L 7 SO 233/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 20 SO 335/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 SO 233/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 18. November 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsverfahren Kosten nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Nachzahlung von Hilfen zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Der 1962 geborene Kläger bezog, soweit ersichtlich, seit dem Jahre 1995 laufende Leistungen nach dem BSHG von der Beklagten.

Mit einem in den Leistungsakten der Beklagten nicht enthaltenen Bescheid kürzte diese die dem Kläger zustehenden Leistungen auf der Grundlage von § 25 BSHG ab 1. Juni 2000 um 25 Prozent.

Offenbar wegen nach ihrer Auffassung nicht geklärter finanzieller Verhältnisse stellte sie sodann die Leistungsgewährung im September 2000, wobei der entsprechende Bescheid in den Akten gleichfalls nicht enthalten ist, ganz ein.

Zu einem aus den Akten wiederum nicht genau ersichtlichen Zeitpunkt im Frühjahr oder Sommer 2001 (wohl im Mai 2001) stellte der Kläger – möglicherweise bereits vertreten durch einen Betreuer – erneut einen Antrag auf laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid (wohl im August 2001; in den Akten wiederum nicht enthalten) ab, da sie, soweit ersichtlich, weiterhin von ungeklärten finanziellen Verhältnissen ausging. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger (oder bereits sein Betreuer) am 29. oder 30. August 2001 Widerspruch ein. Im Laufe des Widerspruchsverfahrens und nach (erneutem) Antrag durch den – jedenfalls seit 26. Oktober 2001 bestallten – Betreuer verständigten sich die Beklagte und der Betreuer in einer Vereinbarung vom 4. Dezember 2001 auf eine Wiederaufnahme der Leistungen ab 1. November 2001; im Gegenzug nahm der Betreuer den anhängigen Widerspruch zurück. Die Beklagte bewilligte daraufhin vereinbarungsgemäß Leistungen, und zwar in Höhe von monatlich 1.365,- DM ab 1. November 2001, durch Bescheid vom 17. Dezember 2001, gegen den der Betreuer (nur) wegen der Höhe der Leistungen Widerspruch einlegte.

Nachdem der Kläger in der Folgezeit seine Wohnung hatte räumen müssen, war er in einer Notunterkunft, einem Wohncontainer des C. Vereins, untergebracht. Die Beklagte übernahm die dadurch entstehenden Kosten; zusätzlich erhielt der Kläger den Regelsatz in Höhe von 297,- Euro (Bescheid vom 10. März 2004) und, soweit ersichtlich, eine Bekleidungspauschale. Ab dem 24. Mai 2004 war der Kläger im Übergangswohnheim D-Straße, A-Stadt, untergebracht; die Beklagte stellte vor diesem Hintergrund die zuvor gewährten Leistungen ein – wobei eine entsprechende (interne) Beendigungsverfügung aus den Akten erst zum 31. August 2004 entnehmbar ist. Sie übernahm dafür auf der Grundlage von § 72 BSHG die Kosten der Unterbringung; zusätzlich erhielt der Kläger – jedenfalls ab November 2004 – neben einem Verpflegungsgeld in Höhe von 163,35 Euro und einer Bekleidungspauschale von 30,50 Euro ein Taschengeld von 89,10 Euro (Bescheid vom 17. Dezember 2004; der Kläger erwähnt darüber hinaus einen Bescheid vom 23. Juni 2004 mit einem offenbar weitgehend übereinstimmenden Regelungsgehalt, der aber in den Akten, soweit ersichtlich, wiederum nicht enthalten ist). Zuvor hatte der Betreuer des Klägers für September und Oktober 2004 jeweils 322 Euro verauslagt, die die Beklagte ihm ebenfalls im November 2004 erstattete.

Der Kläger bemühte sich im Lauf der Jahre immer wieder, (höhere) Leistungen für die dargestellten Zeiträume zu erhalten. So stellte er beispielsweise hinsichtlich der Kürzung ab Juni 2000, der Leistungseinstellung ab September 2000 und der Wiederaufnahme der Leistungen erst ab November 2001 am 26. Juli 2004 einen (Überprüfungs )Antrag bei der Beklagten und erhob nachfolgend Klage zum Verwaltungsgericht E. (Az.: xxx). Der Betreuer des Klägers versagte der Klage mit Schreiben vom 14. Juli 2005 die Genehmigung.

