L 6 AL 5/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 3 AL 112/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 5/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 143a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III a.F. ist, wenn der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde - hier: Mobbing - ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können, nicht analog anzuwenden.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 8. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Entlassungsentschädigung im Zeitraum 1. März 2009 bis 31. August 2009.

Der 1966 geborene Kläger war ab 8. Dezember 1986 bei der JB. e.G., früher Molkerei Union JA. e.G., am Standort A-Stadt beschäftigt. Die JB. e.G. schloss im Zuge einer Umstrukturierung zum 30. Juni 2008 den Standort A-Stadt. Mit dem Betriebsrat wurde am 16. November 2007 ein Sozialplan und Interessenausgleich vereinbart. Der Interessenausgleich sieht vor, dass den Arbeitnehmern am Standort A-Stadt betriebsbedingt gekündigt wird, jedoch vor Ausspruch der Kündigung eine Weiterbeschäftigung innerhalb der JB. e.G. Unternehmensgruppe geprüft wird. Der Sozialplan regelt im einzelnen die Beschäftigungsangebote in der JB. Unternehmensgruppe und die Berechnung und Zahlung der Abfindung bei Ablehnung der Beschäftigung in einem anderen Betrieb der JB. Unternehmensgruppe und beim Ausscheiden aus dem Betrieb nach Arbeitsplatzwechsel binnen neun Monaten bei Eigenkündigung und binnen sechs Monaten bei betriebsbedingter Kündigung durch den Arbeitgeber (§ 2 Nr. 3 d sechster und siebter Spiegelstrich des Sozialplans).

Dem Kläger wurde von der JB. e.G. mit Schreiben vom 27. November 2007 zum 30. Juni 2008 gekündigt und eine Abfindung gemäß Soziaplan vom 16. November 2007 für den Verlust des Arbeitsplatzes zugesagt. Noch während des Laufs der Kündigung wurde dem Kläger mit Schreiben vom 18. April 2008 die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses am Standort Q-Stadt angeboten. Dieses Angebot hat der Kläger angenommen und ab 16. Juni 2008 am Arbeitsort Q-Stadt gearbeitet. In einem Schreiben der JB. e.G. vom 3. Juni 2008 wird u.a. festgehalten: "Innerhalb der ersten neun Monate nach der Versetzung hat der/die Mitarbeiterin sowie der Arbeitgeber innerhalb der ersten sechs Monate das Recht zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses unter Wahrung der Zahlung einer Abfindung gemäß Sozialplan vom 16. November 2007".

Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis am 9. Februar 2009 zum 28. Februar 2009. Gemäß der Arbeitsbescheinigung der JB. Milchindustrie GmbH, dem Tochterunternehmen, an dem nach der gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierung die JB. eG mehrheitlich beteiligt ist, wurde ihm nach 22-jähriger Betriebs-/Unternehmenszugehörigkeit eine Abfindung laut Sozialplan in Höhe von 64.366,58 EUR ausbezahlt.

Der Kläger meldete sich am 2. März 2009 zum 7. März 2009 bei der Beklagten arbeitslos. Mit Bewilligungsbescheid vom 6. April 2009 wurde dem Kläger Arbeitslosengeld bewilligt ab 1. September 2009. Mit weiterem Bescheid vom 6. April 2009 stellte die Beklagte ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bis zum 31. August 2009 fest. Dabei wurde der Berechnung des Ruhenszeitraums eine ordentliche Kündigungsfrist des Arbeitgebers von sechs Monaten, eine Unternehmenszugehörigkeit von über 20 aber unter 25 Jahren, ein Lebensalter ab 40, aber unter 45 Jahren und ein Arbeitsentgelt während der letzten Beschäftigungszeit von 40.351,81 EUR, somit ein Entgelt pro Kalendertag von 110,55 EUR, zugrunde gelegt. Weil der Ruhenszeitraum berechnet nach der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers von sechs Monaten bis zum 31. August 2009 für den Kläger günstiger war als der sich nach § 143a Abs. 2 S. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung – (SGB III) in der vom 1. Januar 2005 bis 31. März 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) errechnende Ruhenszeitraum bis zum 19. September 2009, wurde ersterer dem Ruhensbescheid zugrunde gelegt.

