Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 1 AS 254/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AS 57/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. November 2005 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2005 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis einschließlich 31. Mai 2005 in Höhe von 345,00 EUR monatlich an den Kläger zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung des Bestehens eines Anspruchs des Beigeladenen gegenüber der Beklagten auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und die Auszahlung dieser Leistungen an sich.
Der Beigeladene war vom 15. Oktober 2001 bis zum 31. Mai 2005 im QQ-Haus in A Stadt untergebracht. Die Einrichtung wird vom WW-Zentrum gGmbH betrieben, deren Träger die WX. Werkstätten e.V. und das WW A-Stadt e.V. sind. Der Kläger gewährte dem Beigeladenen für diese Maßnahme Eingliederungshilfeleistungen bis zum 31. Dezember 2004 nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), ab 1.1.2005 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die dem Beigeladenen bis zum 31. Dezember 2004 bewilligte Arbeitslosenhilfe zahlte die Agentur für Arbeit auf seinen Erstattungsantrag an den Kläger aus. Auf seinen Antrag vom 16. September 2004 bewilligte die Beklagte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 in Höhe von monatlich 345,00 EUR. Die Leistung für den Monat Januar 2005 wurde an den Kläger überwiesen. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004, bei der Agentur für Arbeit eingegangen am 27. Dezember 2004, hat der Beigeladene Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2004 erhoben und geltend gemacht, die Kosten für Unterkunft und Heizung seien nicht berücksichtigt worden. Mit Schreiben vom 6. Januar 2005, bei der Beklagten eingegangen am 10. Januar 2005, legte auch der Kläger unter Hinweis auf seine Antragsbefugnis nach § 95 SGB XII Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2004 ein. Mit bei der Beklagten am 4. Februar 2005 eingegangenem Schreiben teilte das WW-Zentrum mit, dass nach vorläufiger Fallprognose davon auszugehen sei, dass der stationäre Aufenthalt des Beigeladenen voraussichtlich länger als sechs Monate dauern werde.
Mit Bescheid vom 15. Februar 2005 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf, da der Beigeladene in einer stationären Einrichtung für länger als sechs Monate untergebracht sei. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 1. März 2005, bei der Beklagten eingegangen am 7. März 2005, Widerspruch ein. Eine Rücknahme komme lediglich nach § 45 SGB X und nur für die Zukunft in Betracht, da sich der Beigeladene für Januar und Februar auf Vertrauensschutz berufen könne. Er habe das Einkommen als Kostenbeitrag zu den von dem Kläger übernommenen Heimkosten einzusetzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2005 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers als unzulässig zurück. Der Kläger sei nicht nach § 95 SGB XII berechtigt, Widerspruch gegen die den Beigeladenen betreffenden Bescheide einzulegen. Nach § 95 SGB XII sei der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe berechtigt, die Feststellung der Sozialleistung zu betreiben sowie Rechtsmittel einzulegen. Erstattungsberechtigt sei der Sozialhilfeträger, wenn feststehe, dass die gewährte Sozialhilfeleistung nachrangig sei. Vorliegend sei der Kläger als überörtlicher Sozialhilfeträger dem Beigeladenen gegenüber allein zur Leistungsgewährung verpflichtet. Ein Nachrangverhältnis gegenüber der Beklagten bestehe nicht. § 7 Abs. 4 SGB II schließe Personen, die voraussichtlich für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht seien, vom Anwendungsbereich des SGB II aus. Für die Beurteilung der voraussichtlichen Dauer der Unterbringung sei daher eine Prognoseentscheidung notwendig. Nach der vom WW-Zentrum getroffenen Prognoseentscheidung werde der stationäre Aufenthalt des Beigeladenen voraussichtlich länger als sechs weitere Monate andauern. Eine Leistungsberechtigung nach dem SGB II sei damit nicht gegeben. Gleichzeitig werde bei Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 7 Abs. 4 SGB II eine Nichterwerbsfähigkeit gesetzlich fingiert. Wer mithin in einer stationären Einrichtung untergebracht sei, sei nicht nur nicht leistungsberechtigt, sondern auch nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II, was zur Folge habe, dass der Ausschluss des Sozialhilfeanspruchs nach § 5 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 SGB XII nicht durchgreife. Es bestehe sodann eine Leistungsberechtigung nach dem SGB XII.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Beigeladenen vom 27. Dezember 2004 gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2004 als unbegründet zurück. Der Beigeladene habe keinen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II, da er leistungsberechtigt nach dem SGB XII sei.
Der Kläger hat am 25. Juli 2005 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben. Er ist der Auffassung, er sei antragsbefugt nach § 95 SGB XII. Er sei erstattungsberechtigt, denn er habe im streitgegenständlichen Zeitraum Eingliederungshilfe geleistet. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2004 habe er seinen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X angemeldet. Der Beigeladene habe einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 SGB II seien nicht gegeben. Die gesetzliche Frist von sechs Monaten sei erst mit In-Kraft-Treten des Gesetzes ab 1. Januar 2005 in Gang gesetzt worden. Die Zukunftsprognose bezüglich des Beigeladenen sei günstig gewesen. Zudem sei dieser zwischenzeitlich am 31. Mai 2005 innerhalb des Sechsmonatszeitraums entlassen worden. Außerdem sei der Beigeladene unstreitig erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II gewesen. Auch aus diesem Grunde müssten für die Zeit ab 1. Januar 2005 SGB II-Leistungen gewährt werden. An der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II ändere auch § 7 Abs. 4 SGB II nichts. § 7 Abs. 4 SGB II sei weder als Ausschlusstatbestand noch als gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit zu verstehen. Die Regelung solle lediglich Indizwirkungen entfalten, dass von einer Erwerbsunfähigkeit auszugehen sei, sofern ein längerer als sechsmonatiger Aufenthalt prognostiziert werde. Vorliegend sei der Beigeladene jedoch eindeutig erwerbsfähig gewesen, was durch seine Entlassung am 31. Mai 2005 bestätigt worden sei. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs. 4 SGB II gehe nicht eindeutig hervor, dass diese Regelung eine gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit mit Ausschlusswirkung darstellen solle. Sollte es sich um einen Ausschlusstatbestand handeln, sei die Norm wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig.
Mit Urteil vom 28. November 2005 hat das Sozialgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger nicht prozessführungsbefugt sei. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 95 SGB XII ein erstattungsberechtigter Sozialhilfeträger Leistungsansprüche im eigenen Namen – im Wege der Prozessstandschaft – geltend machen könne, lägen nicht vor. Der Kläger sei nicht nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gegenüber der Beklagten erstattungsberechtigt. Der Beigeladene habe wegen der Regelung des § 7 Abs. 4 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die von der Beklagten getroffene Prognoseentscheidung aufgrund der Mitteilung des WW-Zentrums vom 4. Februar 2005 sei nicht zu beanstanden. Zum einen sei ihr mitgeteilt worden, dass der stationäre Aufenthalt voraussichtlich länger als sechs Monate dauern werde, zum anderen habe die Beklagte aus dem Umstand, dass sich der Beigeladene bereits seit dem 15. Oktober 2001 in der Einrichtung befunden habe, entnehmen können, dass jedenfalls keine vernünftigen Zweifel an der Prognoseentscheidung bestanden hätten. Es sei daher zu erwarten gewesen, dass der Beigeladene noch einen weiteren Zeitraum von mindestens sechs Monaten in der Einrichtung verweilen würde. Dass der Beigeladene bereits am 31. Mai 2005 entlassen worden sei, habe auf die Prognoseentscheidung keinen Einfluss. Fehle es damit bereits an einer Leistungsberechtigung des Beigeladenen, komme es auf die weitere Frage, ob er überhaupt erwerbsfähig nach § 8 SGB II gewesen sei, nicht mehr an. § 7 Abs. 4 SGB II begegne entgegen der Auffassung des Klägers auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Personen, die nur vorübergehend in einer Einrichtung untergebracht seien, seien nicht von Leistungen des SGB II ausgeschlossen. Dass Personen, die länger als sechs Monate untergebracht seien, auf Leistungen nach dem SGB XII verwiesen würden, unterliege keinen grundlegenden Bedenken. Insbesondere unterscheide sich dieser Personenkreis in der Regel derartig elementar von dem übrigen Personenkreis, dass von einer Ungleichbehandlung nicht die Rede sein könne. Längerfristig Untergebrachte stünden nicht wie Arbeitsuchende bei der Vermittlung in Arbeit zur Verfügung. Eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Grundgesetz (GG) bestehe daher nicht.
Fehle es damit an einer Erstattungsberechtigung, sei die Prozessführungsbefugnis des Klägers zu verneinen. Auf die Frage, ob der ebenfalls angegriffene Rückforderungsbescheid überhaupt auf § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und nicht vielmehr auf § 45 SGB X hätte gestützt werden müssen, komme es mithin nicht mehr an.
