Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 10 AL 117/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 186/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zum Beginn der Vermutungswirkung des § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III a.F.
2. Ein erstmals immatrikulierter Student kann nach Semesterbeginn und vor dem Beginn der für seinen Studiengang verpflichtenden Lehrveranstaltungen dem Arbeitsmarkt objektiv und subjektiv zur Verfügung stehen.
2. Ein erstmals immatrikulierter Student kann nach Semesterbeginn und vor dem Beginn der für seinen Studiengang verpflichtenden Lehrveranstaltungen dem Arbeitsmarkt objektiv und subjektiv zur Verfügung stehen.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 29. September 2010 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung bewilligten Arbeitslosengeldes für einen Monat.
Der Kläger, der im Zeitraum 1. August 2007 bis 30. Juni 2009 als Außendienstmitarbeiter tätig war, meldete sich am 14. Mai 2009 mit Wirkung zum 1. Juli 2009 bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 26. Juni 2009 ab dem 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungssatz von 33,23 EUR.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten im August 2009 teilte der Kläger mit, dass er im Wintersemester 2009/2010 ein Studium an der Hochschule Fulda in dem Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen beginnen werde.
Der Kläger immatrikulierte sich an der Hochschule Fulda am 17. August 2009. Das Wintersemester an der Hochschule Fulda lief vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010. Die Vorlesungen begannen am 5. Oktober 2009. Im Monat September 2009 fanden an der Hochschule Fulda nicht verpflichtende Vorbereitungskurse statt, über welche keine Anwesenheitslisten geführt wurden. Ab Oktober 2009 bezog der Kläger Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Mit Bescheid vom 25. August 2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 1. September 2009 gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung – (SGB III) auf und führte zur Begründung für die Entscheidung die eigene Abmeldung des Klägers aus dem Leistungsbezug an.
Hiergegen erhob der Kläger am 24. September 2009 Widerspruch, welcher damit begründet wurde, dass der Kläger zum 1. Oktober 2009 ein Studium an der Hochschule Fulda begonnen habe. Dies habe er bei einer persönlichen Vorsprache einer Mitarbeiterin der Beklagten am 10. August 2009 ordnungsgemäß mitgeteilt. Er habe sich in diesem Gespräch keineswegs zum 31. August 2009 selbst abgemeldet, sondern ausdrücklich mitgeteilt, dass er auch im September dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werde. Der Kläger habe dem Arbeitsmarkt im Zeitraum 1. bis 30. September 2009 auch noch tatsächlich zur Verfügung gestanden. Es hätten keinerlei Pflichtpraktika oder Ähnliches angestanden. Die Lehrveranstaltungen hätten erst am 5. Oktober 2009 begonnen. Offizieller Beginn des Wintersemesters sei der 1. Oktober 2009 gewesen. Seit diesem Zeitpunkt beziehe der Kläger auch Leistungen nach dem BAföG. Es komme für die Verfügbarkeit weder auf den Zeitpunkt der Immatrikulation noch auf die "Verwaltungsdauer" der Hochschule vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 an.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2009 als unbegründet zurück. Unter Bezugnahme auf § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III führte sie zur Begründung aus, dass der Kläger ab dem 1. September 2009 nur versicherungsfreie Beschäftigungen hätte ausüben könne. Er sei Studierender an einer Hochschule, der Studentenstatus liege ab Beginn des Wintersemesters 2009/2010, mithin ab dem 1. September 2009 vor. Auf den Vorlesungsbeginn komme es dabei nicht an. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er neben dem Studium noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne, weil er nur mit Einschränkungen für solche Beschäftigungen zur Verfügung stehe, welche den Erfordernissen des Studiums angepasst seien. Eine Beschäftigung während der Dauer des Studiums sei nach § 27 Abs. 4 SGB III versicherungsfrei, wenn sie nur die Nebensache und das Studium die Hauptsache sei. Der Kläger habe keine Möglichkeit, neben dem Studium noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben und stehe demzufolge den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung. Er sei damit nicht arbeitslos im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 SGB III und habe deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Im Übrigen seien die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III erfüllt, da der Kläger im Leistungsantrag mit seiner Unterschrift bestätigt habe, das Merkblatt für Arbeitslose, in welchem ausführlich erläutert werde, dass Schüler oder Studenten grundsätzlich keine Leistungen erhalten könnten, erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Der Kläger habe daher wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass der Leistungsanspruch weggefallen sei.
Mit seiner am 24. November 2009 beim Sozialgericht Fulda erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Der Kläger hat vorgetragen, dass er die gesetzliche Vermutung des § 120 SGB III widerlegt habe. In dem Zeitraum 1. bis 30. September 2009 hätten keinerlei Pflichtpraktika oder Ähnliches angestanden, so dass er im September 2009 dem Arbeitsmarkt noch zur Verfügung gestanden habe. Dies habe er der Beklagten auch mitgeteilt. Da ihm keine Arbeit angeboten worden sei und er die Zeit sinnvoll habe nutzen wollen, habe er in der Zeit vom 14. September 2009 bis 25. September 2009 an einem Mathematikvorbereitungskurs teilgenommen, welcher allerdings nicht zwingend erforderlich gewesen sei. Er hätte diesen Kurs jederzeit unterbrechen und eine ihm angebotene Arbeit annehmen können.
Die Beklagte hat sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid berufen. Sie ist der Auffassung, dass es im vorliegenden Fall auf den Beginn der Vorlesungen nicht ankomme, da die Studenteneigenschaft und das Privileg der Versicherungsfreiheit mit der Immatrikulation beginne. Die Eigenschaft als Student im Sinne von § 120 Abs. 2 SGB III bestehe zudem auch während der üblichen Unterrichts- und vorlesungsfreien Zeiten, so dass die gesetzliche Vermutung auch nicht dadurch widerlegt sei, dass der Kläger bis zum Vorlesungsbeginn noch eine Beschäftigung ausüben könne. Das Interesse des Klägers sei seit der Immatrikulation vorrangig auf das Studium gerichtet, so dass es zudem an der ernsthaften Arbeitsbereitschaft des Klägers mangele. Eine Beschäftigung - auch bis zum Vorlesungsbeginn – sei allenfalls Nebensache.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 29. September 2010 ohne mündliche Verhandlung stattgegeben, den angegriffenen Bescheid vom 25. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2009 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger das für September 2009 einbehaltene Arbeitslosengeld auszuzahlen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Bescheid vom 25. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2009 sei hinsichtlich der für den Monat September 2009 verfügten Aufhebung rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X sei durch die Immatrikulation des Klägers zum 1. September 2009 nicht eingetreten, da auch im September 2009 die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach § 119 Abs. 1 SGB III vorgelegen hätten. Zur Verfügbarkeit des Klägers als einer Voraussetzung seiner Arbeitslosigkeit heißt es: Bei Schülern oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte werde gemäß § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Die Vermutung sei gemäß § 120 Abs. 2 S. 2 SGB III widerlegt, wenn der Schüler oder Student darlege und nachweise, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulasse.