Der Kläger erhob am 20. April 2009 gegen beide Bescheide vom 6. April 2009, die ein identisches Geschäftszeichen tragen, Widerspruch und machte unter Vorlage einer detaillierten Aufstellung von Vorfällen geltend, er sei an der neuen Arbeitsstätte Q-Stadt ab Oktober 2009 intensiv, auch durch seine Vorgesetzten, gemobbt worden. Zum Nachweis der Tatsache, dass eine Weiterbeschäftigung an diesem Arbeitsplatz zu irreversiblen Gesundheitsschäden geführt hätte, legte er eine ärztliche Stellungnahme des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. WW. vom 9. März 2009 vor und machte geltend, vor diesem Hintergrund hätte er auch unabhängig von den Regelungen des Sozialplans sein Arbeitsverhältnis außerordentlich ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen können. Art. 3 Abs. 3 GG [sic] gebiete daher eine analoge Anwendung des § 143a Abs. 2 [S. 2] Nr. 3 SGB III, weshalb der Kläger Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 1. März 2009 habe.

Ungeachtet dessen sei für eine ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber § 622 Abs. 2 [S. 1] Nr. 6 SGB III nicht einschlägig, weil Beschäftigungszeiten aus früheren Arbeitsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber nicht zu berücksichtigen seien. In ihrem Kündigungsschreiben vom 28. November 2007 habe die JB. e.G. dem Kläger nicht einmal eine Wiedereinstellung in Aussicht gestellt. Erst in der zweiten Aprilhälfte 2008 sei ihm ein Arbeitsangebot der früheren Arbeitgeberin unterbreitet worden. Damit fehle auch der enge sachliche Zusammenhang zwischen der Kündigung des alten Arbeitsverhältnisses und dem Abschluss des neuen Arbeitsvertrages. Bei Anwendung der Kündigungsfrist des § 622 Abs. 1 Nr. 1 BGB [sic] ruhe der Anspruch auf Arbeitslosengeld nur im Monat März 2009, ungeachtet der Ausführungen zur analogen Anwendung des § 143a Abs. 2 [S. 2] Nr. 3 SGB III.

Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juni 2009 unter Darlegung der Berechnung des Ruhenszeitraums zurück. In Bezug genommen wird nur ein Bescheid vom 6. April 2009. Zur Begründung wird ausgeführt, auf die Gründe, aus denen das Arbeitsverhältnis beendet wurde, komme es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht an. Die Bestimmung des § 143a Abs. 2 [S. 2] Nr. 3 SGB III beziehe sich eindeutig auf eine Kündigung des Arbeitgebers aus wichtigem Grunde, nicht jedoch der Arbeitnehmer.

Mit seiner am 6. Juli 2009 beim Sozialgericht Kassel erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Der Kläger hat unter Vorlage des Bewilligungsbescheids vom 6. April 2009 und des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2009 seinen Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und ergänzt, der vorliegende Fall sei nicht mit einer Versetzung oder dem eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB vergleichbar. Vielmehr sei ein neues Arbeitsverhältnis mit anderem Inhalt und auch zusätzlichen Regelungen begründet worden. Der Tätigkeit ab dem 16. Juni 2008 am Arbeitsort Q Stadt habe keine Versetzung zugrunde gelegen, wie es nach dem Inhalt des Schreibens der JB. e.G. vom 3. Juni 2008 den Anschein haben könnte. Vielmehr sei ein neuer Arbeitsvertrag geschlossen worden, nachdem die JB. e.G. das Arbeitsverhältnis gekündigt und auch ein Arbeitszeugnis erteilt hatte. Zu berücksichtigen sei ferner, dass der Arbeitgeber innerhalb der ersten sechs Monate das Recht auf Auflösung dieses neuen Arbeitsverhältnisses hatte unter Wahrung der Zahlung einer Abfindung gemäß Sozialplan. Dies komme im Ergebnis der Vereinbarung einer Probezeit gleich. Die Vorbeschäftigungszeit am Standort A-Stadt sei nicht anzurechnen. Die im Rahmen des § 143a SGB III relevante Kündigungsfrist des Arbeitgebers ergebe sich aus § 622 Abs. 1 BGB.