Gegen das am 16. Februar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. März 2006 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Auffassung des Sozialgerichts sei unzutreffend. Die Klage sei zulässig und begründet. Der Kläger sei nach § 95 SGB XII prozessführungsbefugt; ihm stehe ein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten nach § 104 Abs.1 Satz 1 SGB X zu. Der Beigeladene habe einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Rechtsfehlerhaft gehe das Sozialgericht davon aus, dass es sich bei § 7 Abs. 4 SGB II um eine verfassungskonforme gesetzliche Nichterwerbsfiktion handele. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei als Stichtag für den Sechsmonatszeitraum der 1. Januar 2005 heranzuziehen. Bereits aus diesem Grunde habe sich der Beigeladene nicht länger als sechs Monate in einer Einrichtung befunden, sodass ein Anspruch zu bejahen sei. Ferner seien die Ausführungen des Sozialgerichts zur Prognoseentscheidung rechtsfehlerhaft. Aus dem Akteninhalt habe nicht geschlossen werden können, dass sich der Beigeladene noch länger als sechs Monate in der Einrichtung befinden werde. Die Mitteilung des WW-Zentrums sei insoweit nicht ausreichend. Gerade aus dem Umstand, dass der Beigeladene willens und in der Lage gewesen sei, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten und sich um eine Arbeitsstelle bemüht habe, habe geschlossen werden können, dass er zeitnah die Einrichtung hätte verlassen können. Außerdem habe sich das Gericht damit auseinandersetzen müssen, ob trotz der negativen Prognose die Entscheidung deshalb zu korrigieren sei, weil noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides bekannt geworden sei, dass der Beigeladene die Einrichtung verlassen habe.
Weiterhin werde vom Kläger noch immer bezweifelt, dass es sich bei § 7 Abs. 4 SGB II tatsächlich um eine gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit handele. Dies werde zwar von einigen erstinstanzlichen Gerichten angenommen und teilweise in der Kommentarliteratur bestätigt, gehe aber nicht eindeutig aus den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs. 4 SGB II hervor. Schließlich sei mit den Hartz IV-Gesetzen beabsichtigt worden, erwerbsfähige Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies sei ein vorrangiges Ziel der Gesetzgebung. Würde man § 7 Abs. 4 SGB II als Ausschlusstatbestand werten, so unterliefe das die gesetzgeberische Gesamtintention. Gehe man - wie das Sozialgericht - von einer gesetzlichen Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit aus, sei § 7 Abs. 4 SGB II unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 14. November 1969 – 1 BvR 4/69 – BVerfGE 27, 220) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig. Bei Anwendung der Kriterien des Bundesverfassungsgerichts sei der Ausschluss der in stationären Einrichtungen untergebrachten Personen vom SGB II-Leistungsbezug verfassungsrechtlich höchst problematisch. Die Formulierung in § 7 Abs. 4 SGB II beziehe sich auf ein Einrichtungsverständnis, wie es dem Sozialrecht zugrunde liege. Ein solches Verständnis erfasse insbesondere stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, in denen gerade Hilfe zur Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes zu leisten seien. In Einrichtungen der Eingliederungshilfe, insbesondere in denen für seelisch Behinderte und Suchtkranke, würden zahlreiche Personen leben, die eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübten und damit nach dem SGB III a. F. leistungsberechtigt gewesen seien. Der Ausschluss dieser Personen von der Anspruchsberechtigung nach dem SGB II sei am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts offensichtlich grundgesetzwidrig. Der Gesetzgeber habe keinen Grund genannt, warum er diesen Personenkreis ausgeschlossen habe. Ein sachlicher Gesichtspunkt für den Ausschluss sei nicht erkennbar, sondern ganz im Gegenteil, es sei erkennbar ungerecht, einen Personenkreis auszuschließen, dessen Erwerbsfähigkeit gerade gefördert werden solle. Unrichtig sei auch die Auffassung des Sozialgerichts, dass die nach §§ 67 ff. SGB XII und §§ 53 ff. SGB XII Anspruchsberechtigten (Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten bzw. seelisch Behinderte und Suchtkranke) keinen Bedarf an SGB II-Förderleistungen hätten. Gerade im Bereich von Maßnahmen nach §§ 67 ff. SGB XII bestehe ein starkes Interesse, wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert zu werden. Die SGB XII-Leistungsträger verfügten weder über Arbeitsgelegenheiten noch über einen entsprechenden Vermittlungspool in diesem Segment. Auch im Bereich Sucht und seelisch Behinderte gehöre die Integration in den ersten Arbeitsmarkt quasi zum Therapiekonzept. Da in diesem Bereich über die Eingliederungshilfe vom Gesetzgeber keine Leistungen vorgesehen seien, werde die Erlangung eines Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt ohne die entsprechende Hilfe des SGB II-Leistungsträgers erschwert. Abgesehen davon werde durch § 7 Abs. 4 SGB II der Vorrang der Grundsicherung für Arbeitsuchende unterlaufen. Eine große Anzahl von Personen aus dem vorgenannten Bereich sei willens und in der Lage, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten und sei daher arbeitsuchend im Sinne des Gesetzes. Außerdem liege entgegen der Auffassung des Gerichts – selbstverständlich eine Ungleichbehandlung vor, da sich auch Alkohol- oder Drogenabhängige häufiger, z. B. in Übergangseinrichtungen (unter sechs Monate) befänden, und dieser Personenkreis einen Anspruch auf SGB II-Leistungen habe, obwohl sich das Persönlichkeitsbild mit dem der Personen, die sich länger als sechs Monate in einer Einrichtung befänden, vergleichen lasse. Es hänge dann im Einzelfall vom Zufall ab, ob man zunächst in eine Übergangseinrichtung komme oder nicht. Hier werde schon innerhalb des Personenkreises der Maßnahmen nach §§ 67 ff. SGB XII bzw. der Suchtkranken oder der seelisch Behinderten ein Unterschied gemacht.
Abgesehen davon müsse auch dann von einer Ungleichbehandlung gesprochen werden, wenn Personen, die Anspruch auf Leistungen nach den §§ 67 ff. SGB XII oder auf Eingliederungshilfe nach dem SGB XII hätten, von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen seien, obwohl sie erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II seien. Denn diese Personen würden im Verhältnis zu anderen Erwerbsfähigen ungleich behandelt. Selbstverständlich würden SGB II-Leistungen nur für solche Personen beansprucht, die ihren Mitwirkungspflichten nachkämen, willens und in der Lage seien, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten und die trotz ihrer Erkrankung dem ersten Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung stünden. Diese Personen seien selbstverständlich mit den "normalen" Arbeitsuchenden vergleichbar. Es gehe gerade nicht darum, erwerbsgeminderte Personen auf SGB II-Leistungen zu verweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. November 2005 aufzuheben, sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2004, soweit durch diesen Leistungen für Unterkunft und Heizung abgelehnt wurden, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kosten der Unterkunft und Heizung des Beigeladenen für die Zeit von Januar bis Mai 2005 zu gewähren, sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit von Februar bis Mai 2005 345,00 EUR monatlich an den Kläger auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung ihres Antrages auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2005 und auf das Urteil des Sozialgerichts Kassel.
Der Beigeladene hat sich im Berufungsverfahren nicht gemeldet und auch keinen Antrag gestellt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Klägers und der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. November 2005 war zu ändern. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2005 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben. Außerdem war die Beklagte zu verurteilen, die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis einschließlich 31. Mai 2005 in Höhe von 345,00 EUR monatlich an den Kläger zu erstatten. Im Übrigen hatte die Berufung keinen Erfolg.