Nach Auffassung des Sozialgerichts kann die Frage, ob die gesetzliche Vermutung des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III allein durch die Immatrikulation des Klägers ab dem 1. September 2009 eingreife (vgl. hierzu Steinmeyer in: Gagel, SGB III, § 120, Rn. 75 ff. m.w.N.), dahinstehen, da der Kläger diese Vermutung jedenfalls widerlegt habe. Ein Schüler oder Student könne die Vermutung des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III widerlegen und darlegen bzw. nachweisen, dass er eine nicht § 27 Abs. 4 SGB III unterfallende versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne. Die Anknüpfung des Merkmals der objektiven Verfügbarkeit an eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung bedeute für die Gruppe der arbeitslosen Studenten, dass sie kein Arbeitslosengeld erhalten, wenn auf sie das so genannte Werkstudentenprivileg zutreffe (Brand in: Niesei/Brand, SGB III, § 120, Rn. 10). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lasse dabei für die Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudentenprivilegs nicht das formale Kriterium genügen, dass es sich bei den Beschäftigten statusrechtlich um Studenten handele. Die Versicherungsfreiheit verlange vielmehr neben dem förmlichen Status des Studenten, dass das Studium Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nehme und er damit trotz Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung seinem Erscheinungsbild nach Student bleibe. Gesetzliches Leitbild des Werkstudentenprivilegs seien demnach Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen. Die Beschäftigung sei demgemäß nur versicherungsfrei, wenn und solange sie neben dem Studium ausgeübt werde, ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet sei, mithin das Studium die Hauptsache und die Beschäftigung die Nebensache sei (BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 12 KR 24/03 R - m.w.N., juris).
Die Widerlegung der Vermutung des § 120 Abs 2 S. 1 SGB III erfordere zunächst in einem ersten Schritt die Darlegung, dass nicht bereits die vorgeschriebenen Anforderungen in den einschlägigen Studien- und Prüfungsbestimmungen der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung entgegenstünden. In einem zweiten Schritt habe der Student des Weiteren darzulegen, wie er sein Studium bei ordnungsgemäßer Erfüllung dieser Anforderungen, also im Rahmen der zulässigen Erstreckung seines Studiums über die Regelanforderungen hinaus, gestaltet hätte, um daneben einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachgehen zu können. Um vorgeschriebene Anforderungen im vorgenannten Sinne handele es sich nur dann, wenn die Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen die Einhaltung einer bestimmten Studiendauer und/oder, für die jeweiligen Semester, die Belegung und den Besuch bestimmter Vorlesungen und Seminare oder einer bestimmten Wochenstundenzahl verbindlich vorschrieben (BSG, Urteil vom 19. März 1998 - B 7 AL 44/97 R, juris).
Im vorliegenden Fall mangele es bereits an dem Vorliegen solcher vorgeschriebenen Anforderungen in den einschlägigen Studien- und Prüfungsbestimmungen, da - wie die Hochschule Fulda mit Schreiben vom 10. März 2010 ausdrücklich bestätigt habe - im Monat September 2009 lediglich Vorbereitungskurse stattfanden, bezüglich derer die Teilnahme nicht verpflichtend gewesen sei. Da mithin im Monat September 2009 keinerlei studienbedingte Verpflichtungen zu erfüllen waren, wäre jedenfalls für diese Zeit eine Beschäftigung nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen dem noch nicht tatsächlich aufgenommenen Studium derart untergeordnet gewesen, dass das Erscheinungsbild des Klägers nicht dem eines (versicherungsfreien) Studenten bzw. Werkstudenten entsprochen habe (Hinweis auf LSG Thüringen, Urteil vom 22. Februar 2007 - L 3 AL 822/03, juris). Weitere Anforderungen an eine besondere Darlegung dahingehend, wie der Kläger sein Studium gestaltet habe, um im September 2009 einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachgehen zu können, erübrigten sich angesichts der Tatsache, dass im September keine verpflichtenden Lehrveranstaltungen stattfanden.
Die Beklagte hat am 5. November 2010 gegen das ihr am 6. Oktober 2010 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Die Beklagte ist der Auffassung, das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Vermutung einer versicherungsfreien Beschäftigung nach § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III bereits dadurch widerlegt sei, dass ein Student zwischen der Immatrikulation und dem Beginn der Vorlesungszeit keinerlei studienbedingte Verpflichtungen zu erfüllen habe, weil jedenfalls für diese Zeit eine Beschäftigung nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen dem (noch nicht tatsächlich aufgenommenen) Studium so untergeordnet sei, dass das Erscheinungsbild des Arbeitslosen nicht das eines (versicherungsfreien) Studenten beziehungsweise Werkstudenten gewesen sei.
Nach § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III bestehe eine gesetzliche Vermutung, dass Studenten nur versicherungsfreien Beschäftigungen nachgehen können und daher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen und damit dann auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Das Bundessozialgericht habe - allerdings noch in Bezug auf das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) - in seinem Urteil vom 19. März 1998 (B 7 AL 44/97 R, juris) ausgeführt, dass bei einem Studenten vermutet werde, dass er nur Beschäftigungen ausüben könne, die nach § 169 AFG beitragsfrei seien, es sei denn, er würde gemäß § 103a Absatz 2 AFG darlegen, dass der Ausbildungsgang bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung zulasse.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Fulda widerspreche dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, weil das Sozialgericht Fulda rechtsfehlerhaft davon ausgehe, dass die Vermutung einer versicherungsfreien Beschäftigung nach § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III bereits dadurch widerlegt sei, wenn ein Student zwischen der Immatrikulation und dem Beginn der Vorlesungszeit keinerlei studienbedingte Verpflichtungen zu erfüllen habe, weil jedenfalls für diese Zeit eine Beschäftigung nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen dem (noch nicht tatsächlich aufgenommenen) Studium so untergeordnet gewesen sei, dass das Erscheinungsbild das eines Arbeitslosen nicht das eines (versicherungsfreien) Studenten beziehungsweise Werkstudenten gewesen sei.
Das erstinstanzliche Gericht verkenne, dass hinsichtlich der Vermutung der versicherungsfreien Beschäftigung nach § 120 Absatz 2 Satz 1 SGB III darauf abgestellt werden müsse, ob der gesamte Studiengang die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zulasse, die Beschäftigung also während des gesamten Studiums Hauptsache bleibe und das Studium nur "Nebensache" sei.
Da beim Kläger aber das Studium an der Fachhochschule Fulda Haupt- und nicht nur Nebensache gewesen sei, sei entgegen dem angefochtenen erstinstanzlichen Urteil die gesetzliche Vermutung nach § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III auch für den Monat September 2009 nicht widerlegt. Dem Kläger sei die Rechtslage auch vor der Immatrikulation bekannt gewesen, da er in dem ihm ausgehändigten Merkblatt 1 für Arbeitslose (Seite 20) wie folgt informiert worden sei: "Sind Sie Schüler oder Student einer Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte, können Sie grundsätzlich kein Arbeitslosengeld erhalten. Eine Ausnahme gilt, wenn Sie nachweisen, dass die objektiven Anforderungen des Ausbildungsganges eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung neben der Ausbildung zulassen."