Mit Schreiben vom 23. Februar 2008 beanstandete der Kläger erneut die Leistungsgewährung erst ab November 2001 und machte Leistungen ab Mai 2001 geltend. Dabei wollte er dieses Schreiben, soweit verständlich, (bereits) als Widerspruch verstanden wissen.

Wegen der Höhe der Leistungen in der Zeit vom 1. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004, also während der ersten sieben Monate, während derer er in der D-Straße untergebracht war, wandte sich der Kläger mit Klage vom 14. April 2008 an das Sozialgericht Frankfurt am Main (Az.: S 20 SO 116/08). Eine Klage wegen der erst ab 1. November 2001 wieder aufgenommenen Leistungen folgte am 15. Juli 2009 (Az.: S 20 SO 282/08). Das Sozialgericht (SG) wies die Klage im Verfahren S 20 SO 116/08 mit Gerichtsbescheid vom 23. Juni 2009 ab. Die Klage sei unzulässig. Es fehle an der Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens und am Rechtsschutzbedürfnis, weil sich der Kläger nicht zuvor mit dem Ziel an die Beklagte gewandt habe, die bestandskräftigen Bescheide betreffend die Zeit vom 1. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004 einer Überprüfung zu unterziehen. Darüber hinaus wäre die Klage auch unbegründet, weil § 44 SGB X im Bereich des Sozialhilferechts nicht anwendbar sei. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger Rechtsmittel nicht ein.

Mit vergleichbarer Begründung wies das SG die Klage auch im Verfahren S 20 SO 282/08 durch Gerichtsbescheid vom 22. Juni 2009 ab. Die nachfolgende Berufung wies der Senat durch Urteil vom 22. Juni 2009 zurück. Die Voraussetzungen einer Klage ohne vorheriges Verwaltungsverfahren lägen nicht vor. Der Kläger sei gehalten, sich wegen der streitigen Leistungen zunächst mit einem Antrag an die Behörde zu wenden. Eine direkt bei Gericht angebrachte Klage sei unzulässig. Im Übrigen lägen auch die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X nicht vor. Der ursprüngliche ablehnende Bescheid sei durch die Vereinbarung im Widerspruchsverfahren ersetzt worden, wonach dem Kläger ab 1. November 2001 Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligt worden sei. Auf die Gewährung von Leistungen zwischen Juni und Oktober 2001 habe der damalige Betreuer des Klägers im Rahmen der Vereinbarung verzichtet.

Bereits zuvor, nachdem er die beiden erstinstanzlichen Entscheidungen erhalten hatte, wandte sich der Kläger unter dem 17. Juli 2009 an die Beklagte. Er beantragte, ihm für die Zeit vom 1. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004 höhere Leistungen zu gewähren. Weiter beanstandete er in einem Schreiben vom 18. Juli 2009 die Leistungskürzung ab 1. Juni 2000 und die Leistungseinstellung im September 2000 und verlangte diesbezüglich Nachzahlungen für die Zeit vom 12. September 2000 bis 30. April 2001.

Ohne dass die Beklagte diesbezüglich reagierte hätte, erhob der Kläger mit Schreiben vom 24. August 2008 und 25. August 2008, soweit verständlich, "vorsorglich" Widerspruch und mit Schreiben vom 27. Oktober 2009, eingegangen beim Sozialgericht am 5. November 2009, Klage im Hinblick auf die Kürzung ab 1. Juni 2000, die Leistungseinstellung im September 2000, die Wiederaufnahme der Leistungen erst ab November 2001 und die Leistungshöhe in der Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 2004.

Das SG hat die Klage durch den angefochtenen Gerichtsbescheid vom 18. November 2010 abgewiesen. Dabei ist es davon ausgegangen ist, der Kläger habe beantragt, die Beklagte zu verurteilen, ihm höhere Sozialhilfeleistungen für die Zeit vom 1. Juni 2000 bis 1. September 2000, vom 1. Juni 2001 bis 31. Oktober 2001 und vom 1. Juni bis 31. Dezember 2004 zu zahlen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die Klage sei unzulässig. Mit den unter dem 14. April 2008 unter dem Aktenzeichen S 20 SO 116/08 und unter dem 24. April 2008 unter dem Aktenzeichen S 20 SO 282/08 erhobenen Klagen habe der Kläger von der Beklagten die Zahlung höherer Sozialhilfeleistungen in der Zeit vom 1. Juni 2001 bis 31. Oktober 2001 und vom 1. Juni bis 31. Dezember 2004 verlangt. Beide diesbezüglichen Gerichtsbescheide seien rechtskräftig geworden. Mit der vorliegenden Klage begehre der Kläger gleichfalls eine höhere Leistungsgewährung durch die Beklagte in den maßgebenden Zeiträumen. Unter Berücksichtigung von § 141 SGG sei dies wegen der Rechtskraft der vorangegangenen Entscheidungen unzulässig. Unabhängig davon sei die Klage auch mangels durchgeführten Vorverfahrens unzulässig. Im Hinblick darauf, dass die Beklagte in den hier streitgegenständlichen Zeiträumen bereits bestandskräftige Entscheidungen mittels Verwaltungsakt getroffen habe, sei einzig eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage statthaft. Zulässigkeitsvoraussetzung für diese sei allerdings die Durchführung eines Vorverfahrens. Dies sei vorliegend nicht ersichtlich. Darüber hinaus wäre die Klage jedoch auch unbegründet. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Überprüfung der bestandskräftigen Entscheidung der Beklagten, da § 44 SGB X auf das Leistungsrecht des BSHG nicht anwendbar sei.