Das Sozialgericht Kassel hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 8. Dezember 2009 abgewiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen und nach § 136 Abs. 3 SGG auf die ausführliche und überzeugende Begründung des Widerspruchsbescheids verwiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich die Kammer anschließe, komme eine analoge Anwendung des § 117 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG), der § 143a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III a.F. wortgleich entspreche, nicht in Betracht. Der Gesetzgeber habe an eine Erstreckung der Regelung auf Fälle der fristlosen Kündigung aus wichtigem Grund des Arbeitnehmers nicht gedacht. Zur Gesetzesbegründung sei ausgeführt worden, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld künftig immer dann ruhen solle, wenn der Arbeitnehmer gegen Zahlung einer Abfindung ohne Einhaltung der Kündigungsfrist des Arbeitgebers ausgeschieden sei und eine Ausnahme alleine dann zu gelten habe, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos hätte kündigen können, weil in diesen Fällen eine gezahlte Abfindung allein der Entschädigung für den Verlust des sozialen Besitzstandes diene (BT-Drs. 8/857 S. 9).

Einschlägig für die Kündigungsfrist des Arbeitgebers sei zur Überzeugung des Gerichts § 622 Abs. 2 [S. 1] Nr. 6 BGB. Dies ergebe sich eindeutig aus dem Schreiben des Arbeitgebers vom 18. April 2008, in dem deutlich gemacht werde, dass dieser bereit sei, das Arbeitsverhältnis unter Beibehaltung der bisherigen Absprachen fortzusetzen. Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers gehe von der lebensfremden Vorstellung aus, dass der Kläger freiwillig – gegen den Willen des Arbeitgebers – auf Schutzrechte aus dem Arbeitsverhältnis verzichtete.

Der Kläger hat gegen den den Beteiligten am 10. Dezember 2009 zugestellten Gerichtsbescheid am 8. Januar 2010 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt und im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Widerspruch und der Klagebegründung wiederholt. Ergänzend zur Begründung einer auf Art. 3 Abs. 3 GG [sic] gestützten analogen Anwendung des § 143a Abs. 2 [S. 2] Nr. 3 SGB III auf die Kündigung des Arbeitnehmers aus wichtigem Grund hat der Kläger auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu § 628 Abs. 2 BGB hingewiesen, wonach der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber bei einem schuldhaften vertragswidrigen Verhalten des Arbeitgebers nach der neueren Rechtsprechung einen angemessenen Ausgleich für den Verlust des durch das KSchG vermittelten Bestandsschutzes beinhaltet und sich die Bemessung dieses Ausgleichs an der Abfindungsregelung der §§ 9, 10 KSchG orientiert (BAG, Urteil vom 26. Juli 2001 8 AZR 739/00, juris; BAG, Urteil vom 20. November 2003 - 8 AZR 608/02 -, juris).

Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel vom 8. Dezember 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 6. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2009 insoweit aufzuheben, als er das Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs im Zeitraum 7. März 2009 bis 31. August 2009 betrifft und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für die Zeit 7. März 2009 bis 31. August 2009 Arbeitslosengeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte trägt in ihrem erstinstanzlichen Vortrag ergänzend vor, dass aus ihrer Sicht der Kläger im Jahr 2008 kein neues Arbeitsverhältnis begonnen habe, sondern das am 8. Dezember 1986 begonnene Arbeitsverhältnis fortgeführt wurde. Die von dem Kläger angeführte arbeitsgerichtliche Rechtsprechung habe für die Anwendung des § 143a SGB III a.F. keine Relevanz.