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil in vollem Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das sozialgerichtliche Urteil für richtig und wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag. Unbestritten stelle § 120 Abs. 2 SGB III zunächst die Vermutung auf, dass Schüler oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Die Vermutung könne aber widerlegt werden und sei von dem Kläger widerlegt worden. Als Anknüpfungspunkt für die Verfügbarkeit sei seitens der Berufungsklägerin die "Verwaltungsdauer" der Hochschule Fulda herangezogen worden. Das Wintersemester habe am 1. September 2009 begonnen. Im Zeitraum 1. bis 30. September 2009 habe der Kläger dem Arbeitsmarkt noch zur Verfügung gestanden. Es hätten keinerlei Pflichtpraktika oder ähnliches angestanden, die Lehrveranstaltungen hätten erst am 5. Oktober 2009 begonnen. Offizieller Beginn des Wintersemesters sei der 1. Oktober 2009 gewesen.
Ein Widerspruch des angegriffenen Urteils zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lasse sich nicht erkennen. Die zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 1998 beziehe sich auf die Durchführung des Studiums selbst und nicht auf den rein willkürlich festgelegten Verwaltungsbeginn. Seitens des Bundessozialgerichts werde in der zitierten Entscheidung ausgeführt, der Berufungsbeklagte hätte die beabsichtigte Studiengestaltung im Einzelnen aufzeigen müssen, die rein theoretische Möglichkeit, neben dem Studium eine beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben, genüge nicht. Da im vorliegenden Fall die Vorlesungen erst am 5. Oktober 2009 begannen, sei das Studium selbst von einer beitragspflichtigen Beschäftigung im September überhaupt nicht betroffen gewesen. Die Festlegung auf die Verwaltungsdauer sei rein willkürlich. Hätte der Kläger bspw. sein Studium an der Uni Marburg begonnen, so hätten die Vorlesungen ebenfalls erst im Oktober begonnen. Da das Wintersemester in Marburg aber erst am 1. Oktober 2009 begonnen habe, hätte er im September wie andere Studienanfänger auch, noch Arbeitslosengeld erhalten. Für die Orientierung am tatsächlichen Ausbildungsbeginn spreche auch die im Bundesausbildungsförderungsgesetz getroffene Regelung. Gemäß § 15 Abs. 1 BAföG werde Ausbildungsförderung vom Beginn des Monats an geleistet, in dem die Ausbildung aufgenommen wird, frühestens jedoch vom Beginn des Antragsmonats an. Der Kläger erhalte erst seit 1. Oktober 2009 Leistungen nach dem BAföG, da er erst im Monat Oktober die Ausbildung aufgenommen habe. Der Rat der Beklagten an den Kläger, er solle für den September einen Antrag nach dem SGB II stellen, widerspreche der eigenen Argumentation der Beklagten. Denn Studenten, wie auch Schülern, und allen anderen, deren Ausbildung nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, stehe kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe zu (§ 7 Abs. 5 S. 2 SGB II und § 22 SGB XII). Wenn der Kläger das Studium tatsächlich schon im September begonnen hätte, so hätte er auch keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen gehabt.
Die Beteiligten haben mit bei Gericht am 31. Mai 2013 und am 6. Juni 2013 eingegangenen Schriftsätzen ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG erreicht, denn in Streit ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Monat September 2009. Bei einem täglichen Leistungssatz der Arbeitslosengeldbewilligung von 33,23 EUR betrug der monatliche Leistungssatz 996,90 EUR.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das mit der Berufung angegriffene Urteil ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Monat September 2009 zu.
Zwischen den Beteiligten in Streit ist allein die Verfügbarkeit des Klägers im Monat September 2009. Diese ist zu bejahen. Nach § 120 Abs. 2 SGB III in der seit 1. Januar 2004 bis 31. März 2012 geltenden Fassung (nunmehr § 139 Abs. 2 SGB III in geschlechtergerechter Sprache) wird bei Schülern oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können (Satz 1). Die Vermutung ist widerlegt, wenn der Schüler oder Student darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt (Satz 2).
Für die Anwendung des § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist zunächst zu klären, ab welchem Zeitpunkt die Vermutung überhaupt greift. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19. März 1998 – B 7 AL 44/97 R, juris) ist im Rahmen einer bei der Regelung von Massenerscheinungen im Interesse einer effizienten Verwaltung zulässigen Typisierung und Pauschalierung davon auszugehen, dass durch die Immatrikulation zwischen dem Studenten und der Hochschule ein Rechtsverhältnis entsteht, das die Vermutung begründet, der Student könne während seines Studiums keiner beitragspflichtigen Beschäftigung mehr nachgehen (vgl. Urteil vom 24. Juli 1997 11 Rar 99/96 -, juris). Hier hat sich der Kläger am 17. August 2009 an der Hochschule Fulda eingeschrieben. Die Einschreibung an einer Hochschule ist ein Verwaltungsvorgang, durch den die Person als Student an der Hochschule aufgenommen und damit Mitglied dieser Hochschule wird. Eine Einschränkung der Verfügbarkeit tritt durch diesen Verwaltungsvorgang selbst nicht ein. Durch die Einschreibung wurde vielmehr die Vermutung begründet, der Kläger könne während seines Studiums keiner beitragspflichtigen Beschäftigung mehr nachgehen. "Während seines Studiums" kann sich nicht auf den zufälligen Termin des Einschreibens als Verwaltungsvorgang beziehen, sondern frühestens auf den Beginn des Semesters, zu dem der Status des Studierenden beginnt. Entsprechend hat die Beklagte auch erst ab Beginn des Semesters am 1. September 2009, nicht schon ab dem Datum der Immatrikulation die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben. Ob die Vermutungswirkung des § 120 SGB III u.U. noch später greift, nämlich erst ab dem Beginn der Lehrveranstaltungen, kann dahin stehen. Dagegen spricht schon, dass eine Vermutungsregelung einfach handhabbar sein muss. Der Semesterbeginn lässt sich über die Vorlage der Immatrikulationsbescheinigung oder des Studierendenausweises leicht für eine ganze Hochschule feststellen. Der Beginn der verpflichtenden Lehrveranstaltungen in jedem Fach ist dagegen schwer zu ermitteln.
§ 120 Abs. 2 S. 2 SGB III fordert für die Widerlegung dieser Vermutung – in einem ersten Schritt – Darlegungen des Studierenden, dass nicht bereits die abstrakten Regelungen in den einschlägigen Studien- und Prüfungsordnungen der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung entgegenstehen. Darüber hinaus muss der Studierende - in einem zweiten Schritt - darlegen und nachweisen, wie er sein Studium gestaltet hätte, um daneben einer Beschäftigung nachgehen zu können, die nicht unter das Werkstudentenprivileg des § 27 Abs. 4 SGB III fällt (Urteil des Senats vom 24. Oktober 2011 – L 6 AL 135/08; vgl. auch Sächsisches LSG, Urteil vom 2. Juni 2004 – L 2 AL 192/03 – juris m.w.N.). In diesem Rahmen ist anerkannt, dass z.B. die Flexibilität der vorlesungsfreien Zeit ebenso zu berücksichtigen ist, wie eine studiengangsbedingte Rücksichtnahme auf Berufstätigkeit. Es handelt sich mithin immer um eine konkrete, einzelfallbezogene Betrachtungsweise.
