L 2 R 400/13

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 10 R 78/11
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 400/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 114/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Bestimmung, welche der anerkannten Zeiten der schulischen Ausbildung der Höchstdauer nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI unterliegen, richtet sich nach § 122 Abs. 3 SGB VI. Die danach gebotene Berücksichtigung der am weitesten zurückliegenden Kalendermonate gilt auch für solche Zeiten der schulischen Ausbildung, die mit Zeiten einer freiwilligen Beitragszahlung zusammentreffen.

2. Eine teleologische Reduktion des Wortlauts des § 122 Abs. 3 SGB VI im Falle eines Zusammentreffens von Zeiten der schulischen Ausbildung und Zeiten freiwilliger Beitragszahlungen ergibt sich weder aus den Gesetzesmaterialien noch aus systematischen Erwägungen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 30. August 2013 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die rentenrechtliche Berücksichtigung von Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung für die Zeiträume vom 1. April 1977 bis 31. Dezember 1979 sowie vom 1. Mai bis 31. Dezember 1981.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2002 bewilligte die Beklagte 1948 geborenen Kläger eine unbefristete Rente wegen Erwerbsunfähigkeit beginnend ab dem 1. Dezember 1999. Dabei legte die Beklagte zunächst Zeiten der schulischen Ausbildung vom 15. Dezember 1964 bis 19. Juni 1967, d.h. in einem Umfang von 31 Monaten, zugrunde. Mit Bescheid vom 29. Mai 2002 erfolgte eine Neuberechnung der Rente wegen Änderungen im Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnis. Mit Bescheid vom 26. Juni 2006 erfolgte eine Neufeststellung unter erstmaliger Berücksichtigung von in Luxemburg zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten des Klägers. Der enthaltene Versicherungsverlauf wies nunmehr Zeiten der Schulausbildung lediglich im Zeitraum vom 15. Dezember 1965 bis 19. Juni 1967 (19 Monate) auf. Dementsprechend hob ein Vormerkungsbescheid vom 20. Mai 2008 einen ursprünglichen Vormerkungsbescheid vom 17. Februar 1978 hinsichtlich der Zeiten schulischer Ausbildung vom 15. Dezember 1964 bis 15. Dezember 1965 (d.h. die Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres) auf.

Mit Schreiben vom 13. Februar 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten erstmals die Berücksichtigung weiterer Schul- und Hochschulzeiten. Mit Übersendung eines Versicherungsverlaufs teilte die Beklagte dem Kläger daraufhin mit, dass Schulzeiten bereits vom 15. Dezember 1965 bis zum 19. Juni 1967 berücksichtigt würden. Ausweislich des Versicherungsverlaufs waren in der Folgezeit ab Juli 1967 zahlreiche Monate mit freiwilligen Beiträgen belegt (u.a. Juli 1967 bis März 1971, Oktober 1971 bis März 1972, Januar 1980 bis April 1987).

Mit Bescheid vom 28. April 2009 lehnte die Beklagte die Vormerkung der Zeit vom 16. November 1997 bis 30. September 2006 als Anrechnungszeit ab, da sie nach Ablegung der Abschlussprüfung zurückgelegt worden sei. In welchem Umfang die Zeiten einer schulischen Ausbildung als Anrechnungszeiten anerkannt werden könnten, sei erst im Leistungsfall zu entscheiden. Bestandteil des Bescheides war ein Versicherungsverlauf, der durchgehend die Zeiträume vom 1. Oktober 1967 bis 30. September 1991 (d.h. u.a. auch für die hier streitigen Zeiträume vom 1. April 1977 bis 31. Dezember 1979 sowie vom 1. Mai bis 31. Dezember 1981) sowie vom 18. Oktober 1993 bis 15. November 1997 als Zeiten der Hochschulausbildung auswies. Zugleich wurde eine Probeberechnung für die Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen auf der Grundlage eines Rentenbeginns am 1. Januar 2009 vorgelegt. Im beiliegenden Versicherungsverlauf wurden Zeiten der Hochschulausbildung ab März 1974 bei der Rentenberechnung nicht mehr berücksichtigt, da die Höchstdauer überschritten sei.