Die Klage ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Kassel zulässig. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers ist nach § 95 Satz 1 SGB XII zu bejahen. Danach kann der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Die Vorschrift ergänzt die der Realisierung des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) dienenden Regelungen, vor allem die Bestimmungen über die Erstattungsansprüche in den §§ 102 bis 105 SGB X. Sie gibt dem Träger der Sozialhilfe die Möglichkeit, anstelle des Leistungsberechtigten die Feststellung von Sozialleistungen zu betreiben und damit vorrangige Ansprüche schneller auszuschöpfen (Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage 2006, § 95 Rdnr. 1). Die Vorschrift entspricht der Regelung des § 91a Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die Feststellung von Sozialleistungen kann der Träger der Sozialhilfe aber nicht isoliert betreiben, sondern nur dann, wenn er erstattungsberechtigt ist. § 95 SGB XII räumt ihm also nicht ein unbeschränktes Recht ein, für alle Empfänger von Sozialhilfe sozusagen als deren Beistand Ansprüche auf Sozialleistungen zu verfolgen. Vielmehr ist die Vorschrift unmittelbar an den Nachrang der Sozialhilfe angebunden und kann nur Anwendung finden, wenn der Träger der Sozialhilfe nach den Regelungen des Sozialrechts erstattungsberechtigt ist (Schellhorn, s.o. § 95 Rdnr. 8 m.w.N.). Dabei darf der Begriff "erstattungsberechtigt" nicht zu eng verstanden werden, weil § 95 SGB XII sonst keine wirksame Ergänzung der Erstattungsvorschriften der §§ 102 bis 114 SGB X darstellen würde. Es genügt für die Anwendbarkeit des § 95 SGB XII, dass der Träger der Sozialhilfe einen Erstattungsanspruch haben kann (BSG, Urteil vom 6. Februar 1997 – 3 RK 12/96 – BSGE 80, 93; Urteil vom 14. September 1994 – 3/1 RK 56/93 – SozR 3-2500, § 33 Nr. 11; BVerwG, Urteil vom 29. August 1997 – 8 C 13/96 – NDV-RD 1998, 27; Schellhorn s.o. § 95 Rdnr. 9). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger kann einen Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gegen die Beklagte haben. Ob ein solcher Erstattungsanspruch materiell gegeben ist, ist für die Frage der Prozessführungsbefugnis nach § 95 SGB XII ohne Belang. Selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts ergibt sich kein anderes Ergebnis, da ein Erstattungsanspruch des Klägers zumindest hinsichtlich eines Teilbetrages zu bejahen ist (s.u.). Die Prozessführungsbefugnis des Sozialhilfeträgers entfällt auch nicht wegen des gleichzeitig erhobenen Erstattungsanspruchs nach §§ 102 ff. SGB X (Schellhorn, s.o. § 95 Rdnr. 12 m.w.N.). Auch § 95 Satz 2 und 3 SGB XII steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Widerspruch und Klage wurden fristgemäß erhoben. Die Zulässigkeit der Klage ist daher zu bejahen.
Die Klage ist aber nur begründet, soweit der Kläger die Auszahlung des dem Beigeladenen bewilligten Regelsatzes für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis einschließlich 31. Mai 2005 an sich begehrt. Dagegen ist die auf Feststellung des Anspruchs des Beigeladenen auf Unterkunftskosten für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 gerichtete Klage unbegründet.
Der Beigeladene hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005.
Offen bleiben kann, ob dem Beigeladenen überhaupt und ggf. in welcher Höhe ihm Kosten für Unterkunft und Heizung entstanden sind. Der Kläger hat insoweit mit Schreiben vom 26. Januar 2005 an die Beklagte ausgeführt, in den von ihm übernommenen Heimkosten seien auch Unterkunftskosten enthalten. Nach § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII seien bei Leistungen in stationären Einrichtungen als Kosten der Unterkunft und Heizung Beträge in Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes im Bereich des nach § 98 SGB XII zuständigen Trägers der Sozialhilfe zu Grunde zu legen. Für die Unterkunft in stationären Einrichtungen habe der Kläger die Unterkunftskosten hessenweit auf monatlich 317,42 EUR festgesetzt. Hat der Kläger damit zwar Kosten der Unterkunft und Heizung ermittelt – wobei im vorliegenden Fall nicht entschieden werden muss, ob der ermittelte Betrag den Vorgaben des § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII entspricht –, kann den von ihm vorgelegten Verwaltungsvorgängen aber nicht entnommen werden, dass dem Beigeladenen derartige Kosten in Rechnung gestellt wurden. Ob Kosten der Unterkunft nur dann bewilligungsfähig sind, wenn der Hilfesuchende ausdrücklich in Anspruch genommen wurde, und ggf., ob diese Voraussetzungen in der Person des Beigeladenen in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2005 vorgelegen haben, bedarf aber keiner abschließenden Klärung, da ein Anspruch des Beigeladenen auf Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II aus anderen Gründen zu verneinen ist.
Nach den von dem Kläger und der Beklagten getroffenen Feststellungen ist bereits die Erwerbsfähigkeit des Beigeladenen in dem hier entscheidenden Zeitraum zu verneinen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II in der hier einschlägigen Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2955) setzt die Leistungsberechtigung u.a. die Erwerbsfähigkeit voraus. Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei der Frage, ob ein Hilfebedürftiger auf absehbare Zeit außer Stande ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, ist ein Zeitraum von sechs Monaten zu Grunde zu legen. Dieser Zeitraum war im ursprünglichen Entwurf ausdrücklich vorgesehen (BT-Drs. 15/1516, S. 11). Die in den Ausschussberatungen gewählte Formulierung soll lediglich die enge Anlehnung an den Wortlaut der Erwerbsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung verdeutlichen (BT-Drs. 15/1749, S. 31). Der Sechs-Monats-Zeitraum ist im Rentenrecht ausgehend vom Gedanken des § 101 Abs. 1 SGB VI anerkannt (BSG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 4 RA 60/94 – SozR 3-2600 § 43 Nr. 13), weil eine Rente nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet wird (Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: Februar 2007).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist die Erwerbsfähigkeit des Beigeladenen bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten (1. Dezember 2004) zu verneinen. Zwar hat die Beklagte zunächst keine Prognoseentscheidung getroffen, hat dann aber nach einer Überprüfung des Falles nachträgliche Ermittlungen zur Frage der Erwerbsfähigkeit des Beigeladenen angestellt. Nach der bei der Beklagten am 4. Februar 2005 eingegangenen Prognose des Einrichtungsträgers rechnete dieser mit einer voraussichtlichen weiteren Dauer der stationären Unterbringung des Beigeladenen von mehr als sechs Monaten. Außerdem hat der Einrichtungsträger auf fernmündliche Anfrage der Beklagten vom 1. Februar 2005 angegeben, der Beigeladene sei dort am 15. Oktober 2001 aufgenommen worden. Derzeit laufe die Maßnahme bis zum 30. April 2005. Ob der Beigeladene dann das Haus verlasse, sei unklar. Perspektivisch möchte man einen Verlängerungsantrag (ein Jahr) stellen, dies stehe jedoch in Abhängigkeit mit der Motivation des Betreuten. Für eine detaillierte Prognose sei der Betreute nicht stabil genug. Diesen Angaben des WW-Zentrums kann jedenfalls nicht entnommen werden, dass der Beigeladene Ende 2004 / Anfang 2005 in der Lage gewesen wäre, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Einschätzung wird bestätigt durch den Entwicklungsbericht des WW-Zentrums vom 12. April 2005. Danach wird bei dem Beigeladenen eine chronische Alkoholabhängigkeit, Polyneuropathie und ein beginnendes Korsakow-Syndrom diagnostiziert. Der Beigeladene werde häufig rückfällig; es sei schwer, diese Rückfälle zu bearbeiten, da es dem Beigeladenen an der nötigen Reflexionsfähigkeit mangele. Innerhalb der Einrichtung mit klaren Strukturen und sozialtherapeutischer Begleitung komme er zurecht. Allein auf sich gestellt wäre der Beigeladene überfordert. Es werde daher eine Verlängerung der Kostenzusage um ein Jahr beantragt.
Für die Behauptung, diese Prognose sei fehlerhaft, hat der Kläger lediglich vorgetragen, der Beigeladene sei erwerbsfähig gewesen. Diese Aussage lässt jede Substantiierung vermissen und kann angesichts der noch im April 2005 vorhandenen Probleme des Beigeladenen nicht zu einer gegenteiligen Einschätzung führen. Dass der Beigeladene die Einrichtung zum 31. Mai 2005 verlassen hat, berührt die Prognoseentscheidung nicht.
Darüber hinaus steht auch die Regelung des § 7 Abs. 4 SGB II dem Leistungsanspruch des Beigeladenen entgegen. Danach erhält Leistungen nach diesem Buch nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung kommt es auf die Dauer der Unterbringung in der stationären Einrichtung an. Es ist daher die gesamte Zeit ab Oktober 2001 und nicht – wie der Kläger meint – lediglich die Zeit ab Inkrafttreten des SGB II (1. Januar 2005) in den Zeitraum der stationären Unterbringung einzubeziehen. Auf eine Prognose, wie lange der stationäre Aufenthalt im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde bzw. ab Leistungsbeginn voraussichtlich noch dauern wird, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, da der Beigeladene in der Einrichtung bereits länger als sechs Monate untergebracht war. Soweit der Kläger der Sache nach eine unzulässige Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung (vgl. dazu Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 20 Rdnr. 67 ff. m.w.N.) bei der Anwendung des § 7 Abs. 4 SGB II rügt, greift dieser Einwand nicht durch. Die Anwendung der Vorschrift auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen ist verfassungsrechtlich in der Regel unbedenklich und nur in bestimmten, hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen unzulässig (vgl. Jarass s.o. Art. 20 Rdnr. 73, 73a m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt § 7 Abs. 4 SGB II auch sonst nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum, sozialrechtliche Ansprüche zu regeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 – 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86 – BVerfGE 82, 60; Beschluss vom 14. März 2001 – 1 BvR 2402/97 – SozR 3-4100 § 242q Nr. 2). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass dieser bei längerfristiger stationärer Unterbringung einen Bedarf der Hilfeempfänger für die Inanspruchnahme von Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt – und nur um diese Leistungen geht es hier, da der notwendige Lebensunterhalt in jedem Fall sichergestellt ist, sei es durch Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII – verneint hat. Es besteht auch ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von stationär bis zu sechs Monaten Untergebrachten gegenüber den länger Untergebrachten, da letztere – wenn überhaupt – in weit geringerem Maße Eingliederungsleistungen benötigen. Auch dürfte es sich bei längerfristig stationär Untergebrachten regelmäßig nicht um "Arbeitsuchende" im Sinne des § 1 Abs. 1 SGB II handeln (vgl. SG Würzburg, Beschluss vom 29. März 2005 S 10 AS 27/05 ER –). Vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 SGB II werden im Übrigen nur die vollstationär, nicht dagegen die teilstationär Untergebrachten erfasst. Ob die Bestimmung in der vom 1. Januar 2005 bis zum 30. September 2005 geltenden Fassung mit Blick auf die zum 1. Oktober 2005 in Kraft getretene Neuregelung verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden müsste, dass von dem Leistungsausschluss jedenfalls nicht die stationär Untergebrachten erfasst werden, die unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sind, bedarf hier keiner Entscheidung, da der Beigeladene in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 eine derartige Erwerbstätigkeit nicht ausgeübt hat. Die Tätigkeit in der Küche der Einrichtung wurde nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeübt und steht damit dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Unerheblich ist daher auch, ob § 7 Abs. 4 SGB II als gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit zu werten ist (vgl. Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 33; Brühl in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 7 Rdnr. 73).