Diese einzelfallbezogene Betrachtungsweise ergibt vorliegend, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum September 2009 dem Arbeitsmarkt objektiv und subjektiv zur Verfügung stand, weil verpflichtende Lehrveranstaltungen überhaupt erst im Oktober begannen und von den einschlägigen Studien- und Prüfungsordnungen von ihm keinerlei Anwesenheit oder Tätigkeit vor Beginn dieser Veranstaltungen verlangt wurde. Allerdings legt diese tatsächliche Betrachtungsweise auch nahe, dass der Kläger zwischen Semesterbeginn am 1. September 2009 und dem tatsächlichen Vorlesungsbeginn am 5. Oktober 2009 sogar noch bis 4. Oktober 2009 dem Arbeitsmarkt objektiv und subjektiv zur Verfügung stand. So hat der 7. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in seinem Urteil vom 21. September 2012 (L 7 AL 3/12, juris), in einem vergleichbaren Fall – formaler Beginn des Wintersemesters 2009/10 am 1. September 2009, Vorlesungsbeginn am 5. Oktober 2009 – die Verfügbarkeit der dortigen Klägerin im Zeitraum 1. September bis 4. Oktober 2009 bejaht und die Vermutung des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III als widerlegt angesehen. Da vorliegend der Kläger mit seiner Klage jedoch lediglich eine Leistungsgewährung für September 2009 angestrebt hat und nicht in Berufung gegangen ist, stellt sich vorliegend die Frage, ob die Beklagte nicht auch für die ersten vier Oktobertage leistungspflichtig ist, nicht. Wegen der Beschränkung des Streitgegenstands auf den September 2009 stellt sich daher auch nicht die weitere Frage, ob nicht in Anbetracht der §§ 15, 15b BAföG, wonach die Leistungen stets monatsweise gewährt werden, ein Rechtssatz aufzustellen ist, wonach jedenfalls für Zeiträume, für die dem Studierenden Leistungen nach dem BAföG gewährt werden – das war hier ab 1. Oktober 2009 der Fall - , eine Widerlegung der Vermutung des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III ausscheidet.
Vorliegend hat der Senat keinen Zweifel, dass der Kläger im gesamten Monat September 2009 eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben konnte und durfte und auch die übrigen Voraussetzungen des § 119 Abs. 5 SGB III gegeben sind. Der Kläger war im hier streitgegenständlichen Zeitraum genauso wenig durch die am 5. Oktober 2009 beginnenden Lehrveranstaltungen oder andere verpflichtende Studienanforderungen gebunden wie im Zeitraum ab 1. Juli 2009 bis 31. August 2009.
Dass die Vermittlungsbemühungen der Beklagten für einen solch kurzen Zeitraum wenig Erfolg versprechend sein werden, überhaupt nur kurz befristete Arbeitsverhältnisse in Betracht kommen und manche Maßnahmen der Arbeitsförderung von vornherein ausscheiden, ändert an dem Vorliegen der Verfügbarkeit des Klägers nichts. So steht es dem Arbeitslosen frei, sich nach kurzem Leistungsbezug abzumelden und später – in den Grenzen des § 147 Abs. 2 a.F. (jetzt § 161 Abs. 2 SGB III) wieder arbeitslos zu melden und den Restanspruch in Anspruch zunehmen, selbst dann, wenn ein in Kürze beginnendes Anschlussarbeitsverhältnis schon vereinbart ist (vgl. zu letzterem BSG, Urteil vom 5. Februar 1998 - B 11 AL 55/97 R). Diese Disponibilität des Anspruchs entspricht dem geltendem Recht und hat zur Folge, dass die Beklagte auch für kürzere Anspruchszeiträume leisten muss, für die eine Arbeitsvermittlung realistischerweise keinen Erfolg verspricht. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld dient hier dazu, Versorgungslücken zu vermeiden. Die Arbeitsvermittlung durch die Beklagte tritt in den Hintergrund, auch wenn die Verfügbarkeit des Arbeitslosen Anspruchsvoraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld ist (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 21. September 2012 - L 7 AL 3/12 -, juris).
Zuzustimmen ist der genannten Entscheidung des 7. Senats des Hessischen Landessozialgerichts auch darin, dass die Formulierung in § 120 Abs. 2 S. 2 SGB III, wonach sich die Widerlegung der Vermutung auf den Ausbildungsgang beziehen müsse, nicht bedeutet, dass nachgewiesen werden müsste, dass die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung während der gesamten erwarteten Studienzeit von drei Jahren möglich sein müsse. Bei sinnvoller Auslegung der Regelung kann sich die Anforderung zur Darlegung einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung immer nur auf den Zeitraum beziehen, für welchen Arbeitslosengeld begehrt wird. Das ist hier der Zeitraum Juli bis September 2009 (streitig nur der letzte Monat) vor dem Beginn der Lehrveranstaltungen.
Da auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass andere Umstände eingetreten sind, die dem Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld im Monat September 2009 entgegenstehen könnten, lag eine die Beklagte zur Aufhebung der Bewilligungsentscheidung nach § 48 SGB X berechtigende Änderung der Verhältnisse nicht vor. Die angegriffenen Bescheide wurden daher zu Recht vom Sozialgericht in dem angegriffenen Urteil abgeändert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, denn Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer bisher nicht geklärten Rechtsfrage abhängt, deren Klärung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt, um die Einheit und Entwicklung des Rechts zu fördern (st. Rspr. seit BSG, Urteil vom 20. Dezember 1955 – 10 RV 225/54 – BSGE 2, 129 [132f.]; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 28). Der Senat hält daran fest, dass die zu § 120 Abs. 2 SGB III a.F. (jetzt § 139 SGB III) zu beachtenden Auslegungsfragen höchstrichterlich geklärt sind (so schon Beschluss des Senats vom 5. Dezember 2011 L 6 AL 187/10). Vorliegend geht es um die Beurteilung der tatsächlichen Verfügbarkeit einer zum Studium eingeschriebenen, nicht durch Praktika oder Ähnliches gebundenen Person im Monat vor Vorlesungsbeginn. Eine grundsätzliche Rechtsfrage ist durch die Betrachtung dieses Einzelfalls nicht aufgeworfen. Auch weicht das vorliegende Urteil nicht von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Aufhebung bewilligten Arbeitslosengeldes für einen Monat.
Der Kläger, der im Zeitraum 1. August 2007 bis 30. Juni 2009 als Außendienstmitarbeiter tätig war, meldete sich am 14. Mai 2009 mit Wirkung zum 1. Juli 2009 bei der Beklagten arbeitslos. Die Beklagte bewilligte ihm mit Bescheid vom 26. Juni 2009 ab dem 1. Juli 2009 bis 30. Juni 2010 Arbeitslosengeld mit einem täglichen Leistungssatz von 33,23 EUR.
Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten im August 2009 teilte der Kläger mit, dass er im Wintersemester 2009/2010 ein Studium an der Hochschule Fulda in dem Studiengang Wirtschaftsingenieurwesen beginnen werde.
