L 3 U 159/07

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 58/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 159/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine vier Jahre nach einem Unfallereignis geltend gemachte depressive Störung kann schon im naturwissenschaftlichen Sinne nicht kausal auf den Unfall zurückgeführt werden, wenn es in den ersten Jahren nach dem Ereignis keinerlei Hinweise auf die Entwicklung eines solchen Störungsbildes gegeben hat. Es fehlt schon an dem notwendigen zeitlichen Zusammenhang, an den im Rahmen der Kausalkette angeknüpft werden könnte.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. Juni 2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Folgen eines Arbeitsunfalls und die Gewährung einer Rente.

Der 1961 geborene Kläger war bei der in C-Stadt ansässigen Firma F. GmbH ab 1. Januar 2004 als Geschäftsführer und Unternehmensberater beschäftigt, als er am 20. Januar 2004 gegen 23:10 Uhr auf der Rückfahrt von einem Kundenbesuch einen Verkehrsunfall erlitt. Beim Überholen eines LKW kam der PKW des Klägers auf der Autobahn BAB4 in Fahrtrichtung Kirchheimer-Dreieck von der teilweise überfrorenen Fahrbahn ab, stieß gegen einen Leitpfosten, überschlug sich mehrmals in der dortigen Feldgemarkung und kam nach ca. 150 m total beschädigt auf dem Fahrzeugdach zum Liegen. Der Kläger wurde in das Klinikum Bad Hersfeld gebracht, wo er um 00:35 Uhr eintraf. Laut Krankenblatt der Klinik wurde er zuerst in der Unfallchirurgie untersucht und dann in die dortige Klinik für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde und plastische Gesichtschirurgie verbracht. Dort wurden multiple Risswunden an der Hinterfläche der linken Ohrmuschel und eine dortige Schwellung sowie als sonstige Verletzung eine Knieprellung diagnostiziert. Das Vorliegen einer Bewusstlosigkeit, von Drehschwindel, Nystagmen oder einer Hörminderung wurde verneint. Die Röntgenuntersuchung des Schädels erbrachte keinen Frakturnachweis. In örtlicher Betäubung erfolgte eine operative plastische Wundversorgung der linken Ohrmuschel. Bei Kreislaufdysfunktion wurde der Kläger zur Überwachung eine Nacht stationär aufgenommen. Laut Befundbericht vom 26. Februar 2004 zeigte sich während der Überwachung in der Klinik ein komplikationsfreier Heilverlauf. Laut Krankenblatt wurde bei der Visite am Morgen des 21. Januar 2004 der Patient als "wohlauf" befunden und in die ambulante Weiterbehandlung eines HNO-Arztes entlassen. Der Kläger stellte sich am 22. Januar 2004 bei dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. G. vor, der ihm eine Überweisung zum HNO-Arzt Dr. H., C-Stadt, ausstellte. Laut Bericht des Dr. H. vom 4. Juni 2004 wurde der Kläger dort vom 22. Januar bis 1. März 2004 wegen der Verletzung an der linken Ohrmuschel behandelt. Am 26. Januar 2004 stellte sich der Kläger wieder bei seinem Hausarzt Dr. G. vor, der hierzu notierte: "Keine Kopfschmerzen, keine Schwindel, keine Sehstörungen, Muskelschmerzen im Oberkörper, Gedächtnisstörungen, wird aber besser." Weitere Vorstellungen bei dem Hausarzt erfolgten am 4., 13. und 21. Februar 2004. Sowohl am 13. als auch am 21. Februar wurde von dem Kläger über Gedächtnisstörungen geklagt. Am 5. Februar und 26. Februar 2004 stellte sich der Kläger bei dem Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie J. vor. Hierzu teilte dieser in einem Befundbericht vom 26. Februar 2004 mit, der Patient berichte über einen Autounfall mit Schädelprellung links temporal, er sei kurz bewusstlos gewesen, habe danach Konzentrationsstörungen, Störungen der Merkfähigkeit und initial kurz Kopfschmerzen und Übelkeit gehabt. Die klinisch-neurologische Untersuchung habe keine Ausfälle gezeigt. Auch eine MRT des Schädels habe einen unauffälligen intracerebralen Befund erbracht. Die Hirnleistungstests (Dentec = Test zur Feststellung einer Demenzerkrankung) seien initial am 5. Februar 2004 und bei der Kontrolle am 26. Februar 2004 normal gewesen, wobei bei der Kontrolle ein besseres Ergebnis erzielt worden sei. Aufgrund des Verlaufs wurde eine Commotio cerebri (Gehirnerschütterung) mit protrahierter, transitorischer Hirnleistungsminderung vermutet. Es wurde eine Arbeitsunfähigkeit für weitere zwei Wochen prognostiziert.

