Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 10 AS 87/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 18.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2009 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin erstattet dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die ungekürzte Auszahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Antragsteller bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 21.02.2007 senkte die Antragsgegnerin die dem Kläger bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes um monatlich 30% der Regelleistung für den Zeitraum vom 01.03.2007 bis zum 31.05.2007 mit der Begründung ab, dass der Antragsteller ohne Grund eine Tätigkeit bei der Firma F I aufgegeben habe.
Mit Bescheid vom 10.01.2008 wurden die Leistungen für den Zeitraum vom 01.02.2008 bis zum 30.04.2008 um 60% der Regelleistung abgesenkt, da der Antragsteller eine ihm zumutbare Tätigkeit nicht aufgenommen habe.
Mit Bescheid vom 18.03.2008 sprach die Antragsgegnerin eine weitere Sanktion aus, da der Antragsteller seinen in der Eingliederungsvereinbarung vom 21.11.2007 festgelegten Pflichten nicht nachgekommen sei. Die Leistungen wurden für den Zeitraum vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 um 30 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung abgesenkt.
Unter dem 18.02.2008 nahm der Antragsteller eine Tätigkeit bei der Firma N N T auf. Am 22.08.2008 kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos. Hierauf senkte die Antragsgegnerin mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 18.02.2009 das Arbeitslosengeld II des Klägers für den Zeitraum vom 01.03.2009 bis zum 31.05.2009 um 100%. Der Antragsteller sei wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen. Er habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen seine Tätigkeit bei der Firma G N ohne wichtigen Grund am 22.08.2008 aufgegeben.
Hiergegen erhob der Antragsteller unter dem 24.02.2009 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Antragsteller sei am 21.08.2008 über die Rechtsfolgen einer etwaigen Eigenkündigung belehrt worden. Soweit der Antragsteller geltend mache, dass es aufgrund von Kommunikationsschwierigkeiten zu Fehlern bei der Ausführung der Arbeit gekommen sei und er das Arbeitsverhältnis aus Angst vor weiteren Fehlern gelöst habe, könne dies keinen wichtigen Grund für die Aufgabe seiner Beschäftigung begründen. Ferner sei die Sanktion auch zeitnah ausgesprochen worden. Der Sanktionssachverhalt sei erst unter dem 29.09.2008 vollständig bekannt gewesen und die Sanktion nach 4 1/2 Monaten am 18.02.2009 ausgesprochen worden.
Unter dem 13.03.2009 hat der Antragsteller um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der noch zu erhebenden Klage im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Der Sanktionsbescheid vom 18.02.2009 sei offensichtlich rechtswidrig. Er sei bereits nicht ausreichend bestimmt. So nehme der Sanktionsbescheid auf lediglich eine vorangegangene Pflichtverletzung vom 21.11.2007, der Widerspruchsbescheid dagegen auf zwei vorangegangene Pflichtverletzungen Bezug. Schließlich sei der Sanktionsbescheid aber auch zu spät erlassen worden. Ungeschriebene Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Sanktion sei es, dass sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Bekanntwerden des Sanktionssachverhaltes erfolgt. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang sei nicht mehr gegeben, wenn die Sanktion mehr als drei Monate nach dem Bekanntwerden des Sachverhaltes ausgesprochen wird. Zwischen dem sanktionierten angeblichen Pflichtverstoß vom 22.08.2008 und dem Erlass des Sanktionsbescheides vom 18.02.2009 liege ein deutlich größerer Zeitraum als drei Monate.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin vom 18.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2009 anzuordnen.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei bereits unzulässig, da noch keine Klage erhoben worden sei. Schließlich sei der Sanktionsbescheid vom 18.02.2009 nicht offenbar rechtswidrig. Es werde insoweit auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen.
Am 19.02.2009 hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 18.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2009 erhoben.
Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage wie hier gem. § 39 Nr.1 SGB II keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Für die Entscheidung über die Anordnung der vom Gesetzes wegen entfallenen aufschiebenden Wirkung bedarf es einer Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das Aussetzungsinteresse des Betroffenen gegeneinander abzuwägen sind; dabei sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs in den Blick zu nehmen. Danach kann die aufschiebende angeordnet werden, wenn in der Hauptsache das Rechtsbehelf offensichtlich begründet ist. Auch wenn wegen § 39 Nr. 1 SGB II im Regelfall der durch den Verwaltungsakt Betroffene das Vollzugsrisiko zu tragen hat, besteht in einem derartigen Fall grundsätzlich kein öffentliches Interesse am Sofortvollzug eines aller Voraussicht nach aufzuhebenden Verwaltungsaktes. Dies gilt auch bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes, wenn also der Erfolg lediglich wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.2007 - L 13 AS 4160/06 ER- B; LSG NRW, Beschluss vom 14.12.2006 L 9 B 153/06AS ER).
Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Es spricht mehr gegen als für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Sanktionsbescheids.
Die Voraussetzungen für eine Minderung des Arbeitsosengeldes II um 100% dürften nicht vorliegen. Gem. § 31 Absatz 3 i.V.m. Absatz 1 Nr.1c i.V.m. Absatz 6 SGB II wird das Arbeitslosengeld II im Falle einer weiteren als der ersten wiederholten Pflichtverletzung um 100 vom Hundert gemindert, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, eine mit einem Beschäftigungszuschuss nach § 16a geförderte Arbeit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Nach § 31 Absatz 1 Satz 2 SGB II gilt dies nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
1. Ungeachtet der Frage, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 31 SGB II erfüllt sind, dürfte der Sanktionsbescheid bereits nicht mehr in einem hinreichend engen zeitlichen Zusammenhang zur begangenen Pflichtverletzung ergangen sein. Zwar knüpft § 31 Absatz 6 Satz 1 SGB II Absenkung und Wegfall des Leistungsanspruchs lediglich an den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des feststellenden Verwaltungsaktes. Dies eröffnet dem Leistungsträger jedoch keine freie Wahl des Sanktionszeitraumes, sondern setzt als ungeschriebene Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Kenntniserlangung von der Pflichtverletzung und dem Erlass des Sanktionsbescheides voraus. Diese zeitliche Nähe stellt sicher, dass der mit der Sanktion auch verfolgte Zweck der Verhaltenssteuerung des Sanktionierten erreicht wird und verhindert zugleich, dass die Behörde Sanktionssachverhalte "aufsparen" kann und sie erst zu einem späteren Zeitpunkt, beispielsweise im Zusammenhang mit einer erneuten Pflichtverletzung, zum Anknüpfungspunkt für eine Sanktion macht (vgl. VG Bremen, Urteil vom 18.02.2008, Az.: S 8 K 691/06; SG Hamburg, Urteil vom 09.11.2007, Az. S 62 AS 1701/06; SG Berlin, Beschluss vom 12.01.2006, Az. S 37 AS 11525/05 ER). Zwar ist dem Leistungsträger eine gewisse Frist für die Reaktion auf einen bekannt gewordenen Sanktionssachverhalt einzuräumen; dies erfordert bereits die Notwendigkeit der verwaltungstechnischen Umsetzung einer festzustellenden Absenkung. Der erforderliche zeitliche Zusammenhang dürfte jedoch jedenfalls nach Ablauf von drei Monaten seit Bekanntwerden des Absenkungs- oder Wegfallgrundes fehlen, wobei Ausnahmefälle, etwa bei aufwendigen Ermittlungen oder Verzögerungen, die der Hilfeempfänger zu vertreten hat, denkbar sind (vgl. VG Bremen, Urteil vom 18.02.2008, Az.: S 8 K 691/06; SG Hamburg, Urteil vom 09.11.2007, Az. S 62 AS 1701/06).
Die Antragsgegnerin hat den Sanktionsbescheid erst 4 1/2 Monate nach vollständigem Bekanntwerden des Sanktionssachverhaltes ausgesprochen. Eine Ausnahmesituation, die ein Abweichen von der vorbezeichneten für angemessen gehaltenen Frist von drei Monaten rechtfertigen würde ist nicht ersichtlich.
2. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass ebenfalls erhebliche Zweifel an dem Vorliegen einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung i.S.v. § 31 Absatz 3 Satz 2 SGB II bestehen. Mit dem vorangegangenen Sanktionsbescheid vom 18.3.2008 konnte aufgrund von § 31 Absatz 3 Satz 4 SGB II lediglich eine weitere Erstsanktion in Höhe von 30% ausgesprochen werden. Mit dem sich anschließenden angefochtenen Sanktionsbescheid hätte daher wohl allenfalls eine Sanktion in Höhe von 60% verhängt werden können.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Die Antragsgegnerin erstattet dem Antragsteller seine notwendigen außergerichtlichen Kosten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die ungekürzte Auszahlung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Antragsteller bezieht laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II.
Mit Bescheid vom 21.02.2007 senkte die Antragsgegnerin die dem Kläger bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes um monatlich 30% der Regelleistung für den Zeitraum vom 01.03.2007 bis zum 31.05.2007 mit der Begründung ab, dass der Antragsteller ohne Grund eine Tätigkeit bei der Firma F I aufgegeben habe.
