L 6 U 166/08

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 88/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 U 166/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 31/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Rahmen der Zuordnung mittelbarer psychischer Unfallfolgen infolge der Durchführung der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung bzw. der diagnostischen Untersuchungen zur Aufklärung des Sachverhaltes im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB VII kommt es nicht darauf an, dass die Heilbehandlung bzw. Untersuchung rückwirkend beatrchtet objektiv zur Behandlung der unmittelbaren Unfallfolgen notwendig war.

Ein Zurechnungstatbestand nach § 11 Abs 1 oder Abs 2 SGB VII kann bereits dann erfüllt sein, wenn der Unfallversicherungsträger oder der ihm rechtlich zuzuordnende Durchgangsarzt bei seinem Handeln den objektivierbaren Anschein oder den Rechtsschein gesetzt hat, dass die Behandlung oder Untersuchung zur berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder zur Untersuchung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls (einschließlich einer Unfallfolge) angeordnet werde.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. Juli 2008 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Anerkennung einer mittelgradigen depressiven Störung als Folge des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1997 ab dem 1. März 1998 Verletztenrente aufgrund einer MdE von 30 % in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren sowie die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht die Entschädigung von Folgen eines Arbeitsunfalls.

Der 1967 geborene Kläger war seit August 1995 als Gepäckabfertiger am Flughafen X. beschäftigt. Der streitgegenständliche Unfall ereignete sich am 13. Januar 1997 als der Kläger zwischen einem Containertransporter sowie einem Gepäckcontainer-Anhänger eingeklemmt wurde. In dem Bericht des Durchgangsarztes Dr. E. wurde am gleichen Tag eine Quetschung des dritten linken Fingers sowie des linken Kniegelenks diagnostiziert.

Anschließend wurde der Kläger zunächst ambulant im Kreiskrankenhaus ZP. behandelt. In einem Befundbericht des Neurologen Dr. PZ. vom 3. Februar 1997 wurde eine Druckschädigung des Fibulaköpfchens mit einer Schädigung eines sensiblen Astes des Nervus peronaeus communis ohne Anhalt für eine Schädigung des motorischen Anteils dieses Nerven beschrieben. Wegen anhaltender Beschwerden des Klägers im unfallbetroffenen Kniegelenk erfolgte Anfang April 1997 eine Überweisung des Klägers an die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik X. (BGU). Nach einer Untersuchung vom 4. April 1997 beschrieb der Neurologe und Psychiater Dr. AU. eine geringfügige Schwäche der Fußhebung und Zehenhebung links, ebenso eine leichte sensible Störung am Fußrücken und geringgradig an der Unterschenkelaußenseite. Der übrige neurologische Befund sei regelrecht. In einem Befundbericht vom 4. April 1997 empfahl Prof. Dr. XA. von der Chirurgie der BGU eine stationäre Aufnahme des Klägers zur Durchführung intensiver Physiotherapie wegen einer massiven Muskelminderung im linken Bein. In einem Befundbericht der BGU X. an die Beklagte vom 20. Juni 1997 wurde neben der Diagnose einer Kniegelenksquetschung links mit diskreter distaler Peronaeusläsion eine unfallunabhängige Retropatellararthrose des linken Knies beschrieben. Nach Abschluss der Behandlung in der BGU wurde vom Kläger eine Arbeitserprobung durchgeführt, die wegen fortbestehender Beschwerden wieder abgebrochen wurde. Anschließend begab sich der Kläger zur Behandlung in die Unfallchirurgie der Universität ZP ... Dort wurde am 17. Juli 1997 eine diagnostische Kniegelenksarthroskopie durchgeführt, die laut einem Befundbericht an die Beklagte vom 23. Juli 1997 einen degenerativen drittgradigen Knorpelschaden im linken Kniegelenk ergeben habe. In einem weiteren Schreiben des Oberarztes Dr. D. von der Unfallchirurgie der Universität ZP. vom 13. August 1997 wurde der Beklagten eine erneute Aufnahme des Klägers in die BGU empfohlen und mitgeteilt, es müsse durch ein Zusammenhangsgutachten geklärt werden, ob der retropatellare Knorpelschaden bei dem Kläger traumatischer Genese sein könnte. In einem Befundbericht der neurochirurgischen-neurotraumatologischen Abteilung der BGU wurde von einer Kontrolluntersuchung des Klägers am 18. August 1997 berichtet und mitgeteilt, dass eine stationäre Aufnahme des Klägers am 26. August 1997 zur EMG-Kontrolle und dann wahrscheinlich eine Neurolyse-Operation des Nervus peronaeus beabsichtigt sei. Gegen diese Operation sprach sich Dr. AU. im Anschluss an eine Untersuchung des Klägers vom 27. August 1997 in einem Bericht an die Beklagte aus. In einer Stellungnahme vom 23. September 1997 teilte der Chefarzt der neurochirurgischen-neurotraumatologischen Abteilung der BGU Prof. Dr. F. der Beklagten mit, dass die weiterhin bestehende Arbeitsunfähigkeit des Klägers rechtlich-wesentlich teilursächlich auf den Unfallfolgenzustand zu beziehen sei, da die vorherige Prognose hinsichtlich der Peroneusschwäche zu optimistisch eingeschätzt worden sei, wie der weitere Verlauf gezeigt habe. Weitere Befundberichte an die Beklagte seitens der neurochirurgischen-neurotraumatologischen Abteilung der BGU vom 29. Oktober 1997 und vom 30. Oktober 1997 sprachen sich dann gegen eine Indikation zur operativen Intervention im Sinne einer Neurolyse des Peroneusnervs aus. Empfohlen wurde eine Fortführung der krankengymnastischen Übungsbehandlungen bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit. Anschließend begab sich der Kläger in die Behandlung bei dem Orthopäden Dr. H. in H Stadt. Von dort wurde er zur Weiterbehandlung an die Klinik für Orthopädie des Klinikums der Universität A-Stadt verwiesen. Von dort wurde in einem Befundbericht an die Beklagte vom 13. Dezember 1997 eine erneute Arthroskopie befürwortet und mitgeteilt dass man dort "ein unfallbedingtes Geschehen für wahrscheinlich" halte. In einem weiteren Befundbericht der Klinik vom 7. März 1998 wurde im Anschluss an die zwischenzeitlich durchgeführte Operation in Form einer retropatellaren Anbohrung ein posttraumatischer retropatellarer Knorpelschaden sowie eine während des stationären Aufenthalts erlittene Schulterverletzung durch ein Wegrutschen der Krücke beim Treppengehen beschrieben.