Weil der Kläger weiterhin über Gedächtnis- und Merkfähigkeitsstörungen klagte, erfolgte eine gutachtliche Untersuchung durch den Direktor der Klinik für Neurologie und Psychiatrie der Dr. Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden, Prof. Dr. K. In seinem Gutachten vom 1. Juni 2004 teilte Prof. Dr. K. mit, der Kläger sei seinen Angaben zufolge nicht in der Lage, seine anspruchsvolle Tätigkeit als Projektleiter auszuüben. Es bestünden kognitive Defizite ohne subjektive Besserungstendenz, insbesondere eine deutliche Störung der Konzentrations- und Merkfähigkeit. Neuropsychologisch fielen eine deutliche Merkfähigkeits- und Kurzzeitsgedächtnisstörung auf. Schon nach wenigen Minuten werde nur einer von drei Begriffen erinnert, von einer vierstelligen Zahl würden nur maximal zwei Ziffern richtig genannt. Ebenso zeige sich ein allgemein verlangsamtes Arbeitstempo und eine verminderte geistige Flexibilität. Es würden eine unterdurchschnittliche Anzahl von Wörtern mit S als Anfangsbuchstaben innerhalb von drei Minuten genannt. Deutlich unterdurchschnittlich sei auch die Anzahl der genannten Tiere in einer Minute. Außerdem bestehe eine leichte Rechenschwäche. Zum psychiatrischen Befund führte der Sachverständige aus, die affektive Schwingungsfähigkeit sei erhalten, die Grundstimmung werde als ausgeglichen erlebt. Dem testpsychologischen Zusatzgutachten vom 1. Juni 2004, erstattet durch Dipl.-Psychologen L., ist zu entnehmen, dass sich keine Hinweise auf Täuschungsversuche oder gravierende kognitive Einbußen im Sinne eines schweren Psychosyndroms ergaben. Das Beck-Depressionsinventar weise auf keine psychischen Beeinträchtigungen hin, so dass eine depressive Symptomatik ausgeschlossen werden könne. Die Ergebnisse der Leistungsdiagnostik wiesen auf vielfältige Konzentrations- und Gedächtnisdefizite hin, die als erworbene Störung der kognitiven Leistungsfähigkeit zu werten seien. Prof. Dr. K. diagnostizierte ein postkontusionelles Syndrom mit mittelschweren Kurzzeitgedächtnis- und Aufmerksamkeitsstörungen, leichter Dyskalkuli, Denkverlangsamung und verminderter Reaktionsfähigkeit bei Zustand nach Verkehrsunfall mit Schädel-Hirn-Trauma. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. M. schloss sich in einer beratungsärztlichen Stellungnahme vom 26. Juli 2004 der Einschätzung des Prof. Dr. K. an. In dessen neurologischen Zusammenhangsgutachten vom 1. Juni 2004 werde eine exakte neurologische Anamnese zu dem Unfallhergang erhoben. Danach werde eine "kurze Bewusstlosigkeit" angenommen. Auffällig sei die Schilderung des Klägers über einen unsystematischen Schwindel und Übelkeit sowie ein Einnässen während der Nacht und die Schilderung von Orientierungsstörungen und Gedächtnisproblemen. Speziell die Schilderung des Einnässens in der Nacht und die dabei beobachteten mnestischen und kognitiven Störungen würden als Hinweis auf ein blandes Durchgangssyndrom interpretiert.

Am 3. August 2004 kam der Kläger in die Bezirksverwaltung der Beklagten, um das Ergebnis des Gutachtens sowie das weitere Vorgehen mit der Reha-Sachbearbeiterin zu besprechen. Dabei gab der Kläger an, er habe Defizite im Bereich des räumlichen Vorstellungsvermögens festgestellt. Auch leide er noch an Erinnerungslücken und könne sich nicht wie früher konzentrieren. Körperlich gehe es ihm jetzt wieder besser, da er wieder mit Sport angefangen habe. Er habe wieder mit dem Drachenbootfahren angefangen und trainiere mit Freunden für die deutsche Meisterschaft viermal die Woche. Laut Gesprächsvermerk wurde der Versicherte auch gefragt, ob er an sich persönlich Veränderungen psychischer Art bemerkt habe, ob er z.B. Albträume von dem Unfall habe, Widerhallerinnerungen, Ängste oder körperliche Reaktionen auf bestimmte Situationen. Darauf soll der Kläger berichtet haben, dass er zu Beginn nach dem Unfall Schwierigkeiten mit der Verarbeitung und Ängste gehabt habe. Dies sei jetzt wieder abgeklungen und er fühle sich in dieser Hinsicht gut. Der Kläger wurde darüber informiert, dass es für den Fall, dass er in dieser Hinsicht erneut Probleme bekomme, Psychotraumatologen gebe, die entsprechende Behandlungen durchführen könnten. Außerdem soll der Kläger angegeben haben, dass es mit dem Autofahren wieder sehr gut gehe. Er könne zwar nicht mehr so lange fahren und mache nach ca. einer Stunde eine Pause, habe aber keine Angst vor dem Fahren. Die Empfehlung des Prof. Dr. K., einen Test der Fahrtüchtigkeit durchzuführen, erscheine nicht mehr notwendig.

Ab dem 18. August 2004 nahm der Kläger wöchentlich an Therapiesitzungen zur neuro-psychologischen Behandlung teil. Der Dipl.-Psychologe N. berichtete hierüber am 30. Dezember 2004 und gab an, bei dem Kläger bestünden Einschränkungen im Bereich des Gedächtnisses für sprachgebundene Gedächtnisleistungen, auch bei Vorgabe einfachen Textmaterials könne er die Inhalte nur eingeschränkt memorieren. Insgesamt habe sich über die Trainingszeit hinweg eine Besserung der Reaktionszeit ergeben. Er empfahl eine Fortführung der Therapie.

In einem Dienstreisebericht vom 3. Februar 2005 zur Fresenius-Klinik in Wiesbaden berichtet die Reha-Sachbearbeiterin über ein Gespräch mit dem Kläger, dieser habe angegeben, dass es ihm gerade in den letzten zwei bis drei Wochen nicht gut gehe. Er habe erhebliche Kopfschmerzen, so dass er sein Training zuhause zeitweise aussetzen musste. Er habe große Probleme mit den Banken, da er weniger Verletztengeld bekomme als Entgelt durch seine Tätigkeit. Er werde Umschulden, das sei sehr nervenaufreibend. Auch seine Frau habe finanzielle Probleme mit ihrem Blumenladen, den sie vielleicht künftig auch nicht mehr halten könne. Dies mache ihm zu schaffen. Er führe die Kopfschmerzen auch darauf zurück. Er habe im letzten Jahr drei Arbeitsversuche unternommen, die allerdings fehlgeschlagen seien. Er könne Unterhaltungen nicht richtig folgen und vergesse, was gerade gesagt worden sei. Der Kläger äußerte sich dahingehend, dass er als Projektleiter voraussichtlich nicht mehr tätig sein könne. Auch der Dipl.-Psychologe N. ging in weiteren Gesprächen davon aus, dass der Kläger eine Arbeitsfähigkeit in seinem alten Beruf nicht mehr erreichen könne. Er äußerte die Auffassung, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) werde voraussichtlich zwischen 50 und 100 % betragen.