Mit Bescheid vom 10.01.2008 wurden die Leistungen für den Zeitraum vom 01.02.2008 bis zum 30.04.2008 um 60% der Regelleistung abgesenkt, da der Antragsteller eine ihm zumutbare Tätigkeit nicht aufgenommen habe.
Mit Bescheid vom 18.03.2008 sprach die Antragsgegnerin eine weitere Sanktion aus, da der Antragsteller seinen in der Eingliederungsvereinbarung vom 21.11.2007 festgelegten Pflichten nicht nachgekommen sei. Die Leistungen wurden für den Zeitraum vom 01.04.2008 bis zum 30.06.2008 um 30 vom Hundert der maßgebenden Regelleistung abgesenkt.
Unter dem 18.02.2008 nahm der Antragsteller eine Tätigkeit bei der Firma N N T auf. Am 22.08.2008 kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos. Hierauf senkte die Antragsgegnerin mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 18.02.2009 das Arbeitslosengeld II des Klägers für den Zeitraum vom 01.03.2009 bis zum 31.05.2009 um 100%. Der Antragsteller sei wiederholt seinen Pflichten nicht nachgekommen. Er habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen seine Tätigkeit bei der Firma G N ohne wichtigen Grund am 22.08.2008 aufgegeben.
Hiergegen erhob der Antragsteller unter dem 24.02.2009 Widerspruch, der mit Widerspruchsbescheid vom 09.03.2009 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Antragsteller sei am 21.08.2008 über die Rechtsfolgen einer etwaigen Eigenkündigung belehrt worden. Soweit der Antragsteller geltend mache, dass es aufgrund von Kommunikationsschwierigkeiten zu Fehlern bei der Ausführung der Arbeit gekommen sei und er das Arbeitsverhältnis aus Angst vor weiteren Fehlern gelöst habe, könne dies keinen wichtigen Grund für die Aufgabe seiner Beschäftigung begründen. Ferner sei die Sanktion auch zeitnah ausgesprochen worden. Der Sanktionssachverhalt sei erst unter dem 29.09.2008 vollständig bekannt gewesen und die Sanktion nach 4 1/2 Monaten am 18.02.2009 ausgesprochen worden.
Unter dem 13.03.2009 hat der Antragsteller um die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der noch zu erhebenden Klage im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Der Sanktionsbescheid vom 18.02.2009 sei offensichtlich rechtswidrig. Er sei bereits nicht ausreichend bestimmt. So nehme der Sanktionsbescheid auf lediglich eine vorangegangene Pflichtverletzung vom 21.11.2007, der Widerspruchsbescheid dagegen auf zwei vorangegangene Pflichtverletzungen Bezug. Schließlich sei der Sanktionsbescheid aber auch zu spät erlassen worden. Ungeschriebene Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Sanktion sei es, dass sie in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Bekanntwerden des Sanktionssachverhaltes erfolgt. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang sei nicht mehr gegeben, wenn die Sanktion mehr als drei Monate nach dem Bekanntwerden des Sachverhaltes ausgesprochen wird. Zwischen dem sanktionierten angeblichen Pflichtverstoß vom 22.08.2008 und dem Erlass des Sanktionsbescheides vom 18.02.2009 liege ein deutlich größerer Zeitraum als drei Monate.
Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Sanktionsbescheid der Antragsgegnerin vom 18.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2009 anzuordnen.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei bereits unzulässig, da noch keine Klage erhoben worden sei. Schließlich sei der Sanktionsbescheid vom 18.02.2009 nicht offenbar rechtswidrig. Es werde insoweit auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides verwiesen.
Am 19.02.2009 hat der Antragsteller Klage gegen den Bescheid vom 18.02.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2009 erhoben.
Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist zulässig und begründet.
Nach § 86b Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage wie hier gem. § 39 Nr.1 SGB II keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Für die Entscheidung über die Anordnung der vom Gesetzes wegen entfallenen aufschiebenden Wirkung bedarf es einer Interessenabwägung, wobei das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das Aussetzungsinteresse des Betroffenen gegeneinander abzuwägen sind; dabei sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacherechtsbehelfs in den Blick zu nehmen. Danach kann die aufschiebende angeordnet werden, wenn in der Hauptsache das Rechtsbehelf offensichtlich begründet ist. Auch wenn wegen § 39 Nr. 1 SGB II im Regelfall der durch den Verwaltungsakt Betroffene das Vollzugsrisiko zu tragen hat, besteht in einem derartigen Fall grundsätzlich kein öffentliches Interesse am Sofortvollzug eines aller Voraussicht nach aufzuhebenden Verwaltungsaktes. Dies gilt auch bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes, wenn also der Erfolg lediglich wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.01.2007 - L 13 AS 4160/06 ER- B; LSG NRW, Beschluss vom 14.12.2006 L 9 B 153/06AS ER).