Die Beklagte holte anschließend ein orthopädisches Gutachten bei Prof. Dr. KR. von der Uniklinik A-Stadt ein. Dieser diagnostizierte am 29. Juli 1998 eine posttraumatische aktivierte Retropatellararthrose am linken Kniegelenk sowie eine posttraumatische Insertionstendopathie des Musculus supraspinatus links, welche in ursächlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis stünden. Die Art des festgestellten Knorpelschadens mit Rissbildung und dem Fehlen der für einen degenerativen Knorpelschaden typischen Veränderungen spreche für eine zurückliegende Knochenfraktur, wie sie durch direkte Quetschung verursacht werden könne. Alternativ könne auch eine Patellasubluxation vorgelegen haben. Bei dem Kläger sei es im Verlauf der Behandlung zu mehreren Fehleinschätzungen seiner Krankheitsumstände und dadurch bedingten unnötigen operativen Eingriffen gekommen. Dies habe nicht zu einer Besserung der Beschwerdesymptomatik sondern im Gegenteil zu einer wesentlichen Verschlechterung geführt. Auf orthopädischem Fachgebiet bestehe aufgrund der Unfallfolgen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von derzeit 20 %.

Mit Bescheid vom 8. September 1998 wurde dem Kläger von der Beklagten ein erster Vorschuss auf die voraussichtlich zu zahlende Verletztenrente in Höhe von 1.500 DM gewährt. Am 29. September 1998, 28. Oktober 1998, 27. November 1998, 22. Dezember 1998 und 22. Januar 1999 erfolgten weitere Vorschusszahlungen in Höhe von jeweils 600 DM. Ab Juli 1998 wurde dem Kläger durchgängig bis September 2002 von der Beklagten Verletztengeld gezahlt (vgl. Bl. 708 Verwaltungsakte).

Ab März 1998 befand sich der Kläger unter der Diagnose einer chronifizierten schweren Depression in therapeutischer Behandlung bei der Diplom-Psychologin G ... Ab April 1998 erfolgte eine Behandlung wegen einer neurotischen Depression bei dem Psychiaters Dr. J ... Vom 8. September 1998 bis zum 3. Oktober 1998 befand sich der Kläger in stationärer Behandlung in der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie K-Klinik in ZU ... Diagnostiziert wurde dort eine Angstneurose mit Panikattacken sowie Störung der Impulskontrolle. Laut einem Arztbrief der Klinik vom 12. Oktober 1998 habe der Kläger angegeben, seit ca. 5 bis 6 Jahren unter Panikattacken und Angstanfällen zu leiden. Ferner sei er an seinem letzten Arbeitsplatz manchmal derart angespannt gewesen, dass er sich selbst verletzt habe. Weiterhin wurde in dem Bericht mitgeteilt, dass der Kläger während der stationären Behandlung einen Krampfanfall erlitten habe und es hierbei zu einer Ruptur der linken Supraspinatussehne gekommen sei.

Am 12. Januar 1999 wurde ein psychiatrisches Zusatzgutachten von dem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. MH. für die Beklagte erstattet. Darin maß dieser dem Unfallereignis eine richtunggebende Bedeutung für die Entwicklung der psychischen Symptomatik zu, welche er als mittelschwere bis schwere Depression im Sinne einer chronischen Belastungsreaktion bezeichnete. Im Verlauf der Behandlung der bei dem Arbeitsunfall erlittenen Verletzung am linken Knie sei der Kläger mit unterschiedlichen ärztlichen Meinungen und Handlungsstilen konfrontiert worden und habe sich hierdurch missachtet und missverstanden gefühlt. In der Folge sei es zu einem depressiven Bild mit Schuldzuweisungen an die behandelnden Ärzte und zu Arztwechseln aufgrund unzureichenden Vertrauens gekommen. Die bei dem Kläger vorliegende Depressivität habe sich im Laufe der Krankheitsgeschichte im Zusammenhang mit dem Knieleiden entwickelt. Dabei habe der Kläger subjektiv das Empfinden gehabt, als Simulant zu gelten und hierdurch eine erhebliche Kränkung erfahren. Insofern komme dem Unfall eine richtunggebende Bedeutung für die Entwicklung der psychischen Symptomatik zu. Aufgrund der Schwere der Depressivität, die trotz einer ambulanten und auch stationären psychotherapeutischen Intervention keine Besserung zeige, müsse auf psychiatrischem Fachgebiet eine MdE von 30 % angesetzt werden.

Nach einem Durchgangsarztbericht von Dr. L. von der Orthopädischen Klinik der Universität ZP. an die Beklagte vom 12. August 1999 kam es nach einer dort durchgeführten erneuten Arthroskopie des linken Knies vorübergehend zu einem postarthroskopischen Kniegelenksemphysem infolge einer Keimbesiedelung.

Auf Veranlassung der Beklagten erfolgte am 25. August 1999 eine erneute Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet durch den Neurologen und Psychiater Dr. DH ... Dieser führte darin aus, bei dem Kläger sei es zu einer Anpassungsstörung mit ängstlicher und depressiver Reaktion sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung auf der Grundlage einer narzisstisch-depressiven Persönlichkeitsstruktur gekommen. Die maßgebliche Belastung ergebe sich für den Kläger daraus, dass er Ängste entwickelt habe, seinen Körper durch die unfallbedingte Verletzungen nicht mehr so verwenden zu können wie früher und seine alte Arbeit nicht mehr ausführen zu können. Eigene Gefühle der Angst, Unsicherheit und Hilflosigkeit seien von dem Kläger u.a. auf die behandelnden Ärzte projiziert wurden, die ihm durch die falsche Behandlung seine Chancen für die Zukunft genommen hätten. Daneben habe sich eine Selbstwertproblematik entwickelt. Der Kläger habe das Gefühl, dass sein Leben so keinen Sinn mehr mache. Ein Teil der vorliegenden Anpassungsstörungen mit depressiver und ängstlicher Entwicklung in der Form seelischer Störungen, Angst- und Panikattacken, Ohnmacht und Hilflosigkeit sowie Gefühle der Nutz- und Wertlosigkeit seien unfallunabhängig. Die unfallabhängigen psychischen Störungen sowie die unfallbedingte anhaltende somatoforme Schmerzstörung im Bereich des linken Kniegelenks und die damit verbundenen erheblichen schmerzbedingten Funktionseinschränkungen und Einschränkungen der Funktion des gesamten linken Beines bedingten eine MdE von 30 %.

In einer Stellungnahme nach Aktenlage vom 12. August 2002 teilte der Chirurg und Unfallchirurg Dr. XD. der Beklagten im Rahmen einer beratungsärztlichen Stellungnahme mit, dass es sich bei dem Knorpelschaden im linken Kniegelenk des Klägers nicht um eine Unfallfolge handele, so dass ab Anfang Juli 1997 keine Unfallfolgen bzw. unfallbedingten Funktionsstörungen mehr vorgelegen hätten.