Mit Bescheid vom 14. Juli 2005 stellte die Beklagte fest, der Verletztengeldanspruch ende nach Ablauf der 78. Woche am 18. Juli 2005, weil mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei und Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht zu erbringen seien, weil qualifizierende Maßnahmen, wie z.B. Umschulungen oder Qualifizierungen, aufgrund der Unfallfolgen nicht durchführbar seien.

Im Auftrag der Beklagten wurde der Kläger von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. O. neurologisch-psychiatrisch und von der Dipl.-Psychologin P. am 15. Juli 2005 und 18. August 2005 neuro-psychologisch untersucht und begutachtet. Die Psychologin P. untersuchte den Kläger anlässlich beider Termine auch mittels des Beck-Depressions-Inventars und testete das "Ausmaß der psychischen Belastung". Die Auswertung ergab keinen Hinweis auf eine depressive Symptomatik und/oder eine erhöhte psychische Belastung. Sie führte aus: "Bezüglich der von Q. und R. geforderten Abklärung psychischer Einflussfaktoren auf das Leistungsbild ist anzumerken, dass Herr B. noch mehrmals im Monat bestehende Albträume sowie leichte andere Anzeichen einer Unfallfehlverarbeitung angibt. Mit standardisierten Fragebogeninventaren zeigte sich kein Hinweis auf eine erhöhte Unfallfehlverarbeitung, auf eine depressive oder phobische Symptomatik, auf eine Persönlichkeitsstörung oder auf konversionsneurotische Beschwerden". Zusammenfassend gelangte sie zu der Beurteilung, die aktuell auffälligen Leistungsminderungen seien zum einen durch leichte psychische Beschwerden, deutlicher durch aggravative Tendenzen erklärbar, wobei ein organisch bedingter Anteil denkbar, wenn auch unwahrscheinlich sei. Wesentlich erscheine, dass aufgrund der deutlichen Aggravationstendenzen eine genaue Aussage zum Vorliegen einer organisch bedingten Einschränkung der Leistungsfähigkeit nicht gemacht werden könne. Bezüglich der psychischen Beschwerdelage sei eine Nachuntersuchung erforderlich, wobei hier auch die Validität der Aussagen des Klägers überprüft werden sollten. Unfallabhängig seien leichte Anzeichen einer deutlich im Abklingen befindlichen Anpassungsstörung auf dem Boden einer unfallunabhängig bestehenden Stressanfälligkeit mit der Entwicklung von körperlichen Symptomen im beruflichen Kontext feststellbar. Die unfallabhängigen Komponenten der psychischen Beschwerdelage erscheine aufgrund des geringen Leidensdruckes nicht zwingend therapienotwendig. Es wäre dem Kläger jedoch anzuraten, zu Lasten der Krankenkasse ein Stressbewältigungstraining durchzuführen, um weiteren Belastungsphasen im beruflichen Kontext vorzubeugen. Eine erneute Überprüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit erscheine erst nach Klärung der Motivationslage mit einhergehendem Abbau der aggravativen Tendenzen sinnvoll. Nach Durchsicht der Aktenlage, bzw. nach den geschilderten Fähigkeiten des Klägers, so sei er z.B. in der Lage schnell Auto zu fahren, einem Navigationssystem zu folgen, sei davon auszugehen, dass sein Leistungsniveau schwächer als angegeben beeinträchtigt sei.

Dr. O., der am 8. August 2005 und 12. September 2005 eine Stellungnahme abgegeben hatte, gelangte im Ergebnis zu der Beurteilung, bisher sei eine substanzielle Hirnschädigung gar nicht nachgewiesen. Er empfahl eine weitere diagnostische Abklärung, insbesondere eine PET-Untersuchung, um weitere Hinweise für eine etwa organisch fundierte cerebrale Leistungsstörung zu erfassen. Außerdem empfahl er eine stationäre Beobachtung zur besseren Beurteilung von hirntraumatologischen Zuständen. Auffällig sei ein Ansteigen der neuro-psychologischen Ausfallerscheinungen im zeitlichen Verlauf und dass der Kläger mehr und mehr Leistungsmängel angebe, wobei andererseits bei der Untersuchung auffalle, dass er doch relativ gut seine Beschwerden vortragen könne, das Zeitgitter erhalten sei und der Kläger wieder längere Strecken mit dem Auto fahre. Es bestehe eine Diskrepanz zwischen so hochgradig angegebenen Leistungsbeeinträchtigungen und dem tatsächlichen Befund.

