L 8 KR 153/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 2 KR 208/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 153/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17. März 2010 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird mit 1.818,96 EUR festgestellt.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der Vergütung von erbrachten Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Bezug auf die Zahlung von Hausbesuchspauschalen.

Die Klägerin betreibt einen ambulanten Pflegedienst und erbringt unter anderem für Versicherte der Beklagten Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V). Im streitgegenständlichen Zeitraum galt zwischen den Beteiligten der Rahmenvertrag über die Häusliche Krankenpflege nach § 132a Abs. 2 SGB V in Hessen vom 01.05.2006, der zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen in Hessen einerseits sowie verschiedenen Verbänden der Erbringer von Pflegedienstleistungen abgeschlossen worden war (im Folgenden: RV). In § 5 Abs. 1 RV ist geregelt, dass Art, Umfang und Dauer der vom Pflegedienst nach diesem Vertrag zu erbringenden und abrechenbaren Leistungen sich grundsätzlich aus der von der Krankenkasse genehmigten Verordnung des/der behandelnden Vertragsarztes/-ärztin ergeben. Zur Vergütung heißt es in § 42 Abs. 1 RV: Die Vergütung der Leistungen richtet sich nach der Leistungsbeschreibung und Vergütungsvereinbarung (Anlagen). Maßgebend für die Abrechnung ist der örtliche Sitz des Pflegedienstes. Die vereinbarten Vergütungssätze sind abschließend. Darüber hinaus eventuell anfallende Kosten und Abgaben werden von den Krankenkassen nicht erstattet. Die ab 01.01.2007 gültig gewesene Anlage 3b zu § 23 Abs. 3 und § 42 Abs. 1 RV führt unter der Nr. 33 die Leistung "Hausbesuchspauschale für Tagbesuche" von 06:00 bis 20:00 Uhr auf. In der Rubrik Beschreibung heißt es hierzu: Die Hausbesuchspauschale für Tagbesuche ist maximal dreimal täglich nur in Zusammenhang mit erbrachten und abrechnungsfähigen Dienstleistungen abrechnungsfähig. Diese Einschränkung gilt nicht bei der Position 2 bis 4 dieses Verzeichnisses (Leistungen der Grundpflege). In der Rubrik Bemerkungen zu der Leistungsnummer 33 wird Folgendes ausgeführt: "In medizinisch begründeten Einzelfällen (z. B. Augentropfengabe, Injektionen etc.) ist eine häufigere Abrechnungsfähigkeit vereinbarungsfähig". Als Vergütung für die Hausbesuchspauschale nach Nr. 33 wird ein Betrag von 4,76 EUR ausgeführt.

Die 1918 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Frau QQ. (im Folgenden: Versicherte) hatten die Ärzte der Gemeinschaftspraxis Dr. W. WW./M. EE. von Ende 2006 bis Mitte September 2007 mit einer intensivierten Insulintherapie in Form der Verabreichung von fünf Injektionen täglich hinsichtlich der Zuckererkrankung behandelt und hierzu in dem ärztlichen Attest vom 27.02.2007 ausgeführt, eine Reduktion auf drei Injektionen täglich würde zu einer Verschlechterung des Krankheitsbildes führen. Ab Mitte September 2007 erfolgte sodann nach einer Stabilisierung der Diabetes mellitus-Erkrankung die Umstellung der Insulintherapie auf nur noch drei Injektionen täglich. Mit ärztlicher Folgeverordnung vom 21.12.2006 verordneten die Hausärzte der Versicherten dieser häusliche Krankenpflege für den Zeitraum 01.01.2007 bis 31.03.2007 unter anderem zur Behandlungspflege in Form von fünfmal täglicher Injektion von Insulin sowie für das Anlegen von Kompressionsverbänden und einen drei- bis fünfmaligen Katheterwechsel pro Quartal. Die Versicherte beantragte auf dem hierfür vorgesehen Formblatt die Genehmigung der ärztlich verordneten häuslichen Krankenpflege. Die Klägerin hatte hierzu unter der Rubrik Angaben des Pflegedienstes angegeben, durch die medizinische Notwendigkeit der fünf Insulininjektionen werde die Genehmigung von fünf Hausbesuchen täglich beantragt (Unterschrift der Klägerin vom 27.12.2006). Die Beklagte hatte hierauf mit an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 19.01.2007 unter anderem die Erbringung von fünf Insulininjektionen täglich und deren Abrechnungsfähigkeit im Rahmen der Leistungen der häuslichen Krankenpflege für die Versicherte genehmigt. Sie hatte jedoch mit weiterem an die Klägerin gerichtetem Schreiben vom 24.01.2007 die Vergütung von täglich fünf Hausbesuchen dahingehend beschränkt, dass nur dreimal täglich die Hausbesuchspauschale abgerechnet werden könne. Auch hinsichtlich der nachfolgenden Abrechnungszeiträume (ärztliche Verordnung vom 27.03.2007) hatte die Beklagte nur die Abrechnung dreier Hausbesuchspauschalen täglich akzeptiert und die Vergütung für zwei weitere Hausbesuche täglich abgelehnt.

