L 4 KA 31/12

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 11 KA 626/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KA 31/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 17/14 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 21. März 2012 geändert. Die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis I/06 werden aufgehoben, soweit damit die probatorischen Sitzungen (GO Nr. 35150 EBM plus) innerhalb des Regelleistungsvolumens (RLV) nicht mindestens mit einem oberen Punktwert von 2,56 Cent vergütet werden. Die Beklagte wird insoweit zur Neubescheidung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats verpflichtet. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen haben der Kläger und die Beklagte jeweils zur Hälfte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Punktwertes für probatorische Sitzungen in den Quartalen II/05 bis I/06.

Der Kläger nimmt als psychologischer Psychotherapeut mit Praxissitz in A-Stadt an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er gehört der Honoraruntergruppe 2.25 an. In den streitgegenständlichen Quartalen ergaben sich aus den von der Beklagten erlassenen Honorarbescheiden ursprünglich folgende Abrechnungswerte:

II/05 III/05 IV/05 I/06
Abgerechnetes Honorarvolumen – in Punkten 110.735,0 102.260 160.230,0 124.950,0
Praxisbezogenes
RLV (PK + EK) 47.463,04 51.175,0 57.507,0 52.226,4 RLV-Fallzahl 43 48 52 45
Rechnerischer Fallpunktwert (in Punkten) 1.103,8 1.112,5 1.106,0 1.111,2
Überschreitung RLV 63.271,6 51.085,0 102.718,0 72.723,6

Honoraranforderung oberer Pw (PK – in Punkten) 21.377,5 15.741,4 31.614,3 29.116,2
Honraranforderung oberer Pw (EK – in Punkten) 36.085,8 35.433,5 25.897,6 23.110,1
Honoraranforderung unterer Pw (PK – in Punkten) 28.497,5 15.718,6 56.470,7 40.538,8
Honoraranforderung unterer PW (EK – in Punkten) 34.777,2 35.366,5 46.247,4 32.184,9
Psychotherapie zum festen Pw (PK – in Punkten) 174.915,0 156.975,0 130.065,0 139.035,0
Psychotherapie zum festen Pw (EK – in Punkten) 91.195,0 131.560,0 206.310,0 191.360,0

Honorar oberer Pw (PK) – in EUR 420,06 314,05 634,82 390,16
Honrar oberer Pw (EK) – in EUR 555,63 774,93 559,64 362,13
Honorar unterer Pw (PK) – in EUR 137,86 49,50 229,98 96,79
Honorar unterer PW (EK) – in EUR 169,59 112,26 189,87 77,48
Honorar Psychotherapie zum festen Pw (PK) – in EUR 8.168,56 7.330,75 6.074,04 6.492,95
Honorar Psychotherapie zum festen Pw (EK) – in EUR 4.286,18 6.183,32 9.696,58 8.993,93
Auffüllbetrag gem. 7.5 HVV – in EUR 1.719,15 307,90 1.265,29 293,64
Nettohonorar – in EUR 14.993,45 14.626,23 17.806,98 15.957,94

Fallzahl (gesamt) 43 48 52 47
Anzahl Probatorische Sitzungen (GO-Nr. 35150) 53 41 78 51

Der Kläger legte jeweils Widersprüche gegen die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis IV/08 ein. Mit Schreiben vom 11. April 2010 konkretisierte er seine Widerspruchsbegründung dahingehend, dass das BSG in seiner Entscheidung vom 28. Mai 2008, Az.: B 6 KA 9/07 R, für den Geltungszeitraum der Regelleistungsvolumina in Hessen einen Mindestpunktwert vorgegeben habe, der jedoch seitens der Beklagten regelmäßig unterschritten worden sei.