Mit Schreiben vom 30. April 2009 beantragte der Kläger sinngemäß eine Altersrente und zugleich die Neuberechnung der bisherigen Erwerbsunfähigkeitsrente unter Berücksichtigung der anerkannten Anrechnungszeit.

Die Beklagte legte das Schreiben als Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X hinsichtlich des Bewilligungsbescheides vom 28. Februar 2002 aus und lehnte mit Bescheid vom 12. Mai 2009 die Neufeststellung der Erwerbsunfähigkeitsrente zunächst ab. Zur Begründung gab sie an, die neu festgestellten Anrechnungszeiten würden sich nicht rentensteigernd auswirken. Anhand der durchgeführten Probeberechnung sei der Zahlbetrag nach Berücksichtigung aller Beitrags- und Anrechnungszeiten geringer als der bislang ausgezahlte Rentenbetrag. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 25. Mai 2009 Widerspruch ein mit der Bitte um eine nachvollziehbare Berechnung durch die Beklagte.

Mit Bescheid vom 11. Juni 2009 stellte die Beklagte daraufhin die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers neu fest. Der zugehörige Versicherungsverlauf wies dabei insgesamt 350 Monate an Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung aus. Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 8. Juli 2009 gegen den Bescheid vom 11. Juni 2009, woraufhin die Beklagte ergänzend ausführte, die Höchstgrenze von 96 Monaten der berücksichtigungsfähigen Ausbildungszeiten sei bereits am 30. November 1973 erreicht worden. Danach liegende Ausbildungszeiten könnten nicht berücksichtigt werden. Dass im Zeitraum bis 1973 viele Ausbildungszeiten von anderen rentenrechtlichen Zeiten verdrängt würden, spiele bei der Bestimmung des berücksichtigungsfähigen Zeitraums keine Rolle.

