L 3 U 237/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 63/05
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 237/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 182/12 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Bedeutung eines (seelischen) Erstschadens als notwendiger Anknüpfungstatsache im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem Arbeitsunfall und einer als Unfallfolge geltend gemachten depressiven Störung.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 17. November 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1960 geborene Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls, den sie als bei der Beklagten versicherte selbstständige Gastwirtin am 26. November 2001 erlitten hat.

Sie wurde am 26. November 2001 auf dem Weg zu einer geschäftlichen Besorgung auf einem Zebrastreifen als Fußgängerin von einem Auto angefahren und erlitt dabei eine Gehirnerschütterung, einen Teilriss des Außenbandes am linken Sprunggelenk, eine Platzwunde über dem Innenknöchel sowie mehrere Prellungen. Bis 27. November 2001 wurde sie stationär im Krankenhaus Witzenhausen behandelt (Berichte des Durchgangsarztes und Chirurgen Dr. D. vom 26. November und 6. Dezember 2001). Nachdem die Klägerin der Beklagten gegenüber das Auftreten epileptischer Anfälle nach dem Unfall angezeigt hatte, zog die Beklagte diverse medizinische Befundunterlagen des unfallchirurgischen und des neurologischen Zentrums sowie der Abteilung Psychosomatik der Universitätsklinik Göttingen bei, des Neurologen und Psychiaters E., der Ärztin und Psychotherapeutin F. und des Orthopäden Dr. G., die sie vom beratenden Neurologen und Psychiater Dr. H. auswerten ließ. Nach dessen Stellungnahme vom 26. August 2003 seien über eine Gehirnerschütterung hinaus keine Folgen des streitigen Arbeitsunfalls auf neurologischem Gebiet nachweisbar, sodass die Voraussetzungen zur Annahme eines posttraumatischen Anfallsleidens bei der Klägerin nicht bejaht werden könnten. Soweit bei ihr epileptische Anfälle aufgetreten seien, müssten diese andere Ursachen haben. Für die Annahme einer posttraumatischen Belastungsreaktion fehle dem Unfallereignis die erforderliche Schwere.

Die Beklagte ließ ein neurologisch-psychiatrisches Zusammenhangsgutachten bei Prof. J. erstatten. In seinem Gutachten vom 3. Oktober 2003 ging dieser zunächst davon aus, dass bei der Klägerin ein zerebrales Anfallsleiden bereits vor dem streitigen Arbeitsunfall bestanden habe, das durch diesen vorübergehend verschlimmert worden sei. Dabei bewertete er den Verschlimmerungsanteil des zerebralen Anfallsleidens mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 v.H. ausgehend von einer umschriebenen Gliawucherung im Marklager der linken Hirnhälfte. Zwischen dem Arbeitsunfall und diesem Leiden bestehe kein unmittelbarer Kausalzusammenhang aber ein mittelbarer der Gestalt, dass eine vorbestehende Disposition zu Krampfanfällen sich posttraumatisch verstärkt habe. Die Beklagte zahlte der Klägerin daraufhin Verletztengeld bis zum 24. Februar 2004. Auf Veranlassung des Prof. J. und des die Beklagte beratenden Neurologen Dr. K. wurde die Klägerin vom 29. Januar bis 31. März 2004 auf Kosten der Beklagten stationär im Epilepsiezentrum Kork aufgenommen. Nach dem Behandlungsbericht des Zentrums vom 31. März 2004 konnte die Klinik ein aktives zerebrales Anfallsleiden nicht bestätigen. Während des Behandlungszeitraumes waren lediglich zwei psychogene Anfälle registriert worden. Der Bericht des Zentrums vom 31. März 2004 führt zusammenfassend aus:

"Die von der Patientin gemeldeten Unwohlseinszustände (Schwindel, Kältegefühl, Schwäche) mit teilweise fehlender Reaktion auf Ansprache zeigten kein elektrophysiologisches Korrelat. Wir schätzen diese Ausnahmezustände als psychogen ein. Ebenfalls konnten wir zwei psychogene Anfälle im Sinne einer dissoziativen Reaktion registrieren, die von der Anfallssemiologie sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen ähneln, aber als eindeutig psychogen zu klassifizieren sind. Derzeit gibt es keine Hinweise für eine aktive Epilepsie."

Prof. J. korrigierte daraufhin sein Gutachten am 20. April 2004, da er eine unfallbedingte Verschlimmerung des bei der Klägerin vorbestehenden psychischen Leidens nicht mehr für erwiesen hielt. Denn die psychogenen Anfälle hätten sich als bewusst herbeigeführt herausgestellt. Die in seinem Erstgutachten aufgrund eines von der Klägerin vorgelegten Anfallskalenders behaupteten ca. fünf großen Anfälle pro Monat sowohl im Schlaf als auch den Tag über verteilt hätten sich in der langfristigen stationären Beobachtung der Klägerin nicht bestätigt. Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet könne er daher nicht vorschlagen.

