L 5 R 111/12

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 1 R 130/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 111/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 28. Februar 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die rückwirkende Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung eines Beitragszuschusses zu den Aufwendungen für die (freiwillige) Kranken- und Pflegeversicherung sowie um die Rückforderung der insoweit für die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 30. September 2008 erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 6.421,17 EUR.

Die 1937 geborene Klägerin ist die Witwe des 1934 geborenen und 2000 verstorbenen Versicherten B. A.

Nach dem Tode des Ehemannes beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Witwenrente einschließlich eines Beitragszuschusses zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung. Sie gab (seinerzeit wahrheitsgemäß) an, dass für sie keine Versicherungspflicht in einer gesetzlichen Krankenkasse bestehe und unterzeichnete auf dem entsprechenden Antragsformular "R 820" unter dem 29. November 2000 eine Schlusserklärung (Blatt II/11 Rentenakten), welche den folgenden Wortlaut hat:

"Ich versichere, dass ich sämtliche Angaben in diesem Vordruck nach bestem Wissen gemacht habe. Mir ist bekannt, dass wesentlich falsche Angaben zu einer strafrechtlichen Verfolgung führen können. Ich verpflichte mich,
a) die Beendigung der freiwilligen Krankenversicherung sowie jede Veränderung der Beitrags- bzw. Prämienhöhe für die Krankenversicherung
b) die Aufnahme einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit
c) den Beginn einer Versicherungspflicht in der Krankenversicherung ...
d) ...
e) ...
f) jede Änderung des Pflegeversicherungsverhältnisses (z.B. Eintritt von Versicherungspflicht ... )
unverzüglich dem zuständigen Rentenversicherungsträger anzuzeigen."

Durch in der Sache bindend gewordenen Neuberechnungsbescheid vom 14. Mai 2001 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin zu ihrer ab 1. Dezember 2000 bezogenen Witwenrente für die Zeit ab 1. Dezember 2000 einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in gesetzlicher Höhe. In diesem Bescheid heißt es unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" unter anderem:

"Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die freiwillige oder private Krankenversicherung entfällt mit der Aufgabe oder dem Ruhen dieser Krankenversicherung und bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Änderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen ...

Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die Pflegeversicherung entfällt bei Eintritt von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie bei Eintritt von Beitragsfreiheit in der Pflegeversicherung. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen

Soweit Änderungen Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe haben, werden wir den Bescheid – auch rückwirkend – ganz oder teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern.

Größere Überzahlungen in können vermieden werden, wenn Sie uns entsprechend den Mitteilungspflichten umgehend benachrichtigen."

In der Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2000 (1 BvL 16/96 = SozR 3-2500 § 5 Nr. 42 = BVerfGE 102, 68) gelangte die Klägerin zum 1. Februar 2002 als Pflichtversicherte in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen versäumte es der Krankenversicherungsträger (Barmer Ersatzkasse, jetzt: Barmer GEK), die Beklagte hiervon zu unterrichten. Auch die Klägerin machte bei der Beklagten keine Anzeige bezüglich ihrer Versicherungspflicht in der Kranken- und Pflegeversicherung. Die Witwenrente wurde deshalb zunächst auch über den 1. Februar 2002 hinaus unter Einschluss des bewilligten Beitragszuschusses sowie ohne Einbehaltung des gesetzlichen Eigenanteils zur Kranken- und Pflegeversicherung der Rentner geleistet, wobei durch Bescheide vom 13. Mai 2004 (Bl. 61 Gerichtsakten), vom 9. September 2004 (Bl. 63 Gerichtsakten) sowie vom 5. Februar 2007 (Bl. 65 Gerichtsakten) jeweils die Höhe des Krankenversicherungszuschusses aktualisiert wurde.

Im August 2008 erlangte die Beklagte im Rahmen einer Datenübermittlung im maschinellen Meldeverfahren schließlich erstmals Kenntnis von der seit dem 1. April 2002 bestehenden Pflichtversicherung der Klägerin.