Soweit der Anspruch des Beigeladenen auf Gewährung des Regelsatzes im Streit steht, hat die Beklagte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 Leistungen in Höhe von monatlich 345,00 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 bewilligt. Der Anspruch des Beigeladenen auf Leistungen in dieser Höhe (der Betrag für den Monat Januar 2005 wurde an den Kläger ausgezahlt) ergibt sich daher unmittelbar aus diesem Bescheid, soweit nicht diese Bewilligung in rechtlich einwandfreier Weise aufgehoben wurde. An einer derartigen Aufhebungsentscheidung fehlt es hier. Die Beklagte hat die Aufhebung der Bewilligung durch Bescheid vom 15. Februar 2005 auf § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X gestützt. Diese Vorschrift setzt voraus, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid rechtmäßig gewesen ist und sich in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. In der Zeit vom 1. Dezember 2004 bis zum 31. Mai 2005 ist aber eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen des Beigeladenen nicht eingetreten. Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung kommt daher allein § 45 SGB X in Betracht.
Die Rücknahme eines (anfänglich) rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes regelt § 45 SGB X. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X lässt die Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten für die Vergangenheit nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 und des Absatzes 3 Satz 2 zu. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III –), d.h. die Entscheidung hat als gebundene Entscheidung zu ergehen.
Der Bescheid vom 1. Dezember 2004 war rechtswidrig, da sowohl die fehlende Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II als auch § 7 Abs. 4 SGB II der Leistungsgewährung entgegenstand. Nach dieser Vorschrift erhält Leistungen nach diesem Buch nicht, wer länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht. Der Beigeladene war bereits seit dem 15. Oktober.2001 und damit länger als sechs Monate in der stationären Einrichtung untergebracht. Es liegen aber die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X nicht vor. Der Bewilligungsbescheid vom 1. Dezember 2004 beruht nicht auf Angaben, die der Beigeladene vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Nach dem festgestellten Sachverhalt kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 1. Dezember 2004 kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Damit scheidet eine Rücknahme der Bewilligung für die Vergangenheit aus.
Eine Rücknahme der Bewilligung scheidet auch für die Zukunft aus. Insoweit fehlt es jedenfalls an der Ermessensbetätigung der Beklagten. Weder der Bescheid vom 15. Februar 2005 noch der Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2005 enthalten Ausführungen zur Frage der Ermessensbetätigung. Die Rücknahmeentscheidung nach § 45 Abs. 1 SGB X steht von dem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall des § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X abgesehen grundsätzlich im Ermessen des Leistungsträgers (Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005, § 330 Rdnr. 24). Eine Ermessensbetätigung ist nur dann entbehrlich, wenn das Ermessen der Behörde dahingehend gebunden ist, dass nur eine einzige Entscheidung rechtmäßig ist (BSG, Urteil vom 11. April 2002 – B 3 P 8/01 R – USK 2002, 59; Urteil vom 9. September 1998 – B 13 RJ 41/97 R – SozSich 1999, 137; Urteil vom 23. Juni 1993 – 9/9a RVs 1/92 – HVBG-Info 1994, 726; Urteil vom 26. September 1990 – 9b/7 RAr 30/89 – BSGE 67, 232). Anhaltspunkte für eine derartige Ermessensreduzierung auf Null sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
Der Beigeladene hat damit einen Anspruch auf Gewährung des Regelsatzes für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis einschließlich 31. Mai 2005. In diesem Umfang besteht auch ein Erstattungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Entsteht kraft Gesetzes ein Erstattungsanspruch des Trägers der Sozialhilfe nach §§ 102 bis 105 SGB X, ist der im Rahmen des § 95 SGB XII festgestellte Anspruch des Berechtigten im Umfang des bestehenden Erstattungsanspruchs an den Träger der Sozialhilfe auszuzahlen. Der Anspruch des Berechtigten gilt insoweit nach § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt (Schellhorn s.o. § 95 Rdnr. 14). Der Kläger kann damit die Auszahlung des Regelsatzes an sich beanspruchen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, da es sich um ein gerichtskostenfreies Verfahren handelt. Zwar gehören weder der Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen. In sozialgerichtlichen Verfahren sind jedoch Träger der Sozialhilfe grundsätzlich von Gerichtskosten befreit (§ 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Davon ausgenommen sind Erstattungsstreitigkeiten von Trägern der Sozialhilfe mit anderen Trägern (§ 197a Abs. 3 SGG). In diesen Verfahren werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben (§ 197a Abs. 1 SGG). Bei der Feststellung einer Sozialleistung nach § 95 SGB XII handelt es sich aber nicht um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen Sozialleistungsträgern, sodass die für das gerichtliche Verfahren geregelte Ausnahme von der Gerichtskostenfreiheit (§ 197a Abs. 3 SGG) nicht eingreift (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. Februar 2006 – 7 S 2426/05 – FEVS 58, 191). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Kläger die Auszahlung der Sozialleistung an sich beantragt hat. Auch wenn insoweit die materiellen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs vorliegen müssen, ändert dies nichts an der Rechtsnatur der Vorschrift des § 95 SGB XII, die als Regelung der gesetzlichen Prozessstandschaft ausgestaltet ist.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen. Der Rechtssache kommt schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Frage, ob § 7 Abs. 4 SGB II mit höherrangigem Recht vereinbar ist, im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ist (zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage für die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung vgl. BSG, Beschluss vom 1. Dezember 2005 – B 12 RA 10/05 B –). Darüber hinaus ist § 7 Abs. 4 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, 2955) mittlerweile außer Kraft getreten (vgl. Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende [FortentwicklungsG] vom 20. Juli 2006 (BGBl. I, 1706), in Kraft getreten am 1. August 2006). Eine außer Kraft getretene Rechtsvorschrift kann in aller Regel keine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfen, es sei denn, dass noch eine erhebliche Anzahl von Fällen zu entscheiden sind und darin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage liegt (BSG, Beschluss vom 31. Juli 1997 – 2 BU 45/97 –; Beschluss vom 9. November 1988 – 7 BAr 14/87 –; Beschluss vom 28. November 1975 – 12 BJ 150/75 – SozR 1500 § 160a Nr 19; BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember1995 - 6 B 35/95 - NVwZ-RR 1996, 712). Die Vertreterin des Klägers hat zwar in der mündlichen Verhandlung angegeben, es seien noch ähnliche Fälle zu entscheiden. Dieser Angabe lässt sich jedoch die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht entnehmen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung des Bestehens eines Anspruchs des Beigeladenen gegenüber der Beklagten auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) und die Auszahlung dieser Leistungen an sich.
Der Beigeladene war vom 15. Oktober 2001 bis zum 31. Mai 2005 im QQ-Haus in A Stadt untergebracht. Die Einrichtung wird vom WW-Zentrum gGmbH betrieben, deren Träger die WX. Werkstätten e.V. und das WW A-Stadt e.V. sind. Der Kläger gewährte dem Beigeladenen für diese Maßnahme Eingliederungshilfeleistungen bis zum 31. Dezember 2004 nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG), ab 1.1.2005 nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). Die dem Beigeladenen bis zum 31. Dezember 2004 bewilligte Arbeitslosenhilfe zahlte die Agentur für Arbeit auf seinen Erstattungsantrag an den Kläger aus. Auf seinen Antrag vom 16. September 2004 bewilligte die Beklagte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 in Höhe von monatlich 345,00 EUR. Die Leistung für den Monat Januar 2005 wurde an den Kläger überwiesen. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004, bei der Agentur für Arbeit eingegangen am 27. Dezember 2004, hat der Beigeladene Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2004 erhoben und geltend gemacht, die Kosten für Unterkunft und Heizung seien nicht berücksichtigt worden. Mit Schreiben vom 6. Januar 2005, bei der Beklagten eingegangen am 10. Januar 2005, legte auch der Kläger unter Hinweis auf seine Antragsbefugnis nach § 95 SGB XII Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2004 ein. Mit bei der Beklagten am 4. Februar 2005 eingegangenem Schreiben teilte das WW-Zentrum mit, dass nach vorläufiger Fallprognose davon auszugehen sei, dass der stationäre Aufenthalt des Beigeladenen voraussichtlich länger als sechs Monate dauern werde.
