L 5 R 311/11

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 4 R 70/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 311/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 17. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) darüber, ob der Kläger als landwirtschaftlicher Unternehmer der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte unterliegt. Streitig ist dabei insbesondere, ob das landwirtschaftliche Unternehmen als sog. Hobbybetrieb ohne die Absicht der nachhaltigen Gewinnerzielung betrieben wird.

Der 1961 geborene Kläger ist seit 1986 rentenversicherungspflichtig bei der D. GmbH in A-Stadt beschäftigt und daneben seit 1993 zusammen mit vier weiteren Personen Gesellschafter der in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betriebenen "LPG E.", welche in F-Stadt ein über der regionalen Mindestgröße von 5 ha liegendes landwirtschaftliches Unternehmen bewirtschaftet.

Durch in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 15. August 1995 stellte die Beklagte zunächst die Versicherungspflicht des Klägers als landwirtschaftlicher Unternehmer ab dem 1. Januar 1995 nach § 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) fest und befreite den Kläger im Weiteren auf entsprechenden Antrag nach Maßgabe von § 3 Abs. 1 Nr. 1 des ALG wegen des Erzielens außerlandwirtschaftlicher Einkünfte von der Versicherungspflicht. Die Befreiungsvoraussetzungen sind in der Person des Klägers weiterhin erfüllt.

Nachdem die Beklagte im Jahre 2008 von der Wiederverheiratung des Klägers Kenntnis erlangt und dessen Ehefrau G. A. als Landwirtsgattin zur Versicherungs- und Beitragspflicht in der in der Alterssicherung der Landwirte herangezogen hatte, stellte der Kläger am 28. Juli 2008 den hier maßgeblichen Antrag auf Überprüfung seiner eigenen Versicherungspflicht. Er machte geltend, dass er selbst nur mit 20% an der GbR beteiligt sei und dass sein rechnerischer Anteil an der von der Gesellschaft bewirtschafteten Fläche deutlich unter der Mindestgröße liege. Im Übrigen erwirtschafte die "LPG E." seit Jahren nur Verluste, woraus ersichtlich sei, dass es sich um einen reinen Hobbybetrieb handele.

Die Beklagte holte eine Auskunft des Finanzamts Marburg-Biedenkopf vom 13. Januar 2009 ein, derzufolge das Einkommen des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt worden ist. Mit Überprüfungsbescheid vom 16. Januar 2009 teilte die Beklagte dem Kläger sodann mit, dass für ihn die Versicherungspflicht als Landwirt gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ALG und die damit verbundene Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG weiterhin fortbestünden. Die Voraussetzungen für einen Ausschluss von der Versicherungspflicht wegen fehlender Gewinnerzielungsabsicht im Sinne von § 1 Abs. 7 ALG (Hobbybetrieb) seien nicht erfüllt. Eine Gewinnermittlung nach § 4 EStG schließe nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs das Vorliegen von Liebhaberei aus. Der gegen diesen Bescheid erhobene Widerspruch des Klägers wurde seitens der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger erhob daraufhin am 4. Mai 2009 Klage beim Sozialgericht Marburg und wiederholte seine Rechtsauffassung, dass keine Versicherungspflicht vorliege. Das Finanzamt habe im Hinblick auf die in den vergangenen Jahren erwirtschafteten Verluste bereits mit Schreiben vom 9. September 2009 (Bl. 54 Gerichtsakten) beim Steuerberater der "LPG E." angefragt, ob eine Gewinnerzielungsabsicht vorliege. Die Beklagte machte demgegenüber geltend, dass es bezüglich der Versicherungspflicht des einzelnen Mitunternehmers entscheidend darauf ankomme, ob das ungeteilte Unternehmen die Mindestgröße erreiche. Bei einem Betrieb, dessen Gewinnermittlung mit Hilfe einer Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG vorgenommen werde, handele es sich grundsätzlich nicht um einen Hobbybetrieb.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. Mai 2011 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass der ursprüngliche Bescheid der Beklagten vom 15. August 1995 weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht zu beanstanden sei.