Die Beklagte veranlasste daraufhin weitere Untersuchungen und Begutachtungen des Klägers. Ein nervenärztliches Zusammenhangsgutachten erstattete Dr. S. unter dem 21. Oktober 2005. Dabei gelangte er zu der Beurteilung, beim Kläger seien im Bereich der Hörnerven keine Ausfallerscheinungen festzustellen. Es hätten auch keine sensomotorischen Störungen an den Extremitäten vorgelegen, der Kläger sei im Rahmen der Exploration psycho-pathologisch unauffällig erschienen. Die durchgeführte cerebrale Diagnostik unter Einschluss einer Kernspintomografie des Schädels, der Neuro-PET-Untersuchung und der abgeleiteten Hirnstromkurven hätten keine Hinweise für eine stattgehabte Hirnsubstanzschädigung ergeben. Auch die Labordiagnostik unter Einschluss der LUES-Reaktionen habe sämtlich unauffällige Befunde ergeben. Eine unfallbedingte Hirnsubstanzschädigung im Sinne einer Contusio cerebri sei daher nicht im Sinne eines Vollbeweises zu sichern. Die vom Kläger geschilderte Unfallanamnese sei typisch für eine reversible Gehirnerschütterung im Sinne einer Commotio cerebri. Dafür spreche neben der Unfallanamnese auch, dass eine nennenswerte anterograde Amnesie nicht vorgelegen habe. Im Rahmen der Erstbehandlung seien keine neuro-psychiatrischen Auffälligkeiten dokumentiert worden. Im weiteren zeitlichen Verlauf seien keine Abweichungen im Hirnnervenstatus und keine Hinweise auf eine stattgehabte Hirnsubstanzschädigung gefunden worden. Im Rahmen der persönlich durchgeführten Untersuchung und Exploration habe der Kläger in keiner Weise kognitiv beeinträchtigt gewirkt. Es hätten sich in keiner Weise Anhaltspunkte für eine hirnorganisch determinierte Leistungsminderung gefunden. Zumindest vom psychopathologischen Befund her ließen sich die vom Kläger geschilderten Beschwerden nicht objektivieren.

Den Ausführungen der Dipl.-Psychologin T. vom 8. November 2005 in deren neuropsychologischen Zusatzgutachten zufolge, ließen sich auch im Rahmen dieser Untersuchung extrem reduzierte Leistungen in allen untersuchten Aufmerksamkeitskomponenten feststellen. Die von dem Kläger dargestellten umfassenden Einschränkungen der kognitiven Leistungen seien derart gewesen, dass ihm aufgrund dessen kaum noch die Bewältigung des Alltags möglich wäre und seien nur mit einer nachweisbaren schweren Hirnsubstanzschädigung vereinbar. Die Dipl.-Psychologin gelangte zu der Beurteilung, diese ausgeprägten Defizite seien offenbar ausschließlich psychogen verursacht und Ausdruck der Verdeutlichungstendenz, so globale Einschränkungen der kognitiven Leistungen legten den Verdacht der Simulation nahe. Eine zusätzliche Bestätigung fände sich außerdem noch in der hervorragenden Übereinstimmung zum Vorgutachten. Der Kläger demonstriere sogar eine Beeinträchtigung beider Hemisphären, da er sich angeblich weder verbale noch figurale Gedächtnisinhalte einprägen noch abrufen könne. Demnach müssten bei dem Kläger ausgeprägte Hirnsubstanzschädigungen in beiden Temporallappen nachweisbar sein. Erstaunlich sei, dass der Kläger keinerlei räumliche Orientierungsstörungen beklage und diese auch nicht beobachtet werden könnten. Der Kläger zeige hervorragende Fähigkeiten im logischen und schlussfolgernden Denken. Da er sich während der leistungsdiagnostischen Überprüfung sehr um eine Verdeutlichung seiner Defizite bemüht habe, sei von einer durch Aggravation verursachten Beeinflussung des Leistungsprofils auszugehen. Es hätte außerdem während der gesamten Untersuchung eine extreme Verlangsamung des Arbeitstempos festgestellt werden können, die vermutlich ebenfalls durch das deutliche appellative Verhalten verursacht worden sei. Insgesamt seien die erhobenen psychometrischen Testergebnisse aufgrund der Aggravationstendenz nicht interpretierbar und deshalb auch nicht aussagekräftig in Bezug auf evtl. noch vorhandene hirnorganische Restdefizite. Die neuropsychologischen Testergebnisse stünden dabei in krassem Gegensatz zu der Leistungsfähigkeit des Klägers, die im Rahmen der Verhaltensbeobachtung deutlich geworden sei. Der Kläger habe offensichtlich sein volles Leistungsvermögen in die Untersuchung nicht eingebracht. Eine depressive Verstimmung oder andere psychische Belastungsfaktoren hätten anlässlich dieser Untersuchung nicht nachgewiesen werden können. Es sei davon auszugehen, dass auch bei einer erneuten Untersuchung keine aussagekräftigen Ergebnisse erzielt würden, da der Kläger ein starkes Bedürfnis habe, seine Einschränkungen zu demonstrieren.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 3. Dezember 2005 führte Dr. S. aus, dass weder aus nervenärztlicher noch aus neuropsychologischer Sicht Hinweise auf eine psychoreaktive Störung gegeben seien. Im Zuge der persönlichen Untersuchung des Klägers hätten sich keine Hinweise für das Vorliegen einer sogenannten posttraumatischen Belastungsstörung ergeben. Insbesondere habe auch der Kläger keinerlei Beschwerden vorgetragen, welche für die Diagnosestellung einer Anpassungsstörung oder gar posttraumatischen Belastungsstörung typisch seien. Vor allem bei der Schilderung des Unfallherganges, den der Kläger detailliert vorgetragen habe, hätten sich keine Hinweise auf eine emotionale Mitbeteilung erkennen lassen, wie z.B. ein sogenanntes Flashback-Wiedererleben. Auch in der Aktenlage fänden sich keinerlei Hinweise für ein derartiges Störungsbild. Auch das Verhalten des Klägers nach dem Unfall spreche gegen die diagnostische Annahme einer akuten Belastungsreaktion, wenn der Kläger nach eigenem Vortrag selbst aus dem Unfallfahrzeug sich befreite, seinen Laptop aus dem Kofferraum sicherte und zur stationären Versorgung ins Krankenhaus Hersfeld eingeliefert worden sei, ohne dass man hier irgendwelche Hinweise auf einen psychischen Ausnahmezustand registriert habe. Dr. S. gelangte zu der Beurteilung, die unfallbedingte Commotio cerebri habe unter Berücksichtigung der unfallnervenärztlichen Erfahrungswerte einen Arbeitsunfähigkeitszeitraum von längstens zwei Monaten bedingt. Die Behandlungsbedürftigkeit aufgrund der Unfallfolgen habe nicht über diesen Zeitraum hinaus angedauert.

