), der Gegenstand der Beratung gewesen ist, verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.
Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht die Antragsgegnerin zur vorläufigen Versicherung des Antragstellers im Rahmen der so genannten Auffang-Pflichtversicherung verpflichtet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs bzw. des Rechtsverhältnisses (Anordnungsanspruch) und der Grund für eine notwendige vorläufige Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) i. V. mit § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG).
Am Maßstab der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung und Interessenabwägung sprechen hinreichende Umstände dafür, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Durchführung der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V hat.
Nach dieser Vorschrift sind versicherungspflichtig in der Gesetzlichen Krankenversicherung Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und (a) zuletzt gesetzlich krankenversichert waren oder (b) bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren, es sei denn, dass sie zu den in § 5 Abs. 5 SGB V oder den in § 6 Abs. 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehören oder bei Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätten.
Ein anderweitiger Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall wird von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht erkennbar.
Bei der Prüfung, ob der Antragsteller "zuletzt" gesetzlich versichert war, sind nach Art. 5 VO (EG) 883/2004 die Versicherungen in Frankreich in die Prüfung mit einzubeziehen.
Wie sich aus dem letzten Halbsatz des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ergibt, geht der Gesetzgeber zwar grundsätzlich von einer auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland beschränkten Prüfung aus, die er nur ausnahmsweise für den Fall der letzten Variante des § 5 Abs. 1 Nr. 13 b SGB V für Auslandssachverhalte geöffnet wissen will. Auch die Verwendung des terminus technicus "gesetzlich krankenversichert" spricht für diesen dem Territorialitätsprinzip verpflichteten Prüfrahmen. Zu Recht weist die Antragsgegnerin aber darauf hin, dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten innerhalb der Europäischen Union durch die Anwendung von Art. 5 lit. b VO (EG) 883/2004 Auslandsachverhalte gleichgestellt werden. Im Rahmen der Prüfung, ob der Antragsteller "zuletzt" gesetzlich krankenversichert war oder "bisher" privat krankenversichert war, sind nach Art. 5 lit b VO (EG) 883/2004 Sachverhalte, die in anderen Mitgliedstaaten verwirklicht worden sind, so zu berücksichtigen, als ob sie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eingetreten wären.
Hat nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaates der Eintritt bestimmter Sachverhalte oder Ereignisse Rechtswirkungen, so muss nach Art. 5 lit. b VO (EG) 883/2004 dieser Mitgliedstaat die in einem anderen Mitgliedstaat eingetretenen entsprechenden Sachverhalte oder Ereignisse so berücksichtigen, als ob sie im eigenen Hoheitsgebiet eingetreten wären. Art. 5 VO (EG) 883/2004 ist anwendbar. Der persönliche Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004 ist nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 lit. l VO (EG) 883/2004 eröffnet. Der Antragsteller ist zumindest als Empfänger von Rentenleistungen den Rechtsvorschriften eines Systems der sozialen Sicherheit unterworfen. Die begehrte Auffang-Pflichtversicherung betrifft einen Zweig der sozialen Sicherheit in Gestalt der Leistungen bei Krankheit, mithin den sachlichen Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 lit. a VO (EG) 883/2004. Die Frage der Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung eines vorherigen Versicherungsverhältnisses in einem anderen EU-Mitgliedstaat stellt auch einen grenzüberschreitenden Sachverhalt dar. Die Bundesrepublik Deutschland ist zuständiger Mitgliedstaat im Sinne dieser Vorschrift, da auf den Antragsteller als ansonsten wirtschaftlich inaktivem Bezieher einer deutschen Rente das Wohnstaatsprinzip Anwendung findet (Art. 11 Abs. 3 lit. e VO (EG) 883/2004). Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Anwendung des Art. 5 lit. b VO (EG) 883/2004 nicht auf das Leistungsrecht beschränkt; auch der Zugang zur Versicherung im Sinne der Begründung des Statusverhältnisses unterliegt im Regelfall dem Grundsatz der Tatbestandsgleichstellung (Hauschild in: Hauck/Noftz, EU-Sozialrecht, Art. 5 Rn. 16). Das koordinierende Sozialrecht setzt vielmehr die Tatbestandsgleichstellung auch beim Versicherungsverhältnis voraus, wenn z.B. in Art. 30 VO (EG) 883/2004 klarstellend die Beitragserhebung auf ausländische Renten im Rahmen der Krankenversicherung ermöglicht bzw. begrenzt wird. Beschränkt wird die Rechtsfolge des Art. 5 VO (EG) 883/2004 lediglich durch Erwägungsgrund Nr. 11 der Verordnung. Die Gleichstellung von Sachverhalten oder Ereignissen, die in einem Mitgliedstaat eingetreten sind, kann hiernach in keinem Fall bewirken, dass ein anderer Mitgliedstaat zuständig wird oder dessen Rechtsvorschriften anwendbar werden. Wenn die Tatbestandsgleichstellung durch die Rechtsfolge im nationalen Recht koordinierungsrechtlich zugleich zur Folge hätte, dass ein anderer Mitgliedstaat zuständig werden würde, läge nämlich gleichsam ein Zirkelschluss vor. Dieser droht in der vorliegenden Konstellation nicht. Die Anwendung des Art. 5 VO (EG) 883/2004 auf Tatbestände, die den Zugang zum Versichertenstatus regeln, greift auch nicht in die alleinige Kompetenz der Mitgliedstaaten ein, den Zugang zu ihren Systemen der sozialen Sicherheit eigenverantwortlich zu regeln (vgl. z.B. EuGH, Rs. C-158/96, Slg. 1998, I-1931, Rn. 17 f. – "Kohll" m.w.N.). Die Anwendung des Art. 5 VO (EG) 883/2004 verändert nämlich die Tatbestandsvoraussetzungen des Zugangs nicht, sondern verhindert lediglich, dass diese freizügigkeitshemmend interpretiert werden. Eine "zuletzt" bzw. "bisher" bestehende private oder gesetzliche Versicherung ist ein Sachverhalt im Sinne des Art. 5 lit. b VO (EG) 883/2004. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V knüpft insoweit allein an die Tatsache einer in der Vergangenheit bestehenden Versicherung an, nicht etwa an die rechtliche Bewertung als anrechenbare Zeit o.ä. (vgl. Art. 6 VO (EG) 883/2004). Als Rechtsfolge von Art. 5 VO (EG) 883/2004 sind die in der Vergangenheit in Frankreich praktizierten Versicherungsverhältnisse in die Prüfung von § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einzubeziehen. Art. 5 VO (EG) 883/2004 fingiert den Eintritt des Sachverhalts oder Ereignisses im Inland. Für die vom Sozialgericht angestellten Praktikabilitätserwägungen bleibt insoweit kein Raum. Art. 5 VO (EG) 883/2004 genießt Anwendungsvorrang vor den Regelungen des Territorialitätsprinzips (§§ 3 ff. SGB IV), einschließlich einer grundsätzlich dem Territorialitätsprinzip folgenden Auslegung des § 5 Abs. 1 Nr.13 SGB V. Zudem ist es gerade Zweck der Regelungen des koordinierenden Sozialrechts der VO (EG) 883/2004, die vom Sozialgericht bestrittene Vergleichbarkeit der Systeme sozialer Sicherung bei der nationalen Rechtsanwendung durch die Prinzipien der Gleichbehandlung, Tatbestandsgleichstellung und der Zusammenrechnung von Zeiten zu ermöglichen.
Am Maßstab der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung und Interessenabwägung sprechen hinreichende Umstände dafür, dass es sich bei der Versicherung im Rahmen der "Assistance Etrangers" nicht um einen Sachverhalt handelt, der als "bisherige" private Krankenversicherung zu werten ist, so dass im Rahmen der Gewährung von Eilrechtsschutz davon auszugehen ist, dass der Antragsteller "zuletzt" gesetzlich in Gestalt der Versicherung im Rahmen der CMU krankenversichert war.