Der Kläger hat gegen den ihm am 30. November 2010 zugestellten Gerichtsbescheid am 23. Dezember 2010 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren auf höhere Leistungen in der Zeit ab 1. Juni 2000 bis 1. September 2000 und vom 1. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004 sowie auf die Gewährung von Leistungen überhaupt in der Zeit vom 12. September 2000 bis 31. Oktober 2001 weiterverfolgt. Soweit verständlich, ist er der Auffassung, dass es, da die ursprünglichen ihm nachteiligen Entscheidungen der Beklagten nichtig seien, nicht der (erneuten) Antragstellung, Bescheidung und Durchführung eines Vorverfahrens bedürfe, um seine Ansprüche gerichtlich geltend machen zu können.

Er beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des entsprechenden Minderungsbescheides zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Juni 2000 bis 1. September 2000 ungekürzte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem BSHG zu gewähren, die Beklagte unter Aufhebung des entsprechenden Einstellungsbescheides zu verurteilen, ihm (auch) ab 12. September 2000 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem BSHG in gesetzlichem Umfang zu gewähren, die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides aus dem August 2001 und Abänderung des Bescheides vom 17. Dezember 2001 zu verurteilen, ihm Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem BSHG ab dem 1. Mai 2001 zu gewähren und die Beklagte unter Abänderung eines Bescheides vom 23. Juni 2004 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1. Dezember 2004 bis 31. Dezember 2004 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem BSHG - nämlich Leistungen in Höhe des Regelsatzes zuzüglich eines Taschengeldes - zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Leistungsakte der Beklagten sowie der Akten des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) zum Aktenzeichen L 7 SO 136/09 (erstinstanzlich SG Frankfurt am Main, Az. S 20 SO 282/08) und der Akten des SG Frankfurt am Main zu den Aktenzeichen S 20 SO 116/08 und S 20/59 SO 143/08, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte in der Besetzung mit dem Berichterstatter und zwei ehrenamtlichen Richtern nach § 153 Abs. 5 SGG (Sozialgerichtsgesetz) entscheiden, nachdem der Senat die Berufung durch Beschluss vom 31. Mai 2011 in Abänderung des Beschlusses vom 24. März 2011 auf den Berichterstatter übertragen hatte.

Auch konnte das Gericht trotz des Ausbleibens des Klägers im Termin am 19. August 2011 verhandeln und entscheiden, nachdem der Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde vom 15. Juli 2011 die Terminsmitteilung mit entsprechenden Hinweisen erhalten hatte.

Die Berufung war zurückzuweisen. Das SG hat jedenfalls im Ergebnis zutreffend die Klage als unzulässig abgewiesen.