Durch Bescheid vom 20. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2006 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen des Versicherungsfalls vom 20. Januar 2004 ab, erkannte als Unfallfolgen folgenlos verheilte Risswunden der linken Ohrmuschel und eine folgenlos verheilte Gehirnerschütterung mit Behandlungsbedürftigkeit vom 20. Januar bis 1. April 2004 an und stellte fest, durch den Unfall sei weder eine Hirnsubstanzschädigung im Sinne einer Contusio cerebri noch eine posttraumatische Belastungsstörung verursacht worden. Eine Behandlungsbedürftigkeit der Unfallfolgen habe vom 20. Januar bis 1. April 2004 und Arbeitsunfähigkeit vom 2. Februar 2004 bis 1. April 2004 bestanden.

Der Kläger hat hiergegen am 16. Juni 2006 beim Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben. Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 1. Juni 2007 die Klage abgewiesen und in den Gründen ausgeführt, die Untersuchungen hätten keine Hinweise für eine stattgehabte Hirnsubstanzschädigung erbracht. Die neuro-psychologischen Testergebnisse hätten in krassem Gegensatz zur Leistungsfähigkeit des Klägers gestanden. Der Kläger habe offensichtlich sein Leistungsvermögen nicht vollständig eingebracht. Über eine Commotio cerebri hinausgehende Hirnsubstanzverletzung sei durch den Verkehrsunfall vom 20. Januar 2004 nicht verursacht worden.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 4. Juli 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 1. August 2007 am gleichen Tage per Telefax beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt.

Der Senat hat ein fachneurologisches Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. vom 10. April 2007 und ein neuro-psychologisches Gutachten des klinischen Neuropsychologen Dr. U. vom 22. März 2007, die jeweils für die AD. Lebensversicherung erstattet worden waren, beigezogen. Dr. A. ist in seinem Gutachten zu der Beurteilung gelangt, der Kläger habe bei dem Verkehrsunfall vom 20. Januar 2004 eine leichte Commotio cerebri erlitten. Die von dem Kläger subjektiv empfundenen Beschwerden stünden mit dem erhobenen Befund einschließlich der Zusatzdiagnostik wie dem MRT nicht im Einklang. So genannte Allgemeinsymptome nach leichtem Schädel-Hirn-Trauma würden normalerweise rasch abklingen.

Bei der Begutachtung durch Dr. U. zeigte der Kläger Teilbeeinträchtigungen im mental-geistigen Bereich mit allgemeiner Verlangsamung und deutlicher Verlangsamung im Reaktionsverhalten. Dr. U. äußerte, bei einigen Aufgaben verdeutliche sich ein Aggravationsverdacht, der jedoch nicht durchgängig und bei allen Aufgaben bestanden habe. Die Untersuchung habe mit 3,5 Stunden deutlich länger gedauert als bei anderen (hirngeschädigten) Probanden.

Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2009 teilte der Kläger mit, er habe zwischenzeitlich weitere Ärzte aufgesucht, die sein Krankheitsbild unter verschiedenen Aspekten überprüft hätten. Dabei sei ein Arzt zu dem Ergebnis gelangt, dass die Ursache der Erkrankung eine Depression sei, die durch den Unfall eingesetzt habe, jedoch nicht beachtet und dementsprechend auch nicht behandelt worden sei. Der Kläger hat einen Arztbrief der ihn behandelnden Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie V., Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Eichberg, vom 8. Juli 2009 mit einem Bericht der Dipl.-Psychologin W. vom 17. Juni 2009 über das Ergebnis psychologischer Tests vorgelegt. In dem Arztbrief wird eine mittelschwere depressive Störung diagnostiziert und ausgeführt, der Kläger gebe an, dass sich nach dem Unfall seine eheliche Beziehung, die auch vorher instabil gewesen sei, verschlechtert habe. Seit Ende des letzten Jahres sei er sehr depressiv gewesen mit Antriebsverschlechterung, hoffnungslos niedergeschlagener Stimmung. Er leide unter Schlafstörungen und Kopfschmerzen. Die Dipl.-Psychologin W. teilte in ihrem Bericht mit, der Kläger gebe an, dass er sich seit dem Unfall fast durchgängig depressiv fühle.

Im weiteren Verlauf des Verfahrens hat der Kläger ein für die Deutsche Rentenversicherung Bund erstelltes neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Dr. X. vom 14. April 2009, einen Entlassungsbericht der Hochgrat Klinik Wolfsried vom 9. Oktober 2009 sowie einen Kurentlassungsbericht der Hardtwald-Klinik II in Bad Zwesten vom 4. Januar 2010 zu den Akten gereicht.