Mit Bescheid vom 27. September 2002 lehnte die Beklagte daraufhin die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung über den 18. Juli 1997 hinaus ab. Der hiergegen vom Kläger erhobene Widerspruch wurde von der Beklagten nach der Einholung weiterer beratungsärztlicher Stellungnahmen nach Aktenlage von Dr. XD. und Prof. Dr. S. mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2005 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Klage vor dem Sozialgericht Gießen vom 13. April 2005.

Das Sozialgericht holte zunächst auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein orthopädisches Gutachten von der Sachverständigen Prof. Dr. M. ein. Darin führte die Sachverständige am 15. August 2006 aus, dass in den Röntgenbildern kein Anhalt für eine knöcherne Kniegelenksverletzung festzustellen sei. Auch die Art des Unfalls spreche gegen die Entstehung einer posttraumatischen Retropatellararthrose. Daher seien die fraglichen Veränderungen eher unwahrscheinlich traumatischer Ursache.

Am 30. Mai 2007 wurde ebenfalls auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. N. erstattet und darin als Unfallfolgen eine angstgefärbte schwere Depression, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, die sich aus einer Kausalgie infolge der Nervenquetschung im Bereich des linken Knies entwickelt habe sowie eine posttraumatische Verbitterungsstörung festgestellt. Eine bei dem Kläger bestehende Epilepsie mit begleitender Schultergelenksschädigung beidseits sei durch den Arbeitsunfall im Sinne der Verschlimmerung entstanden. Insgesamt resultiere daraus eine Gesamt-MdE von 60 %.

Hierauf wurde von der Beklagten durch die Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. O. vom 27. August 2007 erwidert, der darin die Diagnosen sowie die Schlussfolgerungen des Gutachtens als nicht haltbar bezeichnete.

Am 8. Februar 2008 wurde durch den Sachverständigen Dr. TY. ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Gutachten erstattet, das vom Sozialgericht von Amts wegen eingeholt wurde. Danach seien bei dem Kläger eine mittelgradige depressive Episode, eine Angststörung sowie der Verdacht auf kombinierte Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren. Hiervon sei durch den Arbeitsunfall die depressive Störung mit einer MdE von 30 % verursacht worden. Dem Kläger sei es nicht gelungen, den Arbeitsunfall und seine Folgen adäquat zu verarbeiten. Vielmehr habe sich im Zeitverlauf ein chronifiziertes depressives Syndrom ausgebildet. Die besondere Persönlichkeitsstruktur des Klägers mit einer vorbestehenden neurotischen Störung leichteren Grades habe diesen zu einer psychischen Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens prädisponiert. Für die aktuelle Verschlimmerung einer latenten depressiven Neurose, die dann in die vorliegende chronifizierte depressive Störung gemündet sei, seien der Arbeitsunfall, die anschließenden Behandlungen und die Folgen unersetzlich. Entscheidend für die Entwicklung der Depression sei weniger das Unfallereignis selbst, als die nachfolgende Behandlung und das Fortbestehen psychischer Einschränkungen. Widersprüchliche Auffassungen bezüglich Art, Umfang und Ursache der Kniegelenksschädigung und bezüglich zu ergreifender Maßnahmen durch die verschiedenen Kliniken und ambulanten Behandler sowie möglicherweise unnötige Eingriffe hätten zu einer tiefen Verunsicherung des Klägers und zu körperlichen Folgeschäden geführt. Unfallunabhängig bestünden daneben die weiteren genannten Erkrankungen als vorbestehende anlagebedingte psychische Störungen.

Die Beklagte erwiderte darauf erneut durch Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. O., der hierin die Unfallkausalität bezüglich der depressiven Episode in Anbetracht der Vielzahl und Relevanz konkurrierender Faktoren nicht als überzeugend bezeichnete.

Mit Urteil vom 3. Juli 2008 gab das Sozialgericht der Klage insoweit statt, als die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt wurde, dem Kläger unter Anerkennung einer mittelgradigen depressiven Störung als Folge des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1997 ab dem 19. Juli 1997 Verletztenrente aufgrund einer MdE von 30 % in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Das Gericht sei auf Grund des neurologisch-psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. TY. zur Überzeugung gelangt, dass ein Teil der bei dem Kläger bestehenden psychischen Beschwerdesymptomatik wesentlich auf das versicherte Ereignis vom 13. Januar 1997 zurückzuführen sei. Hinsichtlich der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhanges habe der Sachverständige auch in Ansehung der vorbestehenden Primärpersönlichkeit und der unfallunabhängigen Angststörung die Depression als wesentlich durch den Arbeitsunfall verursacht beurteilt. Er habe dabei insbesondere die früher bei dem Kläger vorhandenen psychischen Auffälligkeiten diskutiert und von den nun vorhandenen Beschwerden abgegrenzt. Der Sachverständige habe schließlich resümiert, dass zwar die besondere Persönlichkeitsstruktur des Klägers diesen zu einer psychischen Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens prädisponiert habe, für die aktuelle Verschlimmerung einer latenten depressiven Neurose, die dann in die vorliegende chronifizierte depressive Störung mündete, seien der Arbeitsunfall, die anschließenden Behandlungen und die Folgen aber unersetzlich. Wenn der Sachverständige neben dem Arbeitsunfall auch das sich daran anschließende Heilverfahren bzw. die verschiedenen Fehleinschätzungen der behandelnden Ärzte in der Ursachenkette dem Versicherungsfall zurechne, so sei dem zuzustimmen, denn ohne den Arbeitsunfall hätte es eine derartige "Heilentgleisung" nicht gegeben. Dr. TY. habe insofern ausgeführt, die vorbestehende Neigung zu neurotischen Störungen sei bei dem Kläger jedenfalls nicht so leicht ansprechbar gewesen, dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis in absehbarer Zeit dieselbe Verschlimmerung bewirkt hätte, sondern dass es besonderer äußerer Einwirkung bedurft habe.

Gegen das ihr am 14. August 2008 zugestellte Urteil richtet sich die sich die Berufung der Beklagten vom 22. August 2008.