Am 24. Juni 2002 wurde in der Orthopädischen Universitätsklinik Göttingen bei der Klägerin zur Beseitigung einer chronischen Instabilität am linken oberen Sprunggelenk nach Außenbandriss infolge des Arbeitsunfalls eine Bandersatzoperation durchgeführt (Berichte Prof. L. vom 20. August und 24. Juni 2002). Eine Arthroskopie des rechten oberen Sprunggelenks vom 17. Oktober 2002 blieb ohne krankhaften Befund (Bericht vom 25. Oktober 2002). Die Beklagte ließ sodann das unfallchirgische Gutachten des Prof. M. von der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main (BGUK) vom 6. Juli 2004 erstatten. Der Gutachter stellte auf seinem Fachgebiet nach Außenbandteilriss am linken Sprunggelenk eine durchgehende Muskelminderung des linken Beines, eine leichte Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk sowie eine reizlose Narbe am linken Sprunggelenk der Klägerin fest, wobei diese Unfallfolgen mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten seien. Nicht Folgen des Arbeitsunfalls seien die lumbalgieformen Beschwerden bei Bandscheibenvorfällen und -vorwölbungen im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS).

Mit Bescheid vom 9. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. November 2001 der Klägerin gegenüber ab, da der Arbeitsunfall keine MdE in rentenberechtigendem Grade über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus hinterlassen habe. Als Unfallfolgen stellte der Bescheid fest:

"Muskelminderung des linken Beines bei Zustand nach Teilriss des linken Außenbandapparates, leichte Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk, reizlose Narbe am linken Sprunggelenk."

Die lumbalgieformen Beschwerden mit durch CT nachgewiesenen Bandscheibenvorwölbungen sowie einem Bandscheibenvorfall im LWS-Bereich seien ebenso wenig infolge des Arbeitsunfalls entstanden wie die psychogenen Anfälle der Klägerin.

Auf die Klage vom 24. März 2005 hat das Sozialgericht Kassel (Sozialgericht) Berichte der behandelnden Ärzte (E. und F.) sowie den Bericht vom 22. Januar 2009 der Ökumenischen Hainichkliniken in Heilbad Heiligenstatt beigezogen, dem weitere Berichte über drei stationäre Aufenthalte der Klägerin im Zeitraum vom 7. April bis 7. November 2008 beigefügt waren. Im Anschluss daran hat das Sozialgericht von Amts wegen das neurologisch-psychiatrische Sachverständigengutachten des Dr. D. vom 29. September 2008 mit ergänzender Stellungnahme vom 8. Mai 2009 eingeholt sowie auf Antrag der Klägerin das nervenfachärztliche Gutachten des Dr. C. vom 27. April 2010 nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Dr. D. befundete auf seinem Fachgebiet eine Migräne ohne Aura, eine dissoziative Störung mit psychogenen Bewusstseins- und Wahrnehmungsstörungen im Sinne von Pseudohalluzinationen akustischer Natur sowie eine rezidivierende depressive Störung, die zur Zeit remittiert sei. Die vorgenannten Gesundheitsstörungen stünden in keinem Ursachenzusammenhang mit dem streitigen Unfallereignis. Es hätten sich keine Prellmarken am Kopf unfallnah finden lassen und die Angaben einer Bewusstlosigkeit von Seiten der Klägerin seien fraglich und divergierten. Als Erstkörperschaden seien lediglich eine Schürfwunde an beiden Kniegelenken und eine Platzwunde am Innenknöchel rechts dokumentiert. Unfallunabhängig sei eine mehrfach beschriebene strukturelle Veränderung des Marklagers der linken Gehirnhälfte erwiesen sowie vorbestehende mehrfache synkopale Ereignisse, bei denen schon immer die Verdachtsdiagnose einer Epilepsie im Raume gestanden habe. Darüber hinaus lägen als konkurrierende Ursachen erhebliche psychische Konflikte innerhalb der Familie vor, die eher geeignet seien, eine dissoziative Störung der Klägerin zu bewirken als das streitige Arbeitsunfallereignis. Daher bestünden eine Migräne ohne Aura sowie eine derzeit remittierte depressive sowie eine dissoziative Störung unfallunabhängig und eine unfallbedingte MdE liege nicht vor.