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2010 beschränkt auf die Quartale II/05 bis I/06 und beschränkt auf die Frage des Punktwertes für probatorische Sitzungen zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Höhe des Punktwertes für probatorische Sitzungen in den Quartalen II/05 bis I/06 nicht zu beanstanden sei. Eine Stützungsverpflichtung sei auf Grund der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses nur für die antrags- und genehmigungspflichtigen Leistungen gegeben, so dass alle übrigen Leistungen mit den Quoten der Punktwerte der jeweiligen Honorargruppe zu vergüten seien. Insoweit habe auch das BSG bisher die Notwendigkeit für eine Stützung des Punktwertes für andere Leistungen ausdrücklich verneint. Hinsichtlich der Vergütung der probatorischen Sitzungen habe das BSG jedoch ausgeführt, dass diese zwar nicht mit dem Mindestpunktwert für die zeitgebundenen und genehmigungsbedürftigen Leistungen vergütet würden, aber gleichwohl unter Berücksichtigung ihrer Funktion angemessen honoriert werden müssten. Die für eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendige Mindestzahl an probatorischen Sitzungen müsse deshalb grundsätzlich so honoriert werden, dass - erforderlichenfalls nach Anwendung von Mengenbegrenzungsregelungen oder ähnlichem - jedenfalls die Hälfte des ursprünglich zur Kalkulation herangezogenen Punktwertes von 10 Pfennig (d. h. 2,56 Cent) für solche Leistungen nicht unterschritten würde. Der obere Bruttopunktwert (d. h. ohne Abzug EHV und Notdienstumlagefaktor) für probatorische Sitzungen der psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten und psychotherapeutisch tätigen Ärzten (Honorargruppe B 2.25) übersteige den vom BSG in seinen Urteilen vom 28. Mai 2010 (Az.: B 6 KA 8/07 R, B 6 KA 9/07 R und B 6 KA 10/07 R) geforderten Punktwert von 2,56 Cent. Dem Anspruch auf angemessene Vergütung der psychotherapeutischen Leistungen gemäß § 85 Abs. 4 Satz 1 - 4 SGB V sei demnach Genüge getan. Anders als die der Entscheidung des BSG vom 28. Mai 2008 zugrundeliegende Honorarverteilung für den Bereich der KV Sachsen sehe die hessische Vereinbarung zur Honorarverteilung für die Quartale II/05 - IV/05 (die bis zum Quartal I/07 fortgalt) keine Sonderregelung vor, die eine inhaltliche Überprüfung des Honorarfonds der Psychotherapeuten im Gegensatz zu den übrigen Fachgruppen explizit ausschließe. So nehme die Honorargruppe B 2.25 auch an der Stützungsregelung gemäß der Anlagen 1 und 2 zu Ziffer 7.2 des HVV teil. Teilweise übersteige der Umfang zeitgebundener genehmigungspflichtiger Leistungen die zur Verfügung stehende Geldmenge im Honorartopf der Honorargruppe B 2.25, so dass der rechnerisch zunächst Minuswerte aufgewiesen habe. Erst nach Stützung dieser Punktwerte auf 85% des mittleren Punktwertes der Fachärzte gemäß Ziffer 2.2 der Anlagen 1 und 2 zu Ziffer 7.2 HVV hätten die Punktwerte ermittelt werden können. Eine weitere Stützung des Punktwertes ginge zu Lasten der übrigen Fachgruppen des Honorarbereichs B und stelle eine unangemessene Belastung dieser Fachgruppen dar. Unberücksichtigt bleiben müsse, dass der Punktwert durch den Bedarf für die Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 HVV gemindert werde. Der Bedarf für diese Regelung sei von allen an der Honorarverteilung Beteiligten gleichsam zu tragen, da hierdurch unerwünschte Effekte der Einführung des EBM 2000plus kompensiert würden. Dieser Kompensierungseffekt komme auch dem Kläger in den Quartalen II/05 und IV/05 zugute. Weiterhin müsse unberücksichtigt bleiben, dass im Rahmen der praxisindividuellen Regelleistungsvolumens Ziffer 6.3 HVV nicht alle Leistungen zum oberen Punktwert vergütet würden. Durch Anwendung des praxisindividuellen RLV werde der Mengenausweitung innerhalb der Fachgruppe entgegengewirkt, die zu einem weiteren Punktwertabfall führen würde. Darüber hinaus sei anzumerken, dass die im Regelleistungsvolumen zugrunde zu legenden Fallpunktzahlen gemäß den Bestimmungen des HVV nach Arzt-/Fachgruppen differenziert seien und insoweit das besondere Leistungsspektrum der jeweiligen Arzt-/Fachgruppe bereits berücksichtigten. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass in der Arztrechnung dargestellte Quoten und Punktwerte den Abzug für den Honorarbereich C bereits enthielten. Diesbezüglich werde auf das Urteil des SG Marburg vom 31. März 2010 (Az.: S 11 KA 689/08 ZVW) verwiesen, in dem das Gericht festgestellt habe, dass im Rahmen der Berechnung des Mindestpunktwertes Psychotherapie keine unzulässige Verminderung durch den Abzug eines Notdienstfaktors vorgenommen würde. Nichts anderes müsse auch für den Bereich der den Regelleistungsvolumina unterworfenen Leistungen gelten.