Mit Bescheid vom 15. Februar 2005 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung vom 1. Januar 2005 auf, da der Beigeladene in einer stationären Einrichtung für länger als sechs Monate untergebracht sei. Auch gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 1. März 2005, bei der Beklagten eingegangen am 7. März 2005, Widerspruch ein. Eine Rücknahme komme lediglich nach § 45 SGB X und nur für die Zukunft in Betracht, da sich der Beigeladene für Januar und Februar auf Vertrauensschutz berufen könne. Er habe das Einkommen als Kostenbeitrag zu den von dem Kläger übernommenen Heimkosten einzusetzen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2005 wies die Beklagte die Widersprüche des Klägers als unzulässig zurück. Der Kläger sei nicht nach § 95 SGB XII berechtigt, Widerspruch gegen die den Beigeladenen betreffenden Bescheide einzulegen. Nach § 95 SGB XII sei der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe berechtigt, die Feststellung der Sozialleistung zu betreiben sowie Rechtsmittel einzulegen. Erstattungsberechtigt sei der Sozialhilfeträger, wenn feststehe, dass die gewährte Sozialhilfeleistung nachrangig sei. Vorliegend sei der Kläger als überörtlicher Sozialhilfeträger dem Beigeladenen gegenüber allein zur Leistungsgewährung verpflichtet. Ein Nachrangverhältnis gegenüber der Beklagten bestehe nicht. § 7 Abs. 4 SGB II schließe Personen, die voraussichtlich für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht seien, vom Anwendungsbereich des SGB II aus. Für die Beurteilung der voraussichtlichen Dauer der Unterbringung sei daher eine Prognoseentscheidung notwendig. Nach der vom WW-Zentrum getroffenen Prognoseentscheidung werde der stationäre Aufenthalt des Beigeladenen voraussichtlich länger als sechs weitere Monate andauern. Eine Leistungsberechtigung nach dem SGB II sei damit nicht gegeben. Gleichzeitig werde bei Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 7 Abs. 4 SGB II eine Nichterwerbsfähigkeit gesetzlich fingiert. Wer mithin in einer stationären Einrichtung untergebracht sei, sei nicht nur nicht leistungsberechtigt, sondern auch nicht erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II, was zur Folge habe, dass der Ausschluss des Sozialhilfeanspruchs nach § 5 Abs. 2 SGB II i.V.m. § 21 SGB XII nicht durchgreife. Es bestehe sodann eine Leistungsberechtigung nach dem SGB XII.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2005 wies die Beklagte den Widerspruch des Beigeladenen vom 27. Dezember 2004 gegen den Bescheid vom 1. Dezember 2004 als unbegründet zurück. Der Beigeladene habe keinen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II, da er leistungsberechtigt nach dem SGB XII sei.
Der Kläger hat am 25. Juli 2005 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben. Er ist der Auffassung, er sei antragsbefugt nach § 95 SGB XII. Er sei erstattungsberechtigt, denn er habe im streitgegenständlichen Zeitraum Eingliederungshilfe geleistet. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2004 habe er seinen Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X angemeldet. Der Beigeladene habe einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 4 SGB II seien nicht gegeben. Die gesetzliche Frist von sechs Monaten sei erst mit In-Kraft-Treten des Gesetzes ab 1. Januar 2005 in Gang gesetzt worden. Die Zukunftsprognose bezüglich des Beigeladenen sei günstig gewesen. Zudem sei dieser zwischenzeitlich am 31. Mai 2005 innerhalb des Sechsmonatszeitraums entlassen worden. Außerdem sei der Beigeladene unstreitig erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II gewesen. Auch aus diesem Grunde müssten für die Zeit ab 1. Januar 2005 SGB II-Leistungen gewährt werden. An der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II ändere auch § 7 Abs. 4 SGB II nichts. § 7 Abs. 4 SGB II sei weder als Ausschlusstatbestand noch als gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit zu verstehen. Die Regelung solle lediglich Indizwirkungen entfalten, dass von einer Erwerbsunfähigkeit auszugehen sei, sofern ein längerer als sechsmonatiger Aufenthalt prognostiziert werde. Vorliegend sei der Beigeladene jedoch eindeutig erwerbsfähig gewesen, was durch seine Entlassung am 31. Mai 2005 bestätigt worden sei. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs. 4 SGB II gehe nicht eindeutig hervor, dass diese Regelung eine gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit mit Ausschlusswirkung darstellen solle. Sollte es sich um einen Ausschlusstatbestand handeln, sei die Norm wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz verfassungswidrig.
Mit Urteil vom 28. November 2005 hat das Sozialgericht die Klage als unzulässig abgewiesen, weil der Kläger nicht prozessführungsbefugt sei. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 95 SGB XII ein erstattungsberechtigter Sozialhilfeträger Leistungsansprüche im eigenen Namen – im Wege der Prozessstandschaft – geltend machen könne, lägen nicht vor. Der Kläger sei nicht nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gegenüber der Beklagten erstattungsberechtigt. Der Beigeladene habe wegen der Regelung des § 7 Abs. 4 SGB II keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Die von der Beklagten getroffene Prognoseentscheidung aufgrund der Mitteilung des WW-Zentrums vom 4. Februar 2005 sei nicht zu beanstanden. Zum einen sei ihr mitgeteilt worden, dass der stationäre Aufenthalt voraussichtlich länger als sechs Monate dauern werde, zum anderen habe die Beklagte aus dem Umstand, dass sich der Beigeladene bereits seit dem 15. Oktober 2001 in der Einrichtung befunden habe, entnehmen können, dass jedenfalls keine vernünftigen Zweifel an der Prognoseentscheidung bestanden hätten. Es sei daher zu erwarten gewesen, dass der Beigeladene noch einen weiteren Zeitraum von mindestens sechs Monaten in der Einrichtung verweilen würde. Dass der Beigeladene bereits am 31. Mai 2005 entlassen worden sei, habe auf die Prognoseentscheidung keinen Einfluss. Fehle es damit bereits an einer Leistungsberechtigung des Beigeladenen, komme es auf die weitere Frage, ob er überhaupt erwerbsfähig nach § 8 SGB II gewesen sei, nicht mehr an. § 7 Abs. 4 SGB II begegne entgegen der Auffassung des Klägers auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Personen, die nur vorübergehend in einer Einrichtung untergebracht seien, seien nicht von Leistungen des SGB II ausgeschlossen. Dass Personen, die länger als sechs Monate untergebracht seien, auf Leistungen nach dem SGB XII verwiesen würden, unterliege keinen grundlegenden Bedenken. Insbesondere unterscheide sich dieser Personenkreis in der Regel derartig elementar von dem übrigen Personenkreis, dass von einer Ungleichbehandlung nicht die Rede sein könne. Längerfristig Untergebrachte stünden nicht wie Arbeitsuchende bei der Vermittlung in Arbeit zur Verfügung. Eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Grundgesetz (GG) bestehe daher nicht.
Fehle es damit an einer Erstattungsberechtigung, sei die Prozessführungsbefugnis des Klägers zu verneinen. Auf die Frage, ob der ebenfalls angegriffene Rückforderungsbescheid überhaupt auf § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und nicht vielmehr auf § 45 SGB X hätte gestützt werden müssen, komme es mithin nicht mehr an.
Gegen das am 16. Februar 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 13. März 2006 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Die Auffassung des Sozialgerichts sei unzutreffend. Die Klage sei zulässig und begründet. Der Kläger sei nach § 95 SGB XII prozessführungsbefugt; ihm stehe ein Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten nach § 104 Abs.1 Satz 1 SGB X zu. Der Beigeladene habe einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Rechtsfehlerhaft gehe das Sozialgericht davon aus, dass es sich bei § 7 Abs. 4 SGB II um eine verfassungskonforme gesetzliche Nichterwerbsfiktion handele. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts sei als Stichtag für den Sechsmonatszeitraum der 1. Januar 2005 heranzuziehen. Bereits aus diesem Grunde habe sich der Beigeladene nicht länger als sechs Monate in einer Einrichtung befunden, sodass ein Anspruch zu bejahen sei. Ferner seien die Ausführungen des Sozialgerichts zur Prognoseentscheidung rechtsfehlerhaft. Aus dem Akteninhalt habe nicht geschlossen werden können, dass sich der Beigeladene noch länger als sechs Monate in der Einrichtung befinden werde. Die Mitteilung des WW-Zentrums sei insoweit nicht ausreichend. Gerade aus dem Umstand, dass der Beigeladene willens und in der Lage gewesen sei, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten und sich um eine Arbeitsstelle bemüht habe, habe geschlossen werden können, dass er zeitnah die Einrichtung hätte verlassen können. Außerdem habe sich das Gericht damit auseinandersetzen müssen, ob trotz der negativen Prognose die Entscheidung deshalb zu korrigieren sei, weil noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides bekannt geworden sei, dass der Beigeladene die Einrichtung verlassen habe.