Dr. C. vertrat die Auffassung, die Klägerin leide seit dem Unfallgeschehen unter einer chronisch rezidivierenden depressiven Störung derzeit leicht bis mittelgradiger Ausprägung. Infolge des Unfalles sei es zu einem dissoziativen, epileptogenen Anfallsleiden gekommen. Dissoziative Zustände seien vor dem Unfallgeschehen nicht bekannt geworden und die vorbeschriebenen Synkopen seien mit niedrigem Blutdruck der Klägerin zu erklären. Die histrionisch-ängstliche Persönlichkeit der Klägerin sowie ihre psychischen Strukturen seien prädisponierend für die mangelhafte Krankheitsverarbeitung gewesen sowie auch für die ungenügende Konfliktverarbeitung, die letztlich zu einem konversionsneurotischen Verarbeitungsmodus geführt und sich zu einem dissoziativen Anfallsleiden entwickelt habe. Wegen des Unfallgeschehens habe die Klägerin ihren Beruf nicht mehr ausüben könne und habe ihre Selbstständigkeit im beruflichen und privaten Bereich verloren. Es sei zu medizinischen Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen gekommen. Ohne das Unfallgeschehen wären weder die Diagnosen noch die mitverursachenden Faktoren so entstanden. Die MdE für die danach anzuerkennenden Folgen des streitigen Arbeitsunfalls sei mit 50 v.H. zu bemessen. Von einer Verschlimmerung eines Vorschadens könne danach nicht die Rede sein – weder im Bezug auf die angesprochenen Anfälle noch auf die Depressionen. Soweit die Klägerin schon vor dem streitigen Arbeitsunfall gelegentliche Verstimmungen gezeigt habe, seien diese nicht von krankhaftem Charakter gewesen. Der Einschätzung des Prof. J. trete er nicht bei, da die in früheren Jahren festgestellten Marklagerveränderungen niemals Auslöser für Anfälle geworden seien. Soweit Prof. J. der Klägerin Simulation unterstelle, um sich finanzielle Vorteile durch das Kranksein zu verschaffen, teile er diese Auffassung nach eigener Untersuchung der Klägerin nicht. Der Einschätzung des Dr. D. könne er sich ebenfalls nicht anschließen, denn über den zeitlichen Zusammenhang der depressiven und dissoziativen Störung hinaus sehe er auch einen wesentlichen ursächlichen Zusammenhang der Erkrankung mit dem streitigen Arbeitsunfallereignis.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 17. November 2010 abgewiesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung der auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bestehenden Erkrankungen als Folge des streitigen Arbeitsunfalls und auch keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung habe. Die chirurgischen Folgen des Arbeitsunfalls habe der Gutachter Prof. M. zutreffend festgestellt in Form einer durchgehenden Muskelminderung des linken Beines, einer leichten Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk sowie einer reizlosen Narbe am linken Sprunggelenk. Diese Unfallfolgen rechtfertigten eine MdE von 10 v.H., was nicht ausreiche, um eine Rente zu gewähren. Nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. D. lägen darüber hinaus auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet keine Folgen des Arbeitsunfalls vor. Bei den insoweit erhobenen Diagnosen – Migräne ohne Aura, dissoziative sowie rezidivierende depressive Störung – handele es sich um unfallfremde Leiden. Eine posttraumatische Belastungsstörung habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Die Auffassung des Dr. D. stimme mit der des Prof. J. in dessen Stellungnahme vom 20. April 2004 überein, wobei Prof. J. sich in überzeugender Weise von seinem ursprünglich erstatteten Gutachten vom 3. Oktober 2003 gelöst habe, indem er die zuvor falschen Angaben der Klägerin im Hinblick auf ihr Krampfanfallleiden seiner Wertung nicht mehr habe zugrunde legen können. Das Epilepsiezentrum Kork habe keine Hinweise für eine akute Epilepsie finden können. Der Auffassung des gerichtlichen Sachverständigen Dr. C. ist das Sozialgericht nicht gefolgt, da Dr. C. keine Auseinandersetzung mit den Kausalitätskriterien der gesetzlichen Unfallversicherung geliefert habe. Auch der Nachweis einer Primärverletzung, die dann zu einem dauerhaften Gesundheitsschaden auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet geführt haben solle, erbringe er nicht. Die unmittelbar auf das Unfallereignis folgenden neurologischen Kontrollen hätten keine psychischen Auffälligkeiten beschrieben und Verletzungszeichen am Kopf oder psychiatrische Auffälligkeiten sind weder am Unfalltag noch zeitnah zum Unfallereignis belegt. Die von Dr. C. diagnostizierten pseudoepileptischen Anfälle ließen sich nach Dr. D. nicht dem Unfallereignis zuordnen, da der Unfall zu keiner strukturellen Schädigung des Gehirns geführt habe und unfallfremd Veränderungen des Marklagers der linken Gehirnhälfte nachgewiesen seien ebenso wie bereits vorangehende synkopale Ereignisse.