Der 6. Senat des Hessischen Landessozialgerichts hat mit Beschluss vom 21. Februar 2013 die Berufung der Berichterstatterin gemäß § 153 Abs. 5 SGG übertragen.

Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. Mai 2013 verwiesen. Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die von dem Kläger erhobene Berufung, über die die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 SGG entscheiden kann, ist form- und fristgerecht eingelegt worden und auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger ist durch die angegriffenen Bewilligungs- und Ruhensbescheide vom 6. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2009 nicht in seinen Rechten verletzt. Das Gericht geht, obwohl der Widerspruchsbescheid nur einen Bescheid vom 6. April 2009 benennt und auch der Antrag des Klägers im Klage- wie im Berufungsverfahren entsprechend formuliert wurde, davon aus, dass beide Bescheide vom 6. April 2009 mit identischem Geschäftszeichen Gegenstand des Klage- und des Berufungsverfahrens geworden sind. Die Beklagte selbst hat den Widerspruch gegen beide Bescheide als einen Widerspruch gegen einen Bescheid und damit die Bewilligung nach Ablauf des Ruhenszeitraums und den Ruhensbescheid als eine einheitliche Regelung behandelt. Auch aus dem Antrag des Klägers, wonach ausdrücklich nicht die Bewilligung des Arbeitslosengeldes dem Grunde nach, wohl aber das Ruhen bis zum 1. September 2009 mit Klage und Berufung angegriffen werden, ist ersichtlich, dass beide Bescheide, die nach dem Widerspruchsbescheid als Einheit verstanden werden, angegriffen werden sollen (vgl. BSG, Urteil vom 17. Oktober 2007 - B 11a AL 51/06 R -, juris).

§ 143a Abs. 1 S. 1 und 2 SGB III a.F. bestimmt: Hat der Arbeitslose wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, Entschädigung oder ähnliche Leistung (Entlassungsentschädigung) erhalten oder zu beanspruchen und ist das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden, so ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte. Diese Frist beginnt mit der Kündigung, die der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorausgegangen ist, bei Fehlen einer solchen Kündigung mit dem Tage der Vereinbarung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Nach § 143a SGB III a.F. besteht bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber ohne Mitwirkung des Arbeitsverhältnisses dieses hätte kündigen können die unwiderlegliche Vermutung, dass die Zahlung für Zeiten nach der Beendigung des Arbeitsverhältnis erbracht werden, die es rechtfertigt, der Entlassungsentschädigung wie dem Arbeitsentgelt (vgl. hierzu § 143 SGB III a.F.) ruhensbegründende Wirkung beizumessen (BSG, Urteil vom 20. Januar 2000 – B 7 AL 48/99 R – juris Rn. 14; Düe, in: Niesel/Brandt, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 143a Rn. 2).

Das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld setzt voraus, dass zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Abfindung ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Wegen der Beendigung wird eine Abfindung gewährt, wenn der Arbeitslose die Abfindung ohne die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht erhalten hätte. Dagegen kommt es nicht darauf an, ob die Abfindung in ursächlichem Zusammenhang mit der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht (BSG, Urteil vom 21. September 1995 -11 RAr 41/95, juris Rn. 21).

Hier hat der Kläger sein Arbeitsverhältnis bei der JB. e.G. am 9. Februar 2009 zum 28. Februar 2009 gekündigt. Wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses hat er eine Abfindung in Höhe von 64.366,58 EUR erhalten. Hätte er sein Arbeitsverhältnis nicht gekündigt, hätte ihm, nachdem er ab 16. Juni 2008 aufgrund des Angebots vom 18. April 2008 sein Arbeitsverhältnis am Standort Q-Stadt fortgesetzt – oder nach dem Vortrag des Klägers dort ein neues Arbeitsverhältnis aufgenommen – hatte, die im Sozialplan wegen der Schließung des Standortes A-Stadt vereinbarte Entlassungsentschädigung nicht zugestanden.