Der Kläger immatrikulierte sich an der Hochschule Fulda am 17. August 2009. Das Wintersemester an der Hochschule Fulda lief vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010. Die Vorlesungen begannen am 5. Oktober 2009. Im Monat September 2009 fanden an der Hochschule Fulda nicht verpflichtende Vorbereitungskurse statt, über welche keine Anwesenheitslisten geführt wurden. Ab Oktober 2009 bezog der Kläger Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG).
Mit Bescheid vom 25. August 2009 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 1. September 2009 gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) i.V.m. § 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung – (SGB III) auf und führte zur Begründung für die Entscheidung die eigene Abmeldung des Klägers aus dem Leistungsbezug an.
Hiergegen erhob der Kläger am 24. September 2009 Widerspruch, welcher damit begründet wurde, dass der Kläger zum 1. Oktober 2009 ein Studium an der Hochschule Fulda begonnen habe. Dies habe er bei einer persönlichen Vorsprache einer Mitarbeiterin der Beklagten am 10. August 2009 ordnungsgemäß mitgeteilt. Er habe sich in diesem Gespräch keineswegs zum 31. August 2009 selbst abgemeldet, sondern ausdrücklich mitgeteilt, dass er auch im September dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen werde. Der Kläger habe dem Arbeitsmarkt im Zeitraum 1. bis 30. September 2009 auch noch tatsächlich zur Verfügung gestanden. Es hätten keinerlei Pflichtpraktika oder Ähnliches angestanden. Die Lehrveranstaltungen hätten erst am 5. Oktober 2009 begonnen. Offizieller Beginn des Wintersemesters sei der 1. Oktober 2009 gewesen. Seit diesem Zeitpunkt beziehe der Kläger auch Leistungen nach dem BAföG. Es komme für die Verfügbarkeit weder auf den Zeitpunkt der Immatrikulation noch auf die "Verwaltungsdauer" der Hochschule vom 1. September 2009 bis 28. Februar 2010 an.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2009 als unbegründet zurück. Unter Bezugnahme auf § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III führte sie zur Begründung aus, dass der Kläger ab dem 1. September 2009 nur versicherungsfreie Beschäftigungen hätte ausüben könne. Er sei Studierender an einer Hochschule, der Studentenstatus liege ab Beginn des Wintersemesters 2009/2010, mithin ab dem 1. September 2009 vor. Auf den Vorlesungsbeginn komme es dabei nicht an. Der Kläger habe nicht nachgewiesen, dass er neben dem Studium noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne, weil er nur mit Einschränkungen für solche Beschäftigungen zur Verfügung stehe, welche den Erfordernissen des Studiums angepasst seien. Eine Beschäftigung während der Dauer des Studiums sei nach § 27 Abs. 4 SGB III versicherungsfrei, wenn sie nur die Nebensache und das Studium die Hauptsache sei. Der Kläger habe keine Möglichkeit, neben dem Studium noch eine versicherungspflichtige Beschäftigung auszuüben und stehe demzufolge den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht zur Verfügung. Er sei damit nicht arbeitslos im Sinne von § 119 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 5 SGB III und habe deshalb keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Im Übrigen seien die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs. 3 SGB III erfüllt, da der Kläger im Leistungsantrag mit seiner Unterschrift bestätigt habe, das Merkblatt für Arbeitslose, in welchem ausführlich erläutert werde, dass Schüler oder Studenten grundsätzlich keine Leistungen erhalten könnten, erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Der Kläger habe daher wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass der Leistungsanspruch weggefallen sei.
Mit seiner am 24. November 2009 beim Sozialgericht Fulda erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Der Kläger hat vorgetragen, dass er die gesetzliche Vermutung des § 120 SGB III widerlegt habe. In dem Zeitraum 1. bis 30. September 2009 hätten keinerlei Pflichtpraktika oder Ähnliches angestanden, so dass er im September 2009 dem Arbeitsmarkt noch zur Verfügung gestanden habe. Dies habe er der Beklagten auch mitgeteilt. Da ihm keine Arbeit angeboten worden sei und er die Zeit sinnvoll habe nutzen wollen, habe er in der Zeit vom 14. September 2009 bis 25. September 2009 an einem Mathematikvorbereitungskurs teilgenommen, welcher allerdings nicht zwingend erforderlich gewesen sei. Er hätte diesen Kurs jederzeit unterbrechen und eine ihm angebotene Arbeit annehmen können.
Die Beklagte hat sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid berufen. Sie ist der Auffassung, dass es im vorliegenden Fall auf den Beginn der Vorlesungen nicht ankomme, da die Studenteneigenschaft und das Privileg der Versicherungsfreiheit mit der Immatrikulation beginne. Die Eigenschaft als Student im Sinne von § 120 Abs. 2 SGB III bestehe zudem auch während der üblichen Unterrichts- und vorlesungsfreien Zeiten, so dass die gesetzliche Vermutung auch nicht dadurch widerlegt sei, dass der Kläger bis zum Vorlesungsbeginn noch eine Beschäftigung ausüben könne. Das Interesse des Klägers sei seit der Immatrikulation vorrangig auf das Studium gerichtet, so dass es zudem an der ernsthaften Arbeitsbereitschaft des Klägers mangele. Eine Beschäftigung - auch bis zum Vorlesungsbeginn – sei allenfalls Nebensache.
Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 29. September 2010 ohne mündliche Verhandlung stattgegeben, den angegriffenen Bescheid vom 25. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2009 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger das für September 2009 einbehaltene Arbeitslosengeld auszuzahlen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Bescheid vom 25. August 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2009 sei hinsichtlich der für den Monat September 2009 verfügten Aufhebung rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X sei durch die Immatrikulation des Klägers zum 1. September 2009 nicht eingetreten, da auch im September 2009 die Voraussetzungen für die Bewilligung von Arbeitslosengeld nach § 119 Abs. 1 SGB III vorgelegen hätten. Zur Verfügbarkeit des Klägers als einer Voraussetzung seiner Arbeitslosigkeit heißt es: Bei Schülern oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte werde gemäß § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Die Vermutung sei gemäß § 120 Abs. 2 S. 2 SGB III widerlegt, wenn der Schüler oder Student darlege und nachweise, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulasse.