Die Klägerin hat gegen das Urteil vom 17. November 2010 am 22. November 2010 Berufung eingelegt mit der Begründung, der Beurteilung des Dr. C. sei zu folgen, während dem Gutachten des Dr. D. entgegenzutreten sei. Sie habe Krampfanfälle erst nach dem streitigen Arbeitsunfall erlitten – und zwar den ersten Anfall etwa drei Wochen nach dem Unfallgeschehen in einem Einkaufsmarkt, wobei ihr Ehemann Jens A. zugegen gewesen sei. Vor dem streitigen Arbeitsunfall habe sie zwei Bistrobetriebe selbstständig geführt. Das Sozialgericht habe zudem das Faktum einer posttraumatischen Belastungsstörung völlig außer Acht gelassen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 17. November 2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 9. August 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 2005 zu verurteilen, ihr unter Anerkennung einer depressiven Störung und eines Krampfanfallsleidens als weitere Folgen des Arbeitsunfalls vom 26. November 2001 Rente nach einer MdE von 30 v.H. ab 25. Februar 2004 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend, da die Klägerin anlässlich des streitigen Arbeitsunfalls von einem vorbeifahrenden PKW erfasst worden sei und dabei eine zwischenzeitlich folgenlos ausgeheilte Gehirnerschütterung erlitten habe, des Weiteren Prellungen und einen Teilriss des linken Außenbandapparates. Die chirurgischen Unfallfolgen seien mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten und auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet keine weiteren Erkrankungen als Folgen des Arbeitsunfalls wahrscheinlich zu machen. Insofern habe Dr. D. unter Hinweis auf fehlende Akutbefunde den streitigen Zusammenhang zu Recht verneint. Demgegenüber könne der Beurteilung des Dr. C. nicht gefolgt werden, da er eine objektive Begründung für den von ihm behaupteten Unfallzusammenhang der psychiatrisch-neurologischen Erkrankungen der Klägerin vermissen lasse.

Das Berufungsgericht hat auf Antrag der Klägerin die ergänzende Stellungnahme des Dr. C. vom 25. Oktober 2011 nach § 109 SGG eingeholt. Dr. C. ist darin bei seiner Auffassung verblieben, dass die dissoziative sowie auch die rezidivierende depressive Störung der Klägerin auf den streitigen Arbeitsunfall zurückzuführen seien, wobei es sich um bewusstseinsferne, vom Willen der Klägerin nicht beherrschbare Störungen handele. Der Unfall habe zu massiven Beeinträchtigungen der Klägerin im psychosozialen und beruflichen Kontext geführt. Erst durch die sozialen Begleitumstände, die sich infolge des Unfalltraumas ergeben hätten, sei es zu einer Behinderung im Arbeitsleben und in der Gesellschaft gekommen. Durch die Unfallfolgen habe die Klägerin Hilflosigkeit und Bedürftigkeit erlebt, was zum Verlust der Eigenständigkeit und des beruflichen Erfolges und dem Entstehen finanzieller Belastungen geführt habe – auch bedingt durch fehlende Erstattung von Versicherungen, sodass eine eventuell vorher bestandene familiäre Konfliktsituation nun durch den Umstand des Ausgeliefertseins eine Zunahme erfahren habe. Dem hätte die Klägerin zuvor ohne weiteres ausweichen können, was ihr jetzt nicht mehr möglich gewesen sei, nachdem sie durch den Arbeitsunfall gravierende Schäden davongetragen habe. Es handele sich dabei um sogenannte Folgeschäden, bei denen erst im späteren zeitlichen Verlauf die Symptome auftreten würden. Denn in direktem Zusammenhang mit der Erstuntersuchung nach dem Trauma und auch in der näheren Folgezeit seien derartige psychische Auffälligkeiten noch nicht erkennbar gewesen. Den Unfallzusammenhang ausschließende Vorschäden lägen bei der Klägerin nicht vor – wie im Gutachten bereits ausgeführt. Die MdE für die dissoziative Störung sei mit 30 v.H. einzuschätzen und die für die depressive Erkrankung mit 20 v.H., wobei die letztgenannte MdE in der Ersteren aufgehe. Die Gesamt MdE von 30 v.H. habe auch Bestand unter Einschluss der MdE von 10 v.H. auf chirurgischem Sektor. Denn die chirurgischen Folgen des Arbeitsunfalls seien für die Klägerin im Alltag von untergeordneter Bedeutung.

Während die Klägerin der Beurteilung des Dr. C. zugestimmt hat, hat die Beklagte sich unter Vorlage der beratungsärztlichen Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. N. vom 3. Januar 2012 dazu kritisch geäußert.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige (§§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz SGG) Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Denn bei ihr sind weder ein Krampfanfallleiden und/oder eine depressive Störung als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 26. November 2001 festzustellen noch hat sie einen Anspruch auf Zahlung einer Rente aus der Gesetzlichen Unfallversicherung gegenüber der Beklagten.