Mit Schreiben vom 22. Juli 2009 beantragte der Kläger daraufhin erneut, die Ausbildungszeiten zwischen April 1977 und Dezember 1982 als Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung rentensteigernd zu berücksichtigen und bat um eine andere Verteilung der berücksichtigten Anrechnungszeiten innerhalb der Höchstgrenze, damit sämtliche Ausbildungszeiten berücksichtigt würden. Dies lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 3. August 2009 unter Hinweis auf § 122 Abs. 3 SGB VI ab, der die Anrechnung der am weitesten zurückliegenden Kalendermonate vorschreibe. Für die Höchstdauer seien auch die Kalendermonate zu berücksichtigen, in denen neben der Ausbildungsanrechnungszeit eine Beitragszeit liege. Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 12. Februar 2010 daraufhin auf, einen Feststellungsbescheid bezüglich der Anerkennung von Hochschulausbildungszeiten begrenzt auf den Zeitraum vom 1. April 1977 bis 31. Dezember 1979 sowie vom 1. Mai bis 31. Dezember 1981 zu erteilen und andere Hochschulzeiten nicht zu bescheiden. Es werde die Anerkennung von Ausbildungszeiten rentensteigernd beantragt. Hätte er gewusst, dass diese Zeiten zu einer Rentenminderung führen würden, hätte er sie verschwiegen. Daher müsse er nun auch das Recht haben, dass solche Zeiten von der Beklagten nicht berücksichtigt würden, die zu einer Minderung seines Anspruchs führten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Überprüfungsbescheid vom 12. Mai 2009 mit der Begründung zurück, die Beklagte habe die streitigen Zeiten als Anrechnungszeiten wegen Hochschulausbildung dem Grunde nach anerkannt. In welchem Maße die Anrechnungszeiten bei einer Rentenberechnung anerkannt würden, hänge davon ab, ob die für die Rentenberechnung zur Verfügung stehende Menge an Kalendermonaten mit Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung bereits ausgeschöpft sei. Der Kläger beziehe seit dem 1. Dezember 1999 eine Rente, weshalb die Rechtslage in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1999 maßgeblich sei. Aufgrund der Übergangsvorschrift des § 252 Abs. 4 SGB VI sei für die vor dem 1. Januar 2000 beginnende Rente des Klägers noch die Berücksichtigung von 46 Monaten mit Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung möglich. Wenn die Höchstmenge von 46 Monaten überschritten sei, so seien nach § 122 Abs. 3 SGB VI die am weitesten zurückliegenden Monate zu berücksichtigen. Beim Kläger sei am 31. Dezember 1969 die Höchstgrenze von 46 Monaten Anrechnungszeit wegen schulischer Ausbildung erreicht, so dass danach liegende Zeiten nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 9. Februar 2011 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main mit der Begründung, die Beklagte habe bei der Berechnung der 46 Monate anerkennungswürdiger Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung diejenigen Monate auszunehmen, die bereits mit freiwilligen Beiträgen des Klägers belegt seien. Dies gelte für die Zeit ab dem 1. Juli 1967. Die Berechnung der belegungsfähigen Zeiten von 46 Monaten könne erst dann einsetzen, wenn die freiwillige Beitragsleistung für Zeiten, die gleichzeitig Hochschulzeiten gewesen seien, beendet sei. Ansonsten würden die Versicherten, die in diesen Zeiten freiwillige Beiträge leisteten, willkürlich benachteiligt.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 30. August 2013 abgewiesen und sich im Wesentlichen nach § 136 Abs. 3 SGG der Begründung des Widerspruchsbescheides angeschlossen. Ergänzend führte es aus, eine willkürliche Behandlung des Klägers sei nicht ersichtlich. Es liege im Verantwortungsbereich des Klägers, dass er seinerzeit für Zeiten der Schul- und Hochschulausbildung freiwillige Beiträge (nach-)entrichtet habe und die Beklagte nicht bereits damals, sondern erst 2009 über die diversen Ausbildungszeiten informiert habe.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 23. September 2013 zugestellte Urteil legte der Kläger am 2. Oktober 2013 Berufung vor dem Hessischen Landessozialgericht ein.

Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 30. August 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2011 zu verpflichten, den Bescheid vom 28. Februar 2002, geändert durch Neufeststellungsbescheide vom 29. Mai 2002, 26. Juni 2006 und 11. Juni 2009, insoweit abzuändern, als dass hierin die Zeiten vom 1. April 1977 bis 31. Dezember 1979 sowie vom 1. Mai bis 31. Dezember 1981 als Anrechnungszeiten rentensteigernd berücksichtigt werden.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Statthaft für das von der Klägerin verfolgte Überprüfungsbegehren ist die kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1 und 4 i. V. m. § 56 SGG (vgl. BSG Urteil vom 19. April 2011 - B 13 R 8/11 R m.w.N.).

Der Bewilligungsbescheid der Beklagten vom 28. Februar 2002 ist in dem Zeitpunkt für die Beteiligten bindend geworden, in dem die einmonatige Widerspruchsfrist abgelaufen war (§ 84 i.V.m. § 77 SGG). Unter welchen gesetzlichen Voraussetzungen ein nach Maßgabe von § 77 SGG in der Sache bindend gewordener Verwaltungsakt aufgehoben werden kann, ist in den Vorschriften der §§ 44 ff. SGB X geregelt, wobei vorliegend allein eine Rücknahme des Ablehnungsbescheides auf der Grundlage des § 44 SGB X in Betracht kommt.

Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit nur zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, denn bei Erlass des Bescheides vom 28. Februar 2002 ist die Beklagte weder von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, noch hat sie das Recht unrichtig angewandt.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Rentenleistung aufgrund der Berücksichtigung weiterer Zeiten der schulischen Ausbildung vom 1. April 1977 bis 31. Dezember 1979 sowie vom 1. Mai bis 31. Dezember 1981.