Dr. X. gelangte zu der Beurteilung, der Autounfall aus dem Jahre 2004 habe auf dem Boden einer narzisstischen Grundpersönlichkeit eine depressive Entwicklung ausgelöst, die über die Jahre in eine mittelschwere Depression gemündet sei, die das Konzentrations-, Reaktions-, Umstellungs- und Anpassungsvermögen deutlich beeinträchtigt habe. Im Entlassungsbericht der Hochgrad Klinik, wo sich der Kläger vom 28. Juli 2009 bis 19. September 2009 stationär aufhielt, wird berichtet, die depressive Episode habe nach den Angaben des Klägers im Dezember 2008 begonnen. Nach dem Verkehrsunfall sei er lange Zeit ganztags daheim gewesen. Dies habe zu Partnerkonflikten geführt, es sei nun zur Scheidung gekommen. Die Zwangsversteigerung seines Reihenhauses habe er im Dezember 2008 gerade noch abwenden können. Er lebe nun in einer 1 1/2 Zimmerwohnung. Es wurden eine reaktive depressive Störung, Angstzustände und ein Zustand nach einem Schädel-Hirn-Trauma 2004 mit Konzentrations- und Gedächtnisstörungen diagnostiziert. In der Hardtwald-Klinik II, Bad Zwesten wurde eine mittelgradige depressive Episode im Sinne einer chronifizierten Anpassungsstörung durch Autounfall 2004 diagnostiziert und der Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung geäußert. Vor dem Hintergrund der familiären Gegebenheiten in der Ursprungsfamilie habe der Kläger eine Haltung entwickelt, sich den Anforderungen und Erwartungen anderer anzupassen, um über Leistung, Zuneigung und Anerkennung zu erlangen. Ausgelöst durch den Unfall sei es zu einer Dekompensation der Selbstwerthomöostase gekommen. Es bestünden einerseits Hinweise auf eine posttraumatische Belastungsstörung, andererseits sei das Leben des Klägers durch den Unfall aus dem Gleichgewicht geraten, mit entsprechender depressiver Reaktion im Sinne einer Anpassungsstörung, die sich chronifiziert habe.

Der Senat hat von dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. ein Gutachten vom 14. Januar 2011 eingeholt. Dr. D. ist zu der Beurteilung gelangt, bei dem Kläger seien keine psychischen Störungen festzustellen. Es hätten sich weder Hinweise für eine posttraumatische Belastungsstörung, noch für eine Depression oder für eine andere psychoreaktive Störung gefunden. Der Kläger habe bei der psychologischen Befunderhebung in etlichen untersuchten Bereichen dramatische Minderleistungen gezeigt, die mit seinem Verhalten außerhalb der Untersuchungssituation nicht in Übereinstimmung zu bringen seien.

Auf Antrag des Klägers hat der Senat den Chefarzt der Fachklinik für Psychosomatik und Psychotherapie der Rheingau-Taunus-Klinik in Bad Schwalbach, Dr. E. mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. In seinem Gutachten vom 31. August 2011 ist der Sachverständige zu der Beurteilung gelangt, bei dem Kläger lägen den Unterlagen und der Anamnese entsprechend rezidivierend leichte bis mittelschwere depressive Verstimmungen vor, die gegenwärtig nicht die Kriterien für eine leichte oder mittelgradige depressive Störung erfüllten. Im Zeitpunkt der Untersuchung liege eine Dysthymia, eine leichte affektive Störung, vor. Eine Dysthymia könne sich in Anbetracht der belastenden Lebensereignisse – Trennung von der Familie, Verlust des Arbeitsplatzes und finanzielle Sorgen – bei entsprechend veranlagter Persönlichkeit durchaus entwickeln. Es sei auch vorstellbar, dass im Verlauf dieser Entwicklung Spitzen der depressiven Verstimmung auftauchten, welche sich im Sinne depressiver Episoden mit somatischen Symptomen abbildeten, wie es bei dem Kläger in der Vergangenheit der Fall gewesen sei. Diese psychische Gesundheitsstörung könne grundsätzlich auch als Folge eines gravierenden Unfalls auftreten; im konkreten Fall sei die Gesundheitsstörung jedoch nicht allein oder wesentlich durch den Unfall verursacht oder verschlimmert worden. Der Kläger, der in seinem subjektiven Erleben bald nach dem Unfall vor dem "Scherbenhaufen" seines Lebens gestanden habe, das heißt dem Zerbrechen seiner Familie, der Unfähigkeit den Beruf weiter ausüben zu können und der finanziellen Situation mit Zwangsversteigerungen bis an die Grenze der Privatinsolvenz -, sehe den Unfall als Grund und Ursache dieser Entwicklung. Er sei aufgrund einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur nicht in der Lage, angemessen die eigenen Anteile an diese Entwicklung zu reflektieren. Das Zusammenwirken dieser Facetten sei für die Dysthymia von Bedeutung. Der Anamnese zufolge hätten auch andere Belastungen, die üblicherweise mit einer Regelmäßigkeit im Leben auftreten können, wie z.B. eine länger währende mehrwöchige Erkrankung, dazu beitragen können, dass die familiäre und finanzielle Situation des Betroffenen in Mitleidenschaft gezogen worden wäre – mit der Konsequenz des beschriebenen psychischen Krankheitsbildes. Aus gutachterlicher Sicht stelle dieses Ereignis eine Gelegenheitsursache dar, so dass die beschriebene Gesundheitsstörung auf psychiatrisch-psychosomatischem Gebiet nicht als haftungsausfüllende Ursache gesehen werden könne.