Nach § 56 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, 7. Band (SGB VII) haben Versicherte einen Anspruch auf eine Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Die Beklagte hat das Ereignis vom 26. November 2001 als Arbeitsunfall i. S. des § 8 Abs. 1 SGB VII und damit als Versicherungsfall anerkannt. Nach den im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsätzen für die an die richterliche Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung zu stellenden Anforderungen ist es erforderlich, die entscheidungserheblichen Tatsachen mit einem der Gewissheit nahe kommenden Grad der Wahrscheinlichkeit festzustellen (BSGE 7, 103, 106; BSG in SozR 2200 Nr. 38 zu § 548 RVO). Geringere Anforderungen an die Überzeugungsbildung des Gerichts sind ausnahmsweise beim ursächlichen Zusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem Arbeitsunfall deshalb zugelassen, weil letzterer zu den Tatsachen gehört, für die ein strenger Beweis wie vorstehend kaum zu führen sein wird. Ausreichend ist daher, dass lediglich eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Kausalität bestehen muss, die zur Feststellung eines Leidens als Unfallfolge voraussetzt, dass bei sachgemäßer Abwägung aller für und gegen den Zusammenhang sprechender Umstände nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung die für den Zusammenhang sprechenden Erwägungen so stark überwiegen, dass die dagegen sprechenden billigerweise für die Bildung und Rechtfertigung der richterlichen Überzeugung außer Betracht bleiben können (BSG in SozR Nr. 20 zu § 542 RVO a.F.). Das Gericht ist danach in der Zusammenhangsfrage bei seiner Würdigung und Überzeugungsbildung freier gestellt (BSGE 32, 203, 208; Keller in: Meyer-Ladewig u. a., Sozialgerichtsgesetz mit Erläuterungen, 9. Auflage, Anm. 3 c zu § 128 SGG). Dabei trägt im Rahmen der im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachtenden objektiven Beweislast jeder die Beweislast für die Tatsachen, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (Keller in: Meyer-Ladewig, a.a.O., Anm. 19a zu § 103 SGG), also die Klägerin für das Bestehen psychiatrischer Erkrankungen und deren Ursachenzusammenhang mit dem als Arbeitsunfall anerkannten Ereignis.

Die Beklagte hat den Unfall der Klägerin vom 26. November 2001, anlässlich dessen sie als bei der Beklagten gesetzlich unfallversicherte selbstständige Gastwirtin auf dem Weg zu einer geschäftlichen Besorgung als Fußgängerin auf einem Zebrastreifen von einem PKW angefahren worden war, mit Bescheid vom 9. August 2004 als Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII festgestellt. Neben einer Gehirnerschütterung zog die Klägerin sich nach den Durchgangsarztberichten des Chirurgen Dr. D. vom 26. November und 6. Dezember 2001 eine Rissverletzung am Außenband des linken Sprunggelenkes zu, eine Platzwunde über dem linken Innenknöchel und mehrere Prellungen und Schürfwunden an beiden Knien und den unteren Extremitäten. Da eine chronische Instabilität am linken oberen Sprunggelenk verblieben war, musste bei der Klägerin am 24. Juni 2002 in der Orthopädischen Universitätsklinik Göttingen eine Bandersatzoperation durchgeführt werden, worüber die Berichte des Prof. O. vom 24. Juni und 20. August 2002 Auskunft geben. Ausweislich des unfallchirurgischen Gutachtens des Prof. M., BGUK, vom 6. Juli 2004, das die Beklagte im Rahmen des Verwaltungsverfahrens veranlasst hatte und das vom Senat im Wege des Urkundenbeweises zu würdigen war, war bei der Klägerin damals in Folge des Außenbandteilrisses am linken Sprunggelenk eine Muskelminderung am linken Bein verblieben mit einer Bewegungseinschränkung im linken oberen Sprunggelenk. Die Operationsnarben fand Prof. M. reizlos. Die Beklagte stellte die von Prof. M. beschriebenen Unfallfolgen im Bescheid vom 9. August 2004 fest und ging in Übereinstimmung mit Prof. M. davon aus, dass die auf chirurgischem Gebiet verbliebenen Funktionsdefizite eine MdE von 10 v.H. hervorrufen würden. Der Senat hat keine Bedenken, sich dieser Beurteilung anzuschließen, die auch von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen und letztlich auch von dem nach § 109 SGG beauftragten Sachverständigen Dr. C. bestätigt werden, der in seiner letzten Stellungnahme vom 25. November 2011 ausgehend von einer MdE von 10 v.H. für den chirurgischen Sektor die chirurgischen Folgen des Arbeitsunfalls für die Klägerin als von untergeordneter Bedeutung im Alltag bezeichnet hat, sodass eine rentenberechtigende MdE von zumindest 20 v.H. chirurgischerseits nicht diskutabel ist.

