S 18 (24) AS 33/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 18 (24) AS 33/09
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu ¾ und die Beklagte zu ¼.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für ein Vorverfahren.

Die Klägerin ist selbständige Rechtsanwältin. In dieser Eigenschaft war sie im Jahr 2008 als Bevollmächtigte in einem Widerspruchsverfahren für Herrn N H, dessen Ehefrau K H sowie deren Kinder N1 und O H (im Folgenden: Widerspruchsführer zu 1. bis 4.) gegenüber der Beklagten tätig.

Die Widerspruchsführer bezogen im Jahr 2008 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von der Beklagten. Der Widerspruchsführer zu 1. war selbständig tätig. Den Fortzahlungsantrag der Widerspruchsführer für die Zeit ab Juli 2008 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 01.09.2008 wegen bedarfsdeckenden Einkommen aus der selbständigen Tätigkeit ab. Hiergegen erhoben die Widerspruchsführer durch die Klägerin als Bevollmächtigte am 26.09.2008 Widerspruch. Die Vollmacht hierzu war der Klägerin bereits am 24.09.2008 schriftlich erteilt worden. Im Rahmen der Vollmacht waren die Kostenerstattungsansprüche gegen den Gegner in Höhe der Kostenansprüche der Klägerin an diese abgetreten worden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Vollmacht der Klägerin (Blatt 48 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Am 04.11.2008 beantragten die Widerspruchsführer ebenfalls vertreten durch die Klägerin als Bevollmächtigte den Erlass einer einstweiligen Anordnung zwecks vorläufiger Gewährung von Leistungen nach dem SGB II (Az: S 9 AS 353/08 ER). Im Rahmen eines Erörterungstermines am 08.12.2008 schlossen die Widerspruchsführer und die Beklagte einen Vergleich über die vorläufige Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. In den Punkten 4) und 5) enthielt der Vergleich die folgenden Regelungen:

"4) Die Kosten des einstweiligen Anordnungsverfahrens und des Vergleichs werden gegeneinander aufgehoben.

5) Die Beteiligten nehmen gegenseitig den Vergleich an und erklären sowohl dieses einstweilige Anordnungsverfahren, als auch das laufende Widerspruchsverfahren für erledigt."

Mit Schriftsatz vom 12.12.2008 machte die Klägerin bei der Beklagten die Erstattung von Kosten für das Widerspruchsverfahrens in Höhe von 799,98 EURO geltend. Mit Bescheid vom 23.01.2009 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten durch Kostenfestsetzungsbescheid ab, da keine Kostentragungspflicht bestünde. Diese fehle, da über den Widerspruch im Rahmen des Verfahrens S 9 AS 353/08 ER ein Vergleich geschlossen sei der auch das Widerspruchsverfahren zum Gegenstand gehabt hätte.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.01.2009 Widerspruch.

Am 30.04.2008 hat die Klägerin Untätigkeitsklage auf Entscheidung über den Widerspruch erhoben. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2009 hat die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 15.06.2009 hat die Klägerin mitgeteilt, dass die Untätigkeitsklage im Wege der Klageänderung als Klage gegen den Bescheid vom 23.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2009 fortgesetzt werden soll.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte verpflichtet sei die Kosten für das Widerspruchsverfahren zu tragen. Zwar habe der Vergleich auch das Widerspruchsverfahren umfasst, jedoch habe die Kostenregelung im Vergleich nur das damalige Eilverfahren und den Vergleich selbst betroffen. Das Widerspruchsverfahren sei hiervon ein getrenntes Verfahren.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

den Bescheid vom 23.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten für sie die Kosten aus dem Kostenfestsetzungsantrag vom 12.12.2008 in Höhe von 799,98 EURO festzusetzen und auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, da der Vergleich aus dem Eilverfahren auch das Widerspruchsverfahren erfasse gelte dies auch hinsichtlich der Kosten. Da die Kosten gegeneinander aufgehoben wurden fehle es an einer Kostentragungspflicht ihrerseits.

Für den weiteren Sach- und Streitstand wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten sowie die beigezogene Gerichtsakte S 9 AS 353/08 ER. Diese lagen vor und waren Gegenstand der gerichtlichen Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund des erklärten Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Streitgegenstand ist nach der erfolgten Klageänderung die Frage, ob die Beklagte zu Recht den Antrag auf Kostenfestsetzung hinsichtlich des Widerspruchsverfahrens aus 2008 negativ bescheiden hat. Die im Rahmen einer Untätigkeitsklage nach Erlass des Widerspruchsbescheides erfolgte Klageänderung ist gemäß § 99 SGG zulässig. Denn eine entsprechende Klageänderung ist grundsätzlich als sachdienlich anzusehen (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 88 Rn. 10b).

Die Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 23.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 13.05.2009 erweist sich als rechtmäßig und die Klägerin ist durch ihn nicht beschwert im Sinn von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG.

Die Beklagte hat zu Recht die Übernahme von Kosten für das Widerspruchsverfahren betreffend den Widerspruch vom 26.09.2008 abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erstattung von Kosten des Vorverfahrens im Hinblick auf diesen Widerspruch.