Durch Bescheid vom 2. September 2008 (Bl. 13 Rentenakten) hob die Beklagte daraufhin zunächst unter Berufung auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) "den Bescheid über die Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung mit Wirkung für die Zukunft ab 1. Oktober 2008" auf und teilte der Klägerin zugleich mit, dass im Hinblick auf die ab 1. April 2002 bestehende Pflichtversicherung bei der Zahlung der Rente der gesetzliche Eigenanteil zur Kranken- und Pflegeversicherung einzubehalten sei. Bei der rückwirkenden Einbehaltung der Beiträge sei allerdings von Amts wegen die hinsichtlich der Ansprüche für die Zeit bis zum 31. Dezember 2003 eingetretene Verjährung zu beachten. Bezüglich der Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 30. September 2008 ergebe sich ein Nachforderungsbetrag in Höhe von insgesamt 6.121,59 EUR. Den gegen diesen Bescheid am 26. September 2008 erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 27. April 2009 (Bl. 41 Rentenakten) unter Hinweis auf die Einbehaltungsvorschrift des § 255 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) als unbegründet zurück. Die Rechtmäßigkeit dieser Bescheide ist Gegenstand einer gesonderten Streitsache gleichen Rubrums (Sozialgericht Fulda – S 1 R 126/09 - bzw. Hessisches Landessozialgericht - L 5 R 133/12).

Ferner hob die Beklagte nach entsprechender Anhörung durch weiteren Bescheid vom 12. September 2008 (Bl. 24 Rentenakten) unter Berufung auf § 48 SGB X "den Bescheid vom 14. Mai 2001 über die Bewilligung des Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung nach § 106 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und die Pflegeversicherung nach § 106a SGB VI ab 1. April 2002" auf und forderte von der Klägerin die Erstattung der hinsichtlich des Zeitraums vom 1. April 2002 bis zum 30. September 2008 entstandenen Überzahlung in Höhe von insgesamt 6.421,17 EUR. Auf Vertrauen in den Bestand der Bewilligungsentscheidung könne die Klägerin sich nicht berufen, weil sie aufgrund der ihr gegebenen Informationen den Wegfall der Ansprüche auf die Zuschüsse zur Kranken-/Pflegeversicherung gekannt bzw. grob fahrlässig nicht gekannt habe (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X).

Die Klägerin erhob am 26. September 2008 Widerspruch (Bl. 28 Rentenakten) und machte geltend, dass ihr keine grob fahrlässige Verletzung von Mitteilungspflichten vorgeworfen werden könne. Sie sei "in solchen Dingen" völlig unerfahren und im Hinblick auf ihre finanziellen Verhältnisse im Übrigen auch nicht leistungsfähig.

Der Widerspruch der Klägerin wurde seitens der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 28. April 2009 (Bl. 47 Rentenakten) mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Vertrauen der Klägerin in den Bestand der Rentenbewilligung nicht geschützt sei, weil ein Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X vorliege. Die Klägerin habe die ihr obliegenden Mitteilungspflichten verletzt und außerdem auch gewusst bzw. wissen müssen, dass der Anspruch auf Beitragszuschuss mit Beginn der Versicherungspflicht entfalle. Das Verhalten der Klägerin sei vorsätzlich bzw. zumindest grob fahrlässig. Es sei "wegen des Mitverschuldens der Krankenkasse an der entstandenen Überzahlung" ein sog. atypischer Fall angenommen und im Rahmen des kraft Gesetzes eingeräumten Ermessens geprüft worden, ob Gründe vorhanden sind, die gegen eine Rücknahme des Bescheides sprechen. Im vorliegenden Fall sei ein Verzicht auf die Rückforderung allerdings nicht angemessen. Hierbei sei insbesondere berücksichtigt worden, dass von der Klägerin seit dem 1. April 2002 keinerlei freiwillige Krankenversicherungsbeiträge mehr an die Krankenversicherung entrichtet worden seien. Es habe der Klägerin auffallen müssen, dass keine freiwilligen Krankenversicherungsbeiträge mehr entrichtet wurden, obwohl sie weiterhin Zuschüsse zur freiwilligen Krankenversicherung erhalten habe. Nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin müsse davon ausgegangen werden, dass der Überzahlungsbetrag zumindest ratenweise zurückgezahlt werden könne. Es könne unter Darlegung der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse eine Stundung gegen Ratenzahlung unter Verzinsung der Forderung erfolgen.

Die Klägerin erhob daraufhin am 28. Mai 2009 gegen den Bescheid vom 12. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2009 Klage bei dem Sozialgericht Fulda (Aktenzeichen: S 1 R 130/09) und vertiefte ihre bereits zur Widerspruchsbegründung gemachten Ausführungen. Die Beklagte verteidigte dagegen die angefochtenen Bescheide.

Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid vom 28. Februar 2012 den Bescheid der Beklagten vom 12. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2009 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, dass die Beklagte weder gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X noch gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X berechtigt gewesen sei, den in der Sache bindend gewordenen Bescheid vom 14. Mai 2001 hinsichtlich der bewilligten Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung aufzuheben, weil der Klägerin kein grob fahrlässiges Verhalten zur Last gelegt werden könne. Die Klägerin habe von Anfang an darauf hingewiesen, dass sie im Umgang mit Behörden völlig unerfahren gewesen sei, weil diese Angelegenheiten bis zu dessen Tod von ihrem Ehemann erledigt worden seien. Dass sie Zuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung erhalten habe, obwohl keine entsprechenden Versicherungsbeiträge mehr von ihrem Konto abgebucht worden seien, habe der Klägerin nicht "in die Augen springen" müssen.

Die Beklagte hat gegen den ihr am 5. März 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 20. März 2012 Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihre Auffassung, dass das Verhalten der Klägerin grob fahrlässig gewesen sei.

Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 28. Februar 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht sich in ihrer Auffassung durch die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Versicherten betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Fulda vom 28. Februar 2012 kann keinen Bestand haben. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 12. September 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2009 ist zu Recht ergangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, dass der ursprüngliche Bescheid vom 14. Mai 2001 in der Fassung der Neuberechnungsbescheide vom 13. Mai 2004, vom 9. September 2004 sowie vom 5. Februar 2007 hinsichtlich der Bewilligung von Beitragszuschüssen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung unveränderten Bestand hat, weil sie mit Beginn ihrer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung zum 1. April 2002 keinen Anspruch auf Beitragszuschüsse zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung mehr haben konnte. Die Beklagte durfte den Bescheid vom 14. Mai 2001 hinsichtlich Bewilligung der Beitragszuschüsse rückwirkend aufheben, weil in den für die Bewilligungsentscheidung maßgeblich gewesenen Verhältnissen (nachträglich) bezüglich des streitigen Zeitraums eine wesentliche Änderung eingetreten ist und weil einer Aufhebung dieser Bescheide kein schützenswertes Vertrauen der Klägerin entgegen steht.

Die Beklagte beruft sich in den angefochtenen Bescheiden zu Recht auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist ein (anfänglich rechtmäßiger oder rechtswidriger) Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, nachträglich eine wesentliche Änderung eintritt.

Sofern der ursprüngliche Verwaltungsakt – wie im vorliegenden Fall – rechtmäßig war, ist eine Änderung im Sinne dieser Vorschrift regelmäßig dann "wesentlich", wenn durch sie dem ursprünglich erlassenen Verwaltungsakt nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen wird. Entscheidend ist in diesem Fall, ob die Behörde den Verwaltungsakt auch unter den geänderten Verhältnissen noch mit unverändertem Inhalt erlassen dürfte oder nicht. Ist das nicht der Fall, so ist die Änderung der Verhältnisse "wesentlich" im Sinne des § 48 Abs. 1 SGB X. Dementsprechend heißt es bereits in der Begründung zum Entwurf eines Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - (Bundestags-Drucksache 8/2034 S. 35 zu § 46), ob eine Änderung wesentlich sei, bestimme sich nach dem materiellen Recht.

Ausgangspunkt für das Tätigwerden der Beklagten ist im vorliegenden Fall die seit dem 1. Juli 1977 in § 1304e Reichsversicherungsordnung (RVO)/§ 83e Angestellten-Versicherungsgesetz (AVG) bzw. seit 1. Januar 1992 in § 106 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) enthaltene gesetzliche Regelung, wonach Rentenbezieher, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung oder bei einem Krankenversicherungsunternehmen, das der deutschen Aufsicht unterliegt, versichert sind, zu ihrer Rente einen Zuschuss zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung erhalten, sofern sie nicht gleichzeitig in einer in- oder ausländischen gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert sind. Hinsichtlich eines Zuschusses zu den Aufwendungen für die Pflegeversicherung ergibt sich ein entsprechender Anspruch aus der bis zum 31. März 2004 geltenden Vorschrift des § 106a SGB VI.

Die Beklagte ist in Anbetracht dieser gesetzlichen Regelung zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin von Rechts wegen in der vorliegend streitigen Zeit vom 1. April 2002 bis zum 30. September 2008 jedenfalls der Höhe nach keinen Anspruch auf einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung (mehr) haben konnte, weil sie zu dem kraft Gesetzes der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliegenden Personenkreis gehörte. Es handelt sich insoweit um eine "wesentliche Änderung" im Sinne des § 48 SGB X, denn durch den Beginn der Versicherungspflicht zum 1. April 2002 ist dem ursprünglichen Bescheid über die Bewilligung des Beitragszuschusses zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung vom 14. Mai 2001 einschließlich der nachfolgenden Neuberechnungsbescheide nachträglich die Rechtsgrundlage entzogen worden. Dies ist zwischen den Beteiligten im Übrigen in der Sache auch ebenso unstreitig wie der Gesamtbetrag der hier insgesamt in Rede stehenden Überzahlung von insgesamt 6.421,17 EUR. Das Rechenwerk der Beklagten als solches ist in den Einzelheiten nicht umstritten, so dass es insoweit keiner weiteren Darlegungen bedarf.

Unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ein nach Maßgabe von § 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Sache bindend gewordener Verwaltungsakt aufgehoben werden kann ist in §§ 44 ff. Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) geregelt.

Soweit – wie im vorliegenden Falle nachträglich – in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines anfänglichen rechtmäßigen Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt der Vorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zufolge grundsätzlich mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (also rückwirkend) aufgehoben werden, soweit

1. die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,

2. der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,

3. nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder

4. der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.

Wie sich aus § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X ergibt, kann der Verwaltungsakt grundsätzlich nur bis zum Ablauf von 10 Jahren nach seiner Bekanntgabe aufgehoben werden. Gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X kann der Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung allerdings auch nach Ablauf der Frist von 10 Jahren noch zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Die Behörde muss dies gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X grundsätzlich innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Aufhebung für die Vergangenheit rechtfertigen.

Soweit ein Verwaltungsakt nach Maßgabe der vorstehend genannten Bestimmungen aufgehoben worden ist, sind gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X die bereits erbrachten Leistungen zu erstatten. Die zu erstattende Leistung ist der Vorschrift des § 50 Abs. 3 Satz 1 SGB X zufolge durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 SGB X soll die Festsetzung, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsaktes erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.

Ausgehend von diesen gesetzlichen Bestimmungen kann die Klägerin sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass sie auf den Bestand der (mit dem Beginn der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung rechtswidrig gewordenen) Gewährung der Beitragszuschüsse vertraut habe und in diesem Vertrauen geschützt sei. Es mag dahingestellt bleiben, ob die Klägerin positive Kenntnis davon gehabt hat, dass ihr bei Bestehen einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung kein Anspruch auf die bewilligten Zuschüsse zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung mehr zusteht. Denn sie hätte jedenfalls unschwer erkennen können, dass ihr kein Beitragszuschuss zu einer freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zustehen kann, sofern sie gar keine Beiträge zu einer solchen freiwilligen Versicherung (mehr) zu leisten hat. Die in den Bescheiden der Beklagten vom 3. April 1989 sowie vom 13. Juni 1989 enthaltenen Hinweise sind ausführlich, klar und einfach zu verstehen. Wenn die Klägerin – wie es bei Beachtung der einem jedem Sozialleistungsempfänger obliegenden Sorgfalt geboten ist – die entsprechenden Hinweise sorgfältig zur Kenntnis genommen hat, dann musste ihr klar sein, dass ab Beginn ihrer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung kein Anspruch auf Beitragszuschuss zur freiwilligen Versicherung mehr bestehen konnte. Etwaigen Zweifeln hinsichtlich der Rechtslage hätte die Klägerin in einfacher Weise dadurch begegnen können, dass sie den ihr seitens der Beklagten im Antragsformular R 820 vom 29. November 2000 sowie im Bewilligungsbescheid vom 14. Mai 2001 gegebenen Hinweisen gefolgt wäre und ihrer Verpflichtung, "jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Veränderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen", entsprochen hätte. Es ist schlechterdings nicht nachvollziehbar, aufgrund welcher Erwägungen die Klägerin zu der Annahme gelangt sein könnte, dass ihr ein Beitragszuschuss zu einer freiwilligen Krankenversicherung zusteht, obwohl sie zum Kreis der in der gesetzlichen Krankenversicherung Pflichtversicherten gehört. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Schreiben der Barmer GEK vom 17. April 2012 (Bl. 60 Gerichtsakten) ergibt sich, dass die Klägerin "Anfang des Jahres 2002 schriftlich" seitens des Krankenversicherungsträgers über die Änderung ihres Versicherungsverhältnisses informiert worden ist. Bereits bei Beachtung einer nur durchschnittlichen Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten hätte es der Klägerin im Übrigen auffallen müssen, dass in der Zeit ab 1. April 2002 – anders als zuvor – seitens des Krankenversicherungsträgers keine Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung mehr per Lastschrift von ihrem Konto abgebucht worden sind. Wie sich aus dem Schreiben der Barmer GEK vom 17. April 2012 ergibt, beliefen sich die seitens der Klägerin bis zum 31. März 2002 entrichteten Beiträge zuletzt auf 169,53 EUR monatlich. Es handelte sich mithin nicht lediglich um einen der Höhe nach gänzlich unbedeutenden Abführungsbetrag, sondern um eine unter Berücksichtigung der Einkommensverhältnisse der Klägerin durchaus spürbare monatliche Belastung, deren Fortfall unschwer bemerkt werden kann. Zur Überzeugung des Senats spricht bei dieser Sachlage in der Tat viel für die Annahme, dass die Klägerin im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X die Rechtswidrigkeit der Gewährung des Beitragszuschusses gekannt oder zumindest nur infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt hat.