Im Berufungsverfahren ist vom Gericht ein weiteres psychiatrisches Gutachten eingeholt worden, das am 9. November 2009 von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dr. A. erstattet wurde. Darin führte der Sachverständige aus, seitens des psychiatrischen Fachgebietes liege als Hauptdiagnose nach der Klassifikation psychischer Störungen ICD 10 eine mittelgradige depressive Episode mit chronischem Verlauf (F 33.1) sowie als Nebendiagnose eine Angststörung (ICD 10 F 40.9) bei dem Kläger vor. Hiervon stehe die chronifizierte mittelgradige Depression in ursächlichem Zusammenhang mit den Folgen des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1997. Vorbestehende und aktenmäßig dokumentierte psychische Störungen hätten demgegenüber ein geringes Ausmaß und seien jeweils nur kurzzeitig behandlungsbedürftig gewesen. Es habe auch keine tiefergehenden Einbrüche im sozialen Leben (Arbeit und Familie) des Klägers gegeben. Zwar habe sich nicht alles nach seinen ursprünglichen Wünschen und Plänen gerichtet. Allerdings habe er insgesamt ein recht zufriedenes und unauffälliges Leben ohne gröbere psychische Störungen führen können. Zur Zeit des Unfalls habe bei dem Kläger eine familiäre Aufbruchsituation im positiven Sinne und eine insgesamt eher positive Arbeitssituation geherrscht. In diese Situation habe ihn der Unfall getroffen und mit ihm dann in der Folge iatrogene Schädigungen durch Fehldiagnosen usw., die ohne den Unfall nicht zustande gekommen wären. Erst in der Folge des Unfalles und des sich anschließenden (unglücklichen) Behandlungsverlaufes sei es zu der Depression gekommen. In Übereinstimmung mit dem Vorgutachter Dr. TY. sei die MdE auf insgesamt 40 % für beide psychische Störungen anzusetzen, so dass nach Abzug von 10 % wegen der unfallunabhängig einzuschätzenden Angststörung eine dauerhafte MdE von 30 % verbleibe.

Gestützt auf eine weitere Stellungnahme ihres ärztlichen Beraters Dr. O. vom 25. Januar 2010 hat die Beklagte hiergegen eingewandt, das Gutachten sei nicht verwertbar, da es von falschen Tatsachen ausgehe und hinsichtlich der Kausalitätserwägungen nicht die vom Bundessozialgericht entwickelten Kausalitätskriterien berücksichtige. In dem Gutachten sei insbesondere nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass der Kläger in unmittelbarer Folge des Arbeitsunfalls lediglich geringfügige Quetschungen erlitten habe und diesbezüglich auch in der Folge keine medizinische Fehlbehandlung zu verzeichnen sei. Demgegenüber leide der Kläger unter einer Vielzahl weitaus gravierender unfallunabhängiger Erkrankungen, deren Bedeutung für die Entstehung der psychischen Erkrankung von den Sachverständigen nicht hinreichend gewürdigt worden sei. Von den Sachverständigen sei schließlich nicht berücksichtigt worden, dass auch der fehlende zeitliche Zusammenhang gegen die Kausalzuordnung spreche. Die erste Behandlung auf psychiatrischem Gebiet sei 9 Monate nach dem Unfall und damit nach Abschluss der Heilbehandlung der unfallbedingten körperlichen Verletzungen erfolgt.

Hierzu hat das Gericht eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Dr. A. vom 20. Juli 2010 eingeholt. Darin führt der Sachverständige aus, es habe wesentlich zur Entstehung der depressiven Störung bei dem Kläger geführt, dass dieser mit der Verarbeitung widersprüchlicher medizinischer Aussagen und Operationsindikationen überfordert und demgegenüber hilflos ausgeliefert gewesen sei. Aus diesem Grund sei es nicht entscheidend, dass der Unfall zunächst nur zu geringen somatischen Verletzungen geführt habe. Auch die zuvor im Jahr 1991 bei dem Kläger festgestellte leichte ängstlich-depressive Neurose sei für die Entwicklung der depressiven Störung nicht bedeutsam. Wesentlicher Auslöser der diagnostizierten depressiven Störung seien demgegenüber der Arbeitsunfall und die sich anschließenden therapeutischen Vorgehensweisen, die für den Kläger nicht überschaubar gewesen seien und zu einer tief greifenden Verunsicherung geführt hätten.

Die Beklagte ist der Ansicht, in den gerichtlich eingeholten Gutachten werde bestätigt, dass die festgestellten psychischen Störungen unfallunabhängig seien, da hierin die Ansicht vertreten werde, die beim Kläger festgestellten depressiven Störungen seien auf die vermeintlich langen, komplizierten und zum Teil mit Fehlbehandlungen behafteten Behandlungsintervalle zurückzuführen. Nach den Feststellungen der Beklagten sei davon auszugehen, dass nach dem 15. Juli 1997 keine unfallbedingte Behandlung des Klägers stattgefunden habe. Wenn danach keine Unfallfolgen mehr vorlagen, könnten auch die zeitlich danach liegenden Behandlungsintervalle nicht mehr dem Unfallereignis zugerechnet werden. Das von dem Kläger nach dem 15. Juli 1997 praktizierte "Ärztehopping" mit insgesamt 6 arthroskopischen Operationen stehe in keinem Zusammenhang mit den Folgen des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1997.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. Juli 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
ein weiteres chirurgisches Gutachten zu der Frage einzuholen, ob Behandlungen auf chirurgischem Gebiet nach dem 15. Juli 1997 noch dem Unfallschaden zugerechnet werden können und ob durchgeführte invasive Maßnahmen auf chirurgischem Gebiet nachträglich als Fehlbehandlungen beurteilt werden müssen,
höchst hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er sieht sich durch das Urteil des Sozialgerichts Gießen sowie das Ergebnis der Begutachtung im Berufungsverfahren bestätigt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. Juni 2008 ist zulässig, in der Sache jedoch lediglich teilweise begründet.

Das Sozialgericht Gießen hat in dem angefochtenen Urteil der Klage zu Recht insoweit stattgegeben, als ein Anspruch des Klägers gegenüber der Beklagten auf Anerkennung einer mittelgradigen depressiven Störung als Folge des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1997 sowie die Gewährung einer hierdurch bedingten Verletztenrente nach einer MdE von 30 % besteht. Einer Korrektur bedurfte es lediglich hinsichtlich des Anspruchsbeginns, der entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung nicht unmittelbar an das Ende des seitens der Beklagten zugestandenen Leistungszeitraums anknüpft.

Versicherte haben Anspruch auf eine Verletztenrente, wenn ihre Erwerbsfähigkeit in Folge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 % gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Prozentsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind dann allerdings nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 % mindern (§ 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 7. Buch, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII -). Versicherungsfälle sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit), wobei sich hierbei um zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse handeln muss, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 SGB Abs. 1 VII). Nach § 11 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalles auch solche Gesundheitsschäden des Versicherten, die u.a. durch die Durchführung einer Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung wesentlich verursacht wurden, welche zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet wurde. Durch diese Vorschrift werden Gesundheitsschäden, die durch die Erfüllung der in ihr umschriebenen Tatbestände wesentlich verursacht wurden, dem Versicherungsfall "auch" dann zugerechnet, wenn sie nicht spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls wesentlich verursacht wurden.