Dabei konnte der Senat nicht nur über die Leistungszeiträume vom 1. Juni bis 1. September 2000, vom 1. Juni 2001 bis 31. Oktober 2001 und vom 1. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004, sondern auch über die Zeit vom 12. September 2000 bis 31. Mai 2001 entscheiden. Das SG hat diesbezüglich zwar keine Entscheidung getroffen, wie sich aus seiner Formulierung der der Klagabweisung zugrunde gelegten Anträge ergibt. Der Kläger hat jedoch bereits erstinstanzlich – wenn auch schwer verständlich – deutlich gemacht, dass er eine durchgängige Leistungsgewährung ab dem Zeitpunkt der Leistungseinstellung, den er wiederholt mit dem 12. September 2000 angegeben hat, bis zur Wiederaufnahme der Leistungen ab 1. November 2001 erstrebt. Er hat sein diesbezügliches Begehren in seiner Klageschrift zwar in zwei Zeiträume unterteilt, da er – eine erneute Antragstellung im Mai 2001 behauptend – davon ausging, die Leistungsgewährung ab 1. Mai 2001 habe auf diesen Antrag hin, die Leistungsgewährung bis 30. April 2001 dagegen wegen der vermeintlichen Unwirksamkeit der Leistungseinstellung im September 2000 zu erfolgen, aber doch (noch) hinreichend klar zum Ausdruck gebracht, dass er die durchgängige Erbringung von Leistungen wünscht. Der Kläger hat die entsprechenden Anträge – etwas klarer – im Berufungsverfahren wiederholt und damit konkludent sein Einverständnis erklärt, dass der Senat die "Prozessreste", über die das SG keine Entscheidung getroffen hat, "heraufholt". Auch die Beklagte hat ihre Zustimmung hierzu im Schriftsatz vom 18. August 2011 und nochmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärt, so dass der Senat über den Zeitraum zwischen Leistungseinstellung im September 2000 und Wiederaufnahme der Leistung ab 1. November 2001 durchgängig entscheiden konnte (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 140 Rdnr. 2a m.w.Nw.).

Dagegen konnte der Senat über eine Untätigkeitsklage im Sinne von § 88 SGG wegen der von der Beklagten nicht beschiedenen Anträge vom 23. Februar 2008, 17. Juli 2009 und 18. Juli 2009 nicht entscheiden. Das müsste selbst dann gelten, wenn man davon ausgehen wollte, dass der Kläger ein entsprechendes Klagebegehren – etwa auf S. 2 des Klageschreibens – erstinstanzlich noch hinreichend verständlich formuliert haben sollte. Jedenfalls hat das SG hierüber nicht entschieden. Der Kläger hat seine diesbezüglichen Anträge im Berufungsrechtszug jedenfalls nicht wiederholt, so dass er ein entsprechendes Rechtsschutzbegehren an das Landessozialgericht (LSG) nicht herangetragen hat. Überdies liegt vor diesem Hintergrund eine Erklärung des Klägers – wie im Übrigen auch der Beklagten –, die als Zustimmung, auch diese "Prozessreste heraufzuholen", verstanden werden kann, nicht vor. Der Senat sah vor diesem Hintergrund und im Hinblick auf die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung für die streitigen Zeiträume – schon, weil die streitigen Zeiträume mehr als vier Jahre vor den hier maßgeblichen Anträgen liegen – keinen Anlass, auf eine geänderte Antragstellung hinzuwirken.

Gleiches würde im Übrigen hinsichtlich der vom Kläger möglicherweise erstinstanzlich formulierten Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz gelten, sofern man der wenig klaren Bezugnahme auf § 86b SGG einen entsprechenden Gehalt beimessen wollte.

Die mit diesem Gegenstand zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Klage war unzulässig.

Dies ergibt sich jedenfalls hinsichtlich des Leistungszeitraums von Juni 2001 bis Oktober 2001 bereits aus der Rechtskraft (§ 141 SGG) des Gerichtsbescheides des SG vom 22. Juni 2009 und des anschließenden Urteils des LSG vom 19. Februar 2010, mit dem es die Berufung gegen diesen zurückgewiesen hat. Zwar erwachsen Prozessurteile nur hinsichtlich des Fehlens der entsprechenden Prozessvoraussetzung in Rechtskraft; soweit sich am Fehlen dieser Voraussetzung jedoch nichts geändert hat, ist eine erneute Klage unzulässig (vgl. Keller, a.a.O., § 141 Rdnr. 9 und 8c).

Das LSG ist von der Unzulässigkeit der damals erhobenen Klage ausgegangen, weil es an einem vorab durchgeführten Verwaltungsverfahren, also an einem Bescheid, hinsichtlich des streitigen Zeitraums (und der Korrektur des bestandskräftigen Bescheides vom 17. Dezember 2001) gefehlt habe. Daran hat sich zwischenzeitlich nichts geändert. Der Kläger hat diesbezüglich zwar am 23. Februar 2008 einen Antrag gestellt, auf den er sich im hiesigen Verfahren auch beruft. Die Beklagte hat diesen Antrag jedoch nicht beschieden; auch ist ein Vorverfahren nicht durchgeführt worden, der "vorsorgliche Widerspruch" des Klägers (ist unzulässig und) macht dieses nicht entbehrlich.