Nach Auffassung des Sozialgerichts kann die Frage, ob die gesetzliche Vermutung des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III allein durch die Immatrikulation des Klägers ab dem 1. September 2009 eingreife (vgl. hierzu Steinmeyer in: Gagel, SGB III, § 120, Rn. 75 ff. m.w.N.), dahinstehen, da der Kläger diese Vermutung jedenfalls widerlegt habe. Ein Schüler oder Student könne die Vermutung des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III widerlegen und darlegen bzw. nachweisen, dass er eine nicht § 27 Abs. 4 SGB III unterfallende versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne. Die Anknüpfung des Merkmals der objektiven Verfügbarkeit an eine die Versicherungspflicht begründende Beschäftigung bedeute für die Gruppe der arbeitslosen Studenten, dass sie kein Arbeitslosengeld erhalten, wenn auf sie das so genannte Werkstudentenprivileg zutreffe (Brand in: Niesei/Brand, SGB III, § 120, Rn. 10). Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lasse dabei für die Versicherungsfreiheit aufgrund des Werkstudentenprivilegs nicht das formale Kriterium genügen, dass es sich bei den Beschäftigten statusrechtlich um Studenten handele. Die Versicherungsfreiheit verlange vielmehr neben dem förmlichen Status des Studenten, dass das Studium Zeit und Arbeitskraft des Studenten überwiegend in Anspruch nehme und er damit trotz Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung seinem Erscheinungsbild nach Student bleibe. Gesetzliches Leitbild des Werkstudentenprivilegs seien demnach Studierende, die neben ihrem Studium eine entgeltliche Beschäftigung ausüben, um sich durch Arbeit die zur Durchführung des Studiums und zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts erforderlichen Mittel zu verdienen. Die Beschäftigung sei demgemäß nur versicherungsfrei, wenn und solange sie neben dem Studium ausgeübt werde, ihm nach Zweck und Dauer untergeordnet sei, mithin das Studium die Hauptsache und die Beschäftigung die Nebensache sei (BSG, Urteil vom 11. November 2003 - B 12 KR 24/03 R - m.w.N., juris).
Die Widerlegung der Vermutung des § 120 Abs 2 S. 1 SGB III erfordere zunächst in einem ersten Schritt die Darlegung, dass nicht bereits die vorgeschriebenen Anforderungen in den einschlägigen Studien- und Prüfungsbestimmungen der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung entgegenstünden. In einem zweiten Schritt habe der Student des Weiteren darzulegen, wie er sein Studium bei ordnungsgemäßer Erfüllung dieser Anforderungen, also im Rahmen der zulässigen Erstreckung seines Studiums über die Regelanforderungen hinaus, gestaltet hätte, um daneben einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachgehen zu können. Um vorgeschriebene Anforderungen im vorgenannten Sinne handele es sich nur dann, wenn die Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen die Einhaltung einer bestimmten Studiendauer und/oder, für die jeweiligen Semester, die Belegung und den Besuch bestimmter Vorlesungen und Seminare oder einer bestimmten Wochenstundenzahl verbindlich vorschrieben (BSG, Urteil vom 19. März 1998 - B 7 AL 44/97 R, juris).
Im vorliegenden Fall mangele es bereits an dem Vorliegen solcher vorgeschriebenen Anforderungen in den einschlägigen Studien- und Prüfungsbestimmungen, da - wie die Hochschule Fulda mit Schreiben vom 10. März 2010 ausdrücklich bestätigt habe - im Monat September 2009 lediglich Vorbereitungskurse stattfanden, bezüglich derer die Teilnahme nicht verpflichtend gewesen sei. Da mithin im Monat September 2009 keinerlei studienbedingte Verpflichtungen zu erfüllen waren, wäre jedenfalls für diese Zeit eine Beschäftigung nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen dem noch nicht tatsächlich aufgenommenen Studium derart untergeordnet gewesen, dass das Erscheinungsbild des Klägers nicht dem eines (versicherungsfreien) Studenten bzw. Werkstudenten entsprochen habe (Hinweis auf LSG Thüringen, Urteil vom 22. Februar 2007 - L 3 AL 822/03, juris). Weitere Anforderungen an eine besondere Darlegung dahingehend, wie der Kläger sein Studium gestaltet habe, um im September 2009 einer beitragspflichtigen Beschäftigung nachgehen zu können, erübrigten sich angesichts der Tatsache, dass im September keine verpflichtenden Lehrveranstaltungen stattfanden.
Die Beklagte hat am 5. November 2010 gegen das ihr am 6. Oktober 2010 zugestellte Urteil Berufung eingelegt.
Die Beklagte ist der Auffassung, das Sozialgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Vermutung einer versicherungsfreien Beschäftigung nach § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III bereits dadurch widerlegt sei, dass ein Student zwischen der Immatrikulation und dem Beginn der Vorlesungszeit keinerlei studienbedingte Verpflichtungen zu erfüllen habe, weil jedenfalls für diese Zeit eine Beschäftigung nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen dem (noch nicht tatsächlich aufgenommenen) Studium so untergeordnet sei, dass das Erscheinungsbild des Arbeitslosen nicht das eines (versicherungsfreien) Studenten beziehungsweise Werkstudenten gewesen sei.
Nach § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III bestehe eine gesetzliche Vermutung, dass Studenten nur versicherungsfreien Beschäftigungen nachgehen können und daher dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen und damit dann auch keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Das Bundessozialgericht habe - allerdings noch in Bezug auf das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) - in seinem Urteil vom 19. März 1998 (B 7 AL 44/97 R, juris) ausgeführt, dass bei einem Studenten vermutet werde, dass er nur Beschäftigungen ausüben könne, die nach § 169 AFG beitragsfrei seien, es sei denn, er würde gemäß § 103a Absatz 2 AFG darlegen, dass der Ausbildungsgang bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsordnungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung zulasse.
Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Fulda widerspreche dieser Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, weil das Sozialgericht Fulda rechtsfehlerhaft davon ausgehe, dass die Vermutung einer versicherungsfreien Beschäftigung nach § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III bereits dadurch widerlegt sei, wenn ein Student zwischen der Immatrikulation und dem Beginn der Vorlesungszeit keinerlei studienbedingte Verpflichtungen zu erfüllen habe, weil jedenfalls für diese Zeit eine Beschäftigung nach den gesamten tatsächlichen Verhältnissen dem (noch nicht tatsächlich aufgenommenen) Studium so untergeordnet gewesen sei, dass das Erscheinungsbild das eines Arbeitslosen nicht das eines (versicherungsfreien) Studenten beziehungsweise Werkstudenten gewesen sei.
Das erstinstanzliche Gericht verkenne, dass hinsichtlich der Vermutung der versicherungsfreien Beschäftigung nach § 120 Absatz 2 Satz 1 SGB III darauf abgestellt werden müsse, ob der gesamte Studiengang die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zulasse, die Beschäftigung also während des gesamten Studiums Hauptsache bleibe und das Studium nur "Nebensache" sei.
Da beim Kläger aber das Studium an der Fachhochschule Fulda Haupt- und nicht nur Nebensache gewesen sei, sei entgegen dem angefochtenen erstinstanzlichen Urteil die gesetzliche Vermutung nach § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III auch für den Monat September 2009 nicht widerlegt. Dem Kläger sei die Rechtslage auch vor der Immatrikulation bekannt gewesen, da er in dem ihm ausgehändigten Merkblatt 1 für Arbeitslose (Seite 20) wie folgt informiert worden sei: "Sind Sie Schüler oder Student einer Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte, können Sie grundsätzlich kein Arbeitslosengeld erhalten. Eine Ausnahme gilt, wenn Sie nachweisen, dass die objektiven Anforderungen des Ausbildungsganges eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung neben der Ausbildung zulassen."