Der Unfall vom 13. Januar 1997 erfolgte unstreitig bei der Ausübung der abhängigen Beschäftigung des Klägers im Zuständigkeitsbereich der Beklagten und hatte zunächst auch unmittelbare Gesundheitsschäden in Form von Verletzungen am linken Knie sowie der linken Hand des Klägers zur Folge, so dass am Vorliegen eines Arbeitsunfalls auch aus Sicht des Senats keine Bedenken bestehen.

Weiterhin bestehen keine Zweifel und steht es auch zwischen den Beteiligten zwischenzeitlich nicht mehr im Streit, dass der Arbeitsunfall über den 18. Juli 1997 hinaus keine entschädigungspflichtigen Unfallfolgen auf orthopädisch/chirurgischem und neurologischem Fachgebiet zur Folge hatte. Im Anschluss an die vorliegenden Gutachten hat das Sozialgericht zutreffend festgestellt, dass die unmittelbaren körperlichen Unfallschäden infolge der Quetschung des dritten linken Fingers sowie des linken Kniegelenks des Klägers innerhalb dieses Zeitraumes abgeheilt waren. Weiterhin lässt sich die epileptische Erkrankung des Klägers und die infolge eines hierdurch bedingten Krampfanfalls während einer stationären Heilbehandlungsmaßnahme verursachte Schulterverletzung nicht dem Unfallereignis vom 13. Januar 1997 zuordnen. Hieran ergeben sich aufgrund der vorliegenden Gutachten keine Zweifel. Im Berufungsverfahren wurden entsprechende Unfallfolgen auch nicht mehr durch den Kläger geltend gemacht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher insoweit auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 3. Juli 2008 Bezug genommen. Aus dem Vorgenanten ergibt sich zugleich, dass dem Hilfsantrag der Beklagten, ein weiteres chirurgisches Gutachten zu der Frage einzuholen, ob Behandlungen auf chirurgischem Gebiet nach dem 15. Juli 1997 noch dem Unfallschaden zugerechnet werden können, nicht zu folgen war, da diese Tatsache aus Sicht des Senats erwiesen ist und auch seitens des Klägers nicht mehr infrage gestellt wird. Soweit die Beklagte in dem Beweisantrag auf den 15. Juli 1997 als Zeitpunkt des letztmaligen Vorliegens von Unfallfolgen auf chirurgischem Gebiet abstellt, steht sie in Widerspruch zu ihren eigenen Feststellungen in dem Bescheid vom 27. September 2002 sowie dem Widerspruchsbescheid vom 11. März 2005. Darin wurde das Bestehen von Unfallfolgen auf chirurgischem Gebiet bis zum Ende der stationären Behandlung zur Kniegelenkspiegelung am 18. Juli 1997 anerkannt. In Übereinstimmung hiermit sieht auch der Senat den Wegfall der Unfallfolgen auf chirurgischem Gebiet mit diesem Zeitpunkt als erwiesen an, so dass es insoweit keiner weiteren Beweisaufnahme bedarf.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Senat nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die bei dem Kläger bestehende psychische Erkrankung in Form einer mittelgradigen depressiven Störung zumindest zu einem wesentlichen Teil durch die Folgen des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1997 verursacht wurde und hierdurch die Erwerbsfähigkeit des Klägers dauerhaft in einem Umfang von 30 % gemindert wird.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 12. April 2005, Az. B 2 U 27/04 R). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Kann dagegen das Unfallereignis nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Gesundheitsschaden entfiele, ist in einem zweiten wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az. B 2 U 1/05 R). Die anspruchsbegründenden Tatsachen, d.h. die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein. Bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30. April 1985, Az. 2 RU 43/84). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt daher nicht, wenn der Ursachenzusammenhang lediglich nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az. B 2 U 1/05 R).

Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Bewertung des Unfallzusammenhangs psychischer Krankheiten. Bei ihrer Entstehung kommt häufig der Schwere des Unfallereignisses besondere Bedeutung zu. So erfordert beispielsweise die Diagnose einer "posttraumatischen Belastungsstörung" nach der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (ICD-10, dort Kapitel V F 43.1) schon definitionsgemäß "ein belastendes Ereignis oder eine Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde". Es gibt allerdings auch bei psychischen Erkrankungen keinen Rechts- oder Erfahrungssatz, wonach ein als geringfügig beurteiltes Trauma stets als bloße Gelegenheitsursache anzusehen ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az: B 2 U 40/05 R). Voraussetzung für die Anerkennung von psychischen Gesundheitsstörungen als Unfallfolge und die hieraus resultierende Gewährung einer Verletztenrente ist zunächst die Feststellung der konkreten Gesundheitsstörungen, die bei dem Verletzten vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit mindern (BSG, Urteil vom 29. Januar 1986, Az: 9b RU 56/84 sowie Urteil vom 19. August 2003, Az: B 2 U 50/02 R). Angesichts der zahlreichen in Betracht kommenden Erkrankungen sollte diese Feststellung nicht nur begründet sein, sondern aufgrund eines der üblichen Diagnosesysteme und unter Verwendung der dortigen Schlüssel und Bezeichnungen erfolgen, damit die Feststellung nachvollziehbar ist. Bei der danach durchzuführenden Beurteilung des Ursachenzusammenhangs ist zu beachten, dass aus dem rein zeitlichen Aufeinanderfolgen des Arbeitsunfalls und der später auftretenden psychischen Gesundheitsstörung sowie der mangelnden Feststellung konkurrierender Ursachen nicht gefolgert werden kann, dass die psychischen Gesundheitsstörungen des Betreffenden wesentlich durch den Unfall verursacht wurden. Aus einem rein zeitlichen Zusammenhang und der Abwesenheit konkurrierender Ursachen kann bei komplexen Gesundheitsstörungen nicht automatisch auf die Wesentlichkeit der einen festgestellten naturwissenschaftlich-philosophischen Ursache geschlossen werden. Angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren, die unter Umständen noch nicht einmal dem Kläger bewusst sind, würde dies zu einer Beweislastumkehr führen, für die keine rechtliche Grundlage zu erkennen ist (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, Az: B 2 U 1/05 R).

Nach den vorliegenden Gutachten wurde die psychische Erkrankung des Klägers in wesentlichem Umfang durch die langwierige und durch erhebliche Komplikationen geprägte Heilbehandlung verursacht, die in zeitlicher Folge nach dem streitgegenständlichen Arbeitsunfall durchgeführt wurde. In dieser Weise - wenn auch z.T. mit im Detail unterschiedlichen Diagnosen der psychischen Erkrankungen sowie unterschiedlichen Auffassungen zum Umfang der auf den Unfall zurückzuführenden Anteile der Erkrankung sowie die hierdurch bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit - haben sich sämtliche Sachverständige auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet geäußert, die im Laufe des Verfahrens Gutachten auf der Grundlage eigener Untersuchungen des Klägers erstattet haben.