Die Klägerin hatte dagegen eingewandt, dass der RV in medizinisch begründeten Einzelfällen eine mehr als dreimalige Abrechenbarkeit der Hausbesuchspauschale vorsehe und auf die ärztliche Bescheinigung der Hausärzte der Versicherten vom 27.02.2007 verwiesen. Die Beklagte hielt an ihrer ablehnenden Position fest.

Die Klägerin erhob sodann am 16.08.2007 Klage zum Sozialgericht Wiesbaden und korrigierte im Laufe des Klageverfahrens ihr Klageziel dahin, die Beklagte zu verurteilen, die im Rahmen der häuslichen Krankenpflege für die Versicherte Frau QQ. angefallenen Hausbesuchspauschalen betreffend den Zeitraum Dezember 2006 bis September 2007 in Höhe von 1.818,96 EUR zu zahlen.

Die Beklagte trat dem entgegen und führte aus, Ziffer 33 und 34 der Anlage 3b zu dem RV sähen eine maximal dreimal täglich abrechenbare Hausbesuchspauschale vor. Dies bedeute, dass ein gegebenenfalls darüber hinausgehender Bedarf mit abgedeckt sei, da den Vergütungssätzen eine Mischkalkulation zugrunde liege. Zwar sei in medizinisch begründeten Einzelfällen eine häufigere Abrechnungsfähigkeit vereinbarungsfähig. Eine derartige Vereinbarung sei vorliegend aber nicht getroffen worden.

Mit Urteil vom 17.03.2010 gab das Sozialgericht der Klage statt und verurteile die Beklagte entsprechend dem Klageantrag auf Zahlung von 1.818,96 EUR für angefallene Hausbesuchspauschalen im Zeitraum Dezember 2006 bis September 2007. Es gab der Beklagten die Kosten des Verfahrens auf. In seinen Entscheidungsgründen führte das Sozialgericht aus: Die hier allein zulässige Leistungsklage sei begründet. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachte Forderung sei der Vergütungsanspruch nach § 42 RV über die häusliche Krankenpflege nach § 132 a Abs. 2 SGB V in Hessen vom 01.05.2006. Unstreitig sei weiter, dass nach Ziffer 33 bzw. 34 der Anlage 3b zu § 23 Abs. 3 und 42 Abs. 1 RV Hausbesuchspauschalen maximal dreimal täglich abrechnungsfähig seien, in medizinisch begründeten Einzelfällen (z. B. Augentropfengabe, Injektionen, etc.) hingegen eine häufigere Abrechnungsfähigkeit vereinbarungsfähig sei. Eine Vereinbarung über eine höhere Abrechnungsfähigkeit der Hausbesuchspauschale als dreimal täglich hätten die Beteiligten nicht abgeschlossen. Dadurch entfalle aber der Anspruch der Klägerin auf Entrichtung der erbrachten Leistungen nicht. Es treffe zwar zu, dass die Festlegung der Vergütung grundsätzlich Verhandlungssache der Beteiligten ist und es nicht Aufgabe der Gerichte sein könne, in streitigen Konstellationen die angemessene Vergütung festzusetzen. Gleichwohl finde eine Rechtskontrolle dahin statt, ob die Krankenkassen die Grenzen des ihnen eingeräumten Verhandlungsspielraums einhielten und den Leistungserbringern keine Konditionen aufzwängen, die mit ihrer Stellung als öffentlich- rechtlich gebundener Träger unvereinbar seien. Daraus könne im Einzelfall ein Kontrahierungszwang der Krankenkasse erwachsen (vgl. Urteil des BSG vom 20.11.2008, B 3 KR 25/07 R - juris). Vorliegend gehe das Gericht davon aus, dass in den Fällen, in denen die Voraussetzungen für die Annahme eines medizinisch indizierten Einzelfalles vorlägen, die Krankenkasse verpflichtet sei, entsprechend abzurechnen. Denn ansonsten würde es in ihrem Belieben stehen, durch Nichtabschluss einer entsprechenden Vereinbarung berechtigte Vergütungsansprüche des Leistungserbringers nicht zu erfüllen. Als Auslegungshilfe sei darüber hinaus das Ergebnisprotokoll