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil in vollem Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das sozialgerichtliche Urteil für richtig und wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag. Unbestritten stelle § 120 Abs. 2 SGB III zunächst die Vermutung auf, dass Schüler oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können. Die Vermutung könne aber widerlegt werden und sei von dem Kläger widerlegt worden. Als Anknüpfungspunkt für die Verfügbarkeit sei seitens der Berufungsklägerin die "Verwaltungsdauer" der Hochschule Fulda herangezogen worden. Das Wintersemester habe am 1. September 2009 begonnen. Im Zeitraum 1. bis 30. September 2009 habe der Kläger dem Arbeitsmarkt noch zur Verfügung gestanden. Es hätten keinerlei Pflichtpraktika oder ähnliches angestanden, die Lehrveranstaltungen hätten erst am 5. Oktober 2009 begonnen. Offizieller Beginn des Wintersemesters sei der 1. Oktober 2009 gewesen.
Ein Widerspruch des angegriffenen Urteils zur Rechtsprechung des Bundessozialgerichts lasse sich nicht erkennen. Die zitierte Entscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 1998 beziehe sich auf die Durchführung des Studiums selbst und nicht auf den rein willkürlich festgelegten Verwaltungsbeginn. Seitens des Bundessozialgerichts werde in der zitierten Entscheidung ausgeführt, der Berufungsbeklagte hätte die beabsichtigte Studiengestaltung im Einzelnen aufzeigen müssen, die rein theoretische Möglichkeit, neben dem Studium eine beitragspflichtige Beschäftigung auszuüben, genüge nicht. Da im vorliegenden Fall die Vorlesungen erst am 5. Oktober 2009 begannen, sei das Studium selbst von einer beitragspflichtigen Beschäftigung im September überhaupt nicht betroffen gewesen. Die Festlegung auf die Verwaltungsdauer sei rein willkürlich. Hätte der Kläger bspw. sein Studium an der Uni Marburg begonnen, so hätten die Vorlesungen ebenfalls erst im Oktober begonnen. Da das Wintersemester in Marburg aber erst am 1. Oktober 2009 begonnen habe, hätte er im September wie andere Studienanfänger auch, noch Arbeitslosengeld erhalten. Für die Orientierung am tatsächlichen Ausbildungsbeginn spreche auch die im Bundesausbildungsförderungsgesetz getroffene Regelung. Gemäß § 15 Abs. 1 BAföG werde Ausbildungsförderung vom Beginn des Monats an geleistet, in dem die Ausbildung aufgenommen wird, frühestens jedoch vom Beginn des Antragsmonats an. Der Kläger erhalte erst seit 1. Oktober 2009 Leistungen nach dem BAföG, da er erst im Monat Oktober die Ausbildung aufgenommen habe. Der Rat der Beklagten an den Kläger, er solle für den September einen Antrag nach dem SGB II stellen, widerspreche der eigenen Argumentation der Beklagten. Denn Studenten, wie auch Schülern, und allen anderen, deren Ausbildung nach den Vorschriften des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, stehe kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe zu (§ 7 Abs. 5 S. 2 SGB II und § 22 SGB XII). Wenn der Kläger das Studium tatsächlich schon im September begonnen hätte, so hätte er auch keinen Anspruch auf SGB II-Leistungen gehabt.
Die Beteiligten haben mit bei Gericht am 31. Mai 2013 und am 6. Juni 2013 eingegangenen Schriftsätzen ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis erklärt.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG erreicht, denn in Streit ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für den Monat September 2009. Bei einem täglichen Leistungssatz der Arbeitslosengeldbewilligung von 33,23 EUR betrug der monatliche Leistungssatz 996,90 EUR.
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das mit der Berufung angegriffene Urteil ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld für den Monat September 2009 zu.
Zwischen den Beteiligten in Streit ist allein die Verfügbarkeit des Klägers im Monat September 2009. Diese ist zu bejahen. Nach § 120 Abs. 2 SGB III in der seit 1. Januar 2004 bis 31. März 2012 geltenden Fassung (nunmehr § 139 Abs. 2 SGB III in geschlechtergerechter Sprache) wird bei Schülern oder Studenten einer Schule, Hochschule oder sonstigen Ausbildungsstätte vermutet, dass sie nur versicherungsfreie Beschäftigungen ausüben können (Satz 1). Die Vermutung ist widerlegt, wenn der Schüler oder Student darlegt und nachweist, dass der Ausbildungsgang die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung bei ordnungsgemäßer Erfüllung der in den Ausbildungs- und Prüfungsbestimmungen vorgeschriebenen Anforderungen zulässt (Satz 2).
Für die Anwendung des § 120 Abs. 2 Satz 1 SGB III ist zunächst zu klären, ab welchem Zeitpunkt die Vermutung überhaupt greift. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19. März 1998 – B 7 AL 44/97 R, juris) ist im Rahmen einer bei der Regelung von Massenerscheinungen im Interesse einer effizienten Verwaltung zulässigen Typisierung und Pauschalierung davon auszugehen, dass durch die Immatrikulation zwischen dem Studenten und der Hochschule ein Rechtsverhältnis entsteht, das die Vermutung begründet, der Student könne während seines Studiums keiner beitragspflichtigen Beschäftigung mehr nachgehen (vgl. Urteil vom 24. Juli 1997 11 Rar 99/96 -, juris). Hier hat sich der Kläger am 17. August 2009 an der Hochschule Fulda eingeschrieben. Die Einschreibung an einer Hochschule ist ein Verwaltungsvorgang, durch den die Person als Student an der Hochschule aufgenommen und damit Mitglied dieser Hochschule wird. Eine Einschränkung der Verfügbarkeit tritt durch diesen Verwaltungsvorgang selbst nicht ein. Durch die Einschreibung wurde vielmehr die Vermutung begründet, der Kläger könne während seines Studiums keiner beitragspflichtigen Beschäftigung mehr nachgehen. "Während seines Studiums" kann sich nicht auf den zufälligen Termin des Einschreibens als Verwaltungsvorgang beziehen, sondern frühestens auf den Beginn des Semesters, zu dem der Status des Studierenden beginnt. Entsprechend hat die Beklagte auch erst ab Beginn des Semesters am 1. September 2009, nicht schon ab dem Datum der Immatrikulation die Bewilligung von Arbeitslosengeld aufgehoben. Ob die Vermutungswirkung des § 120 SGB III u.U. noch später greift, nämlich erst ab dem Beginn der Lehrveranstaltungen, kann dahin stehen. Dagegen spricht schon, dass eine Vermutungsregelung einfach handhabbar sein muss. Der Semesterbeginn lässt sich über die Vorlage der Immatrikulationsbescheinigung oder des Studierendenausweises leicht für eine ganze Hochschule feststellen. Der Beginn der verpflichtenden Lehrveranstaltungen in jedem Fach ist dagegen schwer zu ermitteln.