Die Möglichkeit zur Kündigung binnen kurzer Frist für den Kläger ohne Verlust seiner Rechte aus dem Sozialpan ergab sich aus § 2 Nr. 3 d, 6. Spiegelstrich des Sozialplans, der bestimmt: "Im Falle der Aufnahme einer Tätigkeit innerhalb der Unternehmensgruppe kann der Arbeitnehmer seine Tätigkeit innerhalb von 9 Monaten mit einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen oder der gesetzlichen Kündigungsfrist beenden, ohne dass er die Rechte aus dem Sozialplan verliert." Die Bestimmungen des Sozialplans sind durch das – vom Kläger angenommene – Angebot der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden ("findet Anwendung"). Der Kläger hat von der kurzen Ankündigungsfrist Gebrauch gemacht.

Die gesetzliche Kündigungsfrist für den Arbeitgeber betrug hier – entgegen der Auffassung der Beklagten und auch des Sozialgerichts - nach § 622 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 BGB bei einer Betriebszugehörigkeitszeit ab 8. Dezember 1986, also von 22 Jahren, sieben Monate. § 622 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach bei der Berechnung der Beschäftigungsdauer Zeiten vor der Vollendung des 25. Lebensjahres des Arbeitsnehmers nicht berücksichtigt werden, ist im Hinblick auf das Verbot der Altersdiskriminierung in seiner Konkretisierung durch die Richtlinie EGRL 78/2000 unionsrechtswidrig und § 622 Abs. 2 S. 2 BGB aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts damit unanwendbar für Kündigungen, die nach dem 2. Dezember 2006, dem Ablauf der verlängerten Umsetzungsfrist für die Richtlinie in innerstaatliches Recht, erklärt wurden (vgl. BAG, Urteil vom 29. September 2001 – 2 AZR 177/10, juris Rn. 11). Zwar hat der Arbeitgeber selbst eine nur sechsmonatige Kündigungsfrist in seiner Arbeitsbescheinigung angegeben. Dies lässt sich aber mit der gesetzlichen Rechtslage nicht in Einklang bringen. Die von der Beklagten zu kurz bemessene gesetzliche Kündigungsfrist für den Arbeitgeber wirkt sich bei der Bemessung des Ruhenszeitraums indessen nur zugunsten des Klägers aus und ist daher für den Erfolg der Berufung ohne Belang. Festzuhalten ist damit, dass der Kläger wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Entlassungsentschädigung erhalten hat und sein Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer der ordentlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers entsprechenden Frist beendet worden ist.

Die Einwände des Klägers gegen diese Beurteilung greifen nicht durch.

Der Vortrag des Klägers, die Zeiten der Beschäftigung bei der Molkerei JA. e.G. und der JB. e.G. ab dem 8. Dezember 1986 seien auf das ab dem 16. Juni 2009 neu begründete Arbeitsverhältnis nicht anzurechnen, verkennt, dass dem Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an einem neuen Standort unter Wahrung seiner Rechte aus dem noch bestehenden, aber zum 30. Juni 2008 gekündigten Arbeitsverhältnis angeboten wurde und er dieses Angebot angenommen hat.

