L 14 KR 1370/00

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 6 KR 7/98
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 14 KR 1370/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 16/04 B
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. August 2000 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat der Beklagten ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Vergütung von Krankentransportkosten.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen, das medizinische Rettungsdienste und Krankentransporte durchführt; hierfür ist ihr eine Genehmigung nach dem Hessischen Rettungsdienstgesetz erteilt worden.

Die bei der Beklagten versicherte, in Dresden wohnhafte Frau C. befand sich seit dem 12. November 1996 zur Durchführung einer Herzoperation in stationärer Behandlung im Herz- Kreislaufzentrum Rotenburg an der Fulda, einem Vertragskrankenhaus der gesetzlichen Krankenkassen. Am 12. Dezember 1996 beantragte der Oberarzt der Klinik Dr. D. eine Kostenzusage der Beklagten für einen Verlegungstransport von Frau C. in das akademische Lehrkrankenhaus Dresden-Friedrichstadt. Die begehrte Kostenzusage für einen Hubschraubertransport lehnte die Beklagte ab, erklärte sich jedoch mit Telefax vom 12. Dezember 1996 an den Zeugen D. bereit, die Verlegungskosten für Frau C. "in Höhe der vereinbarten Pauschale von 1.600,00 DM von ihrer Einrichtung in das akademische Lehrkrankenhaus Dresden-Friedrichstadt" zu übernehmen. Der Zeuge D. setzte sich daraufhin mit der Zentralen Leitstelle Bad Hersfeld in Verbindung, die den Transportauftrag an die Branddirektion Frankfurt am Main weiterleitete, welche wiederum die Klägerin mit der Ausführung des Transports beauftragte. Noch am selben Tag führte die Klägerin den Transport der Versicherten mit einem Spezialfahrzeug unter notärztlicher Begleitung durch.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 1996 stellte die Klägerin der Beklagten für die Verlegung von Frau C. 5.673,00 DM in Rechnung. Die Beklagte zahlte hierauf 1.600,00 DM; weitergehende Zahlungssansprüche lehnte sie unter Hinweis auf die vereinbarte Pauschale ab.

Die Klägerin hat am 21. Mai 1997 Klage zum Amtsgericht Marburg erhoben, welches sich mit Beschluss vom 23. September 1997 im Rechtsweg für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Dresden verwiesen hat. Das Sozialgericht Dresden hat sich mit Beschluss vom 5. Dezember 1997 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Sozialgericht Marburg verwiesen.

Die Klägerin hat vorgetragen, aufgrund der Zuweisung des Transportauftrags durch die Branddirektion Frankfurt am Main sei sie verpflichtet gewesen, den angeordneten Transportauftrag zu übernehmen. Dementsprechend müsse die Beklagte die Transportkosten nach Maßgabe der mit der AOK - Die Gesundheitskasse in Hessen - und der Bundesknappschaft getroffenen Tarifvereinbarung vom 22. März 1996 über Benutzungsentgelte bei Krankentransportleistungen erbringen. Von einer zwischen der Klinik und der Beklagten vereinbarten Pauschale von 1.600,00 DM habe sie nichts gewusst, weshalb diese für sie nicht maßgeblich sei.

Das Sozialgericht hat den Oberarzt D. und die Bedienstete der Beklagten E. als Zeugen vernommen und mit Urteil vom 30. August 2000 die Klage abgewiesen. Zwischen der Klägerin und der Beklagten liege kein Vertrag vor, der eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten begründen könne. Die Tarifvereinbarung vom 22. März 1996 gelte nur für die AOK Hessen, nicht für die Beklagte. Auch andere vertragliche Anspruchsgrundlagen seien nicht ersichtlich. Die Zeugin E. habe dem Zeugen D. eine Kostenzusage lediglich in Höhe von 1.600,00 DM erteilt. Die Klägerin habe auch nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass die Beauftragung durch die Branddirektion eine volle Kostenübernahme sicherstelle, denn ihr sei bekannt gewesen, dass es sich um ein Transport in ein anderes Bundesland gehandelt habe und der potentielle Kostenträger nicht Vertragspartner der Tarifvereinbarung vom 22. März 1996 gewesen sei. Auch aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag könne die Klägerin nichts herleiten, weil die Vorschrift des § 133 SGB V eine abschließende Regelung über die Entgelte für Krankentransportleistungen erhalte, was ein Rückgriff auf die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag ausschließe.

Gegen dieses ihr am 2. Oktober 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 1. November 2000 Berufung eingelegt.