Ebenso steht die Rechtskraft des Gerichtsbescheides des SG vom 23. Juni 2009 höheren Leistungen für den Zeitraum vom 1. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004 entgegen. Das SG ist damals davon ausgegangen, dass die entsprechende Klage unzulässig sei, da es an der Durchführung des erforderlichen Vorverfahrens und am Rechtsschutzbedürfnis fehle, weil der Kläger sich nicht zuvor an die Beklagte gewandt habe. Unabhängig davon, ob das SG das Verfahren, wenn die Klage nur wegen des ausstehenden Vorverfahrens unzulässig gewesen wäre, hätte aussetzen müssen, steht auf Grund des vom Kläger nicht angegriffenen Gerichtsbescheides zwischen den Beteiligten fest, dass die Klage aus diesen Gründen unzulässig war. Da es diesbezüglich allenfalls hinsichtlich des Antrags – den der Antragsteller am 17. Juli 2009 gestellt haben dürfte – zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage gekommen ist, war eine erneute Klage wegen der Rechtskraft des Gerichtsbescheides ausgeschlossen.

Im Übrigen ist die Klage hinsichtlich aller streitigen Zeiträume unzulässig, weil es an einem anfechtbaren Verwaltungsakt, den das Gericht in zulässiger Weise überprüfen könnte, fehlt. Soweit der Kläger sich unmittelbar gegen die zeitnah zu den streitigen Leistungszeiträumen in den Jahren 2000, 2001 bzw. 2004 ergangenen Bescheide wendet, ist die einmonatige Klagefrist (§ 87 SGG) seit langem abgelaufen. Die Bescheide sind damit bestandskräftig und bindend. Der Kläger könnte sein Rechtsschutzziel daher von vornherein nur erreichen, wenn diese Bestandskraft im Wege der Überprüfung nach § 44 SGB X beseitigt würde; diesbezüglich liegt aber eine durch das Gericht überprüfbare Verwaltungsentscheidung nicht vor.

Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 19. Februar 2010 darauf hingewiesen, dass ohne vorherige Entscheidung der Verwaltung die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, unmittelbar mit einer Klage nur dann begehrt werden kann, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Hauptanwendungsfall einer solchen reinen Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG ist der sogenannte Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Leistung nicht durch Verwaltungsakt einseitig festgesetzt werden kann, z. B. Klagen wegen Erstattungsansprüchen zwischen verschiedenen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Keller, a.a.O., § 54 Rdnr. 41). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Kläger und Beklagte standen und stehen in einem typischen sozialrechtlichen Leistungsverhältnis, in dem zunächst die Beklagte durch Verwaltungsakt über die Leistung zu entscheiden hat. Erst danach kann der Kläger das Gericht im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage bzw., soweit zuvor die behördliche Überprüfung eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes nach § 44 SGB X notwendig ist, im Rahmen einer kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage anrufen.

Das gilt für alle hier streitigen Leistungszeiträume: Hinsichtlich der Minderung ab 1. Juni 2000 gehen beide Beteiligte und auch das SG übereinstimmend davon aus, dass diesbezüglich ein Bescheid der Beklagten ergangen ist. Der Senat sieht daher, auch wenn der Bescheid in den Akten nicht aufzufinden ist, keinen Anlass, hieran zu zweifeln. Der Kläger müsste zunächst die Bestandskraft dieses Bescheides beseitigen. Das setzt einen Bescheid in dem für diese Fälle geschaffenen Verfahren nach § 44 SGB X voraus, der jedoch nicht ergangen ist. Auch die Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer entsprechenden "Zugunstenentscheidung" kann daher durch das Gericht gegenwärtig in der Sache nicht überprüft werden.

Gleiches gilt für die Einstellung der Leistungen im September 2000. Auch insoweit gehen beide Beteiligten wie auch das SG davon aus, dass ein entsprechender förmlicher Bescheid ergangen ist, so dass der Senat zu Zweifeln an dessen Existenz wiederum keinen Anlass sieht. Auch dieser hätte zunächst im Rahmen von § 44 SGB X überprüft werden müssen, bevor der Kläger in zulässiger Weise das Gericht mit seinem Klagebegehren befassen konnte.

Wiederum entsprechend hätte der Kläger hinsichtlich der Überprüfung des Bescheides vom 17. Dezember 2001 und des vorangegangenen Bescheides aus dem August 2001 eine Entscheidung der Behörde – notfalls im Wege der Untätigkeitsklage – herbeiführen müssen.

