L 7 SO 194/09

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 22 SO 94/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 SO 194/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. September 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch im Berufungsrechtszug Kosten nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Hilfe zur Pflege geltend, wobei insbesondere streitig ist, ob der Beklagte bei der Entscheidung hierüber das (Einkommen und) Vermögen ihres Ehemanns berücksichtigen durfte.

Die Klägerin ist 1941 geboren, leidet an Morbus Alzheimer sowie einem Korsakow-Syndrom und lebt seit 1. Juni 2007 im Alten- und Pflegeheim "D.", A-Stadt (Heimvertrag vom xx. xxx. 2007). Vor dem Einzug in das Pflegeheim stellte ihr Ehemann und Betreuer am 22. Mai 2007 einen Antrag auf Übernahme der Heimpflegekosten bei dem Beklagten. Auf dessen Bitte reichte er verschiedene Unterlagen zur Einkommens- und Vermögenssituation beider Eheleute zu den Akten. Hinsichtlich des Vermögens gab er Bankguthaben in Höhe von 10.086,74 Euro und 20.782,39 Euro und Wertpapiere im Wert von 17.613,29 Euro an, denen er verschiedene Belastungen (u.a. einen Eigenanteil an den bisher angefallenen Pflegekosten) und Rücklagen (für ein neues Auto, einen neuen Computer und neue Möbel) gegenüberstellte. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellung Leistungsakte Bl. 46 und die zugehörigen Unterlagen Bl. 31-54 verwiesen.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. August 2007 ab, da auf Grund des Vermögens Hilfebedürftigkeit nicht bestehe. Die Klägerin legte durch Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 30. August 2007 Widerspruch ein. Die Eheleute bildeten auf Grund der sehr schweren Erkrankung und Behinderung der Klägerin keine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft mehr. Sie lebten vielmehr getrennt. Das Vermögen ihres Ehemannes könne daher ihre Bedürftigkeit nicht ausschließen. Der Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 6. Juni 2008 zurück. Der räumlich getrennte Aufenthalt eines Ehegatten in einem Heim und auch die Auflösung der Wirtschaftsgemeinschaft seien nur dann geeignet, ein Getrenntleben zu begründen, wenn sich aus den Umständen ergebe, dass mindestens einem der Ehegatten der Wille zur Fortsetzung der Lebensgemeinschaft fehle und er vielmehr den Willen habe, sich von dem anderen Ehegatten auf Dauer zu trennen. Das sei hier nicht zu erkennen.

Die Klägerin hat – nach Zustellung des Widerspruchsbescheides am 11. Juni 2008 – mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 1. Juli 2008, eingegangen bei Gericht am 2. Juli 2008, Klage zum Sozialgericht Darmstadt (SG) erhoben. In ihrem Namen ist geltend gemacht, sie sei nicht mehr in der Lage, sich mit ihrem Ehemann zu verständigen und etwas zu besprechen oder zu entscheiden. Es bestehe daher keine räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Eheleute mehr. Es gebe auch keine Wirtschaftsgemeinschaft, da eine gemeinsame Erledigung der die Ehegatten berührenden Fragen des Zusammenlebens nicht mehr möglich sei. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 24. September 2009 hat der Ehemann der Klägerin u.a. erläutert, er sei bereits seit dem Jahre 2003 Betreuer seiner an Alzheimer erkrankten Ehefrau. Bereits als sie noch in seinem Haushalt gelebt habe, sei sie völlig orientierungslos gewesen. Als er dann selbst erkrankt sei, sei er gezwungen gewesen, sie in Pflege zu geben, was er eigentlich nicht vorgehabt habe. Im Grunde könne man sagen, dass das Einzige, was sie derzeit noch tun könne, atmen sei. "Selbst wenn wir sie drücken oder anfassen, dann ist es schon eine große Reaktion, wenn sie uns nur anschaut; das ist dann schon viel." Den von der Pflegeversicherung nicht gedeckten Rest der Pflegekosten von rund 1.800 Euro im Monat zahle er aus dem Einkommen der Klägerin, seiner Pension sowie aus dem bestehenden Vermögen.

Das SG hat durch Urteil vom 24. September 2009 die Klage in Übereinstimmung mit den Gründen des Widerspruchsbescheides abgewiesen.