Das Aussetzungsinteresse des Antragstellers überwiegt das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Es spricht mehr gegen als für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Sanktionsbescheids.
Die Voraussetzungen für eine Minderung des Arbeitsosengeldes II um 100% dürften nicht vorliegen. Gem. § 31 Absatz 3 i.V.m. Absatz 1 Nr.1c i.V.m. Absatz 6 SGB II wird das Arbeitslosengeld II im Falle einer weiteren als der ersten wiederholten Pflichtverletzung um 100 vom Hundert gemindert, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine zumutbare Arbeit, Ausbildung, Arbeitsgelegenheit, eine mit einem Beschäftigungszuschuss nach § 16a geförderte Arbeit, ein zumutbares Angebot nach § 15a oder eine sonstige in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarte Maßnahme aufzunehmen oder fortzuführen. Nach § 31 Absatz 1 Satz 2 SGB II gilt dies nicht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige einen wichtigen Grund für sein Verhalten nachweist.
1. Ungeachtet der Frage, ob die sonstigen Voraussetzungen des § 31 SGB II erfüllt sind, dürfte der Sanktionsbescheid bereits nicht mehr in einem hinreichend engen zeitlichen Zusammenhang zur begangenen Pflichtverletzung ergangen sein. Zwar knüpft § 31 Absatz 6 Satz 1 SGB II Absenkung und Wegfall des Leistungsanspruchs lediglich an den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des feststellenden Verwaltungsaktes. Dies eröffnet dem Leistungsträger jedoch keine freie Wahl des Sanktionszeitraumes, sondern setzt als ungeschriebene Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen Kenntniserlangung von der Pflichtverletzung und dem Erlass des Sanktionsbescheides voraus. Diese zeitliche Nähe stellt sicher, dass der mit der Sanktion auch verfolgte Zweck der Verhaltenssteuerung des Sanktionierten erreicht wird und verhindert zugleich, dass die Behörde Sanktionssachverhalte "aufsparen" kann und sie erst zu einem späteren Zeitpunkt, beispielsweise im Zusammenhang mit einer erneuten Pflichtverletzung, zum Anknüpfungspunkt für eine Sanktion macht (vgl. VG Bremen, Urteil vom 18.02.2008, Az.: S 8 K 691/06; SG Hamburg, Urteil vom 09.11.2007, Az. S 62 AS 1701/06; SG Berlin, Beschluss vom 12.01.2006, Az. S 37 AS 11525/05 ER). Zwar ist dem Leistungsträger eine gewisse Frist für die Reaktion auf einen bekannt gewordenen Sanktionssachverhalt einzuräumen; dies erfordert bereits die Notwendigkeit der verwaltungstechnischen Umsetzung einer festzustellenden Absenkung. Der erforderliche zeitliche Zusammenhang dürfte jedoch jedenfalls nach Ablauf von drei Monaten seit Bekanntwerden des Absenkungs- oder Wegfallgrundes fehlen, wobei Ausnahmefälle, etwa bei aufwendigen Ermittlungen oder Verzögerungen, die der Hilfeempfänger zu vertreten hat, denkbar sind (vgl. VG Bremen, Urteil vom 18.02.2008, Az.: S 8 K 691/06; SG Hamburg, Urteil vom 09.11.2007, Az. S 62 AS 1701/06).
Die Antragsgegnerin hat den Sanktionsbescheid erst 4 1/2 Monate nach vollständigem Bekanntwerden des Sanktionssachverhaltes ausgesprochen. Eine Ausnahmesituation, die ein Abweichen von der vorbezeichneten für angemessen gehaltenen Frist von drei Monaten rechtfertigen würde ist nicht ersichtlich.
2. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass ebenfalls erhebliche Zweifel an dem Vorliegen einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung i.S.v. § 31 Absatz 3 Satz 2 SGB II bestehen. Mit dem vorangegangenen Sanktionsbescheid vom 18.3.2008 konnte aufgrund von § 31 Absatz 3 Satz 4 SGB II lediglich eine weitere Erstsanktion in Höhe von 30% ausgesprochen werden. Mit dem sich anschließenden angefochtenen Sanktionsbescheid hätte daher wohl allenfalls eine Sanktion in Höhe von 60% verhängt werden können.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
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