Wie das Sozialgericht zutreffend hervorgehoben hat, besteht die Versicherungspflicht nach der Variante a) des § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V auch dann, wenn die Absicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung der (fraglichen) Auffangpflichtversicherung nicht unmittelbar voranging, sondern zwischenzeitlich eine anderweitige Absicherung gegen Krankheit erfolgte, die nicht als private Krankenversicherung beachtlich ist (BSG, Urteil vom 12. Januar 2011 - B 12 KR 11/09 R). Bei der Klärung der Frage, welche Qualität einer "bisher" bestehenden privaten Krankenversicherung der Auffang-Pflichtversicherung entgegensteht, ist nach den Zwecken der § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V einerseits und § 12 Abs. 1b Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) Lückenlosigkeit anzustreben. Soweit darauf abgestellt wird, dass eine vorherige private Teilversicherung der Versicherungspflicht entgegensteht, wenn sie wesentliche Teile der Vollversicherung umfasst (Peters in: Kasseler Kommentar, § 5 SGB V, Rn. 166 (66. EL); Just in: Becker/Kingreen, SGB V, 2. Aufl., § 5 Rn. 66), ist dieses Merkmal dahingehend zu konkretisieren, dass die Absicherung jedenfalls eine solche Qualität haben muss, dass der Versicherte dem "Lager" der Privatversicherten zuzurechnen ist. Nach den Gesetzgebungsmaterialien ist für die Abgrenzung nämlich entscheidend, ob der Personenkreis "nach der in den §§ 5 und 6 zum Ausdruck gekommenen gesetzgeberischen Wertentscheidung" der Sphäre der gesetzlichen Krankenversicherung zuzurechnen ist (BT-Drs. 16/3100, S. 94). Dies kann nur dann verneint werden, wenn eine zwischenzeitlich andere Absicherung mit einem privaten Krankenversicherungsvertrag wesentliche Merkmale einer Krankenkostenversicherung im Sinne des § 192 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) erfüllt (so wohl für Auslandsfälle auch DVKA-Rundschreiben Nr. 35/2007 vom 2. Juli 2007, Seite 3 unter Bezugnahme auf die Vorgängervorschrift des § 178b VVG).
Die bei der "Assistance Etrangers" jedenfalls von März 2008 bis März 2009 bestandene Versicherung des Antragstellers steht nach summarischer Prüfung unter Würdigung der von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen der Versicherungspflicht nicht entgegen, da nach Aktenlage die wesentlichen Merkmale einer Krankenkostenversicherung nur schwach ausgeprägt sind.
Zwar kann aus den Akten und den Angaben der Beteiligten der genaue Umfang des Versicherungsschutzes im Rahmen der "Assistance Etrangers" nicht nachvollzogen werden. Nachforschungen der Beteiligten blieben ergebnislos, da das seinerzeit die Versicherung durchführende Unternehmen nicht mehr existiert. Indes gibt es nach den Recherchen der Antragsgegnerin einen Nachfolgeanbieter in Gestalt des Unternehmens ACS-AMI, welches im Internet unter der Domain "www.assistance-etrangers.com" einen Tarif "E (NP)" mit exakt gleicher Prämienhöhe anbietet. Dieser zielt – ebenso wie der Antragsteller hinsichtlich seines Vertrages vorgetragen hat – darauf, eine Absicherung mit im Wesentlichen gleichen Erstattungsraten wie in der Basisversicherung der CMU bzw. in der Sécurité Sociale nach dem Régime général für Personen im Alter von 60 bis 79 zu erreichen. Es kann daher unterstellt werden, dass die Versicherungsbedingungen im Wesentlichen mit denen vergleichbar sind, die dem Vertrag des Antragstellers zugrunde gelegen haben. Hiernach stellt sich die "Assistance Etrangers" ausweislich der in englischer Sprache von der Antragsgegnerin vorgelegten Zusammenstellung der Versicherungsbedingungen als eine Versicherungspolice dar, die zwar hinsichtlich der prozentualen Erstattung mit der CMU vergleichbar ist, aber eine Reihe von Ausschlusstatbeständen enthält, wie sie eher für eine Zusatz-Auslandskrankenversicherung für den vorübergehenden Aufenthalt üblich sind, die dem Charakter einer normalen Krankenkostenversicherung aber widersprechen. So bestehen über die bestehenden Beschränkungen der Basisversicherung der CMU hinaus weitere Leistungsausschlüsse. Die