Weiterhin werde vom Kläger noch immer bezweifelt, dass es sich bei § 7 Abs. 4 SGB II tatsächlich um eine gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit handele. Dies werde zwar von einigen erstinstanzlichen Gerichten angenommen und teilweise in der Kommentarliteratur bestätigt, gehe aber nicht eindeutig aus den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs. 4 SGB II hervor. Schließlich sei mit den Hartz IV-Gesetzen beabsichtigt worden, erwerbsfähige Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dies sei ein vorrangiges Ziel der Gesetzgebung. Würde man § 7 Abs. 4 SGB II als Ausschlusstatbestand werten, so unterliefe das die gesetzgeberische Gesamtintention. Gehe man - wie das Sozialgericht - von einer gesetzlichen Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit aus, sei § 7 Abs. 4 SGB II unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 14. November 1969 – 1 BvR 4/69 – BVerfGE 27, 220) wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig. Bei Anwendung der Kriterien des Bundesverfassungsgerichts sei der Ausschluss der in stationären Einrichtungen untergebrachten Personen vom SGB II-Leistungsbezug verfassungsrechtlich höchst problematisch. Die Formulierung in § 7 Abs. 4 SGB II beziehe sich auf ein Einrichtungsverständnis, wie es dem Sozialrecht zugrunde liege. Ein solches Verständnis erfasse insbesondere stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, in denen gerade Hilfe zur Erlangung und Sicherung eines Arbeitsplatzes zu leisten seien. In Einrichtungen der Eingliederungshilfe, insbesondere in denen für seelisch Behinderte und Suchtkranke, würden zahlreiche Personen leben, die eine Tätigkeit als Arbeitnehmer ausübten und damit nach dem SGB III a. F. leistungsberechtigt gewesen seien. Der Ausschluss dieser Personen von der Anspruchsberechtigung nach dem SGB II sei am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG in der Auslegung des Bundesverfassungsgerichts offensichtlich grundgesetzwidrig. Der Gesetzgeber habe keinen Grund genannt, warum er diesen Personenkreis ausgeschlossen habe. Ein sachlicher Gesichtspunkt für den Ausschluss sei nicht erkennbar, sondern ganz im Gegenteil, es sei erkennbar ungerecht, einen Personenkreis auszuschließen, dessen Erwerbsfähigkeit gerade gefördert werden solle. Unrichtig sei auch die Auffassung des Sozialgerichts, dass die nach §§ 67 ff. SGB XII und §§ 53 ff. SGB XII Anspruchsberechtigten (Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten bzw. seelisch Behinderte und Suchtkranke) keinen Bedarf an SGB II-Förderleistungen hätten. Gerade im Bereich von Maßnahmen nach §§ 67 ff. SGB XII bestehe ein starkes Interesse, wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingegliedert zu werden. Die SGB XII-Leistungsträger verfügten weder über Arbeitsgelegenheiten noch über einen entsprechenden Vermittlungspool in diesem Segment. Auch im Bereich Sucht und seelisch Behinderte gehöre die Integration in den ersten Arbeitsmarkt quasi zum Therapiekonzept. Da in diesem Bereich über die Eingliederungshilfe vom Gesetzgeber keine Leistungen vorgesehen seien, werde die Erlangung eines Arbeitsplatzes auf dem ersten Arbeitsmarkt ohne die entsprechende Hilfe des SGB II-Leistungsträgers erschwert. Abgesehen davon werde durch § 7 Abs. 4 SGB II der Vorrang der Grundsicherung für Arbeitsuchende unterlaufen. Eine große Anzahl von Personen aus dem vorgenannten Bereich sei willens und in der Lage, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten und sei daher arbeitsuchend im Sinne des Gesetzes. Außerdem liege entgegen der Auffassung des Gerichts – selbstverständlich eine Ungleichbehandlung vor, da sich auch Alkohol- oder Drogenabhängige häufiger, z. B. in Übergangseinrichtungen (unter sechs Monate) befänden, und dieser Personenkreis einen Anspruch auf SGB II-Leistungen habe, obwohl sich das Persönlichkeitsbild mit dem der Personen, die sich länger als sechs Monate in einer Einrichtung befänden, vergleichen lasse. Es hänge dann im Einzelfall vom Zufall ab, ob man zunächst in eine Übergangseinrichtung komme oder nicht. Hier werde schon innerhalb des Personenkreises der Maßnahmen nach §§ 67 ff. SGB XII bzw. der Suchtkranken oder der seelisch Behinderten ein Unterschied gemacht.
Abgesehen davon müsse auch dann von einer Ungleichbehandlung gesprochen werden, wenn Personen, die Anspruch auf Leistungen nach den §§ 67 ff. SGB XII oder auf Eingliederungshilfe nach dem SGB XII hätten, von den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ausgeschlossen seien, obwohl sie erwerbsfähig im Sinne des § 8 SGB II seien. Denn diese Personen würden im Verhältnis zu anderen Erwerbsfähigen ungleich behandelt. Selbstverständlich würden SGB II-Leistungen nur für solche Personen beansprucht, die ihren Mitwirkungspflichten nachkämen, willens und in der Lage seien, mehr als drei Stunden täglich zu arbeiten und die trotz ihrer Erkrankung dem ersten Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung stünden. Diese Personen seien selbstverständlich mit den "normalen" Arbeitsuchenden vergleichbar. Es gehe gerade nicht darum, erwerbsgeminderte Personen auf SGB II-Leistungen zu verweisen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. November 2005 aufzuheben, sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2004, soweit durch diesen Leistungen für Unterkunft und Heizung abgelehnt wurden, aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Kosten der Unterkunft und Heizung des Beigeladenen für die Zeit von Januar bis Mai 2005 zu gewähren, sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit von Februar bis Mai 2005 345,00 EUR monatlich an den Kläger auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung ihres Antrages auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2005 und auf das Urteil des Sozialgerichts Kassel.
Der Beigeladene hat sich im Berufungsverfahren nicht gemeldet und auch keinen Antrag gestellt.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Klägers und der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. November 2005 war zu ändern. Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 15. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 2005 ist rechtswidrig und war deshalb aufzuheben. Außerdem war die Beklagte zu verurteilen, die dem Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 bewilligten Leistungen für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis einschließlich 31. Mai 2005 in Höhe von 345,00 EUR monatlich an den Kläger zu erstatten. Im Übrigen hatte die Berufung keinen Erfolg.
Die Klage ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts Kassel zulässig. Die Prozessführungsbefugnis des Klägers ist nach § 95 Satz 1 SGB XII zu bejahen. Danach kann der erstattungsberechtigte Träger der Sozialhilfe die Feststellung einer Sozialleistung betreiben sowie Rechtsmittel einlegen. Die Vorschrift ergänzt die der Realisierung des Nachrangs der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) dienenden Regelungen, vor allem die Bestimmungen über die Erstattungsansprüche in den §§ 102 bis 105 SGB X. Sie gibt dem Träger der Sozialhilfe die Möglichkeit, anstelle des Leistungsberechtigten die Feststellung von Sozialleistungen zu betreiben und damit vorrangige Ansprüche schneller auszuschöpfen (Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Auflage 2006, § 95 Rdnr. 1). Die Vorschrift entspricht der Regelung des § 91a Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die Feststellung von Sozialleistungen kann der Träger der Sozialhilfe aber nicht isoliert betreiben, sondern nur dann, wenn er erstattungsberechtigt ist. § 95 SGB XII räumt ihm also nicht ein unbeschränktes Recht ein, für alle Empfänger von Sozialhilfe sozusagen als deren Beistand Ansprüche auf Sozialleistungen zu verfolgen. Vielmehr ist die Vorschrift unmittelbar an den Nachrang der Sozialhilfe angebunden und kann nur Anwendung finden, wenn der Träger der Sozialhilfe nach den Regelungen des Sozialrechts erstattungsberechtigt ist (Schellhorn, s.o. § 95 Rdnr. 8 m.w.N.). Dabei darf der Begriff "erstattungsberechtigt" nicht zu eng verstanden werden, weil § 95 SGB XII sonst keine wirksame Ergänzung der Erstattungsvorschriften der §§ 102 bis 114 SGB X darstellen würde. Es genügt für die Anwendbarkeit des § 95 SGB XII, dass der Träger der Sozialhilfe einen Erstattungsanspruch haben kann (BSG, Urteil vom 6. Februar 1997 – 3 RK 12/96 – BSGE 80, 93; Urteil vom 14. September 1994 – 3/1 RK 56/93 – SozR 3-2500, § 33 Nr. 11; BVerwG, Urteil vom 29. August 1997 – 8 C 13/96 – NDV-RD 1998, 27; Schellhorn s.o. § 95 Rdnr. 9). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Der Kläger kann einen Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X gegen die Beklagte haben. Ob ein solcher Erstattungsanspruch materiell gegeben ist, ist für die Frage der Prozessführungsbefugnis nach § 95 SGB XII ohne Belang. Selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Sozialgerichts ergibt sich kein anderes Ergebnis, da ein Erstattungsanspruch des Klägers zumindest hinsichtlich eines Teilbetrages zu bejahen ist (s.u.). Die Prozessführungsbefugnis des Sozialhilfeträgers entfällt auch nicht wegen des gleichzeitig erhobenen Erstattungsanspruchs nach §§ 102 ff. SGB X (Schellhorn, s.o. § 95 Rdnr. 12 m.w.N.). Auch § 95 Satz 2 und 3 SGB XII steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Widerspruch und Klage wurden fristgemäß erhoben. Die Zulässigkeit der Klage ist daher zu bejahen.