des Einigungsausschusses über dessen Sitzungstermine vom 09./27.10 und 13.11.2006 zu § 10 RV nach § 132 a SGB V heranzuziehen. Offensichtlich vor dem Hintergrund von Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Pflegedienst und Krankenkassen sei in diesem Ergebnisprotokoll festgehalten worden, dass in dem Fall, dass ein Pflegedienst die Hausbesuchspauschale häufiger als in Position 33 bzw. 34 geregelt, abrechnen möchte, auf der Rückseite des Verordnungsvordruckes dies kurz beantragen müsse und die Kasse dann gemäß § 5 RV den Antrag zu prüfen habe. Zwar sei in diesem Ergebnisprotokoll lediglich das Procedere festgelegt und keine inhaltliche Entscheidung damit verknüpft. Dennoch bleibe festzuhalten, dass die Klägerin sich genau an diese Vorgaben gehalten und bei Vorlage der ärztlichen Verordnung einen entsprechenden Antrag bei der Beklagten gestellt habe. § 5 RV sehe vor, dass sich Art, Umfang und Dauer der vom Pflegedienst nach diesem Vertrag abrechenbaren Leistungen grundsätzlich aus der von der Kasse genehmigten Verordnung des behandelnden Vertragsarztes ergäbe. Vorliegend sei unstreitig, dass die behandelnden Fachärzte für Allgemeinmedizin Dr. WW./EE. eine fünfmal tägliche Insulininjektion bei der Versicherten verordnet hätten. Dies hätten sie auch damit hinreichend begründet, dass die bisher durchgeführte dreimal tägliche Insulininjektion nicht den gewünschten Erfolg erbracht habe, während nunmehr nach langem Krankheitsverlauf bei 5-maliger Insulininjektion eine zufriedenstellende Zuckereinsteilung der Patientin erfolgt sei. Dies werde von der Beklagten auch in keiner Weise angegriffen. Denn diese habe bei der Abrechnung der Klägerin die Gabe der fünf täglichen Insulininjektionen auch anerkannt und bezahlt. Wenn aber die medizinische Notwendigkeit für fünf Insulininjektionen täglich anerkannt werde, erschließe sich für das Gericht in keiner Weise, mit welcher Begründung die damit verbundene Abrechnung der Hausbesuchspauschalen nicht möglich sein sollte. Die Beklagte könne insoweit nicht vorbringen, dass kein Einzelfall im Sinne von Ziffern 33/34 der Anlage 3a zum Rahmenvertrag vorliege, da die Behandlung nicht einmalig, sondern auf einen längeren Zeitraum angelegt gewesen sei. Diese Interpretation der Formulierung "in medizinisch begründeten Einzelfällen" erschließe sich der Kammer in keiner Weise. Im Falle der Vorgabe einer Abrechnungsfähigkeit nur für einmalige Ausnahmen von den üblichen dreimal täglichen Hausbesuchspauschalen, hätte die Formulierung nicht "Einzelfälle", sondern "einmalige" Fälle lauten müssen. Dem stehe die von der Beklagten zitierte Entscheidung des LSG Darmstadt (L 1 KR 380/03), wonach vertragliche Vereinbarungen eng auszulegen seien, nicht entgegen. Denn diese beziehe sich lediglich auf Formulierungen, die einen Beurteilungsspielraum eröffneten. Vorliegend sei hingegen die Interpretation der Beklagten, was unter "in medizinisch begründeten Einzelfällen" zu verstehen ist, völlig abwegig. Dies ergäbe sich bereits daraus, dass als Beispielsfall die Injektionsgabe genannt ist. Im Übrigen habe die Beklagte nicht in Abrede gestellt, dass bei der Versicherten fünfmal täglich Injektionen mit Insulin subkutan zu erfolgen hatten. Die Interpretation, dass unter Einzelfällen Ausnahmefälle zu verstehen seien, könne vor diesem Hintergrund nicht überzeugen. Ebenso wenig sei das Argument überzeugend, dass Insulininjektionen der Hauptanwendungsfall der