Hiergegen hat der Kläger am 23. Juli 2010 Klage beim Sozialgericht Marburg eingelegt.

Der Kläger hat vorgetragen, die Beklagte habe das abgerechnete Punktzahlvolumen, das über das jeweilige RLV hinausgehe, lediglich zu einem Restpunktwert, der bei ca. 1/10 des Punktwertes im RLV gelegen habe, vergütet. Diese Bestimmungen hätten zu unkalkulierbaren Verwerfungen bei der Honorierung auch der probatorischen Sitzungen geführt. Bei ihm führe die RLV-Berechnung zu inadäquaten individuellen Begrenzungen, weil wesentliche Kontingente der zur fachtherapeutischen Versorgung gehörenden Gesprächsleistungen, insbesondere der probatorischen Sitzungen, von einer nennenswerten Vergütung abgeschnitten würden. Insbesondere die probatorischen Sitzungen fielen sehr diskontinuierlich im Quartalsvergleich an und würden daher obwohl zu Einleitung jeder genehmigungspflichtigen Psychotherapie erforderlich - durch die starren Grenzen des RLV besonders häufig nur zum Restpunktwert vergütet. In allen streitgegenständlichen Quartalen erreiche der obere Punktwert laut der den Honorarbescheid beigefügten Arztrechnungen noch nicht einmal dem Mindestpunktwert von 2,56 Cent, der vom BSG für eine substanzielle Vergütung zumindest der probatorischen Sitzungen für erforderlich gehalten werde. Die Regelungssystematik der Ausgleichsregelung nach Ziffer 7.5 HVV habe zu einem Zerfall des oberen Punktwertes im RLV geführt. Die im Widerspruchsbescheid aufgestellten Berechnungen der Punktwerte stünden im Widerspruch zu den in den Arztrechnungen angegebenen Punktwerten. Die korrekten Punktwerte stellten sich vielmehr wie folgt dar:

Quartal Oberer Pw – EK in Cent Oberer Pw – PK in Cent Unterer Pw – EK in Cent Unterer Pw – PK in Cent
II/05 2,13 1,965 0,497 0,493
III/05 2,187 1,995 0,497 0,493
IV/05 2,161 2,008 0,497 0,493
I/06 1,567 1,34 0,494 0,498

Eine probatorische Sitzung werde im EBM bis 2007 mit 1.495 Punkten taxiert, während das Punktzahlgrenzvolumen je Fall bei 6- bis 59-jährigen Patienten auf 1.110 Punkte kassenartenübergreifend im HVV festgesetzt sei. Bei einem über 59-jährigen Patienten wachse der zu einem unteren Punktwert vergütete Punktzahlenanteil noch weiter. Das bedeute, dass die nächstfolgende probatorische Sitzung nur noch außerhalb des RLV komplett zu einem unteren Punktwert vergütet würde, weil das Fallpunktzahlvolumen bereits ausgeschöpft sei. Dies gelte auch für die sonstigen antragsfreien Leistungen. Sachgerechte Diagnostik, Indikationsstellung und Behandlung würden somit aufgrund mangelnder Rentabilität und wirtschaftlicher Kompensierbarkeit erschwert und die Vergütung der probatorischen Sitzungen zu dem vom BSG für erforderlich gehalten Mindestpunktwert von 2,56 Cent verfehlt. Das von ihm in den streitbefangenen Quartalen erbrachte Punktzahlvolumen der nicht genehmigungspflichtigen Leistungen, die Punktzahlmenge innerhalb und außerhalb des RLV, die nicht vergütete Punktzahlmenge nach Fallzahlquotierung und Fallzahlbegrenzung, die vergüteten Punktwerte und den kassenartenübergreifend gemittelten effektiven Punktwert pro Quartal stelle sich wie folgt dar:

II/05 III/05 I/06 I/07
Punktzahl gesamt 110.735 102.260 124.950 104.070
Davon im RLV vergütet 47.463,3 51.174,9 52.226,3 51.855,7
Vergütet außerh. RLV 62.086,8 32.627,2 35.151,2 52.214,3
Nicht vergütete Punktzahl 1.184,9 18.457,9 37.572,5 -
Prozent. Verhältnis RLV zu außerh. RLV vergütet (in %) 43:56:1 50:32:18 42:28:30 50:50
RLV-Punktwert (in Cent)* 2,46 2,091 1,45 2,277***
Abgestaffelter Punktwert (in Cent) 0,495 0,495 0,496 0,496***
Punktwert effektiv (in Cent)** 1,159 1,223 0,742 1,412
Punktzahl Probatorik 79.235 61.295 76.245 59.800
% an übrigen Leistungen 72 60 61 57