Einen solchen rentenberechtigenden Grad der MdE erreicht die Klägerin auch nicht durch Anerkennung weiterer Leiden auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet als Arbeitsunfallfolgen, wobei die Klägerin insoweit neben einer depressiven Störung ein Krampfanfallleiden als Folge des Arbeitsunfalls geltend macht.

Nach den in der unfallmedizinischen Literatur und der Rechtsprechung herrschenden Auffassung (dazu Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 142; BSG in Breithaupt 1988, 109) umfasst der Krankheitsbegriff der gesetzlichen Unfallversicherung auch seelische und seelisch bedingte Störungen, wenn diese durch einen Willensentschluss des Betroffenen nicht oder nicht mehr zu beheben sind. Dabei ist jeder Versicherte grundsätzlich in dem Zustand geschützt, in dem er sich bei seiner Arbeit befand, also auch mit einer entsprechenden vorbestehenden psychischen Krankheitsanlage (dazu Schönberger u.a., a.a.O., Seite 239).

Ein Krampfanfallleiden kann bei der Klägerin dennoch nicht als Unfallfolge festgestellt werden, weil eine derartige Erkrankung nicht zweifelsfrei im Sinne des Vollbeweises zur Überzeugung des Senats bewiesen ist. Die Klägerin hatte zwar Prof. J. anlässlich der Erstellung seines Gutachtens vom 3. Oktober 2003, das wie das Gutachten des Prof. M. im Wege des Urkundenbeweises vom Senat zu verwerten war, einen Anfallskalender vorgelegt, in dem etwa fünf große Anfälle pro Monat verzeichnet waren und ihr Ehemann hat ein erstes Anfallsereignis etwa drei Wochen nach dem Unfallgeschehen in einem Einkaufsmarkt als Zeuge miterlebt. Eine neunwöchige stationäre Behandlung und Beobachtung der Klägerin in dem auf Krampfanfallerkrankungen spezialisierten Epilepsiezentrum Kork vom 29. Januar bis 31. März 2004 konnte indessen ein aktives zerebrales Anfallsleiden nicht bestätigen. Die von der Klägerin gemeldeten "Unwohlseinszustände" mit Schwindel, Kältegefühl, Schwäche und teilweise fehlender Reaktion auf Ansprache schätzt die Klinik laut deren Entlassungsbericht vom 31. März 2004 als psychogen ein, da elektro-physiologische Begleiterscheinungen der Anfälle nicht zu erheben waren. Zwei Anfallsereignisse, die bei der Klägerin kurz vor deren Entlassung auftraten und "sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen ähneln", hat die Klinik als eindeutig psychogen klassifiziert, sodass Hinweise auf eine aktive epileptische Erkrankung der Klägerin vom Epilepsiezentrum Kork letztlich verneint wurden. Prof. J. ist diesen eindeutigen Feststellungen der Fachklinik durch Korrektur seines Gutachtens in der ergänzenden Stellungnahme vom 20. April 2004 ebenso gefolgt wie Dr. D., der ein Krampfanfallleiden verneint und eine dissoziative Störung der Klägerin mit psychogenen Bewusstseins- und Wahrnehmungsstörungen diagnostiziert hat, die persönlichkeitseigener Natur ist. Soweit Dr. C. von einem dissoziativen, epileptogenen Anfallsleiden spricht, das er als Unfallfolge vorschlägt, begründet er nicht, inwieweit er zu dieser Diagnose gelangt und welche Erkenntnisse ihn insbesondere dazu bewogen haben, die in der Fachklinik aufgrund vielwöchiger Beobachtungen und Befundkontrollen der Klägerin gewonnene Erkenntnisse in Zweifel zu ziehen. Dass die Klägerin an einem zerebralen Anfallsleiden erkrankt ist, steht danach zur vollen Überzeugung des Senats nicht fest.