Sie führt aus, es sei zutreffend, dass es zwischen ihr und der Beklagten keine Vergütungsvereinbarungen im Sinne von § 133 SGB V gebe und auch keine konkreten Absprachen mit der Beklagten getroffen worden seien. Die Beklagte sei jedoch nach § 60 SGB V verpflichtet, die notwendigen Transportkosten zu bezahlen. Die Beklagte habe durch ihre grundsätzliche Transportzusage die Notwendigkeit eines Krankentransportes nach Dresden anerkannt. Sie habe unter Einschaltung des Krankenhausarztes sowie der Rettungsleitstelle - sei es als Vertreter, sei es als Bote - vertragliche Beziehungen zu ihr aufgenommen. Das hessische Rettungswesen sei so organisiert, dass die Beauftragung über eine bei der Berufsfeuerwehr in Frankfurt am Main ansässige Koordinierungszentrale erfolge. Sie sei verpflichtet, entsprechende Transportaufträge der Koordinierungszentrale zu übernehmen, ohne das noch eine unmittelbare Beauftragung seitens der Krankenkasse erfolge. Dieses System könne nur funktionieren, wenn sich das jeweilige Krankentransportunternehmen darauf verlassen könne, dass die Abrechnung durch die Kasse entsprechend den vorliegenden Vereinbarungen erfolge. Der geltend gemachte Betrag in Höhe von 5.673,00 DM sei für die erbrachte Leistung auch angemessen, da die schwerstkranke Patientin bei gleichzeitiger Langzeitbeatmung unter Begleitung von zwei Rettungsassistenten sowie eines Notarztes habe transportiert werden müssen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 30. August 2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.082,49 Euro (4.073,00 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 20. Februar 1997 sowie 20,45 Euro (40,00 DM) Verwaltungsunkosten zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, es treffe nicht zu, dass zwischen ihr und der Klägerin unter Einschaltung des Krankenhausarztes sowie der Rettungsleitstelle vertragliche Beziehungen hergestellt worden seien. Die Argumentation der Klägerin sei insoweit widersprüchlich, da sie in früheren Schriftsätzen selbst nicht von einer Vertreterstellung des Krankenhausarztes ausgegangen sei bzw. diese sogar ausdrücklich in Abrede gestellt habe. Aus den Umständen und dem Verhalten der Klägerin folge vielmehr, dass sie sich - ohne entsprechende tatsächliche Grundlage - darauf verlassen habe, dass das in Hessen mit ihr vereinbarte System uneingeschränkt auch auf sie - die Beklagte - Anwendung finde, obwohl ihr aufgrund der Verordnung und des Zielorts bekannt gewesen sei, dass der Transport zu Lasten der in die hessischen Vertragsbeziehungen nicht involvierten Beklagten habe erfolgen sollen und es insoweit einer konkreten Kostenzusage bedurft hätte. Der Krankenhausarzt sei nicht per se der Vertreter der Krankenkasse. Tatsächlich habe der Zeuge D., wie sich aus seiner Aussage ergebe, bei der Leitstelle zunächst nur angefragt, ob ein bodengebundener Transport für 1.600,00 DM möglich sei, und keinen Transportauftrag zu den Bedingungen der Klägerin erteilt. Die Klägerin könne sich auch nicht auf eine besondere Eilbedürftigkeit bei der Durchführung des Transports berufen. Es habe sich gerade nicht um einen medizinisch zwingenden unaufschiebbaren Notfalltransport, sondern um eine Gefälligkeitsverlegung an den Heimatort gehandelt; eine Weiterbehandlung der Versicherten im Herz- und Kreislaufzentrum Rotenburg sei ohne weiteres möglich gewesen. Der Klägerin sei aufgrund einer telefonischen Auskunft der Zeugin E. am Morgen des 13. Dezember 1996 auch bekannt gewesen, dass die Kostenzusage auf einen Betrag von 1.600,00 DM beschränkt gewesen sei. Im Übrigen sei die geltend gemachte Vergütung selbst unter Zugrundelegung der hessischen Tarifvereinbarung unangemessen hoch.

Hierauf hat die Klägerin erwidert, es treffe nicht zu, dass ihr durch die Zeugin E. eine vereinbarte Pauschale von 1.600,00 DM mitgeteilt worden sei. Das Gegenteil sei durch die Beweisaufnahme vom 30. August 2000 bewiesen, da der Zeugin E. zwar ein Gespräch wegen der Preisfrage erinnerlich gewesen sei, sie aber nicht habe bestätigen können, dass dieses Gespräch mit einem Mitarbeiter der Klägerin geführt worden sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Für den durchgeführten Krankentransport am 13. Dezember 1996 hat die Klägerin gegen die Beklagte keinen Vergütungsanspruch über die bereits gezahlten 1.600,00 DM hinaus.

Der Sozialrechtsweg ist für den vorliegenden Streit gegeben. Der Beschluss des Amtsgerichts Marburg, mit dem die Sache im Rechtsweg an die Sozialgerichtsbarkeit verwiesen worden ist, ist gemäß § 17 a Abs. 2 Gerichtsverfassungsgesetz bindend.

Für das Begehren der Klägerin gibt es keine Anspruchsgrundlage. Sie hat weder aus Vertrag noch aus sonstigem Recht einen Anspruch auf Zahlung der geltend gemachten Vergütung für den durchgeführten Krankentransport der Versicherten der Beklagten.