* Kassenartenübergreifender durchschnittlicher Punktwert im RLV, ermittelt aus den Angaben der KV Hessen in den den Honorarbescheiden beigefügten Arztrechnungen.
** Der Punktwert effektiv ist rechnerisch ermittelt als Durchschnittspunktwert aus dementsprechend prozentualem Punktmengen-Anteil von RLV-Punktwert, Restpunktwert, indem der Quotient aus gezahlter Vergütung und Punktzahlmenge antragsfreier Leistungen gebildet wurde.
*** Punktwerte jeweils arithmetisch gemittelt aus Punktwerten der Primär- und Ersatzkassen.

Die Ausgleichszahlungen respektiver Kürzungen wirkte sich auf die effektive Punktwerthöhe für die Vergütung der antragsfreien psychotherapeutischen Leistungen wie folgt aus:

II/05 III/05 I/06 I/07
Effektive Punktwerthöhe im RLV u. außerh. RLV (in Cent) 1,159 1,223 0,742 1,412
Effektive Punktwerthöhe nach Ausgleichszahlungen/-kürzungen (in Cent) 2,71 1,52 0,98 1,18

Die infolge von Fallwertverlusten gegenüber dem Referenzquartal des Vorjahres gewährten Ausgleichszahlungen bewirkten ausschließlich im Quartal II/05 eine nennenswerte Punktwertsteigerung oberhalb des Mindestpunktwertes von 2,56 Cent. In den Folgequartalen habe es nur geringfügige Steigerungen der Punktwerte gegeben. Mit der nicht modifizierten Anwendung des HVV und mit der entsprechenden Vergütung der probatorischen Sitzung werde eine leistungsproportionale Honorierung vorenthalten. Leistungsmengenbegrenzungen dürften nicht dazu führen, dass die Punktwerte unverhältnismäßig stark abfielen, zumindest nicht unterhalb eines höchstrichterlich für erforderlich gehaltenen Mindestniveaus der Vergütung. Die Ausgleichszahlungen, die die unerwünschten Effekte der Punktwertminderung bei der Einführung des EBM 2000plus abfedern sollten, verfehlten das Ziel der Kompensation, weil die Punktwerte mit Ausnahme des Quartals II/05 in den Folgequartalen trotz der gewährten aber unzureichenden Ausgleichszahlungen unangemessen niedrig blieben bzw. weil sogar Ausgleichskürzungen das Verfehlen einer angemessenen Vergütung der antragsfreien psychotherapeutischen Leistungen noch verstärkten. Auch wenn die Quotierung der Punktwerte für die Notdienstleistungen zulässig seien, dürften die Punktwerte zumindest der probatorischen Sitzungen nicht unter 2,56 Cent fallen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei die Festlegung der Punktwertuntergrenze nur dann sinnvoll, wenn sie nicht gleichzeitig durch Mengenbegrenzungsmaßnahmen unterlaufen werden könne. Die irrige Rechtsansicht der Beklagten führe dazu, dass durch schlichte Mengenbegrenzungsregelung der unstreitige Rechtsanspruch auf eine substanzielle Vergütung unterlaufen werden könne. Die Festlegung der Mindestzahl von probatorischen Sitzungen liege nicht im Gestaltungsspielraum der Beklagten sondern in seinem Ermessen als Psychotherapeut, der nach fachlichen und sachlichen Erwägungen eine auf die Behandlungserfordernisse eines Patienten individuell abgestimmte Entscheidung treffe. Die Beklagte könne daher nicht in die Therapiefreiheit eines Psychotherapeuten eingreifen und ihrerseits eine Mindestzahl an probatorischen Sitzungen festlegen, die für die Versorgung eines Patienten maßgeblich zu sein hätte. Im EBM seien bis zu 5 probatorische Sitzungen vor der Einleitung einer indizierten Psychotherapie abrechnungsfähig, so dass die Vergütung der erbrachten probatorischen Sitzungen auch nach Maßgabe der bundesrechtlichen Ebene bestand habe. Ob es im Einzelfall geboten sei, weniger probatorische Sitzungen abzurechnen, liege in der alleinigen Entscheidungsbefugnis des für die Versorgung eines Patienten verantwortlichen Psychotherapeuten. Im vorliegenden Verfahren entsprächen die abgerechneten probatorischen Sitzungen unzweifelhaft den jeweiligen Behandlungserfordernissen bei Patienten. Die Beklagte sei weder befugt noch befähigt, eine sachgerechte Feststellung über die Mindestzahl der im Einzelfall zu erbringenden probatorischen Sitzungen zu treffen, um von Amts wegen eine Entscheidung zur Einleitung einer Psychotherapie herbeiführen zu können.