Soweit die Klägerin die Feststellung einer depressiven Störung als Arbeitsunfallfolge begehrt, ist zwar die Diagnose dieses Leidens erwiesen, wenn diese auch von den medizinischen Sachverständigen nicht in eines der üblichen Diagnosesysteme eingeordnet wird, wie dies die Rechtsprechung an sich fordert (dazu BSGE 96, 196). Denn sowohl die behandelnden Ärzte als auch der Gutachter Prof. J. und die gerichtlichen Sachverständigen Dr. D. und Dr. C. gehen von einer rezidivierenden depressiven Störung der Klägerin aus. Die insofern zweifelsfrei zur Überzeugung des Senats gesicherte Diagnose ist allerdings nicht mit überwiegenden medizinischen Gründen, d. h. mit Wahrscheinlichkeit, ursächlich auf das Unfallgeschehen vom 26. November 2001 zurückzuführen. Bereits das Sozialgericht hat ausführlich, nachvollziehbar und im Ergebnis zutreffend begründet, warum es keine Arbeitsunfallfolgen auf psychiatrischem Gebiet für erwiesen hält, was sich aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten des Dr. D. vom 29. September 2008, dem Gutachten des Prof. J. vom 4. Oktober 2003 und vor allem aus dessen ergänzender Stellungnahme vom 20. April 2004 sowie den beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. K. vom 13. November 2003 und des Dr. N. vom 20. September 2009 ergibt. In gleicher Weise überzeugend hat das Sozialgericht dargelegt und eingehend begründet, warum es der abweichenden Auffassung im nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholten nervenfachärztlichen Gutachten des Dr. C. vom 27. April 2010 nicht gefolgt ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Gründe der sozialgerichtlichen Entscheidung Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die ergänzenden Ermittlungen im Berufungsverfahren, insbesondere die ergänzende Stellungnahme des Dr. C. vom 25. Oktober 2011 nach § 109 SGG, widerlegen die sozialgerichtlichen Feststellungen nicht, da Dr. C. die Vorgaben der unfallversicherungsrechtlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, nicht beachtet hat.

Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 9. Mai 2006 (BSGE 96,196) erfordert eine im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung unverzichtbare wissenschaftlich begründete Ursachenbeurteilung sowohl nach der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als auch nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, dass neben der Feststellung der vorliegenden Gesundheitsstörungen klar festgestellt wird, worin das oder die schädigenden Ereignisse lagen. Das Unfallereignis, der Gesundheitserstschaden und die nachfolgende Behandlung sowie das Fortbestehen physischer Einschränkungen, die durch das Unfallereignis verursacht wurden, sind insofern unverzichtbar. Ohne klare Feststellung des oder der schädigenden Ereignisse und der naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhänge hinsichtlich der geltend gemachten Gesundheitsstörung kann eine zuverlässige Ursachenbeurteilung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung unter Abwägung der verschiedenen Gesichtspunkte für die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Ursache nicht erfolgen. Zwar können auch mittelbare psychische Unfallfolgen entstehen und sind zu entschädigen, wenn sie durch den Arbeitsunfall wesentlich verursacht werden. Dies setzt jedoch voraus, dass jeder Teil der Ursachenkette nach vorstehenden Maßstäben herausgearbeitet und festgestellt wird. Die Beurteilung des Einzelfalles hat dabei in Würdigung des konkreten Versicherten zu erfolgen und darf nicht von einem fiktiven Durchschnittsmenschen ausgehen, sodass eine abnorme seelische Bereitschaft die Annahme einer psychischen Reaktion als Unfallfolge nicht grundsätzlich ausschließt. Andererseits können wunschbedingte Vorstellungen seitens des Versicherten einen wesentlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und danach bestehenden psychischen Gesundheitsstörungen nicht begründen. Sie sind als konkurrierende Ursachen zu würdigen und können der Annahme eines wesentlichen Ursachenzusammenhanges entgegenstehen. Aus dem rein zeitlichen Aufeinanderfolgen des Unfalls und später auftretender psychischer Gesundheitsstörungen sowie dem Mangel an Feststellung konkurrierender Ursachen kann nicht gefolgert werden, dass die psychischen Gesundheitsstörungen wesentlich durch den Unfall verursacht wurden. Denn aus einem rein zeitlichen Zusammenhang und der Abwesenheit konkurrierender Ursachen kann bei derart komplexen Gesundheitsstörungen nicht automatisch auf die Wesentlichkeit bei einer festgestellten naturwissenschaftlich-philosophischen Ursache geschlossen werden. Angesichts der Komplexität psychischer Vorgänge und des Zusammenwirkens gegebenenfalls lange Zeit zurückliegender Faktoren würde dies zu einer Beweislastumkehr führen, für die keine rechtliche Grundlage zu erkennen ist. Der Senat hat sich diesen Grundsätzen in ständiger Rechtsprechung angeschlossen (dazu beispielsweise Urteil vom 1. November 2011 - L 3 U 49/06).