Vorliegend bestehe die landwirtschaftliche Unternehmertätigkeit des Klägers darin, dass er die im Eigentum der Gesellschafter der GbR stehenden oder hinzu gepachteten Grünflächen zur Beweidung durch die gehaltenen Rinder nutze und damit im Wege der natürlichen Erzeugung von Futtermitteln bewirtschafte (vgl. LSG Niedersachsen vom 19. Dezember 1996 - L 4 Kr 32/94, Rdnr. 24; bestätigt durch BSG vom 29. September 1997 - 10 BK 1/97). Zu Recht führe die Beklagte aus, dass die Mindestgröße von 5,00 ha überschritten werde, denn in diesem Fall sei die Gesamtfläche der "LPG E." als Grundlage für den landwirtschaftlichen Betrieb heranzuziehen. Nach den Ermittlungen der Beklagten und den Aussagen des Klägers sei die landwirtschaftlich genutzte Fläche mittlerweile zudem auf über 20,0 ha angewachsen.

Bei verständiger Würdigung aller Gesamtumstände könne es auch nicht als nachgewiesen angesehen werden, dass der Kläger sein Unternehmen der Landwirtschaft lediglich aus Gründen der Liebhaberei bzw. als Hobby ohne die Absicht einer nachhaltigen Gewinnerzielung betreibe. Die bewirtschafteten Flächen dienten als Weideland und zur Heugewinnung. Dabei stünden der auf diese Weise betriebenen Futtermittelgewinnung keine wesentlichen laufenden Kosten gegenüber, sodass der aus den Flächen gezogene Ertrag in Form des Futters für die Rinder dem Kläger unmittelbar zu Gute komme.

Der Kläger habe im Übrigen als Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes im Sinne des Art. 1 Abs. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3508/92, welcher Flächen im Bundesland Hessen bewirtschaftet, für seine landwirtschaftlichen Flächen Fördergelder aus dem Hessischen Kulturlandschaftsprogramm (HEKUL) bezogen. Der Bezug von Fördergeldern, gleichgültig aus welchem Förderprogramm der Europäischen Union oder des Landes Hessen und gleichgültig in welcher Höhe, bedeute zusätzlich zu dem aus der Bodenbewirtschaftung gezogenen Nutzen einen weiteren finanziellen Vorteil. Ein Landwirt der die Zahlung von Fördergeldern aus einem örtlichen Programm beantrage und Fördergelder würden nur auf Antrag bewilligt – könne sich nicht darauf berufen, dass er sein Unternehmen der Landwirtschaft ohne die Absicht der nachhaltigen Gewinnerzielung betreibe.

Der Kläger hat gegen das ihm am 30. Juni 2011 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 7. Juli 2011 Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und macht nochmals geltend, dass es sich bei der "LPG E." um einen reinen Hobbybetrieb handele.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 17. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 zu verpflichten, den Ausgangsbescheid vom 15. August 1995 zurückzunehmen, soweit darin seine Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte festgestellt worden ist.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Die Beklagte legt eine Aufstellung über die von der "LPG E." bewirtschafteten Flächen vor und macht geltend, dass die Entscheidung der Finanzbehörde, in Anbetracht der langjährigen Verluste der "LPG E." eine Gewinnerzielungsabsicht zu verneinen, wegen der unterschiedlichen Verteilung der objektiven Beweislast keine Bindungswirkung für den vorliegenden Fall haben könne.

Der Senat hat mit Einverständnis des Klägers und der Mitgesellschafter zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts die die "LPG E." betreffenden Feststellungsakten des Finanzamts Biedenkopf beigezogen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten und der sonstigen Beiakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig aber unbegründet.

Das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 17. Mai 2011 ist nicht zu beanstanden. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. April 2009 ist zu Recht ergangen. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihren in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 15. August 1995 zurückzunehmen, weil der Kläger – bei Fortbestehen der im selben Bescheid vom 15. August 1995 ausgesprochenen Befreiung von der Beitragszahlungspflicht – in seiner Eigenschaft als Landwirt der Versicherungspflicht in der Alterssicherung der Landwirte unterliegt.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Im vorliegenden Fall sind diese Voraussetzungen deshalb nicht erfüllt, weil der hier nicht streitgegenständliche, in der Sache bindend gewordene ursprüngliche Bescheid vom 15. August 1995 zu Recht ergangen ist.

Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ALG in der ab 1. Januar 1995 gültigen Fassung des Agrarsozialreform-Änderungsgesetzes (ASEG) vom 15. Dezember 1995 (BGBl. I, 1814) unterliegen Landwirte der Versicherungspflicht zur Landwirtschaftlichen Alterskasse. Landwirt ist der Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 ALG zufolge, wer als Unternehmer ein auf Bodenbewirtschaftung beruhendes Unternehmen der Landwirtschaft betreibt, das die Mindestgröße gemäß § 1 Abs. 5 ALG erreicht. Unternehmer ist, wer seine berufliche Tätigkeit selbständig ausübt (§ 1 Abs. 2 Satz 2 ALG). Darüber hinaus gilt gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 ALG als Landwirt auch der Ehegatte eines Landwirts nach § 1 Abs. 2 ALG, wenn beide Ehegatten nicht dauernd getrennt leben und der Ehegatte nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) nicht erwerbsunfähig unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage ist.

Auf der Grundlage dieser Bestimmungen ist die Beklagte zu Recht von der Versicherungspflicht des Klägers für die Zeit ab 1. Januar 1995 ausgegangen. Denn der Kläger betreibt unstreitig ein landwirtschaftliches Unternehmen im Sinne des § 1 Abs. 4 ALG, und dieses Unternehmen erreicht in seiner Gesamtheit auch unstreitig die Mindestgröße nach § 1 Abs. 5 ALG.

Der Auffassung des Klägers, die von der "LPG E." bewirtschaftete Fläche sei ihm nur in Höhe seines Anteils an der Gesellschaft bürgerlichen Rechts zuzurechnen, so dass er mit seinem Anteil unterhalb der Mindestgröße liege, kann nicht gefolgt werden. Sind an einem Unternehmen mehrere Personen beteiligt, so kommt es für die Versicherungspflicht nur darauf an, dass das ungeteilte Unternehmen die Mindestgröße erreicht (vgl. BSG vom 9. Februar 1971 - 11 RLw 6/69). Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 1 Abs. 2 Satz 1 ALG, die auf das "Unternehmen der Landwirtschaft" abstellt und nicht auf den Unternehmer. Der Kläger haftet als Gesellschafter der GbR unbeschränkt für die Verbindlichkeiten des Unternehmens und ist an dem Risiko von Gewinn und Verlust persönlich beteiligt (§§ 705 ff, 722 Bürgerliches Gesetzbuch; vgl. dazu BSG SozR 5850 § 41 Nr. 5; BSG SozR 5850 § 41 Nr. 6 = BSGE 41, 250, 251). Insoweit unterscheidet er sich nicht von einem Landwirt, der als Einzelunternehmer die Landwirtschaft betreibt (vgl. hierzu die Begründung zum Gesetzentwurf, Bundestags-Drucksache 12/5700, S. 69; Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, 11. Ausschuss, vom 19. Mai 1994, Bundestags-Drucksache 12/7599, S 7; siehe auch Schellmann, SdL 1982, 279, 286, und Rombach, Alterssicherung der Landwirte, 1995, S. 33).

Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass gemäß § 1 Abs. 7 ALG nicht zu den nach § 1 Abs. 1 und 2 ALG versicherungspflichtigen Landwirten gehört, wer ein Unternehmen der Landwirtschaft ohne die Absicht der nachhaltigen Gewinnerzielung betreibt. Diese Vorschrift bezweckt, nur (noch) diejenigen Landwirte dem Schutz der landwirtschaftlichen Alterssicherung zu unterstellen, welche die Landwirtschaft aus erwerbswirtschaftlichen Gründen betreiben. In der Begründung zu dieser mit dem ALG neu eingeführten Regelung ist ausgeführt: "Mit dieser Vorschrift sollen sog. Liebhabereibetriebe von der Alterssicherung der Landwirte ausgeschlossen werden; nur solche Personen sollen durch dieses berufsstandspezifische System mit hoher Bundesbeteiligung begünstigt werden, die das landwirtschaftliche Unternehmen zur nachhaltigen Gewinnerzielung betreiben."

