S 11 AS 96/09 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
11
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 11 AS 96/09 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihm, seiner Ehefrau und seinem volljährigen Sohn Leistungen für die Renovierung einer neu zu beziehenden Wohnung, Tapeten, Farbe, Gardinen, Anschlüsse für die Küche, Küchenarbeitsplatten sowie für die Anmietung eines Umzugs-LKW zu bewilligen.

Der 1949 geborene Antragsteller bezieht seit dem 01.01.2005 gemeinsam mit seiner 1957 geborenen Ehefrau und dem gemeinsamen, 1987 geborenen Sohn von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Antragsteller bewohnt bisher mit seiner Familie ein Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 100 qm. Die monatliche Miete beläuft sich ohne Heizkosten auf 650,00 Euro. Da die Antragsgegnerin davon ausgeht, dass die Aufwendungen für diese Unterkunft nicht angemessen sind, zahlt sie seit 01.08.2005 monatlich Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von 410,00 Euro.

Am 29.03.2009 schlossen der Antragsteller und seine Ehefrau für die Zeit ab 01.05.2009 einen Mietvertrag über eine 4-Zimmer-Wohnung mit einer Wohnfläche von 90 qm mit Garage mit einer Netto-Kaltmiete von monatlich 430,00 Euro, einem Betriebskostenvorschuss von monatlich 60,00 Euro, Wasserkosten von monatlich 70,00 Euro und Kosten für die Garage von monatlich 26,00 Euro, insgesamt 586,00 Euro ab.

Mit mehreren Bescheiden vom 06.04.2009 lehnte die Antragsgegnerin Anträge des Antragstellers auf Bewilligung von Renovierungsbeihilfen für die bisherige und die neue Wohnung, einer Umzugsbeihilfe sowie einer Behilfe zur Beschaffung von Gardinen ab. Mit Bescheid vom 09.04.2009 lehnte die Antragsgegnerin einen Antrag des Antragstellers auf Bewilligung einer Beihilfe zur Beschaffung von Leitungen, Wasserrohrleitungen zum Anschluss eines Spültisches sowie einer neuen Küchenarbeitsplatte ab. Mit weiterem Bescheid vom 09.04.2009 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller sowie seiner Ehefrau und seinem Sohn laufende Leistungen für die Zeit vom 01.05.2009 bis zum 31.07.2009 und berücksichtigte dabei weiterhin Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich insgesamt 410,00 Euro.

Am 20.04.2008 hat der Antragsteller um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.

Er trägt vor, er versuche seit Monaten vergeblich, eine Wohnung für drei erwachsene Personen und einen Hund zu finden. Durch Zufall sei die nun angemietete Wohnung gefunden worden. Für 410,00 Euro sei keine Wohnung, welche nicht in Gegenden mit schlechtem Ruf liege, zu erhalten. Die Wohnung müsse in der Nähe der Wohnung seiner Tochter liegen, da seine Ehefrau das Enkelkind vom und zum Kinderhort bringe, während die Tochter arbeite. Bis Ende April müsse die bisherige Wohnung geräumt die und die neue Wohnung bezogen sein. Gardinen seien notwendig, weil die Wohnung von außen einsehbar sei. Die Küche müsse umgeändert werden, weil sie kleiner sei und an zwei Wandseiten aufgestellt werden müsse. Für den Umzugs-LKW müssten noch entsprechend der Anforderung der Antragsgegnerin Kostenvoranschläge eingereicht werden. Die Renovierung der neuen Wohnung habe schon angefangen.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm, seiner Ehefrau und seinem Sohn "Renovierungskosten für die neue Wohnung, z.B. Tapeten, Farbe, Gardinen, Anschlüsse für die Küche, Wasser, Abfluss für Wasser usw. sowie Küchenarbeitsplatten, sowie Umzugs-LKW" zu bewilligen.

Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt vor, der Fall des Antragstellers sei dem Gericht hinlänglich bekannt. Auch die neue Wohnung sei völlig unangemessen. Es könnten keinerlei Wohnungsbeschaffungskosten, Renovierungskosten, Umzugskosten oder irgendwelche sonstigen Kosten übernommen werden, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Neuanmietung stehen. Die Anmietung der neuen Wohnung sei nicht notwendig. Der Vermieter der neuen Wohnung schulde zivilrechtlich, die Mietsache in einem Zustand zu übergeben, der deren bestimmungsgemäße Nutzung erlaubt.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 21.04.2009 wurde der Antragsteller – wie auch in mehreren früheren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes – aufgefordert, Vollmachten für seine Ehefrau und seinen Sohn vorzulegen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.

II.

Soweit der Antragsteller Leistungen für seine Ehefrau und seinen Sohn begehrt, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unzulässig.

Trotz entsprechender gerichtlicher Bitte um Klarstellung bereits in mehreren früheren Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat der Antragsteller auch in diesem Verfahren nicht mitgeteilt, ob auch seine Ehefrau und sein Sohn Antragsteller sein sollen und Vollmachten trotz ausdrücklicher Aufforderung nicht vorgelegt.