Die Höhe einer Rente richtet sich nach § 63 Abs. 1 SGB VI allgemein vor allem nach der Höhe der während des Versicherungslebens durch Beiträge versicherten Arbeitsentgelte und Arbeitseinkommen. Der konkrete Rentenanspruch richtet sich nach § 64 SGB VI. Danach ergibt sich der Monatsbetrag der Rente, indem die unter Berücksichtigung des Zugangsfaktors ermittelten persönlichen Entgeltpunkte, der Rentenartfaktor und der aktuelle Rentenwert mit ihrem Wert bei Rentenbeginn miteinander vervielfältigt werden. Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Berücksichtigung von Zugangsfaktor, Rentenartfaktor und den jeweiligen Rentenwerten sind nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht geltend gemacht worden.

Auch die Ermittlung der persönlichen Entgeltpunkte des Klägers ist nicht zu beanstanden. Insbesondere waren die Zeiten vom 1. April 1977 bis 31. Dezember 1979 sowie vom 1. Mai bis 31. Dezember 1981 nicht mehr als rentenrechtliche Zeiten rentenerhöhend zu berücksichtigen.

Gemäß § 66 Abs. 1 SGB VI ergeben sich die persönlichen Entgeltpunkte für die Ermittlung des Monatsbetrags der Rente aus der Summe aller Entgeltpunkt für u.a. Beitragszeiten, beitragsfreie Zeiten und ggfs. einschlägigen Zuschlägen, insbesondere für beitragsgeminderte Zeiten.

Beitragszeiten sind nach § 55 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Beitragsgeminderte Zeiten sind nach § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB VI Kalendermonate, die sowohl mit Beitragszeiten als auch Anrechnungszeiten, einer Zurechnungszeit oder Ersatzzeiten (Fünftes Kapitel) belegt sind. Beitragsfreie Zeiten sind Kalendermonate, die mit Anrechnungszeiten, mit einer Zurechnungszeit oder mit Ersatzzeiten belegt sind, wenn für sie nicht auch Beiträge gezahlt worden sind (§ 54 Abs. 4 SGB VI).

Anrechnungszeiten sind u.a. gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI in der ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung Zeiten, in denen Versicherte nach dem vollendeten 17. Lebensjahr eine Schule, Fachschule oder Hochschule besucht oder an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme teilgenommen haben (Zeiten einer schulischen Ausbildung), insgesamt jedoch höchstens bis zu acht Jahren. Dagegen war die Höchstdauer der Zeiten einer schulischen Ausbildung in der vom 1. Januar 1997 bis zum 31. Dezember 2001, d.h. auch zum Rentenbeginn des Klägers am 1. Dezember 1999, gültigen Fassung des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI noch auf höchstens bis zu drei Jahren beschränkt.