Die Absicht der nachhaltigen Gewinnerzielung ist als innere Tatsache freilich nur schwierig festzustellen, und noch schwieriger ist der Nachweis des Fehlens einer solchen inneren Tatsache zu erbringen. Im Falle des Klägers kann dieser Nachweis zur Überzeugung des Senats bei verständiger Würdigung aller Begleitumstände nicht als geführt angesehen werden.

Das Sozialgericht ist insoweit zu Recht davon ausgegangen, dass die Abgrenzung zwischen nachhaltiger Gewinnerzielungsabsicht einerseits und bloßer Liebhaberei andererseits in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anhand objektiver Indizien vorzunehmen ist. Die Beurteilung der zuständigen Finanzverwaltung kann – auch unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung (vgl. LSG Niedersachsen vom 2. Februar 2000 - L 10 LW 21/99) – einen Hinweis darauf geben, ob mit Gewinnerzielungsabsicht gewirtschaftet wird oder nicht. Eine Bindung des Versicherungsträgers an die Entscheidung der Finanzbehörden ist allerdings nicht gegeben.

Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich das erkennende Gericht anschließt, geht bei der hier vorzunehmenden Abgrenzung einer einkommensteuerrechtlich relevanten gewerblichen Tätigkeit zur sog. Liebhaberei von den nachfolgenden Grundsätzen aus:

Wird die Tätigkeit nicht mit Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt, ist das Tätigwerden als Liebhaberei anzusehen mit der Folge, dass die aus ihr entstandenen Verluste einkommensteuerrechtlich nicht zu berücksichtigen sind. Gewinn in diesem Sinne ist die Betriebsvermögensmehrung – also z.B. auch die durch Veräußerung von Anlagevermögen erzielte – in Gestalt eines Totalgewinns. Darunter ist der Gewinn von der Gründung bis zur Veräußerung oder Aufgabe oder Liquidation zu verstehen. Gewinnerzielungsabsicht ist eine innere Tatsache, die nur anhand äußerlicher Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umständen muss auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände eine tatsächliche Vermutung liefern können, die vom Steuerpflichtigen entkräftet werden kann. Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht kann eine Betriebsführung sein, bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten. Dies erfordert eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung, wobei die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhaltspunkte bieten können. Längere Verlustperioden – wie hier im Falle der "LPG E." – allein reichen andererseits aber noch nicht aus, um die Liebhaberei zu begründen. Es müssen Beweisanzeichen hinzukommen, die den Schluss rechtfertigen, dass der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus dem Bereich der Lebensführung zuzuordnenden persönlichen Gründen ausübt. Verluste aus der Anlaufzeit können dann steuerlich nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, dass er, so wie er vom Steuerpflichtigen betrieben worden ist, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne abzuwerfen (BFH vom 11. April 1990 - I R 22/88 = BFH/NV 1990, 768, 769 mit vielen weiteren Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).

Sofern die Finanzbehörden mangels konkreter Anhaltspunkte keinen Anlass für das Vorliegen einer Liebhaberei sehen und insoweit – obwohl der Landwirt als Steuerpflichtiger Verluste aus Land- und Forstwirtschaft mit anderen positiven Einkünften ausgleicht –auch keinerlei Ermittlungen aufnehmen, ist eine Versicherungsfreiheit nach § 1 Abs. 7 ALG in aller Regel zu verneinen. Im umgekehrten Fall kann der Nachweis für das Vorliegen eines sog. Hobbybetriebes allerdings nicht schon bereits deshalb als geführt angesehen werden, weil die Finanzbehörden eine einkommensmindernde Berücksichtigung von Verlusten aus Land- und Forstwirtschaft mit der Begründung ablehnen, dass Gewinnerzielungsabsicht des Steuerpflichtigen zweifelhaft sei, z.B. weil es sich bei dem Betrieb um eine reine Abschreibungsgesellschaft handele. Die Beklagte weist insoweit zu Recht auf die unterschiedliche Verteilung der objektiven Beweislast hin: In Bezug auf die – für ihn vorteilhafte – steuermindernde Abzugsfähigkeit von (Anlauf-) Verlusten aus Land- und Forstwirtschaft trägt der Steuerpflichtige die Beweislast für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht, bezüglich der Versicherungsfreiheit nach § 1 Abs. 7 ALG hingegen ist vom Landwirt zu beweisen, dass eben diese Gewinnerzielungsabsicht fehlt. Sofern der Nachweis für das Vorliegen bzw. für das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht – wie im vorliegenden Fall – nicht geführt werden kann, hat dies im Ergebnis zur Folge, dass der Landwirt sich gegenüber den Finanzbehörden so behandeln lassen muss, als ob ein Fall der Liebhaberei vorliege, und im Verhältnis zur landwirtschaftlichen Alterskasse dennoch den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 7 ALG nicht für sich in Anspruch nehmen kann.