Zunächst wurde bereits im Verwaltungsverfahren durch den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. MH. in seinem psychiatrischen Zusatzgutachten vom 12. Januar 1999 eine richtunggebende Bedeutung des Unfallereignisses für die Entwicklung der psychischen Symptomatik festgestellt, welche als mittelschwere bis schwere Depression im Sinne einer chronischen Belastungsreaktion diagnostiziert wurde. Auch wenn es zu diesem Zeitpunkt noch im Raum stand, dass es sich bei den Kniebeschwerden des Klägers um Unfallfolgen handeln könnte, knüpfte der Sachverständige bei der Bewertung der Kausalität nicht an die unmittelbaren körperlichen Unfallschäden oder das subjektive Unfallerlebnis durch den Kläger an. Vielmehr wurde bereits in diesem ersten Gutachten darauf hingewiesen, dass sich die Depression aufgrund der Konfrontation des Klägers mit unterschiedlichen ärztlichen Meinungen und Handlungsstilen, dem Empfinden, als Simulant zu gelten und die hierdurch hervorgerufene erhebliche Kränkung entstanden sei. In ähnlicher Weise äußerte sich dann in dem darauf folgenden neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 25. August 1999 der ebenfalls von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. DH ... Seiner Ansicht nach kam es durch die vom Kläger so wahrgenommene falsche Behandlung der Unfallfolgen zu einer Anpassungsstörung mit ängstlicher und depressiver Reaktion sowie einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung auf der Grundlage einer narzisstisch-depressiven Persönlichkeitsstruktur. Dabei seien von dem Kläger eigene Gefühle der Angst, Unsicherheit und Hilflosigkeit auf die behandelnden Ärzte projiziert worden, die ihm durch die falsche Behandlung seine Chancen für die Zukunft genommen hätten. Folglich geht auch dieser Sachverständige davon aus, dass nicht die Wahrnehmung des eigentlichen Unfallereignisses durch den Kläger oder die hierbei erlittenen unmittelbaren körperlichen Schäden die psychische Erkrankung hervorgerufen bzw. verschlimmert haben, sondern hierfür wesentlich der Verlauf der medizinischen Heilbehandlung im Vordergrund stehe.

Von den nachfolgenden Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet im gerichtlichen Verfahren folgt der Senat insbesondere den von Amts wegen eingeholten Gutachten der Sachverständigen Dr. TY. und Dr. A. Beide Ärzte sind längjährig für das Gericht tätig und dabei als erfahrene und kompetente Sachverständige bekannt. Die beiden in den Grundzügen übereinstimmenden Gutachten sowie die nachfolgende Stellungnahme von Dr. A. sind in sich schlüssig und nachvollziehbar, so dass seitens des Senats keine Bedenken bestehen, diese der vorliegenden Entscheidung zugrunde zu legen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. TY. ist in seinem Gutachten vom 8. Februar 2008 zu dem Ergebnis gelangt, dem Kläger sei es nicht gelungen, den Arbeitsunfall und seine Folgen adäquat zu verarbeiten. Vielmehr habe sich im Verlauf der nachfolgenden Heilbehandlung ein chronifiziertes depressives Syndrom ausgebildet. Die besondere Persönlichkeitsstruktur des Klägers mit einer vorbestehenden neurotischen Störungen leichteren Grades habe diesen zu einer psychischen Fehlverarbeitung des Unfallgeschehens prädisponiert. Für die aktuelle Verschlimmerung einer latenten depressiven Neurose, die dann in die vorliegende chronifizierte depressive Störung gemündet sei, seien der Arbeitsunfall, die anschließenden Behandlungen und die Folgen unersetzlich. Entscheidend für die Entwicklung der Depression sei weniger das Unfallereignis selbst, als die nachfolgende Behandlung und das Fortbestehen psychischer Einschränkungen. Widersprüchliche Auffassungen bezüglich Art, Umfang und Ursache der Kniegelenksschädigung und bezüglich zu ergreifender Maßnahmen durch die verschiedenen Kliniken und ambulanten Behandler und möglicherweise unnötige Eingriffe hätten zu einer tiefen Verunsicherung des Klägers und zu körperlichen Folgeschäden geführt. Im Wesentlichen übereinstimmend diagnostizierte dann auch der im Berufungsverfahren als Sachverständiger gehörte Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. in seinem psychiatrisches Gutachten vom 9. November 2009 bei dem Kläger u.a. eine mittelgradige depressive Episode mit chronischem Verlauf (F 33.1) die in ursächlichem Zusammenhang mit der Heilbehandlung nach dem Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1997 stehe. Es habe wesentlich zur Entstehung der depressiven Störung bei dem Kläger geführt, dass dieser mit der Verarbeitung widersprüchlicher medizinischer Aussagen und Operationsindikationen überfordert und demgegenüber hilflos ausgeliefert gewesen sei. Dieser Zusammenhang wird auch von dem Sachverständigen Prof. Dr. N. in seinem neurologisch-psychiatrischen Gutachten auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG vom 30. Mai 2007 bejaht. Allerdings unterscheidet sich dieses Gutachten hinsichtlich der gestellten Diagnosen sowie in der Beurteilung der Zusammenhangsfrage, in der nahezu alle Gesundheitsstörungen des Klägers undifferenziert dem Unfallereignis vom 13. Januar 1997 zugerechnet werden, deutlich von den übrigen vorgenannten Gutachten. Das Gutachten von Prof. Dr. N. ist für den Senat damit in weiten Teilen nicht nachvollziehbar und wird folglich der vorliegenden Entscheidung nicht zugrunde gelegt.

Nach Auswertung und in der Gesamtschau der übrigen Gutachten von Dr. MH., Dr. DH., Dr. TY. und Dr. A. bestehen für den Senat auch unter Berücksichtung der beratungsärztlichen Stellungnahmen des Neurologen und Psychiaters Dr. O. sowie der hierauf gestützten Einwände der Beklagten keine Zweifel, dass bei dem Kläger eine dauerhafte psychische Erkrankung im Sinne einer chronifizierten depressiven Episode vorliegt, die in rechtlich-wesentlichem Umfang durch den Verlauf der Heilbehandlung der unmittelbaren körperlichen Verletzungen aufgrund des Arbeitsunfalls vom 13. Januar 1997 verursacht worden ist. In den vorliegenden neurologisch-psychiatrischen Gutachten wurde überwiegend auch das Vorliegen von Vorerkrankungen des Klägers auf psychischem Gebiet sowie das Bestehen weiterer, nicht mit dem Arbeitsunfall in Verbindung stehender Faktoren (wie familiäre und berufliche Probleme des Klägers) berücksichtigt. Insbesondere von den zuletzt gehörten Sachverständigen Dr. TY. und Dr. A. wurde nachvollziehbar dargelegt, dass auch hierin Ursachenbeiträge für die depressive Störung des Klägers gesehen werden können. Gleichwohl sind die Sachverständigen für den Senat überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass daneben die Folgen des Arbeitsunfalls, insbesondere die mit der Heilbehandlung zusammenhängenden besonders belastenden Umstände, wesentlich zur Entstehung der psychischen Erkrankung beigetragen haben und nicht als bloße Gelegenheitsursache gewertet werden können.