Die Klägerin ist zunächst aktivlegitimiert. Denn der generelle Kostenerstattungsanspruch wurde von den Widerspruchsführern wirksam an die Klägerin abgetreten (§ 398 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Eine entsprechende Abtretungserklärung ist in der Vollmachtserklärung enthalten, die die Widerspruchsführer der Klägerin im Rahmen des Widerspruchsverfahrens im Jahr 2008 erteilt haben.

Diese Abtretung greift vorliegend jedoch ins Leere. Denn im Hinblick auf den Widerspruch vom 26.09.2008 stand den Widerspruchsführern zu keiner Zeit ein Kostenerstattungsanspruch zu, der hätte abgetreten werden können.

Die Erstattung von Kosten für das Vorverfahren richtet sich nach § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Eine Kostenerstattung findet nur statt, "soweit" der Widerspruch erfolgreich ist. Für die Frage, ob der Widerspruch erfolgreich ist, ist zunächst entscheidend, ob ein (förmlicher) Abhilfe- (§ 81 Abs 1 SGG) oder ein Widerspruchsbescheid (§ 85 Abs 2 SGG) ergangen ist. Erfolgreich ist der Widerspruch, auf den hin der angegriffene Bescheid völlig oder teilweise aufgehoben bzw. abgeändert wird. "Abhilfe" ist jeder Verwaltungsakt, mit dem dem Widerspruchsführer ein weiteres oder erweitertes "Recht" zugestanden wird. Erfolgreich ist der Widerspruch ebenfalls dann, wenn die Behörde einer dem Widerspruchsführer günstigen förmlichen Entscheidung über den Widerspruch durch Rücknahme bzw. entsprechende Verpflichtung zur Neubescheidung zuvorkommt. Vorliegend sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Denn es ist keine Entscheidung über den Widerspruch vom 26.09.2008 durch die Beklagte erfolgt. Die Widerspruchsführer haben im Rahmen des Vergleichsschlusses im Verfahren S 9 AS 353/08 ER hinsichtlich der dort getroffenen Regelungen über die Berechnung des Leistungsanspruches unter Nummer 5) des Vergleiches auch das laufende Widerspruchsverfahren für erledigt erklärt. Insofern liegt keine erfolgreiche Abhilfe- oder Widerspruchsentscheidung durch die Beklagte im Sinn von § 63 SGB X vor.

Wird ein Widerspruchsverfahren durch einen Vergleich abgeschlossen, so ergeht keine Entscheidung über den Widerspruch durch die Behörde. Daher trifft in diesen Fällen auch die Behörde keine Kostenentscheidung. Die Kostenentscheidung bzw. -regelung hat in einem solchen Fall im Vergleich zu erfolgen. Enthält der Vergleich keine Kostenregelung, so hat dies zur Folge, dass die Beteiligten ihre Kosten jeweils selbst tragen (Krasney in: Kasseler Kommentar, SGB X, § 63 Rn. 22; von Wulffen, SGB X, § 63 Rn. 6; BeckOK, SGB X, § 63 Rn. 10). Nachdem eine Regelung über die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu Gunsten der Widerspruchsführer im Vergleich vom 08.12.2008 fehlt, scheidet ein Kostenerstattungsanspruch bereits dem Grunde nach aus. Die Kostenregelung im Vergleich vom 08.12.2008 (S 9 AS 353/08 ER) bietet keine Grundlage für einen Kostenerstattungsanspruch. Denn die Regelung unter Nummer 4) des Vergleiches betrifft zu einem nur die Kosten des einstweiligen Anordnungsverfahrens sowie des Vergleiches. Und zum anderen ist im Vergleich die Regelung getroffen, dass die Kosten gegeneinander aufgehoben werden, also wechselseitig keine Kosten erstattet werden, sondern jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 28. A., § 92 Rn. 5). Dieses Ergebnis ist auch nicht unbillig, denn die Widerspruchsführer hatten es selbst in der Hand, ob sie den Widerspruch im Rahmen des Vergleichsschlusses für erledigt erklären bzw. ob sie dies von einer entsprechenden umfassenden Kostenregelung abhängig machen. Denn anders als bei den ansonsten der Kostenregelung von § 63 SGB X unterfallenden möglichen Beendigungsmöglichkeiten für ein Widerspruchsverfahren ist im Fall der Erledigung im Rahmen eines Vergleiches keine einseitige Beendigung durch die Behörde gegeben, sondern es findet eine einvernehmliche Beendigung durch die Beteiligten statt.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 197a SGG i. V. m. §§ 154, 155 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Kostenquote trägt dem Umstand Rechnung, dass die Klägerin hinsichtlich der ursprünglichen Untätigkeitsklage obsiegt hat. Insoweit hat die Beklagte teilweise die Kosten des Rechtstreites zu tragen. Da der Wert einer Untätigkeitsklage hinter der normalen Hauptsacheklage zurückbleibt, war der Kostenanteil der Beklagten mit ¼ zu bemessen. Da hinsichtlich der Klage nach Klageänderung die Klägerin unterlegen ist war die entsprechende Kostenquote zu bilden.
Rechtskraft
Aus
Saved