Nach Zustellung des Urteils am 13. Oktober 2009 hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte am 13. November 2009 Berufung eingelegt, wobei das Vorbringen aus dem Widerspruchs- und Klageverfahren wiederholt und vertieft worden ist. Die Klägerin habe wegen ihrer progredienten und eine räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft ausschließenden Erkrankung erzwungenermaßen die eheliche Gemeinschaft beendet. Ihr fehle auf Dauer der juristisch nachvollziehbare und beweisbare Wille zur Weiterführung der häuslichen Gemeinschaft. Das SG verlange demgegenüber eine nach außen dokumentierte Willensentscheidung des Ehemannes zur Trennung von ihr. Eine solche Distanzierung vom früheren Ehegatten nach außen dürfte praktisch nur dann erkennbar sein, wenn der Ehepartner den Kontakt abbreche und die Scheidung einreiche. Diese Vorgabe führe zu persönlich wie sozialpolitisch unerwünschten Ergebnissen. Verantwortungsbewusste Menschen hätten so erhebliche finanzielle Nachteile. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25. November 2011 ist für sie weiter vorgetragen worden, (auch) ihr Ehemann wolle sich von ihr trennen. Die Betreuung habe er bislang aus alter Verbundenheit und wegen des gemeinsamen Kindes nicht aufgegeben. Er besuche sie einmal im Monat im Pflegeheim und telefoniere ansonsten mit dem Heim, um zu klären, ob dort alles Notwendige vorhanden sei. Das Vermögen betrage noch rund 15.000 Euro. Die bisherigen Forderungen des Pflegeheims habe ihr Ehemann vollständig beglichen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 24. September 2009 und den Bescheid des Beklagten vom 7. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die Heimpflegekosten der Klägerin ohne Anrechnung des Vermögens des Ehegatten zu übernehmen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und seine Bescheide.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der zur Klägerin geführten Leistungsakte des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Ein Getrenntleben der Eheleute lässt sich entgegen nicht feststellen.

I. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid des Beklagten vom 7. August 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juni 2008, mit dem er den Antrag der Klägerin vom 22. Mai 2007 auf Leistungen der Sozialhilfe – konkret der Hilfe zur Pflege nach § 61 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe – abgelehnt hat. Da es sich um eine vollständige Ablehnung der begehrten Leistungen handelte, ist der gesamte Zeitraum ab Antragstellung und Entstehung der Kosten bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat streitig.

II. Die Berufung ist zulässig. Insbesondere kann davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ordnungsgemäß vertreten ist. Ausweislich des aktuellen Betreuerausweises vom 11. Dezember 2009 umfasst die Betreuerstellung ihres Ehemannes die Wahrnehmung aller Angelegenheiten der Klägerin; seine Vertretungsbefugnis im hiesigen Verfahren ergibt sich auf dieser Grundlage aus § 1902 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). In der Sache ist nicht ersichtlich, dass dessen Einleitung im konkreten Fall nicht von der Vertretungsmacht umfasst sein könnte. Zwar erscheint es nicht als selbstverständlich, dass es dem Wohl der Klägerin – das für die Ausübung des Betreueramtes maßgeblich ist (§ 1901 Abs. 2 S. 1 BGB) – entspricht, wenn in ihrem Namen geltend gemacht wird, die eheliche Gemeinschaft sei beendet. Aber zum einen führen entsprechende Bedenken ähnlich wie das Übergehen von Wünschen des Betreuten regelmäßig nicht zu einer Begrenzung der Vertretungsmacht im Außenverhältnis (vgl. Bieg in jurisPK-BGB Bd. 4, 5. Aufl. 2010, § 1902 Rdnr. 6). Zum anderen würde ein Erfolg im hiesigen Verfahren dazu führen, dass die Klägerin Leistungen des Beklagten erhält. Insofern kann von einem erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht nicht ausgegangen werden. Eine Beschränkung der Vertretungsmacht wegen eines Gegensatzes zwischen dem Interesse der Betreuten und des Betreuers (§ 1908i Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. § 1796 BGB) setzt eine entsprechende Entscheidung des nach § 23a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 Gerichtsverfassungsgesetz zuständigen Betreuungsgerichts voraus, die hier nicht vorliegt.

III. Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil eine Bedürftigkeit der Klägerin nicht ersichtlich ist.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Sozialhilfeleistungen unter Außerachtlassung des (Einkommens und) Vermögens ihres Ehemannes.

Hilfe in besonderen Lebenslagen wie die Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des SGB XII wird geleistet, soweit der Leistungsberechtigten oder (u.a.) ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII nicht zuzumuten ist (§ 19 Abs. 3 SGB XII). Einkommen und Vermögen des Ehemannes könnten daher nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Ehepartner getrennt lebten.