Abrechnung von Hausbesuchspauschalen seien. Denn gerade Injektionen würden als Beispielsfall in der Bemerkungszeile für medizinisch begründete Einzelfälle genannt. Vor diesem Hintergrund stehe für das Gericht fest, dass die Klägerin sich an das durch den Einigungsausschuss festgelegte Procedere bei der Abrechnung erhöhter Hausbesuchspauschalen gehalten, die Beklagte die medizinische Notwendigkeit für fünf Insulininjektionen anerkannt und insoweit auch für die damit verbundene Erforderlichkeit von fünf Hausbesuchspauschalen täglich aufzukommen habe. Hinsichtlich der Höhe der Forderung errechne sich der Betrag von 1.118,96 Euro aus der Differenz zwischen den von der Beklagten ausweislich der von der Klägerin vorgelegten Rechnungen angewiesenen Beträgen im Zeitraum 12/06 bis 09/07 und der von der Klägerin geltend gemachten Forderung. Soweit klägerseitig zunächst nur ein Betrag von 1.573,82 Euro geltend gemacht worden sei, habe die Nachberechnung ergeben, dass bei der Aufstellung der offenstehende Betrag aus der Dezember 2006 in Höhe von 245,14 Euro versehentlich nicht eingerechnet worden sei. Darüber hinaus erübrigten sich weitere Ausführungen, da die Beklagte die Höhe der Forderung nicht bestritten habe. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 197a Sozialgerichtsordnung (SGG) i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gegen das ihr am 12.05.2010 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 01.06.2010 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, die Beschränkung auf die Vergütung von maximal drei täglichen Hausbesuchen sei in dem RV von den Vertragspartnern einvernehmlich vereinbart worden. Zu einer weitergehenden Vergütungsvereinbarung zwischen den Parteien sei es nicht gekommen. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichtes lasse die vertragliche Regelung auch keine anderweitige Auslegung mit einem zu Lasten der Krankenkasse gehenden Ergebnis zu. Die vom Sozialgericht getroffene Entscheidung berücksichtige nicht, dass, wie dies das Hessische Landessozialgericht in seinem Urteil vom 03.03.2005 (L 1 KR 380/03) zutreffend dargelegt habe, Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut, ergänzend auch noch nach systematischem Zusammenhang auszulegen seien. Es gelte, dass die Pflegedienste wegen des Grundsatzes der wirtschaftlichen Leistungserbringung dazu angehalten seien, Leistungen, die während eines Hausbesuches erbracht werden können, auch während dieses Besuches durchzuführen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 17.03.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Das Berufungsgericht hat durch den Berichterstatter am 10.01.2013 einen Erörterungstermin durchgeführt. In diesem Erörterungstermin haben sich die Beteiligten übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter des Senats anstelle des Senats gemäß § 155 Abs. 3 und 4 SGG und mit einer Umwandlung des Erörterungstermins in einen Termin zur mündlichen Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreites unter Verzicht auf die Einhaltung der Ladungsfrist gemäß § 110 Abs. 1 SGG einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit konnte gemäß § 155 Abs. 3, Abs. 4 SGG durch den Berichterstatter in dem in einen Termin zur mündlichen Verhandlung umgewandelten, ursprünglich als Erörterungstermin anberaumten Gerichtstermin entschieden werden. Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu dieser Vorgehensweise erteilt.