Die Beklagte hat im Wesentlichen Bezug genommen auf die Gründe des Widerspruchsbescheides. Die maßgeblichen Punktwerte für probatorische Sitzungen stellten sich entgegen der Darstellung im Widerspruchsbescheid - ohne Abzug Notdienstumlagefaktor - wie folgt dar:

Quartal PW EK in Cent Pw PK in Cent
II/05 3,168 3,075
III/05 3,202 3,047
IV/05 3,288 3,174
I/06 3,135 2,818

Der Kläger habe keinen Anspruch auf die Vergütung aller probatorischen Sitzungen zum oberen Punktwert. Da der Kläger sein Regelleistungsvolumen überschritten habe, sei ein Teil der Leistungen zum unteren Punktwert vergütet worden. Der dargestellte Punktwert beziehe sich auf die Punktwerte ohne Abzug EHV, Notdienstumlagefaktor und Ausgleichsregelung gemäß Ziffer 7.5 VV. Die Beklagte sei nach der Rechtsprechung des SG Marburg (Hinweis auf Urteil vom 31. März 2010, S 11 KA 689/08 ZVW) zum Abzug des Notdienst-Umlage berechtigt. Überdies sei sie zu weiteren Abzügen im Rahmen der Ausgleichsregelung berechtigt, die dann zu einer Punktwertminderung führe. Hinsichtlich der Frage der Mindestzahl probatorischer Sitzungen lasse das BSG ungeregelt, was hierunter zu verstehen sei. Nach ihrer Auffassung sei hierunter nicht die Mindestzahl aller probatorischen Sitzungen zu verstehen, sondern diejenige Mindestzahl, die für eine sachgerechte therapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis erforderlich sei. Es stehe ihr insoweit ein Gestaltungsspielraum zu. Mit den vom Kläger abgerechneten probatorischen Sitzungen sei das Regelleistungsvolumen in allen Quartalen bereits überschritten gewesen:
Quartal Praxisbezogenes RLV d. Kl. Abgerechnetes Honorarvolumen d. Kl. Punktzahlvolumen probatorische Sitzungen
II/05 47.463,4 110.735,0 79.235,0
III/05 51.175,0 102.260,0 61.295,0
IV/05 57.512,0 160.230,0 116.610,0
I/06 52.226,4 124.650,0 76.245,0