Von diesen Vorgaben ausgehend konnte der Durchgangsarzt Dr. D. einen "Erstschaden" auf neurologischem Gebiet lediglich in Gestalt einer Gehirnerschütterung feststellen. Eine Gehirnerschütterung hinterlässt indessen in aller Regel keine Dauerfolgen. Sie kann zu vorübergehenden Kopfschmerzen führen, heilt aber normalerweise aus. Sie rechtfertigt nur dann eine MdE von 10 bis 20 v.H. auf Dauer, wenn neurologische Störungen und einer daraus resultierende Leistungsbeeinträchtigung festzustellen sind (dazu Schönberger u.a., a.a.O, Seite 180; Mehrhoff, Meindl, Muhr, Unfallbegutachtung, 12. Auflage, Seite 142). Derartige neurologische Störungen sind bei der Klägerin indessen weder unfallnah noch im späteren Verlauf festgestellt worden. Alle Sachverständigen haben auf neurologisch-psychiatrischem Sektor Folgen einer Gehirnerschütterung bei der Klägerin nicht mehr beschrieben. Alle Sachverständigen inklusive Dr. C. – gehen danach davon aus, dass die Klägerin neben einer Gehirnerschütterung im Wesentlichen nur Unfallfolgen auf chirurgischem Gebiet erlitten hatte.

Auch eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) war bei der Klägerin nicht zu diagnostizieren. Im Diagnoseschlüssel ICD-10, F43.1 wird dieses Krankheitsbild definiert als verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Ein Kausalzusammenhang zwischen einem Arbeitsunfall und einer seelischen Erkrankung dieser Art kann danach nur bejaht werden, wenn nach dem aktuellen medizinischen Erkenntnisstand ein Unfallereignis der in Rede stehenden Art überhaupt geeignet ist, die betreffende Störung hervorzurufen, wobei die Diagnose der PTBS eine bestimmte Schwere des Unfallereignisses bereits voraussetzt. (dazu Urteil des Senats vom 1. November 2011 - L 3 U 49/06). Eine derartige Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde, hat die Klägerin am 26. November 2001 nicht erlebt. Dies hatte bereits das Sozialgericht unter Auswertung aller einschlägiger Gutachten überzeugend dargelegt, was auch von Dr. C. im Gutachten vom 27. April 2010 ebenso gesehen wurde, der eine dauerhaft bestehende PTBS gleichfalls in Abrede stellt.

Soweit Dr. C. die Kausalitätsproblematik über die Annahme eines Folgeschadens lösen will, bei dem – ohne Erstschaden - erst im späteren zeitlichen Verlauf diverse Symptome der Klägerin – unter anderem auch deren als Unfallfolge geltend gemachte depressive Erkrankung – aufgetreten seien, verlässt er den Boden der in der gesetzlichen Unfallversicherung zu beachtenden auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie aufbauenden Theorie der wesentlichen Bedingung. Er verzichtet auf die Feststellung eines körperlichen oder seelischen Erstschadens als Anknüpfungspunkt für die weitere Kausalkette. Er setzt mit seiner Kausalbetrachtung erst erheblich später ein und knüpft an zeitlich weit nach dem Arbeitsunfall auf die Klägerin einwirkende Ereignisse an – das Erleben von Hilflosigkeit und Bedürftigkeit im privaten-familiären sowie beruflich-geschäftlichen Sektor, familiäre Probleme, das Auftreten finanzieller Belastungen unter anderem durch ausbleibende Erstattungen von Versicherungen, medizinische Fehldiagnosen- und -behandlungen. Dabei lässt er unbeachtet, dass zwar in zeitlicher Verbindung, nicht aber zwingend in kausalem Zusammenhang mit einem Unfallereignis vielfache Belastungsfaktoren auf einen Menschen einwirken können, die dieser zwar im Unfallzusammenhang erleben mag, die rechtlich jedoch unfallunabhängige Bedingungsfaktoren darstellen und die eine seelische Beeindruckung und damit auch einen Gesundheitsschaden ähnlich einem Erstschaden bei dem Betroffenen verursachen können. Diese Beeindruckungen stehen indessen regelmäßig nicht im rechtlich-wesentlichen Zusammenhang mit dem versicherten Ereignis und erfüllen damit nicht die Definition des "ereigniskausalen Erstschadens" (dazu Bultmann, Fabra, War es überhaupt ein Unfall? Erstschadensbeurteilung bei psychogenen Störungen in der gesetzlichen Unfallversicherung, in: Der medizinische Sachverständige 2009, 172, 178, 179). Bei der Klägerin ist danach ein körperlicher oder seelischer Erstschaden nicht erwiesen, der über weitere jeweils nachvollziehbar darzulegende versicherte Kausalfaktoren und Kausalschritte zur letztlich als Unfallfolge geltend gemachten Erkrankung geführt und diese wesentlich verursacht hat. Danach konnte auch die ergänzende Stellungnahme des Dr. C. den bereits vom Sozialgericht zu Recht vermissten wahrscheinlichen wesentlichen Ursachenzusammenhang einer depressiven Erkrankung der Klägerin mit dem Unfallgeschehen vom 26. November 2001 nicht belegen, sodass die erstinstanzliche Entscheidung zu bestätigen und die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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