Bestand Anspruch auf Leistung einer Rente vor dem Zeitpunkt einer Änderung rentenrechtlicher Vorschriften, werden aus Anlass einer Rechtsänderung die einer Rente zugrunde gelegten persönlichen Entgeltpunkte nach § 306 Abs. 1 SGB VI grundsätzlich nicht neu bestimmt. Der Anspruch des Klägers auf die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit begann bereits am 1. Dezember 1999, so dass grundsätzlich von einer Höchstdauer von drei Jahren auszugehen war. Aufgrund der Sondervorschrift des § 252 Abs. 4 Satz 1 SGB VI in der zum 1. Dezember 1999 gültigen Fassung war Anrechnungszeit auch die Zeit, in der Versicherte nach dem vollendeten 16. Lebensjahr
1. eine Schule besucht oder eine Fachschule oder Hochschule besucht und abgeschlossen haben, höchstens 84 Monate oder
2. vor dem 1. Januar 1992 eine Schule besucht oder eine Fachschule oder Hochschule besucht und abgeschlossen haben, jedoch die Zeit des Schulbesuchs oder Fachschulbesuchs höchstens bis zu vier Jahren und die Zeit des Hochschulbesuchs höchstens bis zu fünf Jahren, insgesamt höchstens 132 Monate,
soweit die Höchstdauer für Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung von drei Jahren überschritten ist. Nach Satz 3 der Vorschrift war die so ermittelte längere Zeit um Zeiten vor Vollendung des 17. Lebensjahres zu mindern und in Abhängigkeit vom Beginn der Rente in dem sich aus Anlage 18 ergebenden Umfang in vollen Monaten berücksichtigt, wobei die am weitesten zurückliegenden Kalendermonate nach dem vollendeten 17. Lebensjahr vorrangig berücksichtigt werden. Dies ergibt für den Kläger zwischen den Beteiligten unstreitig - statt 36 Monaten eine Höchstdauer für Zeiten einer schulischen Ausbildung von insgesamt 46 Monaten.

Die Beklagte hat die vom Kläger angegebenen Zeiten einer schulischen Ausbildung (Schul- und Hochschulausbildung) in einem Umfang von insgesamt 350 Monaten dem Grunde nach anerkannt. Dies umfasst im Einzelnen die Zeiträume vom 15. Dezember 1965 bis 31. Dezember 1965 (Schulausbildung) sowie vom 1. Oktober 1967 bis 30. September 1991 und 18. Oktober 1993 bis 15. November 1997 (Hochschulausbildung).

Die Beklagte hat darüber hinaus die Zeiten vom 1. Oktober 1967 bis 31. März 1971, 1. Oktober 1971 bis 31. März 1972, 1. Januar 1980 bis 30. April 1981, 1. Januar 1982 bis 28. Februar 1982, 1. Januar 1984 bis 30. April 1987, 1. bis 30. September 1991 sowie vom 13. Oktober 1993 bis 15. November 1997, für die sowohl Zeiten der schulischen Ausbildung vorgemerkt als auch freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet wurden, grundsätzlich als beitragsgeminderte Zeiten nach § 54 Abs. 3 Satz 1 SGB VI zu behandeln, da in dieser Zeit Anrechnungszeit und Beitragszeit zusammentreffen. Eine kumulative Berücksichtigung von Entgeltpunkten für Ausbildungs-Anrechnungszeiten und die parallel geleisteten freiwilligen Beiträge findet dabei nicht statt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 11. Dezember 2002, L 1 RA 64/00, juris Rn. 20).

Die Zuordnung als die rentenrechtlichen Zeiten im Sinne des § 54 SGB VI hat keinen Einfluss auf die Bestimmung eines Zeitraums als Anrechnungszeit. Das Vorliegen einer Anrechnungszeit bzw. einer Zurechnungs- oder Ersatzzeit wird in § 54 Abs. 3, 4 SGB VI vorausgesetzt, unabhängig davon, ob zugleich eine Beitragszeit vorliegt (Abs. 3) oder nicht (Abs. 4).