Auch der Vortrag des Klägers, es sei eine Regelung getroffen worden, die einer Probezeit im neuen Arbeitsverhältnis gleich komme, schlägt nicht durch. So enthält zwar das Angebot vom 18. April 2008, das die Fortsetzung des zum 30. Juni 2008 gekündigten Arbeitsverhältnisses zum Inhalt hat, folgende Regelung: "Innerhalb der ersten neun Monate nach der Versetzung hat der/die Mitarbeiter/in sowie der Arbeitgeber innerhalb der ersten sechs Monate das Recht auf Auflösung des Arbeitsvertrages unter Wahrung der Zahlung einer Abfindung gemäß Sozialplan vom 16. November 2007." Entgegen der Auffassung des Klägers wird hier aber keine Regelung getroffen, die einer Probezeit im neuen Arbeitsverhältnis gleich kommt. Es handelt sich vielmehr um eine Bestimmung zur Besitzstandswahrung für die Rechte aus dem Sozialplan. Nach § 2 a des Sozialplans verpflichtet sich jedes Unternehmen die bisher von der JB. e.G. erworbene Betriebszugehörigkeit und alle sonstigen Besitzstände auf das Arbeitsverhältnis anzurechnen. Das Arbeitsangebot der JB. e.G. für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in Q-Stadt, das bestimmt, dass der Sozialplan und Interessenausgleich vom 16. November 2007 Anwendung findet, kann danach nur so verstanden werden, dass der Kläger auch am neuen Arbeitsort seine Betriebszugehörigkeitszeit ab 8. Dezember 1986 behält. Damit ist es nicht vereinbar, diese Regelung als Vereinbarung einer Probezeit nach § 622 Abs. 3 BGB zu verstehen. Wenn eine solche Probezeit vereinbart worden wäre, hätte für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer eine zweiwöchige Kündigungsfrist gegolten und es hätte der besonderen Regelung einer Ankündigungsfrist von 14 Tagen alternativ zur gesetzlichen Kündigungsfrist für die Kündigung durch den Arbeitnehmer in § 2 Nr. 3 d, sechster Spiegelstrich des Sozialplans nicht bedurft. Außerdem stände die Vereinbarung einer Probezeit mit der Folge einer verkürzten Kündigungsfrist nach § 622 Abs. 3 BGB im klaren Widerspruch zur Regelung des Sozialplans in § 2 Nr. 3 d, siebter Spiegelstrich, wonach dem Arbeitnehmer "mit einer dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung seiner bisherigen Betriebszugehörigkeit zustehenden Kündigungsfrist betriebsbedingt" gekündigt werden kann.

Damit ist festzuhalten, dass der Kläger unter Verkürzung der gesetzlichen Kündigungsfrist, die für den Arbeitgeber galt, gekündigt hat mit der Folge, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld von dem Ende des Arbeitsverhältnisses an bis zu dem Tage, an dem das Arbeitsverhältnis bei Einhaltung dieser Frist geendet hätte, ruht.

Dem Vortrag des Klägers schließlich Art. 3 Abs. 3 (gemeint Abs. 1) GG gebiete eine analoge Anwendung des § 143a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III a.F. (gemeint § 143a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III a.F) auf die Möglichkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung durch den Arbeitnehmer, da andernfalls vergleichbare Gruppen oder Sachverhalte aus sachlich nicht gerechtfertigten Gründen ungleich behandelt würden, ist nicht zu folgen. Eine analoge Anwendung des § 143a SGB III a.F. scheidet grundsätzlich aus.

Nach der Ausnahmebestimmung des § 143a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III a.F. ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Absatz 1 nicht über den Tag hinaus, an dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grunde ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist hätte kündigen können. Der Grund für diese Regelung ist, dass in diesem Ausnahmefall nicht anzunehmen ist, dass eine Entlassungsentschädigung Vergütungsbestandteile für die Zeit nach der Kündigung enthält (vgl. BT-Drs. 8/857 S. 9, BSG, Urteil vom 21. September 1995 -11 RAr 41/95, juris Rn. 23; Düe, in: Niesel/Brandt, SGB III, 5. Aufl. 2010, § 143a Rn. 40).

Zunächst bestehen grundsätzliche methodische Bedenken gegen eine analoge Anwendung der Ausnahmebestimmung auf eine mögliche außerordentliche fristlose Kündigung des Arbeitnehmers (vgl. auch den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts vom 13. März 1990 - Az.: 11 RAr 107/89 – juris zur Unzulässigkeit einer verfassungskonformen Auslegung der Bestimmung zur Anwendung im Fall einer möglichen außerordentlichen Kündigung eines nicht mehr ordentlich kündbaren Arbeitnehmers unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist). Dessen ungeachtet spricht hier aber auch der Normzweck gegen die vom Kläger geforderte Analogie.