Die Klage ist aber nur begründet, soweit der Kläger die Auszahlung des dem Beigeladenen bewilligten Regelsatzes für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis einschließlich 31. Mai 2005 an sich begehrt. Dagegen ist die auf Feststellung des Anspruchs des Beigeladenen auf Unterkunftskosten für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 gerichtete Klage unbegründet.
Der Beigeladene hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005.
Offen bleiben kann, ob dem Beigeladenen überhaupt und ggf. in welcher Höhe ihm Kosten für Unterkunft und Heizung entstanden sind. Der Kläger hat insoweit mit Schreiben vom 26. Januar 2005 an die Beklagte ausgeführt, in den von ihm übernommenen Heimkosten seien auch Unterkunftskosten enthalten. Nach § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII seien bei Leistungen in stationären Einrichtungen als Kosten der Unterkunft und Heizung Beträge in Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes im Bereich des nach § 98 SGB XII zuständigen Trägers der Sozialhilfe zu Grunde zu legen. Für die Unterkunft in stationären Einrichtungen habe der Kläger die Unterkunftskosten hessenweit auf monatlich 317,42 EUR festgesetzt. Hat der Kläger damit zwar Kosten der Unterkunft und Heizung ermittelt – wobei im vorliegenden Fall nicht entschieden werden muss, ob der ermittelte Betrag den Vorgaben des § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII entspricht –, kann den von ihm vorgelegten Verwaltungsvorgängen aber nicht entnommen werden, dass dem Beigeladenen derartige Kosten in Rechnung gestellt wurden. Ob Kosten der Unterkunft nur dann bewilligungsfähig sind, wenn der Hilfesuchende ausdrücklich in Anspruch genommen wurde, und ggf., ob diese Voraussetzungen in der Person des Beigeladenen in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Mai 2005 vorgelegen haben, bedarf aber keiner abschließenden Klärung, da ein Anspruch des Beigeladenen auf Übernahme von Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II aus anderen Gründen zu verneinen ist.
Nach den von dem Kläger und der Beklagten getroffenen Feststellungen ist bereits die Erwerbsfähigkeit des Beigeladenen in dem hier entscheidenden Zeitraum zu verneinen. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 SGB II in der hier einschlägigen Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2955) setzt die Leistungsberechtigung u.a. die Erwerbsfähigkeit voraus. Nach § 8 Abs. 1 SGB II ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei der Frage, ob ein Hilfebedürftiger auf absehbare Zeit außer Stande ist, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, ist ein Zeitraum von sechs Monaten zu Grunde zu legen. Dieser Zeitraum war im ursprünglichen Entwurf ausdrücklich vorgesehen (BT-Drs. 15/1516, S. 11). Die in den Ausschussberatungen gewählte Formulierung soll lediglich die enge Anlehnung an den Wortlaut der Erwerbsminderung in der gesetzlichen Rentenversicherung verdeutlichen (BT-Drs. 15/1749, S. 31). Der Sechs-Monats-Zeitraum ist im Rentenrecht ausgehend vom Gedanken des § 101 Abs. 1 SGB VI anerkannt (BSG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 4 RA 60/94 – SozR 3-2600 § 43 Nr. 13), weil eine Rente nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet wird (Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand: Februar 2007).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien ist die Erwerbsfähigkeit des Beigeladenen bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten (1. Dezember 2004) zu verneinen. Zwar hat die Beklagte zunächst keine Prognoseentscheidung getroffen, hat dann aber nach einer Überprüfung des Falles nachträgliche Ermittlungen zur Frage der Erwerbsfähigkeit des Beigeladenen angestellt. Nach der bei der Beklagten am 4. Februar 2005 eingegangenen Prognose des Einrichtungsträgers rechnete dieser mit einer voraussichtlichen weiteren Dauer der stationären Unterbringung des Beigeladenen von mehr als sechs Monaten. Außerdem hat der Einrichtungsträger auf fernmündliche Anfrage der Beklagten vom 1. Februar 2005 angegeben, der Beigeladene sei dort am 15. Oktober 2001 aufgenommen worden. Derzeit laufe die Maßnahme bis zum 30. April 2005. Ob der Beigeladene dann das Haus verlasse, sei unklar. Perspektivisch möchte man einen Verlängerungsantrag (ein Jahr) stellen, dies stehe jedoch in Abhängigkeit mit der Motivation des Betreuten. Für eine detaillierte Prognose sei der Betreute nicht stabil genug. Diesen Angaben des WW-Zentrums kann jedenfalls nicht entnommen werden, dass der Beigeladene Ende 2004 / Anfang 2005 in der Lage gewesen wäre, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Diese Einschätzung wird bestätigt durch den Entwicklungsbericht des WW-Zentrums vom 12. April 2005. Danach wird bei dem Beigeladenen eine chronische Alkoholabhängigkeit, Polyneuropathie und ein beginnendes Korsakow-Syndrom diagnostiziert. Der Beigeladene werde häufig rückfällig; es sei schwer, diese Rückfälle zu bearbeiten, da es dem Beigeladenen an der nötigen Reflexionsfähigkeit mangele. Innerhalb der Einrichtung mit klaren Strukturen und sozialtherapeutischer Begleitung komme er zurecht. Allein auf sich gestellt wäre der Beigeladene überfordert. Es werde daher eine Verlängerung der Kostenzusage um ein Jahr beantragt.
Für die Behauptung, diese Prognose sei fehlerhaft, hat der Kläger lediglich vorgetragen, der Beigeladene sei erwerbsfähig gewesen. Diese Aussage lässt jede Substantiierung vermissen und kann angesichts der noch im April 2005 vorhandenen Probleme des Beigeladenen nicht zu einer gegenteiligen Einschätzung führen. Dass der Beigeladene die Einrichtung zum 31. Mai 2005 verlassen hat, berührt die Prognoseentscheidung nicht.
Darüber hinaus steht auch die Regelung des § 7 Abs. 4 SGB II dem Leistungsanspruch des Beigeladenen entgegen. Danach erhält Leistungen nach diesem Buch nicht, wer für länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Bestimmung kommt es auf die Dauer der Unterbringung in der stationären Einrichtung an. Es ist daher die gesamte Zeit ab Oktober 2001 und nicht – wie der Kläger meint – lediglich die Zeit ab Inkrafttreten des SGB II (1. Januar 2005) in den Zeitraum der stationären Unterbringung einzubeziehen. Auf eine Prognose, wie lange der stationäre Aufenthalt im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde bzw. ab Leistungsbeginn voraussichtlich noch dauern wird, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, da der Beigeladene in der Einrichtung bereits länger als sechs Monate untergebracht war. Soweit der Kläger der Sache nach eine unzulässige Rückwirkung bzw. tatbestandliche Rückanknüpfung (vgl. dazu Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 8. Aufl. 2006, Art. 20 Rdnr. 67 ff. m.w.N.) bei der Anwendung des § 7 Abs. 4 SGB II rügt, greift dieser Einwand nicht durch. Die Anwendung der Vorschrift auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen ist verfassungsrechtlich in der Regel unbedenklich und nur in bestimmten, hier nicht einschlägigen Ausnahmefällen unzulässig (vgl. Jarass s.o. Art. 20 Rdnr. 73, 73a m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt § 7 Abs. 4 SGB II auch sonst nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum, sozialrechtliche Ansprüche zu regeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 – 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86 – BVerfGE 82, 60; Beschluss vom 14. März 2001 – 1 BvR 2402/97 – SozR 3-4100 § 242q Nr. 2). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass dieser bei längerfristiger stationärer Unterbringung einen Bedarf der Hilfeempfänger für die Inanspruchnahme von Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt – und nur um diese Leistungen geht es hier, da der notwendige Lebensunterhalt in jedem Fall sichergestellt ist, sei es durch Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII – verneint hat. Es besteht auch ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung von stationär bis zu sechs Monaten Untergebrachten gegenüber den länger Untergebrachten, da letztere – wenn überhaupt – in weit geringerem Maße Eingliederungsleistungen benötigen. Auch dürfte es sich bei längerfristig stationär Untergebrachten regelmäßig nicht um "Arbeitsuchende" im Sinne des § 1 Abs. 1 SGB II handeln (vgl. SG Würzburg, Beschluss vom 29. März 2005 S 10 AS 27/05 ER –). Vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 4 SGB II werden im Übrigen nur die vollstationär, nicht dagegen die teilstationär Untergebrachten erfasst. Ob die Bestimmung in der vom 1. Januar 2005 bis zum 30. September 2005 geltenden Fassung mit Blick auf die zum 1. Oktober 2005 in Kraft getretene Neuregelung verfassungskonform dahingehend ausgelegt werden müsste, dass von dem Leistungsausschluss jedenfalls nicht die stationär Untergebrachten erfasst werden, die unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig sind, bedarf hier keiner Entscheidung, da der Beigeladene in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 eine derartige Erwerbstätigkeit nicht ausgeübt hat. Die Tätigkeit in der Küche der Einrichtung wurde nicht unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeübt und steht damit dem Leistungsausschluss nicht entgegen. Unerheblich ist daher auch, ob § 7 Abs. 4 SGB II als gesetzliche Fiktion der Nichterwerbsfähigkeit zu werten ist (vgl. Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl. 2005, § 7 Rdnr. 33; Brühl in: LPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 7 Rdnr. 73).