Davon kann unter den gegebenen Umständen nach Auffassung des Senats nicht ausgegangen werden (vgl. zum Folgenden bereits Senat, 29.07.2008 – L 7 SO 133/07 ER). Der Senat hat damals im Wesentlichen ausgeführt, sowohl die familienrechtliche Rechtsprechung zu § 1567 Abs. 1 BGB (BGH, 20.12.1951 – IV ZR 24/51NJW 1952, 543; OLG Hamm, 12.06.1989 – 4 UF 221/88FamRZ 1990, 166) als auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung zur entsprechenden Regelung nach dem Bundessozialhilfegesetz (grundlegend: BVerwG, 26.1.1995 – 5 C 8/93BVerwGE 97, 344; dem folgend: LSG NRW, 28.6.2007 – L 20 B 37/07 SO ER – FEVS 59, 42) ließen es für die Annahme eines Getrenntlebens nicht genügen, dass objektiv keine häusliche Gemeinschaft (mehr) bestehe. Vielmehr sei insbesondere in Konstellationen, in denen diese durch äußeren Zwang aufgehoben werde, erforderlich, dass einem Partner der Wille fehle, die häusliche Gemeinschaft – wieder – herzustellen. Jedenfalls für den sozialhilferechtlichen Begriff des Getrenntlebens, der im Rahmen des § 19 SGB XII den Nachrang der Sozialhilfe gegenüber einsetzbarem Einkommen und Vermögen des Ehepartners abgrenzen solle, schließe das den Willen ein, die Lebensgemeinschaft, d.h. die Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft, mit dem Ehepartner aufzugeben; dieser Trennungswille müsse nach außen erkennbar sein (BVerwG, 26.01.1995, a.a.O.; LSG NRW, a.a.O.; vgl. außerdem zu § 1567 Abs. 1 BGB Ey in MK-BGB, 5. Aufl. 2010, § 1567 Rdnr. 39 ff. m.w.Nw. und zur entsprechenden Problematik im Rahmen von § 7 Abs. 3 Nr. 3 Bst. a SGB II ausfl. BSG, 18.02.2010 – B 4 AS 49/09 – bei einem freiwillig gewählten Ehemodell mit räumlicher Trennung, allerdings unter Verweis auf die Rspr. zu einer durch einen Heimaufenthalt bedingten Trennung; außerdem Bay. LSG, 12.04.2010 – L 8 AS 136/10 B ER).

An dieser Rechtsprechung ist auch in Kenntnis der von der Klägerin angeführten Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz (27.01.2005 – L 1 AL 156/04) festzuhalten (vgl. in Übereinstimmung mit der zitierten Entscheidung des Senats z.B. auch Coseriu in jurisPK-SGB XII, § 19 SGB XII Rdnr. 14 ff. und kürzlich LSG SH, 29.06.2011 – L 9 SO 25/09). Entgegen der dort und von der Klägerin vertretenen Auffassung führt nicht bereits die (krankheitsbedingte) dauerhafte Unfähigkeit, einen Willen zur Fortführung der Gemeinschaft zu fassen und zu realisieren, sondern erst der aktive Wille, die eheliche Gemeinschaft aufzugeben, zu einem Getrenntleben. Die gegenteilige Annahme würde nicht nur der Konzeption der Ehe als lebenslanger Verantwortungsgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 S. 1 und S. 2 HS. 2 BGB) widersprechen, sondern auch Eheleuten, die dies gar nicht geltend machen wollen, auf Grund einer Erkrankung faktisch eine Trennung aufzwingen. In diesem Zusammenhang ist zu dem Argument des Klägers, verantwortungsbewusste Personen hätten erhebliche finanzielle Nachteile, wenn man der Auffassung des SG folge, darauf hinzuweisen, dass sich Verantwortungsbewusstsein nach der bürgerlich-rechtlichen Konzeption der Ehe (auch) in der Bereitschaft zeigt, finanziell füreinander einzustehen. Dabei mag sogar dahinstehen, dass eine "automatische" Trennung auf Grund krankheitsbedingter Unfähigkeit zur Fortführung der häuslichen Gemeinschaft und zur Willensbildung in vielen Fällen durchaus auch den finanziellen (etwa steuer- oder unterhaltsrechtlichen) Dispositionen von Eheleuten widersprechen könnte.