Abgesehen davon muss die Klägerin sich im Übrigen aber auch vorhalten lassen, dass sie im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X der ihr obliegenden Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für sie nachteiliger Veränderungen der Verhältnisse nicht nachgekommen ist. Für die sich aus § 60 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ergebende Pflicht zur Mitteilung von Änderungen in den für die Leistungsgewährung wesentlichen Verhältnissen, auf welche die Klägerin im Antragsformular R 820 vom 29. November 2000 sowie im Bewilligungsbescheid vom 14. Mai 2001 und in den nachfolgenden Neuberechnungsbescheiden rechtzeitig, umfassend und unmissverständlich hingewiesen worden ist, kommt es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 12. Februar 1980 - 7 RAr 13/79) nicht darauf an, ob der Rentenversicherungsträger bereits auf anderem Wege – hier durch die aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen unterbliebene Mitteilung des Krankenversicherungsträgers – Kenntnis von der Änderung der Verhältnisse hätte erlangt haben können. Dies wird damit begründet, dass es gerade Zweck der Mitteilungspflicht des Leistungsempfängers sei, auch eine – von der Kenntnis bzw. ordnungsgemäßen Unterrichtung des Amtes unabhängige – Überprüfung des Leistungsfalls veranlassen.

Dass die Klägerin der für sie höchstpersönlichen Mitteilungspflicht objektiv nicht nachgekommen ist, berechtigt gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X allerdings nur dann zu einer rückwirkenden Aufhebung der Bewilligungsentscheidung, wenn sie ihre Anzeigepflicht auch subjektiv zumindest grob fahrlässig verletzt hat.

Grob fahrlässig handelt nach der Legaldefinition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X, wer erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene bereits einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (BSG SozR 3-1300 § 45 SGB X Nr. 45; BSGE 62, 32, 35; 42, 184, 187). Bei der Beurteilung der groben Fahrlässigkeit ist nicht von einem objektiven, sondern von einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab auszugehen (BSG vom 9. Februar 2006 - B 7a AL 58/05 R; vgl. auch BSG vom 25. April 1990 - 7 RAr 20/89 - und vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96). Das Maß der Fahrlässigkeit ist insbesondere nach der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie dem Einsichtsvermögen des Beteiligten zu beurteilen (BSGE 35, 108, 112; 44, 264, 273). Ob ein dementsprechender Verschuldensvorwurf gerechtfertigt ist, richtet sich nach seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, seinem Einsichtsvermögen und Verhalten sowie nach den besonderen Umständen des Einzelfalls. Grobe Fahrlässigkeit liegt nur im Falle einer Sorgfaltspflichtverletzung ungewöhnlich hohen Ausmaßes vor, d.h. es muss sich um eine besonders grobe und auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung handeln.

In diesem Zusammenhang kann freilich nicht übersehen werden, dass der im Antragsformular R 820 und im Bewilligungsbescheid vom 14. Mai 2001 enthaltene Hinweis, dass der Anspruch auf Beitragszuschuss bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht entfällt und dass jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses und jede Veränderung der Beitragshöhe unverzüglich mitzuteilen sind, so klar und eindeutig ist, dass jeder Leistungsempfänger dies unschwer nachvollziehen kann. Um der seitens der Klägerin geschuldeten Mitteilungspflicht nachzukommen, bedurfte es keiner schwierigen rechtlichen Erwägungen, sondern der schlichten Offenlegung von unzweifelhaft vorliegenden Tatsachen. Wenn solch einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden und wenn das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, dann liegt ein Fall der groben Fahrlässigkeit im Sinne des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 2. Halbsatz SGB X vor, weil die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt worden ist (vgl. BSG vom 31. August 1976 - 7 RAr 112/74 = BSGE 42, 184, 187 und BSG vom 28. November 1978 - 4 RJ 130/77 = SozR 2200 § 1301 RVO Nr. 8 m.w.N).