Für die Geltendmachung von Ansprüchen seiner Ehefrau und seines Sohnes in eigenem Namen ist der Antragsteller nicht prozessführungsbefugt. Mit der Klage und entsprechend mit einem Antrag auf Anordnung auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes können in der Regel nur eigene Rechte verfolgt werden, nicht Rechte eines Dritten. Rechte eines Dritten können ausnahmsweise verfolgt werden, wenn eine Prozessstandschaft vorliegt. Eine Prozessstandschaft besteht jedoch hier nicht. Insbesondere kann auch bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft aus dieser keine Gesamtgläubigerschaft oder eine gesetzliche Verfahrens- und Prozessstandschaft jedes Mitglieds für die Ansprüche der anderen Mitglieder abgeleitet werden (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 07.11.2006, B 7b AS 8/06 R).

Hinsichtlich eigener Ansprüche des Antragstellers ist der Antrag zulässig, aber unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d.h. das materielle Recht für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, so wie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründen für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen, § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO).

Der Antrag bleibt deshalb erfolglos, weil es bereits an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs fehlt.

Der Antragsteller macht Kosten geltend, die ihm durch den zum 01.05.2009 geplanten Umzug entstehen. Gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II können Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung übernommen werden. Nach Satz 2 dieser Vorschrift soll die Zusicherung erteilt werden, wenn der Umzug durch den kommunalen Träger veranlasst oder aus anderen Gründen notwendig ist und wenn ohne die Zusicherung eine Unterkunft in einem angemessenen Zeitraum nicht gefunden werden kann. Bei der Prüfung, ob eine Zusicherung erteilt werden kann, muss auch hier als ungeschriebene Gesetzesvoraussetzung die Angemessenheit der anfallenden Kosten vorliegen (vgl. Landessozialgericht [LSG] Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.04.2009, L 7 B 33/09 AS ER). Dies gilt hinsichtlich der Umzugskosten auch bezüglich der laufenden Kosten der neuen Wohnung.

Eine Zusicherung liegt nicht vor. Diese war auch nicht zu erteilen. Die Kosten der von dem Antragsteller und seiner Familie ab dem 01.05.2009 angemieteten Wohnung sind nach summarischer Prüfung nicht angemessen.

Bereits die Kosten der bisherigen Wohnung mit einer Wohnfläche von 100 qm und einer Warmmiete von 650,00 Euro sind nicht angemessen. Trotz vielfacher Hinweise auf die Unangemessenheit der bisherigen Wohnung und die Verfügbarkeit kostengünstigerer verfügbarer Wohnungen durch die Antragsgegnerin, durch das Sozialgericht im Beschluss vom 02.05.2008 (S 11 AS 112/08 ER) und im Beschluss vom 08.12.2008 (S 11 AS 334/08 ER) sowie durch das LSG Nordrhein-Westfalen im Beschluss vom 20.12.2007 (L 1 B 65/07 AS ER), im Beschluss vom 10.07.2008 (L 7 B 180/08 AS ER) und im Beschluss vom 26.01.2009 (L 7 B 426/08 AS ER) hat der Antragsteller nach wie vor nicht glaubhaft gemacht, sich in den seither vergangenen Monaten in geeigneter Weise um die Senkung der Kosten der Unterkunft durch Anmietung einer kostenangemessenen Unterkunft bemüht zu haben. Die vorgetragenen vergeblichen Bemühungen um eine kostenangemessene Wohnung sind in keiner Weise substantiiert.

Stattdessen hat der Antragsteller nunmehr eine nur unwesentlich kleinere und billigere Wohnung angemietet, deren Kosten ebenfalls nicht angemessen sind. Bereits im Beschluss vom 02.05.2008 ist der Antragsteller darauf hingewiesen worden, dass für drei Personen eine Wohnfläche von 75 qm angemessen ist. Der Antragsteller hat hingegen nunmehr eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 90 qm angemietet. Weiter ist der Antragsteller in dem genannten Beschluss darauf hingewiesen worden, dass die Berechnung der angemessenen Miete mit einem Quadratmeterpreis von 4,46 Euro durch die Antragsgegnerin nach der gebotenen summarischen Prüfung nicht zu beanstanden ist, nachdem der Mietspiegel der Stadt S mit Stand 01.04.2006 als untere Grenze des Quadratmeterpreises je nach Baujahr der Wohnung Werte zwischen 2,75 Euro und 4,26 Euro ausweist. Aus dem Mietspiegel mit Stand 01.04.2008 ergeben sich nunmehr Werte zwischen 2,93 Euro und 4,53 Euro. Demgegenüber hat der Antragsteller eine Wohnung mit einem Quadratmeterpreis von 4,77 Euro angemietet.

Die Kammer hat nach einer überschlägig vorgenommenen Recherche auch zum jetzigen Zeitpunkt keine Zweifel, dass Wohnungen mit einer maximalen Wohnfläche von 75 qm und einer Kaltmiete von maximal 335,00 Euro in einfacher Wohnlage in S kurzfristig verfügbar sind. Eine Stichprobe bei www.immobilienscout24.de erbrachte auch zum jetzigen Zeitpunkt 9 Angebote für Wohnungen mit 3 oder mehr Zimmern und einer Kaltmiete von bis zu 355,00 Euro.

Der Antragsteller hat auch keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil seine Rechtsverfolgung aus den soeben dargelegten Gründen nicht die nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer analogen Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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