Allein die Unterbringung im Pflegeheim führt damit nicht zum Getrenntleben. Auch lässt sich dies nicht aus der Erkrankung der Klägerin ableiten, auch wenn sie tatsächlich nicht mehr zu einem Zusammenleben mit ihrem Ehemann in der Lage ist. Umgekehrt kann ihr aber auch der Wille, die Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft aufzugeben, (gerade wegen ihrer Erkrankung) nicht zugeschrieben werden.

Zu einer Trennung könnte es daher nur kommen, wenn der Ehemann der Klägerin die Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft mit ihr aufgeben würde. Den entsprechenden Willen hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Verfahren erstmals geltend gemacht. Allerdings ist dieser Wille bislang in keiner Weise nach außen dokumentiert, was aber – wie bereits erläutert – notwendige Voraussetzung des Getrenntlebens ist. Der Ehemann der Klägerin ist nach seinen eigenen Angaben weiterhin ihr Betreuer, besucht sie und kümmert sich um ihre Belange im Pflegeheim. Auch die Einlassung in der mündlichen Verhandlung vor dem SG zeigte die Bereitschaft des Ehemannes, sich um die Klägerin zu kümmern, und letztlich auch seine fortbestehende Verbundenheit mit ihr, wenn er die Wertschätzung schon kleiner Reaktionen von ihr zum Ausdruck bringt. Ungeachtet der Frage, ob der nunmehr erstmals behauptete Trennungswille des Ehemannes tatsächlich besteht, sind jedenfalls keine Umstände vorgetragen oder sonst ersichtlich, die diesen nach außen dokumentieren würden.

Nur ergänzend ist danach darauf hinzuweisen, dass die behauptete (weitgehende) Zuordnung des vorhandenen Vermögens allein zum Ehemann keinesfalls als belegt angesehen werden kann. Bei dem Giro- und dem Sparkonto mit einem Guthaben von zusammen gut 30.000 Euro bei Antragstellung und nunmehr rund 15.000 Euro handelt es sich nach den vorliegenden Unterlagen vielmehr um Oder-Konten des Klägers und seiner Ehefrau. Wegen der Anrechenbarkeit des Vermögens auch des Ehemannes mag dies letztlich dahinstehen und zeigt nur, dass die vom Ehemann der Klägerin erkennbar erhoffte finanzielle Besserstellung durch die Annahme eines Getrenntlebens der Eheleute keineswegs selbstverständlich ist.

2. Ein Anspruch könnte sich danach nur ergeben, wenn das Vermögen der Klägerin und ihres Ehemannes unter den sich aus §§ 19 Abs. 3 i.V.m. 88 ff. SGB XII ergebenden Freigrenzen läge. Auch das ist – jedenfalls bislang – nicht der Fall.

Der Vermögenseinsatz ist zunächst nicht nach § 92 Abs. 2 SGB XII begrenzt, da die Klägerin nicht Leistungen der Eingliederungshilfe im Sinne von § 53 ff. SGB XII geltend macht. Streitig sind vielmehr Hilfen zur Pflege in Form der Übernahme von Heimpflegekosten, also der Kosten für stationäre Pflege, nach §§ 61 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 letzte Alternative, Abs. 2 S. 2 i.V.m. 28 Abs. 1 Nr. 8, 43 SGB XI. Die Leistungen, die die Klägerin im Alten- und Pflegeheim erhält, zielen nämlich nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie darauf, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern (§ 53 Abs. 1 und 3 SGB XII), sondern darauf, den auf die Erkrankung und Behinderung der Klägerin zurückgehenden Hilfebedarf bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens sicherzustellen (zur Abgrenzung vgl. Meusinger in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl. 2009, vor § 53 Rdnr. 31 und Lachwitz in Fichtner/Wenzel, a.a.O., § 61 Rdnr. 186 sowie Krahmer in LPK-SGB XII, 8. Aufl. 2008, vor §§ 61 ff. Rdnr. 11); zudem wird in der stationären Einrichtung der Lebensunterhalt erbracht. Das ist unstreitig und wird im Übrigen aus dem Heimvertrag deutlich.

Auch eine Pflicht des Soziahilfeträgers zu zunächst umfassender Hilfe und anschließender Heranziehung zu einem Kostenbeitrag nach § 92 Abs. 1 SGB XII besteht nicht. Die Vorschrift greift jedenfalls deswegen nicht ein, weil die Klägerin und ihre Angehörigen bislang die vollen Kosten tatsächlich selbst zahlen bzw. ihnen zuzumuten ist, sie in voller Höhe zu tragen (vgl. dazu Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, a.a.O., § 92 Rdnr. 4; Wolf in Fichtner/Wenzel, a.a.O., § 92 Rdnr. 2).