Entgegen der Ansicht der Beklagten lässt sich die Entstehung der depressiven Störung bei dem Kläger auch in zeitlicher sowie in rechtlicher Hinsicht mit dem Arbeitsunfall und dessen Folgen in Zusammenhang bringen. Nach den Berichten der Diplom-Psychologin G. und des Psychiaters Dr. J. von Februar 1999 befand sich der Kläger dort seit März bzw. April 1998 wegen seiner depressiven Störungen in Behandlung. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Kläger noch in der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung, deren aus Sicht des Klägers katastrophaler Verlauf mit einer Vielzahl von Rückschlägen und Komplikationen nach der überwiegenden Auffassung der gehörten Sachverständigen sowie zur Überzeugung des Senats wesentlich zur Entstehung der depressiven Störung beigetragen hat. Die Heilbehandlung selbst war zwar rückwirkend betrachtet nach objektiven Maßstäben nur zum Teil durch die Unfallfolgen bedingt - insbesondere anfänglich, bis zum 18. Juli 1997, was auch von der Beklagten nicht infrage gestellt wird (vgl. Bescheid vom 27. September 2002, Bl. 712 Verwaltungsakte) - und zum Teil durch erhebliche degenerative Vorschäden an dem Unfall betroffenen Kniegelenk, die mit dem Unfall nicht in ursächlichem Zusammenhang zu bringen sind. Im Rahmen der Zuordnung mittelbarer Unfallfolgen infolge der Durchführung der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung bzw. der diagnostischen Untersuchungen zur Aufklärung des Sachverhaltes im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB VII kommt es allerdings nicht darauf an, dass die Heilbehandlung von der Beklagten ausdrücklich angeordnet wurde. Sie muss darüber hinaus auch nicht objektiv zur Behandlung der unmittelbaren Unfallfolgen notwendig sein. Vielmehr reicht es, wenn der Versicherte, der einen Arbeitsunfall erlitten hat, der Auffassung sein konnte, dass die Heilbehandlung, zu deren Durchführung er sich begeben hat, geeignet ist, die von dem Versicherungsfall herrührenden Gesundheitsstörungen zu bessern oder zu beseitigen (G. Wagner in: jurisPK-SGB VII, Stand 1. Januar 2009, § 11 SGB VII, Rn. 22). Hieran anknüpfend schließt sich der Senat der Rechtsprechung des BSG an, wonach die Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs zwischen dem ersten Unfall und einem Folgeunfall- bzw. Gesundheitsschaden bei der Durchführung der Heilbehandlung rechtlich in gleicher Weise zu treffen ist wie die Beurteilung der haftungsbegründenden Kausalität zwischen einem Unfall und einer versicherten Tätigkeit. Auch hierbei genügt es, dass der Verletzte, der einen Arbeitsunfall erlitten hat, von seinem Standpunkt aus der Auffassung sein konnte, dass die Heilbehandlung, zu deren Durchführung er sich begeben hat, geeignet ist, der Beseitigung oder Besserung von durch den Arbeitsunfall verursachten Gesundheitsstörungen zu dienen. Danach kommt es sowohl bei der Durchführung einer zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII) als auch bei der Durchführung einer Heilbehandlung (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) nicht zwingend darauf an, ob ein Versicherungsfall "objektiv" vorlag oder ein Heilbehandlungsanspruch "wirklich" nach materiellem Recht bestand. Erforderlich ist vielmehr, dass der Träger die Maßnahmen gegenüber dem Versicherten in der Annahme des Vorliegens oder der Aufklärungsbedürftigkeit des Sachverhalts eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne veranlasst hat. Für die Frage, ob eine derartige Durchführung einer gegenüber dem Versicherten angeordneten Maßnahme vorliegt, an der er grundsätzlich pflichtig teilnehmen muss, kommt es entscheidend darauf an, ob der Träger oder seine Leistungserbringer dem Versicherten den Eindruck vermittelt haben, es solle eine solche Maßnahme des Unfallversicherungsträgers durchgeführt werden, an der er teilzunehmen habe. Hierzu reicht es aus, wenn der Träger oder seine Leistungserbringer aus Sicht des Versicherten den Anschein gesetzt haben, dass eine solche unfallversicherungsrechtliche Maßnahme durchgeführt werden soll. Dies ist zu bejahen, wenn ein an Treu und Glauben orientierter Versicherter an der Stelle des konkret Betroffenen die Erklärungen und Verhaltensweisen der auf Seiten des Trägers tätig gewordenen Personen als Aufforderung zur Teilnahme an einer vom Unfallversicherungsträger gewollten Maßnahme verstehen durfte. Leistungserbringer für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung sind in diesem Zusammenhang insbesondere die Durchgangsärzte. Soweit ein Durchgangsarzt zur Feststellung von Art und Ausmaß der Gesundheitsstörungen eines Unfallereignisses eine weitere Untersuchung anordnet, ist dies jedenfalls eine Anordnung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII. Soweit er selbst zur Behandlung einer von ihm als unfallbedingt eingeschätzten Gesundheitsbeeinträchtigung ohne weiteren Kontakt mit dem Unfallversicherungsträger tätig wird, handelt es sich regelmäßig um die Durchführung einer Heilbehandlung gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII soweit der Durchgangsarzt als solcher tätig wird und kein ausdrücklicher Verweis auf die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt. Ein Zurechnungstatbestand nach § 11 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB VII, kann folglich bereits dann erfüllt sein, wenn der Leistungsträger oder der insofern ihm rechtlich zuzuordnende Durchgangsarzt bei seinem Handeln den objektivierbaren Anschein oder auch den Rechtsschein gesetzt hat, dass die Behandlung oder Untersuchung zur berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder zur Untersuchung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls (einschließlich einer Unfallfolge) angeordnet werde. Das ist stets der Fall, wenn ein vernünftiger, "billig und gerecht" denkender Versicherter aufgrund des Verhaltens des Unfallversicherungsträgers (bzw. seiner Organe) und der Durchgangsärzte davon ausgehen durfte, er sei aufgefordert oder ihn treffe die Obliegenheit gemäß §§ 62, 63 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I), an der Maßnahme mitzuwirken (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011, Az. B 2 U 17/10 R sowie noch zur Vorgängerregelung des § 555 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung: Urteil vom 24. Juni 1981, Az: 2 RU 87/80).