Das Vorliegen einer Anrechnungszeit ist auch nicht bereits tatbestandlich durch das gleichzeitige Vorliegen freiwilliger Beitragszahlungen ausgeschlossen. Insbesondere fehlt eine vergleichbare Vorschrift zu § 58 Abs. 4a SGB VI, der den Fall des Zusammentreffens von Zeiten der schulischen Ausbildung und einer versicherten Beschäftigung oder Tätigkeit regelt. Dabei werden Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung tatbestandlich auf solche Zeiten beschränkt, in denen der Zeitaufwand für die schulische Ausbildung den Zeitaufwand für die Beschäftigung oder Tätigkeit überwiegt. Sinn und Zweck der Vorschrift ist die Vermeidung einer Benachteiligung von Versicherten, deren Pflichtbeitragszahlungen wegen der parallelen Anrechnungszeit lediglich als beitragsgeminderte Zeit berücksichtigt werden könnten (z.B. bei einem Fernstudium oder Besuch einer Abendschule bei gleichzeitiger Vollzeitbeschäftigung, vgl. BT-Drs. 13/2950, S. 24; BT-Drs. 14/4375, S. 53). Der Gesetzgeber hat eine entsprechende Vorschrift für das Konkurrenzverhältnis von Zeiten schulischer Ausbildung und freiwilliger Beitragszahlung nicht eingeführt. Anhaltspunkte für eine analoge Anwendung des § 58 Abs. 4a SGB VI, insbesondere eine planwidrige Regelungslücke, liegen nicht vor. Dies gilt schon deshalb, weil der Versicherte eine lediglich freiwillige Beitragszahlung jederzeit beenden könnte. Eine vom Kläger geltend gemachte willkürliche Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) scheitert bereits an diesem sachlichen Grund.

Die Zeiten vom 1. April 1977 bis 31. Dezember 1979 sowie vom 1. Mai bis 31. Dezember 1981 sind wegen Überschreitung der Höchstdauer nicht als Anrechnungszeiten bei der Rentenberechnung durch die Beklagte zu berücksichtigen.

Die dem Grunde nach anerkannten Zeiten der schulischen Ausbildung des Klägers von 350 Monaten überschreiten die Höchstgrenze von 46 Monaten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Höchstdauer Tatbestandsmerkmal einer Anrechnungszeit nach § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI ist (so der 5. Senat des BSG, Beschluss vom 25. November 2008, B 5 KN 1/07 R) oder nur eine Anrechnungs- und Bewertungsvoraussetzung darstellt (so der 4. Senat des BSG, Urteil vom 18. Oktober 2005, B 4 RA 43/03 R, m.w.N.). Welche der anerkannten Zeiten der schulischen Ausbildung als Anrechnungszeit von der Beklagten zu berücksichtigen sind, ergibt sich aus § 122 Abs. 3 SGB VI. Die Vorschrift sieht vor, dass für den Fall, dass Zeiten bis zu einer Höchstdauer zu berücksichtigen sind, wie dies in § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB VI der Fall ist, zunächst die am weitesten zurückliegenden Kalendermonate berücksichtigt werden.

Zur Überzeugung des Senates sind dabei auch die Zeiten, in denen Zeiten der schulischen Ausbildung mit freiwilliger Beitragszahlung zusammentreffen, im Rahmen der Höchstdauer zu berücksichtigen.

In der Literatur wird zum Teil vertreten, dass die zeitliche Limitierung des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI im Rahmen des § 122 Abs. 3 SGB VI nur die als Anrechnungszeit zu berücksichtigende Ausbildungszeit umfasst, die sich nicht mit einer Beitragszeit überschneidet (Fichte, in: Hauck/Noftz, SGB VI, § 122, Rn. 13; darauf bezugnehmend Dankelmann, in: jurisPK-SGB VI, 2. Aufl., § 122, Rn. 42). Werde die Ausbildungszeit danach bereits als Beitragszeit berücksichtigt, so unterfalle die auf diese Beitragszeit entfallende Ausbildungszeit nicht der Höchstdauer. Zur Begründung wird angeführt, dies entspreche dem Gedanken, dass die Limitierung der Berücksichtigung von Anrechnungszeiten dem Interesse der Versichertengemeinschaft an der Begrenzung der Übernahme beitragsfreier Zeiten Rechnung tragen solle. Einer solchen Limitierung fehle jedoch die rechtfertigende Grundlage, wenn die Ausbildungszeit bereits als Beitragszeit anrechenbar sei.