§ 92a SGB XII schließlich, der auf Grund des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (vom 02.12.2006, BGBl I, S. 2670) seit dem 7. Dezember 2006 an die Stelle von § 82 Abs. 4 SGB XII getreten ist und im Vergleich zu den allgemeinen Regeln eine finanzielle Privilegierung bei der Leistungserbringung an Personen in einer (teil )stationären Einrichtung vorsieht, schützt nur das Einkommen in weitergehendem Umfang als üblich; die Anrechnung von Vermögen richtet sich dagegen nach allgemeinen Regeln (Brühl/Schoch in LPK-SGB XII, a.a.O., § 92a Rdnr. 2).

Danach war die Klägerin im streitigen Zeitraum von der Antragstellung bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht hilfebedürftig. Ihr Ehemann hat im Rahmen der Antragstellung Vermögen in Höhe von 48.500,39 Euro angegeben. Nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung hat sich dieses Vermögen zwar zwischenzeitlich erheblich vermindert. Ein Betrag von rund 15.000 Euro, verteilt auf das Giro- und das Cash- bzw. Sparkonto, sei aber weiterhin vorhanden.

Das Vorliegen von Verschonungstatbeständen aus § 90 Abs. 2 SGB XII – abgesehen von dem Freibetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII in Höhe von 3.214,00 Euro für die Klägerin und ihren Ehemann – ist weder substantiiert behauptet worden noch sonst erkennbar. In der Vermögenszusammenstellung des Ehemannes vom 11. Juni 2007 hatte er zwar eine Belastung mit einem Eigenanteil an den Pflegekosten für die Zeit von Dezember 2003 bis Mai 2007 in Höhe von 36.101,89 Euro angegeben. Es war aber bereits damals nicht ersichtlich (und nicht belegt), dass es sich dabei um offene Schulden handeln könnte. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat er in diesem Zusammenhang im Übrigen angegeben, die bisherigen Forderungen des Pflegeheims seien vollständig beglichen und sich auf offene Schulden aus vorangegangenen Zeiten nicht berufen. Weiter hat er bei der Antragstellung darauf verwiesen, bei zwei in das Vermögen eingegangenen Zahlungen – von 12.345,91 Euro bzw. 3.456,72 Euro – handele es sich um Nachzahlungen des Sozialamts E ... Ein Grund, diese Beträge (dauerhaft) unberücksichtigt zu lassen, ergibt sich daraus jedoch nicht. Die behaupteten Rücklagen für den Kauf eines neuen Autos, neuer Einrichtungsgegenstände und eines neuen Computers in Höhe von insgesamt 41.400,00 Euro lassen sich unter einen Verschonungstatbestand aus § 90 Abs. 2 SGB XII nicht subsumieren. Gleiches gilt für die Position "Sterbegeld und Altersvorsorge" in Höhe von 17.631,29 Euro, nachdem die Voraussetzungen einer zusätzlichen Altersvorsorge im Sinne von § 10a oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes und eine staatliche Förderung nicht behauptet und angesichts des Umstandes, dass es sich um Gelder auf Giro- bzw. Sparkonten handelt, auch sonst nicht ersichtlich sind.

Ebenso wenig sind Gründe vorgetragen oder sonst ersichtlich, die dafür sprechen könnten, dass die Verwertung des Vermögens bis zum gegenwärtigen Stand eine besondere Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII darstellen würde. Nach § 90 Abs. 3 S. 2 SGB XII wäre dies (u.a.) bei der Hilfe zur Pflege insbesondere der Fall, soweit eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Letzteres ist angesichts der Versorgungsbezüge des Ehemannes der Klägerin von über 2.200 Euro monatlich bei der Antragstellung und über 2.400 Euro monatlich heute nicht zu besorgen. Auch im Hinblick auf den Schutz einer angemessenen Lebensführung ist die behauptete und – außer im Hinblick auf das Alter nicht näher substantiierte – Notwendigkeit, Ersatz für Auto, Computer und Möbel zu beschaffen, nicht ausreichend, um das Verlangen nach Einsatz des Vermögens jedenfalls bis zu dem derzeit noch vorhandenen Vermögensstand als Härte erscheinen zu lassen. Eine ungerechtfertigte Verschlechterung der bisherigen Lebensverhältnisse ist nicht erkennbar (zu diesem Kriterium Brühl/Geiger in LPK-SGB XII, a.a.O., § 90 Rdnr. 86; außerdem W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. 2006, § 90 Rdnr. 84).

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

V. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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