Aufzählung der insgesamt 23 weitergehenden Leistungsausschlüsse unter Ziff. 3 "Excluded benefits" der Versicherungsbedingungen (Bl. 73 f. der Verwaltungsakte), enthält neben privatversicherungsrechtlich typischen Leistungsausschlüssen bzgl. Vorerkrankungen auch wesentliche Beschränkungen ganzer Gruppen von Krankheitsbildern wie u.a. der Ausschluss der Behandlung von chronischen Erkrankungen, Tropenkrankheiten, HIV/AIDS, angeborenen Erkrankungen und Erbkrankheiten sowie den Ausschluss psychologischer, psychotherapeutischer und neurologischer Behandlung. Nach Art der Behandlung sind ausgeschlossen u.a. Rehabilitationen, Kuren, weite Bereiche der Zahnbehandlung. Nach Art der Ausgaben sind u.a. Krankenhausgebühren bei längeren Aufenthalten als 30 Tage ausgeschlossen. Die maximale Deckung beträgt pro Deckungsperiode und versicherter Person 8.400,- EUR. In der Broschüre zur Versicherung wird ferner auf Leistungsausschlüsse im Bereich riskanten Verhaltens/Sport sowie Drogenmissbrauch und Trunkenheit hingewiesen. Alle Leistungsausschlüsse sind vor dem Hintergrund eines nur analogen Leistungsniveaus zur CMU zu würdigen, welches ohnehin nur durch eine Teilabdeckung der Kosten gekennzeichnet ist, mithin ein erheblicher Teil an Zuzahlungen verbleibt. So werden Kosten der ambulanten ärztlichen Behandlung nur in Höhe von 70 Prozent, Krankenhausbehandlung in Höhe von grundsätzlich 80 Prozent und Medikamente zwischen 15 bis 65 Prozent übernommen.
Damit bleibt die Deckung ganz wesentlich unterhalb des durch Zuzahlungen geprägten Niveaus der CMU, da weite Bereiche der medizinisch notwendigen Heilbehandlung (vgl. § 192 Abs. 1 VVG) sowohl nach Art des Krankheitsbildes komplett ausgeschlossen sind oder durch den Ausschluss von Behandlungsarten oder Deckungsgrenzen in der Weise beschränkt werden, dass insbesondere Erkrankungen von gewisser Dauer und Schwere entweder gar nicht oder nicht im Sinne einer die notwendige Behandlung abdeckende Versicherung abgedeckt sind. Nach alledem kommt der "Assistance Etrangers" der Charakter einer für einen vorübergehenden bis mittelfristigen Aufenthalt eines Ausländers ohne dauerhafte Wohnsitznahme in Frankreich (siehe unten) konzipierten Versicherung zu, die aber nicht auf eine Krankenkostenvollversicherung für einen gewöhnlichen Aufenthalt abzielt. Die über den Sozialhilfeträger erfolgte Versicherung bei der "Assistance Etrangers" hat damit den Charakter einer vorübergehenden Nothilfemaßnahme, nachdem der Träger der CMU die Versicherung nicht mehr durchgeführt hat. Nachvollziehbar hat die DVKA gegenüber der Antragsgegnerin Zweifel daran geäußert, ob seinerzeit die Versicherung im Rahmen der CMU wirksam bzw. rechtmäßig beendet wurde.
Abzustellen ist nach alledem auf den bis 2. März 2008 bestehenden Versicherungsschutz im Rahmen der CMU als "Gesetzlicher" Krankenversicherung. Die CMU gewährt nach Art. L. 161-2-1 Code de la sécurité sociale in staatlicher Verantwortung durch eine Anstalt öffentlichen Rechts eine Basisversorgung für jede Person unabhängig von der Staatsangehörigkeit, die dauerhaft in Frankreich wohnt und einer Krankenkasse erklärt, keinen anderen Krankenversicherungsschutz zu haben; das Leistungsniveau entspricht im Wesentlichen dem des allgemeinen Sozialversicherungssystems des Régime général (Tiemann, Gesundheitssysteme in Europa, 2006, S. 36; vgl. auch http://www.botschaft-frankreich.de/spip.php?article2771). Diese Merkmale in Organisation, Zugang und Leistungsniveau rechtfertigen eine Gleichstellung mit der deutschen Gesetzlichen Krankenversicherung jedenfalls in der hier maßgeblichen Abgrenzung zum System der PKV.
Es besteht auch ein Anordnungsgrund, da eine vorläufige Gewährung von medizinischen Leistungen durch einen anderen Träger nicht erkennbar ist und bis April 2011 bereits Behandlungskosten in Höhe von 6.486,- EUR aufgelaufen sind. Die Rente wird nach Angaben des Betreuers im Wesentlichen für die Heimkosten verwendet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
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