Hinsichtlich der Leistungszeit im Jahre 2004 schließlich hat der Kläger einen diesbezüglichen Bescheid vom 23. Juni 2004 erwähnt und als unzutreffend beanstandet. Dieser Bescheid ist allerdings in den Akten der Beklagten, soweit ersichtlich, nicht enthalten. Nach Aktenlage erscheint vielmehr auch denkbar, dass die Beklagte im Außenverhältnis zum Kläger gar keinen Bescheid erlassen hat – weder das Erläuterungsschreiben an seinen damaligen Betreuer vom 23. November 2004 noch die Kostenzusicherung gegenüber dem Träger des Übergangswohnheims hatte erkennbar regelnden Charakter. Letztlich kann dies offenbleiben: Sollte die Beklagte bezüglich des streitigen Zeitraums einen – dann offenbar auch bestandskräftigen – Bescheid erlassen haben, müsste der Kläger sich auch diesbezüglich zunächst im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens an die Behörde wenden. Sollte die Beklagte ihm 2004 dagegen die Leistungen ohne Erlass eines entsprechenden Bescheides gezahlt haben, wäre eine Überprüfung nach § 44 SGB X nicht notwendig. Der Kläger müsste dann aber eine (Erst )Entscheidung durch Verwaltungsakt über sein Begehren auf höhere Leistungen herbeiführen, bevor er die Sozialgerichte mit seinem Anliegen in zulässiger Weise anrufen kann.

Der Kläger war im Ergebnis hinsichtlich aller streitigen Leistungszeiträume gehalten, sich zunächst mit entsprechenden Anträgen an die Behörde zu wenden und im Falle der Ablehnung, nach Durchführung eines Vorverfahrens, Klage zu erheben. Eine direkt bei Gericht angebrachte Klage ist unzulässig, wie bereits das SG und das LSG im vorangegangenen Berufungsverfahren ausgeführt haben.

Nur ergänzend ist daher darauf hinzuweisen, dass die Klage auch in der Sache – selbst nach Durchführung entsprechender Verwaltungsverfahren – keinen Erfolg haben könnte. Soweit die Überprüfung bereits bestandskräftiger Verwaltungsakte hinsichtlich der Leistungen in den Jahren 2000 bzw. 2001 im Raume steht, ist diese nach § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen. Danach sind Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von vier Jahren vor der Rücknahme bzw. des auf diese gerichteten Überprüfungsantrages nachzuzahlen. Ausgehend von den Anträgen des Klägers in den Jahren 2008 bzw. 2009 ergibt sich eine Rückwirkung nur bis zum Jahre 2004 bzw. 2005. Der Kläger macht jedoch Leistungen aus den Jahren 2000 bzw. 2001 geltend. Selbst wenn man unterstellen wollte – was der Kläger allerdings auch nicht nachvollziehbar dargelegt hat –, dass die ursprünglichen Entscheidungen rechtswidrig gewesen sind, könnte der Kläger eine Nachzahlung nicht mehr erlangen. Das steht bereits seinem Überprüfungsbegehren entgegen.

Gleiches gilt, sofern die Beklagte über die Leistungen vom 1. Juni 2004 bis 31. Dezember 2004 durch Bescheid bindend entschieden haben sollte. Da der entsprechende (Überprüfungs )Antrag aus dem Jahre 2009 stammt, wäre eine nachträgliche Leistungserbringung für das Jahr 2004 ausgeschlossen. Sollte die Beklagte dagegen einen Bewilligungsbescheid gar nicht erteilt haben, wäre ein Überprüfungsverfahren nicht notwendig, § 44 Abs. 4 daher nicht anwendbar. Dennoch kommt die Gewährung höherer Leistungen auf der Grundlage des unter dem 17. Juli 2009 gestellten Antrags, auf den sich der Kläger hier beruft, nicht in Frage: Geht man nicht ohnehin mit dem BVerwG davon aus, dass die Gewährung von Sozialhilfe für die Vergangenheit grundsätzlich ausscheidet, weil sie ihren Zweck, einen aktuellen Bedarf zu decken, nicht mehr erfüllen kann, ist Raum für die Anwendung sozialrechtlicher Verjährungsvorschriften: Dann müsste der Anspruch auf der Grundlage der vierjährigen Verjährungsfrist für sozialrechtliche Leistungsansprüche (§ 45 Abs. 1 SGB I) als verjährt angesehen werden (zur Rechtsprechung des BVerwG 27.11.1986 – 5 C 74/85BVerwGE 75, 173, 175; zur Verjährung Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl. 2002, § 4 Rdnr. 43).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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