§ 133 Abs. 1 SGB V scheidet als Anspruchsgrundlage aus. Nach dieser Vorschrift schließen die Krankenkassen oder ihre Verbände - vorbehaltlich abweichender Bestimmung des Landesrechts - Verträge über die Vergütung von Leistungen des Rettungsdienstes und über das Entgelt für andere Krankentransporte mit dafür geeigneten Einrichtungen oder Unternehmen. Ein derartiger Vertrag besteht - was die Klägerin einräumt - zwischen ihr und der Beklagten nicht.

Ein Vergütungsanspruch der Klägerin folgt auch nicht aus § 60 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach übernimmt die Krankenkasse die Kosten für Fahrten einschließlich der Krankentransporte nach § 133 SGB V (Fahrtkosten), wenn sie im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse notwendig sind. Diese Vorschrift begründet keinen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin, sondern konkretisiert das krankenversicherungsrechtliche Sachleistungsprinzip, welches nur im Verhältnis zwischen der Krankenkasse und dem Versicherten Bedeutung hat. Es beschreibt lediglich die Art und Weise, wie eine Leistung von dem Versicherten gegenüber der Krankenkasse beansprucht werden kann und wie sie von dieser gegenüber den Versicherten zu erbringen ist. Der Leistungserbringer (also die Klägerin) ist an dieser Rechtsbeziehung aber nicht beteiligt. Er kann aus dem Sachleistungsprinzip erst über die zur Ausführung dieses Prinzips, als über die zur Sicherstellung des Versorgungsauftrags der Krankenkassen abzuschließenden Versorgungsverträge (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB V) Rechte und Pflichten gegenüber den Krankenkassen ableiten. Fehlen derartige Verträge, kann der Leistungserbringer seinen Vergütungsanspruch nicht gegen die Krankenkasse, sondern allenfalls gegen die Versicherten selbst geltend machen, auch wenn für die erbrachte konkrete Leistung das Sachleistungsprinzip gilt (BSG, SozR 3 - 2500, § 60 Nr. 4).

Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine einzelvertragliche Abrede zwischen ihr und der Beklagten berufen. Die Beklagte hat die Klägerin mit der Durchführung des Krankentransports nicht direkt beauftragt. Insoweit kommt lediglich der Abschluss eines entsprechenden Beförderungsvertrags durch das Handeln des Zeugen D. als Vertreter der Beklagten in Betracht. Denn der Krankenhausarzt entscheidet über Notwendigkeit und Art der Beförderung von Patienten und schließt insoweit als Vertreter der Krankenkasse den Beförderungsvertrag mit dem Krankentransportunternehmen. Auch ohne ausdrückliche vertragliche Vereinbarungen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse kann deshalb nach den Grundsätzen der Duldungs- oder Anscheinsvollmacht der Krankenhausarzt wirksam bevollmächtigt sein (BSG, SozR 3 - 2500, § 60 Nr. 6). Die Frage einer Bevollmächtigung durch schlüssiges Verhalten kann im vorliegenden Fall indes dahinstehen; denn dem Zeugen D. war durch die Zeugin E. die erforderliche Vertretungsmacht ausdrücklich übertragen worden, allerdings beschränkt auf den vereinbarten Vertrag von 1.600,00 DM. Für ein darüber hinausgehendes Vertragsangebot fehlte dem Zeugen D. die Vertretungsmacht, weshalb eine Vergütungspflicht der Beklagten über den gezahlten Betrag von 1.600,00 DM hinaus nicht entstanden ist.

Schließlich scheidet ein Vergütungsanspruch der Klägerin aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag aus, weil die öffentlich-rechtliche Regelung des § 133 SGB V eine abschließende Regelung auch für den Fall enthält, dass keine Verträge über die Entgelte für Krankentransportleistungen abgeschlossen worden sind (BSG, SozR 3 - 2500, § 60 Nr. 4). Im Übrigen fehlt es vorliegend bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag, da die Durchführung des streitigen Krankenstransports durch die Klägerin weder dem wirklichen noch dem mutmaßlichen Willen der Beklagten entsprach (§ 683 BGB). Denn die Beklagte war nicht bereit, für den Transport mehr als 1.600,00 DM auszugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2003, B 3 KR 39/02 R; BSG, SozR 3 - 2500, § 116 Nr. 24). Als unterliegende Partei hat die Klägerin der Beklagten die evtl. entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. § 193 Abs. 4 Satz 1 SGG a.F., der öffentlich-rechtliche Körperschaften von der Erstattung außergerichtlicher Kosten ausnimmt, gilt nicht für Rechtsstreitigkeiten nach § 116 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 4 der Rechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO). Das betrifft den vorliegenden Fall, weil es sich um eine Streitigkeit zwischen einem Leistungserbringer nach dem SGB V und einem Versicherungsträger handelt. Der Senat konnte insoweit die Kostenentscheidung des Sozialgerichts auch abändern, obwohl nur die damit nicht belastete Klägerin Berufung eingelegt hat. Denn die Kostenentscheidung nach § 193 SGG ist nicht auf die einzelne Instanz beschränkt. Sie hat insgesamt von Amts wegen zu ergehen, weshalb das Verbot der reformatio in peius nicht gilt (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 7. Auflage, § 193 Rdnr. 16 m.w.N.).

Gründe für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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