Das Vorbringen der Klägerin, sie sei nie einer beruflichen Tätigkeit nachgegangen und in geschäftlichen Dingen völlig unerfahren, weil sich um geschäftliche Dinge bis zu dessen Tod stets ihr Ehemann gekümmert habe, gebietet insoweit keine andere Sicht der Dinge. Denn generelle Sorglosigkeit "in geschäftlichen Dingen" bzw. in Behördenangelegenheiten wie der vorliegenden kann nicht entlastend wirken bezüglich der Pflichtenstellung der Klägerin als Empfängerin einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. In Kenntnis der eigenen Unerfahrenheit hätte es vielmehr für die Klägerin nahe gelegen, sich nach dem Tode ihres Ehemannes besonders sorgfältig mit den ihr als Rentenempfängerin obliegenden Mitteilungspflichten vertraut zu machen und sich gegebenenfalls sachkundiger Hilfe zu vergewissern. Vorliegend hätte es ausgereicht, wenn die Klägerin nach Beginn ihrer Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung das entsprechende Mitteilungsschreiben des Krankenversicherungsträgers der Beklagten in einer von deren Auskunfts- und Beratungsstellen zur Kenntnisnahme und Überprüfung vorgelegt hätte. Dass die Klägerin hierzu intellektuell außer Stande gewesen sein könnte, ist weder von ihr selbst vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.

Die angefochtene Aufhebungsentscheidung der Beklagten kann auch nicht als ermessensfehlerhaft angesehen werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts bedeutet das "soll" in § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X, dass der Rentenversicherungsträger den Verwaltungsakt im Regelfall ("typischer Fall") rückwirkend aufzuheben hat. Liegt jedoch ein Ausnahmefall (sog. "atypischer Fall") vor, so ist eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob und in welchem Umfang von der gegebenen Aufhebungsmöglichkeit abgesehen werden kann. Anders als bei § 45 SGB X enthält also § 48 SGB X nicht für alle, sondern nur für "atypische Fälle" eine Verpflichtung zur Ermessensausübung. Die Prüfung, ob ein solcher "atypischer Fall" vorliegt, ist nicht Teil der Ermessensentscheidung, sondern gerichtlich in vollem Umfang nachprüfbar. Das Gericht darf den angefochtenen Bescheid wegen fehlender Ermessensausübung aufheben, wenn die Prüfung ergibt, dass ein "atypischer Fall" gegeben ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116; BSG vom 11. Februar 1988 - 7 RAr 55/86 = SozR 1300 § 48 Nr. 44 m.w.N.; BSG SozR 3-4100 § 63 Nr. 2).

Wann ein "atypischer Fall" vorliegt, in dem die Behörde eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen hat, ob der Verwaltungsakt mit Dauerwirkung rückwirkend aufgehoben wird, hängt von dem jeweiligen Zweck der Regelung des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und den Umständen des Einzelfalls ab. Diese müssen vom (typischen) Regelfall signifikant zum Nachteil des Betroffenen abweichen (vgl. BSG a.a.O.; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22 S. 56). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Leistungsempfänger durch die mit der Rücknahme verbundenen Nachteile, insbesondere die aus § 50 Abs. 1 SGB X folgende Pflicht zur Erstattung der erbrachten Leistungen in besondere Bedrängnis gerät (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116), wenn er sonst für den von der Rücknahme betroffenen Zeitraum Anspruch auf eine andere Sozialleistungen, etwa auf Sozialhilfe, gehabt hätte (vgl. BSG SozR 1300 § 50 Nr. 6), oder wenn er entreichert ist (vgl. BSG SozR 5870 § 2 Nr. 30 S. 103). Beispiele für vergleichbare Härten finden sich z.B. in § 76 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) und in § 42 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I). Auch ein Verschulden des Rentenversicherungsträgers weist regelmäßig auf einen "atypischen Fall" hin. Ein "atypischer Fall" kann ferner gegeben sein, wenn ohne ein Verschulden des Rentenversicherungsträgers besondere Umstände vorliegen, die die Aufhebung für die Vergangenheit als unbilligen Eingriff in die persönlichen, sozialen oder wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen erscheinen lassen. Im Rahmen der Prüfung, ob ein "unbilliger Eingriff" gegeben ist, können insbesondere das Lebensalter des Betroffenen, dessen soziale Verhältnisse und Familienstand, der Gesundheitszustand (Gebrechlichkeit oder Pflegebedürftigkeit) des Betroffenen sowie der konkrete Verwendungszweck der zu Unrecht erhaltenen Leistung (z.B. Weiterleitung eines Kinderzuschusses an das Kind ohne eigenen finanziellen Nutzen oder Unterstützung anderer bedürftiger Personen) von Bedeutung sein. Nach Lage des Einzelfalles können sich weitere Umstände – insbesondere aus der Anhörung – ergeben, wobei auch ein Zusammenwirken mehrerer Umstände denkbar ist, die erst in der Gesamtschau einen "atypischen Fall" begründen.