Die entsprechend den Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 und 2 SGG eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig. Die Berufung konnte aber keinen Erfolg haben, weil die Beklagte materiell-rechtlich zur Vergütung der von der Klägerin unstreitig erbrachten zusätzlichen zwei Hausbesuchen täglich im streitgegenständlichen Zeitraum verpflichtet ist. Dies hat das erstinstanzliche Gericht in seinem Urteil vom 17.03.2010 rechtsfehlerfrei entschieden. Der Anspruch auf die streitige Vergütung besteht dem Grunde und der Höhe nach vollumfänglich. Die bei der Beklagten versicherte Frau QQ. hatte unstreitig Anspruch auf die Krankenpflegeleistungen nach § 37 SGB V. Danach erhalten Versicherte neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte unter anderem dann, wenn die häusliche Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (§ 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Im Hinblick auf die Schwere der Diabetes mellitus-Erkrankung der Versicherten bestehen keine Zweifel an der Notwendigkeit der von der Klägerin im streitigen Zeitraum erbrachten fünf Insulin-Injektionen täglich. Dies hat die Beklagte auch zugestanden, indem sie die reine Insulin-Injektion in vollem Maße vergütet hat. Der geltend gemachte Vergütungsanspruch besteht jedoch auch für fünf Hausbesuchspauschalen täglich im streitgegenständlichen Zeitraum.

Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch ist – wie das Sozialgericht zutreffend dargetan hat – § 42 Abs. 1 RV i.V.m. der in Anlage 3b getroffenen Leistungsbeschreibung und Vergütungsvereinbarung. Nach § 132a Abs. 2 Satz 1 SGB V schließen die Krankenkassen über die Einzelheiten der Versorgung mit ihren Versicherten mit häuslicher Krankenpflege, über die Preise und deren Abrechnung und die Verpflichtung der Leistungserbringer zur Fortbildung Verträge mit den Leistungserbringern. Um einen solchen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt es sich bei dem RV, der auch für die Klägerin maßgeblich ist. Nach der Leistungsziffer 33 der Anlage 3b zum RV ist zwar die Hausbesuchspauschale für Tagbesuche von 06:00 Uhr bis 20:00 Uhr maximal dreimal täglich nur im Zusammenhang mit erbrachten und abrechnungsfähigen Dienstleistungen abrechnungsfähig. Die anschließende Beschränkung dieser Regelung auf Leistungen der Grundpflege greift hier nicht, da es sich bei den erbrachten Injektionen von Insulin nicht um Leistungen der Grundpflege handelte. Wie das Sozialgericht zutreffend dargetan hat, erfährt aber die in der Ziffer 33 enthaltene Abrechnungsbeschränkung eine Öffnung dadurch, dass unter der Rubrik Einzelfallvereinbarung Folgendes niedergelegt ist: In medizinisch begründeten Einzelfällen (z. B. Augentropfengabe, Injektionen etc.) ist eine häufigere Abrechnungsfähigkeit vereinbarungsfähig.

Das Sozialgericht hat diese Bestimmung zu Recht dahingehend konkretisiert, dass sie nicht bedeute, dass die an den RV gebundenen Krankenkassen völlig freie Hand hätten, in Fällen, in denen zur Umsetzung der ärztlich verordneten Behandlungsmaßnahme wie hier – ein mehr als dreimaliges Aufsuchen des Versicherten durch den Pflegedienst erforderlich ist, nach freiem Belieben bestimmen zu können, ob sie dem Pflegedienst durch Einzelvereinbarung eine Vergütung gewähren, die über die Anzahl von drei Hausbesuchen täglich hinausgeht. Einer solchen Auslegung der Nr. 33 der Anlage 3b zum RV steht auch die im Rahmen der Auslegung des RV und seiner Anlagen heranzuziehende schriftlich fixierte Position des Einigungsausschusses zum Rahmenvertrag nach § 132a SGB V entgegen. Laut dem Ergebnisprotokoll des Einigungsausschusses über seine Sitzungstermine vom 9./27.10. und 13.11.2006 haben die Krankenkassen, wenn ein Pflegedienst die Hausbesuchspauschale häufiger als in Pos. 33 geregelt, abrechnen will und hierzu das vom Einigungsausschuss beschriebene Procedere beachtet, gemäß § 5 RV zu prüfen, ob die beantragten zusätzlichen Hausbesuchspauschalen zu vergüten sind. In § 5 Abs. 1 RV ist wiederum geregelt, dass Art, Umfang und Dauer der vom Pflegedienst nach diesem Vertrag zu erbringenden und abrechenbaren Leistungen sich grundsätzlich aus der von der Krankenkasse genehmigten Verordnung des behandelnden Vertragsarztes ergeben. Im hier zu entscheidenden Streitfall war es so, dass die Beklagte die Notwendigkeit der Gabe von fünf Insulininjektionen täglich als medizinisch angebracht eingestuft und auch für die Leistung Insulininjektion die nach der Anlage zum RV vorgesehene Vergütung geleistet hat.