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann es zur Überzeugung des Senats nicht als nachgewiesen angesehen werden, dass es sich bei der "LPG E." um einen reinen Hobbybetrieb im Sinne des § 1 Abs. 7 ALG handelt.

In Anbetracht der mit insgesamt etwa 20 bis 23 ha erheblich über der regionalen Mindestgröße von 5,00 ha liegenden landwirtschaftlichen Nutzfläche der "LPG E." spricht nach den äußeren Umständen zunächst mehr gegen die Annahme einer bloßen Liebhaberei als dafür. Zwar erwirtschaftet die "LPG E." nach den vorliegenden Bilanzen seit mehreren Jahren nur noch Verluste; das negative Betriebsergebnis beruht jedoch zu einem nicht unerheblichen Teil auf Buchverlusten bezüglich des Maschinenparks. Ob demgegenüber bereits mit dem Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte eine Gewinnerzielungsabsicht offenbar wird (so LSG Brandenburg, Urteil vom 13. März 2001 L 2 LW 71/00) mag dahingestellt bleiben. Denn ein gewichtiges Indiz gegen die Annahme eines (bloßen) Liebhabereibetriebes ist die Inanspruchnahme von staatlichen Fördergeldern, die nur Landwirten gewährt werden und der "LPG E." in der Größenordnung von ca. 12.000 bis 14.000 EUR zugeflossen sind (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 5. November 2010 - 5 R 204/10 - sowie Urteile des LSG Niedersachsen vom 2. Februar 2000 - L 10 LW 21/99 - und des LSG Brandenburg vom 13. März 2001 - L 2 LW 71/00; gefestigte Rechtsprechung). Der Kläger kann sich nicht einerseits im Rahmen der Beitragszahlung als "Hobby-Landwirt" gerieren, der die Landwirtschaft aus Freude an der Sache und gegebenenfalls zum Ausgleich für seine Berufsarbeit ausübt, aber andererseits sich – was die "Vorteile" anbelangt – gleich einem mit Gewinnerzielungsabsicht tätigen "Berufs-Landwirt" an der Ausschüttung von öffentlichen Fördergeldern für Landwirte beteiligen. Die seitens des Finanzamts Marburg-Biedenkopf in Bezug auf ein Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht aufgeworfenen Zweifel gebieten demgegenüber im Falle des Klägers schon bereits deshalb keine andere Sicht der Dinge, weil eine abschließende Anerkennung der "LPG E." durch die Finanzbehörde bislang überhaupt noch nicht erfolgt ist. Die Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die steuerliche Beurteilung der Einkünfte (Verluste) des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft bis zur endgültigen Entscheidung zunächst nur unter Vorbehalt erfolgt ist.

Nach allem können die rechtshindernden Tatsachen des in § 1 Abs. 7 ALG genannten Ausnahmetatbestands vorliegend nicht als nachgewiesen angesehen werden. Die prozessualen Folgen, die sich aus dieser Ungewissheit ergeben, hat nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der sog. objektiven Beweislast der für das Vorliegen eines Ausnahmefalls beweispflichtige Kläger zu tragen.

Die Berufung des Klägers konnte damit insgesamt keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Saved