Vorliegend ist für den Kläger die erst rückwirkend durch den angefochtenen Bescheid vom 27. September 2002 erfolgte Abgrenzung einerseits der Ursachenbeiträge von verletzungsbedingten Unfallfolgen am Kniegelenk und andererseits seiner degenerativen Vorschäden und deren unterschiedliche Bedeutung für die aufgetretenen Komplikationen sowie die außergewöhnlich lange und wechselvolle Behandlung zumindest bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Gerichtsverfahrens nicht erkennbar gewesen. Ausweislich der in der Verwaltungsakte der Beklagten befindlichen Rechnungen wurden sämtliche Operationen und Heilbehandlungsmaßnahmen bezüglich des linken Kniegelenkes des Klägers zumindest bis zum Abschluss der Behandlung des postarthroskopischen Kniegelenksemphysems im November 1999 als berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung zulasten und im Auftrag der Beklagten durchgeführt, wobei dies überwiegend durch Durchgangsärzte erfolgte. Entsprechend wurde dem Kläger bis zum Erlass des ablehnenden Bescheides von der Beklagten auch Verletztengeld und darüber hinaus sogar Vorschüsse auf die zu erwartende Verletztenrente gewährt. Für einen vernünftigen, billig und gerecht denkenden Versicherten in der Situation des Klägers musste damit zwangsläufig der Eindruck entstehen, dass sämtliche Maßnahmen zur Behandlung und Untersuchung der Schäden am linken Kniegelenk zumindest bis Ende 1999 und damit weit nach Beginn der depressiven Erkrankung auf Veranlassung bzw. im Verantwortungsbereich der Beklagten erfolgten. Nach den vorliegenden Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet kann zudem davon ausgegangen werden, dass die (von der Beklagten so bezeichnete) Odyssee des Klägers durch vielfältige Diagnosen und Behandlungsansätze auf orthopädisch-chirurgischem, neurologischem und neurochirurgischen Gebiet insbesondere deshalb wesentlich zu dessen psychischer Erkrankung geführt hat, da für ihn der Arbeitsunfall der Anfangspunkt und die Ursache der vielfältigen Komplikationen darstellte. Auch wenn die Behandlung der Erkrankung des Klägers im linken Kniegelenk dann im weiteren Verlauf rückwirkend betrachtet allein durch die Folgen der degenerativen Vorschädigungen bedingt war, wurde diese vom Kläger aufgrund der vorgenannten Gesichtspunkte stets mit dem Unfallereignis in Verbindung gebracht.

Die depressive Erkrankung des Klägers ist daher infolge des für den Kläger psychisch belastenden Verlaufs der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung aufgetreten und steht mit dieser nach den vorliegenden Gutachten zweifelsfrei zumindest im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung vorbestehender psychischer Erkrankungen in einem kausalen Zusammenhang. Es handelt sich hierbei im Ergebnis um einen mittelbaren Folgeschaden infolge der berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung, der als solcher rechtlich wesentlich auf den ursprünglichen Arbeitsunfall zurückzuführen ist. Nach den vorstehenden Ausführungen kommt es dabei nicht darauf an, ob die Heilbehandlung der Schäden des linken Kniegelenkes des Klägers auf chirurgischem Gebiet nachträglich als Fehlbehandlungen beurteilt werden müssen, so dass der Senat auch aufgrund des zweiten, hilfsweise gestellten Beweisantrags der Beklagten nicht veranlasst war, weitere Ermittlungen durchzuführen.

Hinsichtlich der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit besteht keine Veranlassung, von der übereinstimmenden Einschätzung der Sachverständigen Dr. TY. und Dr. A. und dem hiermit in Einklang stehenden Urteil des Sozialgerichts Gießen abzuweichen. Die insoweit in der unfallmedizinischen Literatur gültigen Richtwerte sehen bei depressiven Episoden (Diagnosenschlüssel ICD-10 F 32 und F 33) mit Beeinträchtigungen entsprechen dem Schweregrad einer mittelgradigen depressiven Episode eine MdE von 20 % bis 40 % vor, so dass der von den Sachverständigen Dr. TY. und Dr. A. übereinstimmend angesetzte Wert von 30 % keinen Bedenken begegnet.

Der Beginn des Rentenanspruchs wurde vom Sozialgericht allerdings nicht nachvollziehbar mit dem 19. Juli 1997 festgelegt. Nach § 56 Abs. 1 SGB VII beginnt der Anspruch auf Verletztenrente frühestens ab der 27. Woche nach dem Arbeitsunfall, da Anspruchsvoraussetzung ist, dass eine MdE in rentenberechtigendem Umfang über die 26. Woche nach dem Unfall hinaus besteht. Nach § 72 Abs. 1 SGB VII setzt der Rentenbeginn weiterhin das Ende des Anspruchs auf Verletztengeld voraus. Die 26. Woche nach dem Versicherungsfall endete hier am 15. Juli 1997. Im Bescheid vom 24. September 2002 wurde von der Beklagten die stationäre Heilbehandlung zur Kniegelenksspiegelung bis zum 18. Juli 1997 als unfallbedingt anerkannt mit der Folge der Gewährung von Verletztengeldzahlungen bis zu diesem Zeitpunkt. Das Bestehen der vorliegend zum Rentenanspruch führenden Verletztenrente lässt sich vorliegend allerdings erst ab März 1998 belegen, da sich der Kläger ab diesem Zeitpunkt bei der Diplom-Psychologin G. bzw. ab dem Folgemonat bei dem Psychiater Dr. J. nachweisbar wegen der depressiven Erkrankung in Behandlung befand. Für den Zeitraum zwischen dem 19. Juli 1997 und März 1998 lässt sich aus den aktenkundigen medizinischen Unterlagen und Gutachten hingegen weder eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit noch eine unfallbedingte MdE belegen.

Die Kostenentscheidung folgt der Entscheidung zur Hauptsache. Angesichts des geringen Grades des Obsiegens der Beklagten im Berufungsverfahren bestand keine Veranlassung, dem Kläger insoweit Kosten aufzuerlegen bzw. die Beklagte aufgrund der überwiegend erfolgten Abweisung der Berufung von der Verpflichtung zur Übernahme der Kosten des Klägers zu befreien. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens ist die Kostenentscheidung des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil nicht zu beanstanden.

Die Revision war aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung insbesondere im Hinblick auf die höchstrichterlich noch nicht geklärte Frage der Anknüpfung psychischer Unfallfolgen an die objektiv nicht gebotene berufsgenossenschaftliche Heilbehandlung zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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