Bei der Auslegung der hier maßgeblichen Vergütungsregelung ist weiter zu berücksichtigen, dass sowohl die Beklagte als auch die Klägerin sich jeweils in einer gewissen Sondersituation befunden hatten. Für die Beklagte galt, dass sie Leistungen der ambulanten häuslichen Krankenpflege in Form der fünfmal täglichen Insulininjektionen dem Grunde nach genehmigt und auch vergütet hatte, weil dies auf Seiten der Beklagten zu ihren gesetzlichen Obliegenheiten gegenüber ihren Versicherten gehörte (§§ 2, 37 SGB V). Andererseits ist auf Seiten der Klägerin zu berücksichtigen, dass eine grundsätzliche Ablehnung der Behandlung der Versicherten der Beklagten für sie – die Klägerin – einerseits wirtschaftlich riskant war, da es sich bei der Beklagten um eine Krankenkasse mit nicht unerheblicher Versichertenzahl und damit zahlreichen Fällen ambulanter häuslicher Krankenpflege handelte, womit es nahe lag, auch im Hinblick auf zukünftige häusliche Pflegeeinsätze sich nicht in einen absoluten Dissens mit der Beklagten zu begeben. Hinzu kommt auch, dass die Klägerin deshalb einem besonderen Druck ausgesetzt war, weil eine längerfristige Nichtbehandlung von Versicherten der Beklagten zur Rufschädigung und zum dauerhaften Wegbrechen eines wesentlichen Geschäftssegments hätte führen können. Weiter ist zu berücksichtigen, dass der Beklagten kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht nach § 315 BGB zusteht. Mit der Regelung des § 132a Abs. 2 SGB V ist der Gesetzgeber – der allgemeinen Intension des SGB V zur Kostenreduzierung im Gesundheitswesen entsprechend – davon ausgegangen, dass vertragliche (Verbands- oder Einzel-)Abmachungen im freien Spiel der Kräfte geschlossen werden und durch die Verpflichtung der Beklagten zur Versorgung der Versicherten einerseits und die Konkurrenz der Leistungserbringer andererseits im Ergebnis marktgerechte und möglichst günstige Bedingungen, insbesondere Preise, für die Versicherten erreicht werden. Wenn solche Vereinbarungen, denen auch Einzelvereinbarungen, wie sie in der Ziffer 33 der Anlage 3a zu § 23 Abs. 3 und § 42 Abs. 1 RV vorgesehen sind, nicht zustande kommen, ist der Krankenkasse nicht ersatzweise ein freies Bestimmungsrecht eingeräumt (vgl. zum vorstehenden BSG, Urteil vom 13.05.2004, B 3 KR 2/03 R, zitiert nach juris, Rz. 17 ff.). Die Beklagte nimmt hier aber ein solches einseitiges Preisbestimmungsrecht in Anspruch, indem sie der Klägerin jegliche Vergütung in Form der Hausbesuchspauschale für den vierten und fünften am Tag erfolgten Pflegeeinsatz zur Insulininjektion verweigert. Weiter ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass es sich bei den im Hinblick auf die Hausbesuchspauschalen vergütungsstreitigen Einsätzen nicht um solche handelte, die erkennbar in zeitlicher Hinsicht begrenzt und quasi als Übergangslösung anfielen. In einem solchen Falle wäre die von der Beklagten eingenommene Position, der zusätzliche Pflegeeinsatz könne unter dem Gesichtspunkt, dass Pauschalvereinbarungen immer Mischkalkulationen darstellten, mit der Hausbesuchspauschale als mit abgegolten angesehen werden, nachvollziehbar. Hier war es aber so, dass die medizinisch belegte Notwendigkeit der Verabreichung einer fünfmal täglichen Insulininjektion für einen langen Zeitraum, nämlich für Anfang Januar 2007 bis Mitte September 2007 bestand. Bei dieser Sachlage hätte die Beklagte in jedem Fall in die in der Ziffer 33 der Anlage 3a zum RV vorgesehene Verhandlung über den Abschluss einer Vereinbarung eintreten müssen. Dies ist nicht geschehen. Bei dieser Sachlage hält es das Berufungsgericht, ebenso wie das Instanzgericht für angemessen und sachgerecht, der Klägerin die begehrten zusätzlichen Honorarpauschalsätze zuzusprechen.