Dem vermag der Senat nur insoweit zu folgen, als dass für Zeiten der schulischen Ausbildung, in denen zugleich eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wird und insofern Pflichtbeiträge geleistet werden, § 58 Abs. 4a SGB VI Anwendung findet, der je nach Zeitaufwand eine Anrechnungszeit bereits tatbestandlich auszuschließen vermag. Sofern nach § 58 Abs. 4 SGB VI keine Anrechnungszeit vorliegt, ist diese Ausbildungszeit dementsprechend nicht auf die Höchstdauer des § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI anzurechnen. Weder dem Wortlaut des § 58 SGB VI noch des § 122 SGB VI sind jedoch darüber hinausgehend zu entnehmen, dass Ausbildungszeiten, die nach § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI auch unter Berücksichtigung des § 54 Abs. 4a SGB VI tatbestandlich als Anrechnungszeiten einzuordnen sind, bei Zusammentreffen mit Beitragszeiten (d.h. Zeiten mit vollwertigen Beiträgen oder beitragsgeminderten Zeiten) nicht der Höchstdauer unterliegen.

Den Gesetzesmaterialien zu § 122 Abs. 3 SGB VI lässt sich eine entsprechende Ausnahme für bestimmte Anrechnungszeiten ebenfalls nicht entnehmen. Dort heißt es vielmehr, es werde "eindeutig bestimmt, dass bei einer zeitlich begrenzten Berücksichtigung von Zeiten die Kalendermonate in der Anfangszeit von Bedeutung sind" (BT-Drs. 11/4124, S. 180). Eine entsprechende Höchstgrenze der Anrechnungszeit bei schulischer Ausbildung sah § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI bei Inkrafttreten des § 122 Abs. 3 SGB VI seinerzeit bereits vor, ohne dass der Gesetzgeber dies zum Anlass genommen hätte, eine entsprechende Ausnahme zu formulieren. Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 122 Abs. 3 SGB VI planwidrig zu weit gefasst hätte, wie es für eine teleologische Reduktion des nach dem klaren Wortlaut eröffneten Anwendungsbereichs einer Norm unter Beachtung der Bindung von Verwaltung und Gerichten an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) erforderlich ist (vgl. BSG, Beschluss vom 17. April 2012, B 13 R 347/10 B, juris Rn. 11, unter Bezugnahme auf BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. September 2011, 2 BvR 2216/06), ergeben sich jedenfalls nicht.

Im Rahmen der übergangsrechtlich nach § 252 Abs. 4 SGB VI i.V.m. Anlage 18 (in der zum 1. Dezember 1999 gültigen Fassung) von der Beklagten berücksichtigten Verlängerung der grundsätzlichen Höchstdauer von Zeiten der schulischen Ausbildung von drei Jahren, hier durch Berücksichtigung weiterer 10 Monate, sah § 252 Abs. 4 Satz 3 SGB VI ebenfalls ausdrücklich vor, dass nach Berechnung der Anzahl der zusätzlichen Anrechnungszeit die am weitesten zurückliegenden Kalendermonate nach dem vollendeten 17. Lebensjahr vorrangig berücksichtigt werden. Auch diese im Gegensatz zu § 122 SGB VI allein auf Anrechnungszeiten wegen Zeiten schulischer Ausbildung anwendbare Vorschrift sieht damit ebenfalls die Berücksichtigung der ältesten Anrechnungszeiten vor, ohne eine Ausnahme für das Zusammentreffen mit Beitragszeiten vorzusehen.

Vor diesem Hintergrund enden die von der Beklagten zu berücksichtigenden Anrechnungszeiten des Klägers wegen Zeiten der schulischen Ausbildung nach den 46 am weitesten zurückliegenden Kalendermonaten, d.h. zum 31. Dezember 1969. Die danach folgenden Zeiten der schulischen Ausbildung, d.h. auch die Zeiten vom 1. April 1977 bis 31. Dezember 1979 sowie vom 1. Mai bis 31. Dezember 1981, sind von der Beklagten nicht zu berücksichtigen.

Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG fehlt.
Rechtskraft
Aus
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