Unter Anlegung dieser Maßstäbe muss es im vorliegenden Fall bereits fraglich erscheinen, ob überhaupt ein "atypischer Fall" in dem genannten Sinne gegeben ist.

Die Beklagte hat unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG vom 26. November 1986 - 7 RAr 65/85; BSG vom 15. August 2002 - B 7 AL 24/01 R = SozR 3-4100 § 147 Nr. 1; BSG vom 5. Juni 2003 B 11 AL 70/02 R; BSG vom 12. Februar 2004 - B 13 RJ 28/03 R = SozR 4-2400 § 24 Nr. 2 = BSGE 92, 150) zu Recht darauf hingewiesen, dass die mit jeder Rückforderung verbundene finanzielle Belastung für sich genommen noch nicht geeignet ist, einen "atypischen Fall" zu begründen. Das entspricht dem in §§ 275 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zum Ausdruck gebrachten Rechtsgrundsatz der unbeschränkten Vermögenshaftung ("Geld hat man zu haben"). Eine durch die Pflicht zur Erstattung im Sinne der Rechtsprechung drohende "besondere Bedrängnis"(vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 19 = BSGE 59, 111, 116) oder ein Fall der "Entreicherung" (vgl. BSG SozR 5870 § 2 Nr. 30 S. 103) ist weder von der Klägerin aufgezeigt worden noch sonst erkennbar.

Man muss angesichts dessen schon suchen, hinsichtlich welcher besonderen Umstände der vorliegende Fall im Sinne der in der Rechtsprechung zum Vorliegen eines sog. "atypischen Falles" entwickelten Grundsätze im Vergleich mit dem (typischen) Regelfall "signifikant zum Nachteil des Betroffenen abweicht" (vgl. BSG a.a.O.; BSG SozR 1300 § 48 Nr. 22). Als Anknüpfungspunkt verbleibt insoweit letztlich allein der Umstand, dass die Beklagte im Falle einer rechtzeitigen Unterrichtung durch den Krankenversicherungsträger über die ab 1. April 2002 gegebene Versicherungspflicht der Klägerin schon zu einem früheren Zeitpunkt in der Lage gewesen wäre, den Wegfall der Berechtigung zum Bezug der bewilligten Beitragszuschüsse zu erkennen und auf diese Weise das Entstehen einer mehrere Jahre umfassenden Überzahlung zu verhindern. Weitergehende Gesichtspunkte, die für die Annahme eines "atypischen Falles" sprechen könnten, vermochte auch die Klägerin nicht aufzuzeigen.

Geht man – wie die Beklagte – zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass vorliegend ein "atypischer Fall" gegeben ist, dann bedarf es in der Tat der hier von der Klägerin eingeforderten Ermessensausübung. Es kann andererseits jedoch nicht übersehen werden, dass die Beklagte ihr Ermessen sehr wohl ausgeübt und dabei insbesondere auch die Frage eines Mitverschuldens des Krankenversicherungsträgers in die Ermessensbetätigung mit einbezogen hat. Anhaltspunkte dahingehend, dass die insoweit erfolgte Ermessensbetätigung in den hinsichtlich einer gerichtlichen Überprüfbarkeit durch § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I in Verbindung mit § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG gezogenen Grenzen zu beanstanden sein könnte, sind in diesem Zusammenhang nicht erkennbar. Bei der Ermessensausübung geht es im Kern darum, eine Abwägung vorzunehmen zwischen dem Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Verwaltungsaktes einerseits und dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme rechtswidriger bzw. nachträglich rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte andererseits. Es handelt sich insoweit um ein auf Ausnahmefälle beschränktes "Soll"-Ermessen (vgl. BSG vom 4. Februar 1988 - 11 RAr 26/87 = BSGE 63, 37 = SozR 1300 § 45 Nr. 34; BSG vom 17. Oktober 1990 - 11 Rar 3/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 5), wobei es der Behörde in den Grenzen ihres Ermessens in der Regel freigestellt ist, auf welche Umstände sie im Rahmen der Ermessensbetätigung abstellen will (vgl. BSG vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2). Die Ermessensausübung ist jedoch gerichtlich dahingehend zu überprüfen, ob die Behörde bei ihrer Entscheidung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat (vgl. BSG vom 10. August 1993 - 9 BV 4/93 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 18). Zu den in diesem Sinne bei der Ermessenausübung zu berücksichtigenden Umständen des Einzelfalles gehört anerkanntermaßen auch die Frage danach, auf wessen Verschulden das Zustandekommen der fehlerhaften Entscheidung beruht (vgl. BSG vom 21. März 1990 - 7 RAr 112/88 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 2; BSGE vom 8. Februar 1996 - 13 RJ 35/94 = BSGE 77, 295 = SozR 3-1300 § 45 Nr. 27). Ein Mitverschulden oder gar ein alleiniges Verschulden des Rentenversicherungsträgers bedeutet freilich nicht zwangsläufig, dass der Umfang der Bescheidrücknahme und damit die Höhe der Überzahlung zu reduzieren ist. Vielmehr sind auch bei einem Mitverschulden durchaus Fälle denkbar, in denen andere Ermessensgründe insbesondere ein überwiegendes öffentliches Interesse der Versichertengemeinschaft an der Korrektur rechtswidriger Verwaltungsentscheidungen – so schwer wiegen, dass dennoch eine vollumfänglichen Bescheidrücknahme als geboten erscheinen kann.