Der Kläger hat hierzu vorgetragen, er habe nicht, wie von dem Sachverständigen angenommen, über 20 Jahre ein "dauerhaft übertriebenes Arbeitspensum" absolviert. Vielmehr seien Zeiten mit hohem zeitlichem Einsatz von 60 bis 80 Stunden pro Woche auch Zeiten mit einem Einsatz von 20 bis 40 Stunden pro Woche gefolgt, um sich zu regenerieren und Zeit mit der Familie zu verbringen. In diesen 20 Jahren habe es keine Eheprobleme gegeben. Er habe seit Beginn seiner beruflichen Tätigkeit sein Vermögen konservativ in Form von Kapitallebensversicherungen, Firmenbeteiligungen und fremdfinanzierten Immobilien aufgebaut. Dieses System habe auch eine Durststrecke von zwei bis drei Jahren mit wenig Einkommen gut überstehen können. Seit dem Unfall seien nun sieben Jahre vergangen. Zunächst hätten die Firmenbeteiligungen verkauft werden müssen, um die Zahlung an die Banken sicherzustellen. Dann seien die Kapitallebensversicherungen verkauft bzw. beliehen worden, um mit den Banken, die die Immobilien zwischenzeitlich verkauft/versteigert hätten, Restschuldbefreiung durchzuführen. Dies alles wäre nicht erforderlich geworden, wenn er nach zwei bis drei Jahren wieder hätte arbeiten können. Außerdem wies der Kläger auf von ihm eingereichte Fotokopien aus dem Buch "Neuropsychologie im Alltag" hin, wo seines Erachtens der Großteil seiner Defizite beschrieben werde. Diese Unterlagen seien zwar in der Gerichtsakte vorhanden, seien aber nicht in das aktuelle Gutachten eingeflossen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. Juni 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen kognitiver Leistungsminderungen und Depressionen infolge des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2004 Rente nach einer MdE von mindestens 20 v.H. nach Ende des Anspruchs auf Verletztengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des Sozialgerichts und der Bescheid der Beklagten vom 20. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2006 sind rechtens. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung von kognitiven Leistungsminderungen und Depressionen als über die 26. Woche hinaus bestehende Unfallfolgen und auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach § 56 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – SGB VII.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (so § 8 Abs. 1 SGB VII). Die versicherte Tätigkeit und der behauptete Gesundheitsschaden müssen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, d.h. mit Vollbeweis, nachgewiesen sein, während für den Kausalzusammenhang zwischen dem Ereignis und dem Gesundheitsschaden die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit ist angegeben, wenn mehr medizinisch-wissenschaftliche Gründe für als gegen den Kausalzusammenhang sprechen. Nach § 56 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.

Der Kläger hat am 20. Januar 2004 auf der Rückfahrt von einem Kundenbesuch einen Verkehrsunfall erlitten, den die Beklagte als Arbeitsunfall anerkannt hat. Als Unfallfolgen hat sie durch Bescheid vom 20. Dezember 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 2006 folgenlos verheilte Risswunden der linken Ohrmuschel und eine folgenlos verheilte Gehirnerschütterung anerkannt und zu Recht entschieden, dass der Kläger wegen des Arbeitsunfalls keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente hat und der Unfall weder eine Hirnsubstanzschädigung im Sinne eine Contusio cerebri noch eine posttraumatische Belastungsstörung verursacht hat. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung von kognitiven Leistungsminderungen und Depressionen als Arbeitsunfallfolgen.

Der Kläger hat bei dem Unfall eine reversible Gehirnerschütterung im Sinne einer Commotio cerebri erlitten, deren Folgen nicht über die 26. Woche nach dem Arbeitsunfall hinaus angehalten haben. Eine über eine Commotio cerebri hinausgehende Hirnsubstanzverletzung, die zu länger anhaltenden oder dauerhaften kognitiven Leistungsminderungen hätte führen können, hat nicht vorgelegen. Der Gesundheitserstschaden muss im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sein. Weder das Bestehen einer Gehirnsubstanzschädigung noch das Bestehen von kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen konnten bei dem Kläger indes mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Vielmehr sprechen die zeitnah nach dem Arbeitsunfall im Klinikum Bad Hersfeld erhobenen Befunde sowie die vom Hausarzt Dr. G. am 26. Januar 2004 dokumentierten Befunde und die von dem Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie J. veranlasste Kernspintomographie des Schädels, ebenso wie die später im Oktober 2005 von Dr. S. durchgeführten Untersuchungen, einschließlich einer weiteren kernspintomographischen Untersuchung des Schädels, gegen das Vorliegen einer unfallbedingten Hirnsubstanzschädigung. Laut dem Inhalt des von dem Klinikum Bad Hersfeld beigezogenen Krankenblattes des Klägers bestanden bei diesem weder eine Bewusstlosigkeit noch Drehschwindel, Nystagmen oder eine Hörminderung. Der Kläger wurde wegen einer Kreislaufdysfunktion zur Überwachung über Nacht stationär aufgenommen. Während der Überwachung in der Klinik zeigte sich ein komplikationsfreier Heilverlauf und der Kläger wurde bei der morgendlichen Visite als "wohlauf" befunden. Die späteren Angaben des Klägers über das Vorliegen einer Bewusstlosigkeit, von Schwindel und Übelkeit sowie einem Einnässen während der Nacht werden durch diese Unterlagen des Klinikums Bad Hersfeld nicht gestützt. Über derartige Beschwerden hatte der Kläger auch seinem Hausarzt Dr. G. nicht berichtet. Dieser teilte über den Befund vom 26. Januar 2004 mit, es hätten keine Kopfschmerzen, kein Schwindel und keine Sehstörungen bestanden, bestehende Gedächtnisstörungen hätten sich gebessert. Die zeitnah nach dem Unfall erstellte Kernspintomographie des Schädels zeigte ebenso wie die später im Oktober 2005 durchgeführte MRT-Untersuchung keine auffälligen intracerebralen Befunde.