§ 120 Abs. 2 S. 2 SGB III fordert für die Widerlegung dieser Vermutung – in einem ersten Schritt – Darlegungen des Studierenden, dass nicht bereits die abstrakten Regelungen in den einschlägigen Studien- und Prüfungsordnungen der Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung entgegenstehen. Darüber hinaus muss der Studierende - in einem zweiten Schritt - darlegen und nachweisen, wie er sein Studium gestaltet hätte, um daneben einer Beschäftigung nachgehen zu können, die nicht unter das Werkstudentenprivileg des § 27 Abs. 4 SGB III fällt (Urteil des Senats vom 24. Oktober 2011 – L 6 AL 135/08; vgl. auch Sächsisches LSG, Urteil vom 2. Juni 2004 – L 2 AL 192/03 – juris m.w.N.). In diesem Rahmen ist anerkannt, dass z.B. die Flexibilität der vorlesungsfreien Zeit ebenso zu berücksichtigen ist, wie eine studiengangsbedingte Rücksichtnahme auf Berufstätigkeit. Es handelt sich mithin immer um eine konkrete, einzelfallbezogene Betrachtungsweise.
Diese einzelfallbezogene Betrachtungsweise ergibt vorliegend, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum September 2009 dem Arbeitsmarkt objektiv und subjektiv zur Verfügung stand, weil verpflichtende Lehrveranstaltungen überhaupt erst im Oktober begannen und von den einschlägigen Studien- und Prüfungsordnungen von ihm keinerlei Anwesenheit oder Tätigkeit vor Beginn dieser Veranstaltungen verlangt wurde. Allerdings legt diese tatsächliche Betrachtungsweise auch nahe, dass der Kläger zwischen Semesterbeginn am 1. September 2009 und dem tatsächlichen Vorlesungsbeginn am 5. Oktober 2009 sogar noch bis 4. Oktober 2009 dem Arbeitsmarkt objektiv und subjektiv zur Verfügung stand. So hat der 7. Senat des Hessischen Landessozialgerichts in seinem Urteil vom 21. September 2012 (L 7 AL 3/12, juris), in einem vergleichbaren Fall – formaler Beginn des Wintersemesters 2009/10 am 1. September 2009, Vorlesungsbeginn am 5. Oktober 2009 – die Verfügbarkeit der dortigen Klägerin im Zeitraum 1. September bis 4. Oktober 2009 bejaht und die Vermutung des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III als widerlegt angesehen. Da vorliegend der Kläger mit seiner Klage jedoch lediglich eine Leistungsgewährung für September 2009 angestrebt hat und nicht in Berufung gegangen ist, stellt sich vorliegend die Frage, ob die Beklagte nicht auch für die ersten vier Oktobertage leistungspflichtig ist, nicht. Wegen der Beschränkung des Streitgegenstands auf den September 2009 stellt sich daher auch nicht die weitere Frage, ob nicht in Anbetracht der §§ 15, 15b BAföG, wonach die Leistungen stets monatsweise gewährt werden, ein Rechtssatz aufzustellen ist, wonach jedenfalls für Zeiträume, für die dem Studierenden Leistungen nach dem BAföG gewährt werden – das war hier ab 1. Oktober 2009 der Fall - , eine Widerlegung der Vermutung des § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III ausscheidet.
Vorliegend hat der Senat keinen Zweifel, dass der Kläger im gesamten Monat September 2009 eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben konnte und durfte und auch die übrigen Voraussetzungen des § 119 Abs. 5 SGB III gegeben sind. Der Kläger war im hier streitgegenständlichen Zeitraum genauso wenig durch die am 5. Oktober 2009 beginnenden Lehrveranstaltungen oder andere verpflichtende Studienanforderungen gebunden wie im Zeitraum ab 1. Juli 2009 bis 31. August 2009.
Dass die Vermittlungsbemühungen der Beklagten für einen solch kurzen Zeitraum wenig Erfolg versprechend sein werden, überhaupt nur kurz befristete Arbeitsverhältnisse in Betracht kommen und manche Maßnahmen der Arbeitsförderung von vornherein ausscheiden, ändert an dem Vorliegen der Verfügbarkeit des Klägers nichts. So steht es dem Arbeitslosen frei, sich nach kurzem Leistungsbezug abzumelden und später – in den Grenzen des § 147 Abs. 2 a.F. (jetzt § 161 Abs. 2 SGB III) wieder arbeitslos zu melden und den Restanspruch in Anspruch zunehmen, selbst dann, wenn ein in Kürze beginnendes Anschlussarbeitsverhältnis schon vereinbart ist (vgl. zu letzterem BSG, Urteil vom 5. Februar 1998 - B 11 AL 55/97 R). Diese Disponibilität des Anspruchs entspricht dem geltendem Recht und hat zur Folge, dass die Beklagte auch für kürzere Anspruchszeiträume leisten muss, für die eine Arbeitsvermittlung realistischerweise keinen Erfolg verspricht. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld dient hier dazu, Versorgungslücken zu vermeiden. Die Arbeitsvermittlung durch die Beklagte tritt in den Hintergrund, auch wenn die Verfügbarkeit des Arbeitslosen Anspruchsvoraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld ist (vgl. Hessisches LSG, Urteil vom 21. September 2012 - L 7 AL 3/12 -, juris).
Zuzustimmen ist der genannten Entscheidung des 7. Senats des Hessischen Landessozialgerichts auch darin, dass die Formulierung in § 120 Abs. 2 S. 2 SGB III, wonach sich die Widerlegung der Vermutung auf den Ausbildungsgang beziehen müsse, nicht bedeutet, dass nachgewiesen werden müsste, dass die Ausübung einer versicherungspflichtigen, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassenden Beschäftigung während der gesamten erwarteten Studienzeit von drei Jahren möglich sein müsse. Bei sinnvoller Auslegung der Regelung kann sich die Anforderung zur Darlegung einer Widerlegung der gesetzlichen Vermutung immer nur auf den Zeitraum beziehen, für welchen Arbeitslosengeld begehrt wird. Das ist hier der Zeitraum Juli bis September 2009 (streitig nur der letzte Monat) vor dem Beginn der Lehrveranstaltungen.
Da auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass andere Umstände eingetreten sind, die dem Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld im Monat September 2009 entgegenstehen könnten, lag eine die Beklagte zur Aufhebung der Bewilligungsentscheidung nach § 48 SGB X berechtigende Änderung der Verhältnisse nicht vor. Die angegriffenen Bescheide wurden daher zu Recht vom Sozialgericht in dem angegriffenen Urteil abgeändert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, denn Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer bisher nicht geklärten Rechtsfrage abhängt, deren Klärung über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegt, um die Einheit und Entwicklung des Rechts zu fördern (st. Rspr. seit BSG, Urteil vom 20. Dezember 1955 – 10 RV 225/54 – BSGE 2, 129 [132f.]; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 144 Rdnr. 28). Der Senat hält daran fest, dass die zu § 120 Abs. 2 SGB III a.F. (jetzt § 139 SGB III) zu beachtenden Auslegungsfragen höchstrichterlich geklärt sind (so schon Beschluss des Senats vom 5. Dezember 2011 L 6 AL 187/10). Vorliegend geht es um die Beurteilung der tatsächlichen Verfügbarkeit einer zum Studium eingeschriebenen, nicht durch Praktika oder Ähnliches gebundenen Person im Monat vor Vorlesungsbeginn. Eine grundsätzliche Rechtsfrage ist durch die Betrachtung dieses Einzelfalls nicht aufgeworfen. Auch weicht das vorliegende Urteil nicht von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ab (§ 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
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