Soweit der Anspruch des Beigeladenen auf Gewährung des Regelsatzes im Streit steht, hat die Beklagte dem Beigeladenen mit Bescheid vom 1. Dezember 2004 Leistungen in Höhe von monatlich 345,00 EUR für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Mai 2005 bewilligt. Der Anspruch des Beigeladenen auf Leistungen in dieser Höhe (der Betrag für den Monat Januar 2005 wurde an den Kläger ausgezahlt) ergibt sich daher unmittelbar aus diesem Bescheid, soweit nicht diese Bewilligung in rechtlich einwandfreier Weise aufgehoben wurde. An einer derartigen Aufhebungsentscheidung fehlt es hier. Die Beklagte hat die Aufhebung der Bewilligung durch Bescheid vom 15. Februar 2005 auf § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X gestützt. Diese Vorschrift setzt voraus, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid rechtmäßig gewesen ist und sich in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. In der Zeit vom 1. Dezember 2004 bis zum 31. Mai 2005 ist aber eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen des Beigeladenen nicht eingetreten. Als Rechtsgrundlage für die Aufhebung der Bewilligung kommt daher allein § 45 SGB X in Betracht.
Die Rücknahme eines (anfänglich) rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes regelt § 45 SGB X. Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 1 SGB X). § 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X lässt die Rücknahme von begünstigenden Verwaltungsakten für die Vergangenheit nur unter den Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 und des Absatzes 3 Satz 2 zu. Nach Abs. 2 dieser Vorschrift darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Liegen die in § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes vor, ist dieser auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – SGB III –), d.h. die Entscheidung hat als gebundene Entscheidung zu ergehen.
Der Bescheid vom 1. Dezember 2004 war rechtswidrig, da sowohl die fehlende Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II als auch § 7 Abs. 4 SGB II der Leistungsgewährung entgegenstand. Nach dieser Vorschrift erhält Leistungen nach diesem Buch nicht, wer länger als sechs Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht ist oder Rente wegen Alters bezieht. Der Beigeladene war bereits seit dem 15. Oktober.2001 und damit länger als sechs Monate in der stationären Einrichtung untergebracht. Es liegen aber die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X nicht vor. Der Bewilligungsbescheid vom 1. Dezember 2004 beruht nicht auf Angaben, die der Beigeladene vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Nach dem festgestellten Sachverhalt kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beigeladene die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 1. Dezember 2004 kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte. Damit scheidet eine Rücknahme der Bewilligung für die Vergangenheit aus.
Eine Rücknahme der Bewilligung scheidet auch für die Zukunft aus. Insoweit fehlt es jedenfalls an der Ermessensbetätigung der Beklagten. Weder der Bescheid vom 15. Februar 2005 noch der Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2005 enthalten Ausführungen zur Frage der Ermessensbetätigung. Die Rücknahmeentscheidung nach § 45 Abs. 1 SGB X steht von dem hier nicht vorliegenden Ausnahmefall des § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II, § 330 Abs. 2 SGB III i.V.m. § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X abgesehen grundsätzlich im Ermessen des Leistungsträgers (Niesel, SGB III, 3. Aufl. 2005, § 330 Rdnr. 24). Eine Ermessensbetätigung ist nur dann entbehrlich, wenn das Ermessen der Behörde dahingehend gebunden ist, dass nur eine einzige Entscheidung rechtmäßig ist (BSG, Urteil vom 11. April 2002 – B 3 P 8/01 R – USK 2002, 59; Urteil vom 9. September 1998 – B 13 RJ 41/97 R – SozSich 1999, 137; Urteil vom 23. Juni 1993 – 9/9a RVs 1/92 – HVBG-Info 1994, 726; Urteil vom 26. September 1990 – 9b/7 RAr 30/89 – BSGE 67, 232). Anhaltspunkte für eine derartige Ermessensreduzierung auf Null sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar.
Der Beigeladene hat damit einen Anspruch auf Gewährung des Regelsatzes für die Zeit vom 1. Februar 2005 bis einschließlich 31. Mai 2005. In diesem Umfang besteht auch ein Erstattungsanspruch des Klägers gegenüber der Beklagten nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Entsteht kraft Gesetzes ein Erstattungsanspruch des Trägers der Sozialhilfe nach §§ 102 bis 105 SGB X, ist der im Rahmen des § 95 SGB XII festgestellte Anspruch des Berechtigten im Umfang des bestehenden Erstattungsanspruchs an den Träger der Sozialhilfe auszuzahlen. Der Anspruch des Berechtigten gilt insoweit nach § 107 Abs. 1 SGB X als erfüllt (Schellhorn s.o. § 95 Rdnr. 14). Der Kläger kann damit die Auszahlung des Regelsatzes an sich beanspruchen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, da es sich um ein gerichtskostenfreies Verfahren handelt. Zwar gehören weder der Kläger noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen. In sozialgerichtlichen Verfahren sind jedoch Träger der Sozialhilfe grundsätzlich von Gerichtskosten befreit (§ 64 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Davon ausgenommen sind Erstattungsstreitigkeiten von Trägern der Sozialhilfe mit anderen Trägern (§ 197a Abs. 3 SGG). In diesen Verfahren werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben (§ 197a Abs. 1 SGG). Bei der Feststellung einer Sozialleistung nach § 95 SGB XII handelt es sich aber nicht um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen Sozialleistungsträgern, sodass die für das gerichtliche Verfahren geregelte Ausnahme von der Gerichtskostenfreiheit (§ 197a Abs. 3 SGG) nicht eingreift (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. Februar 2006 – 7 S 2426/05 – FEVS 58, 191). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Kläger die Auszahlung der Sozialleistung an sich beantragt hat. Auch wenn insoweit die materiellen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs vorliegen müssen, ändert dies nichts an der Rechtsnatur der Vorschrift des § 95 SGB XII, die als Regelung der gesetzlichen Prozessstandschaft ausgestaltet ist.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen. Der Rechtssache kommt schon deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil die Frage, ob § 7 Abs. 4 SGB II mit höherrangigem Recht vereinbar ist, im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich ist (zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der Rechtsfrage für die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung vgl. BSG, Beschluss vom 1. Dezember 2005 – B 12 RA 10/05 B –). Darüber hinaus ist § 7 Abs. 4 SGB II in der Fassung des Gesetzes vom 24. Dezember 2003 (BGBl. I, 2955) mittlerweile außer Kraft getreten (vgl. Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende [FortentwicklungsG] vom 20. Juli 2006 (BGBl. I, 1706), in Kraft getreten am 1. August 2006). Eine außer Kraft getretene Rechtsvorschrift kann in aller Regel keine grundsätzliche Rechtsfrage aufwerfen, es sei denn, dass noch eine erhebliche Anzahl von Fällen zu entscheiden sind und darin die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage liegt (BSG, Beschluss vom 31. Juli 1997 – 2 BU 45/97 –; Beschluss vom 9. November 1988 – 7 BAr 14/87 –; Beschluss vom 28. November 1975 – 12 BJ 150/75 – SozR 1500 § 160a Nr 19; BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember1995 - 6 B 35/95 - NVwZ-RR 1996, 712). Die Vertreterin des Klägers hat zwar in der mündlichen Verhandlung angegeben, es seien noch ähnliche Fälle zu entscheiden. Dieser Angabe lässt sich jedoch die Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage nicht entnehmen.
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