Für diese Lösung spricht auch, dass das Bundessozialgericht in seinem bereits oben zitierten Urteil vom 13.05.2004 für den Fall des Nichtabschlusses einer Vergütungsvereinbarung und dennoch erfolgter Erbringung häuslicher Krankenpflege durch den Pflegedienst letzterem einen auf Bereicherungsrecht gestützten Leistungsanspruch zuerkannt hat. Dabei wurde der Besonderheit, dass es sich um eine Leistung im Dreiecksverhältnis handelt, Rechnung getragen. Bei der Erbringung von Leistungen zur häuslichen Pflege sind neben dem Pflegedienst und der beklagten Krankenkasse auch noch die bei der beklagten Krankenkasse Versicherten in die Leistungsbeziehung eingebunden, weil sie konkret Adressaten der ambulanten häuslichen Krankenpflege gewesen sind. Insoweit gilt, dass der Pflegedienst mit der ambulanten häuslichen Krankenpflege für Versicherte der Beklagten keine bewusste oder zweckgerichtete Zuwendung an die versicherten Einzelpersonen erbringen will, sondern dass es ihm vielmehr um die Erfüllung des Anspruches der Versicherten auf Krankenpflege gegen die beklagte Krankenkasse geht. Durch das Tätigwerden des Pflegedienstes wird die Beklagte von Verbindlichkeiten befreit, resultierend aus den jeweiligen Sachleistungsansprüchen der Versicherten (§ 2 Abs. 2 SGB V) auf Gewährung von Leistungen der ambulanten häuslichen Krankenpflege (§ 37 SGB V). Diese Sachleistungsansprüche sind durch die Leistungserbringung seitens des Pflegedienstes erfüllt worden und damit erloschen (§ 362 BGB), ohne dass hierfür ein Rechtsgrund – wie ihn ansonsten der RV bildet – zwischen den Beteiligten des nachfolgenden Rechtsstreites vorhanden ist. Deshalb, so folgert das Bundessozialgericht weiter, sei die beklagte Krankenkasse zur Herausgabe des dadurch Erlangten verpflichtet. Da dies wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich sei, müsse die beklagte Krankenkasse dem Pflegedienst den Wert ersetzen (§ 818 Abs. 2 BGB), wobei für die Wertbestimmung der objektive Verkehrswert des Erlangten maßgeblich sei. Bei der Bestimmung der Höhe des Wertersatzes könne auf die Anwendung der Vergütungsvereinbarung des RV zurückgegriffen werden.

Auch diese auf Bereicherungsrecht beruhenden Erwägungen sprechen für die Auslegung der Ziffer 33 Anlage 3a zum RV in der Weise, wie sie das Sozialgericht Wiesbaden in dem angefochtenen Urteil vorgenommen hat. Da die Bestimmung der Anspruchssumme in dem angefochtenen Urteil zwischen den Beteiligten unstreitig ist, war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 3, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wonach die sich aus dem Antrag ergebende Bedeutung der Sache für die Klägerin maßgeblich ist. Betrifft der Antrag – wie hier – eine bezifferte Geldleistung, so ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Bei der Auslegung des Rahmenvertrages handelt es sich um Landesrecht. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Geltung des Vertrages über die Grenzen des LSG-Bezirks hinaus erstreckt (vgl. BSG, Beschluss vom 11.05.2006 – B 3 KR 11/05 R).
Rechtskraft
Aus
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