Unabhängig von der Frage, wie die Ermessensentscheidung der Behörde im Ergebnis ausfällt, ist jedoch in jedem Falle zu fordern, dass die Behörde tatsächlich und nach außen erkennbar ihr Ermessen ausübt. Aus dem jeweiligen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid muss angesichts dessen ersichtlich sein, dass die Behörde sich ihres Ermessensspielraums erkennbar bewusst war, sich also nicht allein wegen der Erfüllung der tatsächlichen Voraussetzungen des § 48 SGB X zur Aufhebung des ursprünglichen Bescheides gezwungen gesehen hat, dass die Behörde keine besondere Härte beim Versicherten als gegeben ansieht und dass die Behörde im Übrigen entweder das Vorhandensein von weiteren Umständen, die nach ihrer Auffassung eine Ausübung des Ermessens zu Gunsten des Bürgers nach sich ziehen könnten, verneint oder ausführt, dass bestimmte benannte Umstände ein teilweises Absehen von der Aufhebung nicht rechtfertigen (vgl. KassKomm-Steinwedel § 45 SGB X Rdnr. 56 m.w.N.)

Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die im vorliegenden Fall seitens der Beklagten vorgenommene Ermessensausübung zur Überzeugung des Senats im Ergebnis nicht beanstandet werden. Nach den Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte zunächst zutreffend erkannt, dass im Falle der Klägerin überhaupt Ermessen ausgeübt werden muss, und sie hat im Rahmen der Ermessensbetätigung im Einzelnen nicht nur das Ausmaß des gegenüber der Klägerin zu erhebenden Verschuldensvorwurfs und die Frage eines Mitverschuldens des Krankenversicherungsträgers berücksichtigt, sondern auch die für die Klägerin mit der in Rede stehenden Erstattungsverpflichtung verbundene finanzielle Belastung gewürdigt und ihr insoweit ausdrücklich in Aussicht gestellt, dass nach Abschluss des Rechtsbehelfsverfahrens über eine Stundung der Erstattungsforderung gegen Ratenzahlung entschieden werden könne. Die insoweit in den angefochtenen Bescheiden enthaltenen Darlegungen sind zwar knapp; sie sind zur Überzeugung des Senats aber andererseits bereits hinreichend konkret, um den an eine bescheidmäßige Niederlegung der Ermessenserwägungen zu stellenden Anforderungen gerecht zu werden.

Der geltend gemachte Erstattungsanspruch ergibt sich insoweit aus § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Anhaltspunkte dafür, dass die Erstattungsforderung der Höhe nach unzutreffend ermittelt worden sein könnte, sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich. In Anbetracht der Tatsache, dass die Beklagte erstmals im August 2008 Kenntnis von der seitens der Klägerin in der Zeit ab 1. April 2002 bestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung erlangt und bereits einen Monat später den hier angefochtenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 12. September 2008 erlassen hat, ergeben sich im Übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 45 Abs. 3 und 4 SGB X genannten Fristen bei Bescheiderteilung bereits abgelaufen gewesen sein könnten.

Die Berufung der Beklagten konnte angesichts dessen nicht ohne Erfolg bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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