Die von verschiedenen Untersuchern durchgeführten psychometrischen Tests zur Überprüfung der kognitiven Leistungsfähigkeit des Klägers können weder das Vorliegen einer diesbezüglichen Leistungsminderung noch das Bestehen einer Hirnsubstanzschädigung beweisen. Die von dem Kläger anlässlich dieser Testungen in manchen Bereichen dargebotenen extremen Leistungsdefizite konnten einer Plausibilitätsprüfung nicht standhalten. So zeigte der Kläger z.B. derart umfassende Einschränkungen der kognitiven Leistungen, bei denen es ihm nicht möglich gewesen wäre, den Alltag zu bewältigen und demonstrierte sowohl verbale als auch figurale Gedächtnisschwächen, die sich bei einer nachweisbaren beidseitigen Hirnsubstanzschädigung in beiden Temporallappen zeigen. Dieses von dem Kläger demonstrierte Leistungsniveau stand nach Beurteilung der den Kläger untersuchenden Dipl.-Psychologen P. und T. und der Beurteilung des Sachverständigen Dr. D. in krassem Widerspruch zu dem Verhalten des Klägers außerhalb der psychometrischen Testuntersuchungen. In den Situationen außerhalb dieser speziellen Testungen zeigte der Kläger ein in keiner Weise kognitiv beeinträchtigtes Verhalten, er zeigte, so die Beurteilung der Dipl.-Psychologin T., sogar hervorragende Fähigkeiten im logischen und schlussfolgernden Denken. Auch der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A. und der Neuropsychologe Dr. U., die den Kläger im Auftrag der AD. Lebensversicherung untersucht haben, konnten die von dem Kläger geklagten Beschwerden nicht mit objektiven Befunden und der klinischen Erfahrung mit anderen hirngeschädigten Probanden in Einklang bringen. Dr. U. äußerte ebenso wie die Dipl.-Psychologin T. den Verdacht auf ein aggravatorisches Verhalten des Klägers. Da sich angesichts solcher Umstände das Bestehen von kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen nicht verifizieren lässt, können kognitive Leistungsbeeinträchtigungen – abgesehen davon, dass eine substanzielle Hirnschädigung nicht nachweisbar ist – nicht als Unfallfolge festgestellt werden.

Es kann auch nicht nachgewiesen werden, dass der Kläger infolge des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2004 unter Depressionen leidet oder gelitten hat. Für die Anerkennung des ursächlichen Zusammenhangs muss dabei nur eine Wahrscheinlichkeit bestehen, d.h. die für den Zusammenhang sprechenden Umstände müssen bei vernünftiger Abwägung deutlich überwiegen. Die bei dem Kläger Mitte des Jahres 2009 erstmals diagnostizierte "mittelschwere depressive Störung", deren Fortbestehen weder von dem Sachverständigen Dr. D. noch von dem Sachverständigen Dr. E. bestätigt werden konnte, kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Arbeitsunfall vom 20. Januar 2004 zurückgeführt werden. Insoweit fehlt es schon an einem zeitlichen Zusammenhang, weil in den ersten Jahren nach dem Unfall sich anlässlich diesbezüglicher Untersuchungen keine Hinweise auf eine depressive Störung bei dem Kläger ergeben haben. So berichtet Prof. Dr. K. in seinem Gutachten vom 1. Juni 2004 über den psychiatrischen Befund, die affektive Schwingungsfähigkeit bei dem Kläger sei erhalten und die Grundstimmung werde von ihm als ausgeglichen erlebt. Der Dipl.-Psychologe L. teilt in seinem testpsychologischen Zusatzgutachten mit, das Beck-Depressions-Inventar weise keine psychischen Beeinträchtigungen auf, sodass eine depressive Symptomatik bei dem Kläger ausgeschlossen werden könne. Auch die Dipl.-Psychologin P. kam zu diesem Ergebnis. Auch sie führte bei dem Kläger eine Testung mittels des Beck-Depressions-Inventars durch und gelangte zu dem Ergebnis, dass sich keine Hinweise auf eine depressive Symptomatik und/oder eine erhöhte psychische Belastung ergeben haben. Auch mittels des standardisierten Fragebogen-Inventars ergaben sich keine Hinweise auf eine depressive Symptomatik. Übereinstimmend damit konnte auch die Dipl.-Psychologin T. anlässlich ihrer Untersuchungen bei dem Kläger weder eine depressive Verstimmung noch andere psychische Belastungsfaktoren feststellen. Dr. S. führte in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 3. Dezember 2005 aus, dass sich weder aus nervenärztlicher noch aus neuropsychologischer Sicht Hinweise auf eine unfallbedingte psychoreaktive Störung ergeben hätten. Sowohl dem Arztbrief der Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie V. vom 8. Juli 2009 als auch dem Entlassungsbericht der Hochgrat Klinik kann entnommen werden, dass der Kläger als Beginn der depressiven Störung den Dezember 2008 genannt hat. Angegeben wurden in diesem Zusammenhang von dem Kläger die Trennung von seiner Ehefrau und die zunehmenden finanziellen Schwierigkeiten, die fast zur Zwangsversteigerung seines Reihenhauses geführt hätten. Ein Kausalzusammenhang zwischen den zeitweise bestehenden depressiven Störungen und dem Arbeitsunfall des Klägers ist nach Überzeugung des Senats aufgrund dieser Gesamtumstände nicht erkennbar. Dies gilt sowohl für das Unfallereignis als solches als auch für dessen gesundheitliche Folgen. Auch der auf Antrag des Klägers gehörte Sachverständige Dr. E. konnte einen Kausalzusammenhang zwischen den seelischen Gesundheitsstörungen des Klägers und dem Arbeitsunfall nicht feststellen.

Da folglich nicht nachgewiesen ist, dass der Kläger infolge des Arbeitsunfalls vom 20. Januar 2004 unter anhaltenden Gesundheitsstörungen leidet, konnte dem Berufungsbegehren des Klägers nicht stattgegeben werden und war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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