Das Bundessozialgericht hat – worauf das erstinstanzliche Urteil bereits hingewiesen hat – bereits entschieden, dass eine analoge Anwendung von § 117 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 AFG, der § 143a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III a.F. wortgleich entspricht, auf Fälle einer möglichen außerordentlichen fristlosen Kündigung des Arbeitnehmers nicht in Betracht kommt, weil nach dem Zweck der gesetzlichen Regelung gerade nicht die Fälle erfasst werden sollen, in denen der Arbeitnehmer ein Recht zur fristlosen Kündigung hat. Der Zweck der Vorschrift liegt darin, Doppelleistungen zu vermeiden, die entstehen würden, wenn der Arbeitnehmer einerseits Arbeitslosengeld erhielte und andererseits mit der Abfindung Arbeitsentgeltansprüche abgegolten würden, die ihm für dieselbe Zeit zugestanden hätten, sofern er von seinem Recht auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der für den Arbeitgeber geltenden ordentlichen Kündigungsfrist Gebrauch gemacht hätte. Solche Doppelleistungen kommen bei der in § 143a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III a.F. allein erfassten berechtigten fristlosen Kündigung durch den Arbeitgeber nicht in Betracht (BSG, Urteil vom 13. März 1990 - 11 RAr 69/89 -, juris Rn. 28).

Dagegen wäre es widersinnig, die Ausnahmebestimmung in analoger Anwendung anzuwenden, wenn der Arbeitnehmer selbst die Möglichkeit zur fristlosen außerordentlichen Kündigung hatte. Aus der von dem Kläger angeführten bundesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung zu § 628 Abs. 2 BGB folgt nichts anderes. Der Kläger weist darauf hin, dass der Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers gegen seinen Arbeitgeber wegen Auflösungsverschuldens des Arbeitgebers eine den Verlust des Bestandsschutzes ausgleichende angemessene Entschädigung entsprechend §§ 9, 10 KSchG beinhalten kann (BAG, Urteil vom 26. Juli 2001 - 8 AZR 739/00, juris; BAG, Urteil vom 20. November 2003 - 8 AZR 608/02 -, juris; BAG, Urteil vom 21. Mai 2008 - 8 AZR 623/07 -, juris). Diese Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes tritt gemäß § 628 Abs. 2 BGB aber nur neben den Schadensersatz wegen entgangener Vergütung (vgl. BAG, Urteil vom 26. Juli 2007 - 8 AZR 796/06 -, juris Rn. 30). Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu § 628 Abs. 2 BGB spricht damit gegen, nicht für eine analoge Anwendung des § 143a Abs. 2 S. 2 Nr. 3 SGB III a.F., wenn der Arbeitnehmer die Möglichkeit zur fristlosen außerordentlichen Kündigung hatte.

Damit war vorliegend auch nicht dazu zu ermitteln, ob die Mobbingvorwürfe des Klägers zutreffen und ob es ihm zumutbar war, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, oder er sich auf einen wichtigen Grund nach § 626 Abs. 1 BGB zu einer fristlosen außerordentlichen Kündigung hätte berufen können. Für die gezahlte Abfindung greift vielmehr die unwiderlegliche gesetzliche Vermutung, dass die Entlassungsentschädigung Vergütungsbestandteile für die Zeit nach der Kündigung enthält.

Gegen die Berechnung des Ruhenszeitraums im Übrigen sind vom Kläger keine Einwände erhoben worden. Außer der Zugrundelegung einer gesetzlichen Kündigungsfrist des Arbeitgebers von sechs statt sieben Monaten, die sich zugunsten des Klägers auswirkt, sind auch keine Fehler in der Berechnung ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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