Mit Urteil vom 21. März 2012 hat das Sozialgericht die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis I/06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Juni 2010 aufgehoben, soweit darin die probatorischen Sitzungen mit einem effektiven Punktwert von unter 2,56 Cent als Mittelwert vergütet werden. Es hat die Beklagte verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Gegen das ihr am 4. April 2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 3. Mai 2012 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, die Höhe des Punktwerts für die probatorischen Sitzungen in den Quartalen II/05 bis I/06 sei nicht zu beanstanden. Das Vordergericht habe sich mit § 85 Abs. 4 SGB V i. d. F. des GKV-Modernisierungsgesetzes und insbesondere mit der RLV-Systematik nicht auseinandergesetzt. Für den hier maßgeblichen Beurteilungszeitraum ab II/05 habe mit der Festlegung von Regelleistungsvolumen eine neue Regelungsstruktur gegolten. Gem. § 85 Abs. 4a SGB XI i. V. m. § 85 Abs. 4 Satz 4, 6, 7, und 8 SGB V sei der Bewertungsausschuss nicht nur für die Festlegung der Höhe der angemessenen Vergütung je Zeiteinheit für die psychotherapeutischen Leistungen zuständig gewesen, sondern auch für die Inhalte der zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Verbänden der Krankenkassen auf Landesebene im Honorarverteilungsvertrag zu vereinbarenden Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes/-psychotherapeuten. U. a. durch Beschluss in seiner 93. Sitzung habe der Bewertungsausschuss bestimmt, dass Regeleistungsvolumina arztgruppenspezifische Grenzwerte seien, bis zu denen die von einer Arztpraxis oder einem medizinischen Versorgungszentrum im jeweiligen Kalendervierteljahr erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem von den Vertragspartnern des HVV vereinbarten, festen Punktwert (RLV-Punktwert) zu vergüten seien: für den Fall der Überschreitung sei vorzusehen, dass die überschreitende Punkzahlmenge mit abgestaffelten Punktwerten (Restpunktwert) zu vergüten sei (III.2.1 BRLV). Die antragspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen seien von der Vergütung innerhalb des RLV auszunehmen, die probatorischen Sitzungen der GO-Nr. 35150 EBM 2005 sei bei den Leistungen, die außerhalb des RLV zu vergüten seien, nicht genannt, ebenso wenig die sonstigen psychotherapeutischen Leistungen. Diese Regelungen seien für sie – die Beklagte – nach der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/08 R) verpflichtend. Das BSG habe mit Urteil vom 8. Februar 2012 (B 6 KA 14/11 R) festgestellt, dass die Einbeziehung der probatorischen Sitzungen in die RLV nicht zu beanstanden sei, auch diese seien nicht losgelöst von Mengenbegrenzungsmaßnahmen zu honorieren; gerade durch die Einbeziehung der probatorischen Sitzungen in das RLV sei ein fester Punktwert von grundsätzlich 4 Cent (Ziff. 6.4 HVV) vorgesehen. Dass dieser Punktwert einer Quotierung unterliege, wenn der zur Verfügung stehende Anteil am Verteilungsbetrag in einer Honorar(unter)gruppe zur Honorierung der angeforderten Leistungen nicht ausreiche, sei eine notwendige Folge begrenzter Gesamtvergütungen und ändere nichts an der grundsätzlichen Privilegierung dieser Leistungen. Der Bewertungsausschuss habe nach der Konzeption der RLV davon ausgehen dürfen, dass im Regelfall innerhalb des RLV eine ausreichende Honorierung der probatorischen Sitzungen gewährleistet sei. Hieraus ergebe sich, dass sie berechtigt und verpflichtet gewesen sei, die probatorischen Sitzungen in die RLV mit einzubeziehen und sie entsprechend dem jeweils quartalsweise ermittelten RLV-Punktwert zu vergüten. Nachdem sie zunächst die Vergütung der zeitgebundenen genehmigungspflichtigen Leistungen mit einem Mindestpunktwert (LB 4.1) bei der Ermittlung des RLV-Punktwertes berücksichtigt habe, habe das noch zur Verfügung stehende Honorar des Honorartopfes der HG 2.25 nicht ausgereicht, um die darüber hinaus anerkannten Punktzahlen innerhalb des RLV mit dem oberen Punktwert von 4,0 Cent (Nr. 6,4 HVV) zu vergüten. Der HVV sehe in diesen Fällen vor eine Quotierung des Punktwertes vor. Die RLV-Punktwerte zur Vergütung der Leistungen innerhalb des RLV hätten nach Quotierung wie folgt ausgesehen:
Quartal Pw EK in Cent Pw PK in Cent
II/05 -5,040 -5,531
III/05 0,709 -0,849
IV/05 1,418 0,571
I/06 0,270 -3,144

Anlage 1 zu LZ 7.2 Nr. 2.2 HVV sehe eine Stützung des Honorartopfes der HG 2.25 zu Lasten der Honorartöpfe anderer Facharztgruppen vor, sofern die festgestellten Quoten um mehr als 15 % von der über alle Honorar(unter)gruppen der Honorargruppe B 2 gebildeten (mittleren) Quote abweiche. Die zur Stützung des Honorartopfes der HG B 2.25 notwendigen Beträge beliefen sich auf:
Quartal EK in EUR PK in EUR
II/05 2.704.633,37 2.387.518,40
III/05 823.606,78 1.069.146,02
IV/05 620.170,01 737.508,35
I/06 1.201.151,86 1.802.717,88

Für die Leistungen innerhalb des RLV der Psychologischen Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und psychotherapeutische tätigen Ärzte (HG B 2.25) seien nach erfolgter Stützung auf den Interventionspunktwert der Fachärzte (85 % des mittleren Punktwertes) folgende Brutto-Punktwerte (vor Abzug EHV, Notdienst, Ausgleichsregelung gem. Ziffer 7.5 HVV und Verwaltungskosten) ermittelt worden.
Quartal Pw EK in Cent Pw PK in Cent
II/05 3,168 3,075
III/05 3,202 3,047
IV/05 3,288 3,174
I/06 3,135 2,818

In allen Quartalen habe sich für Leistungen innerhalb des RLV ein Punktwert von über 2,56 Cent in beiden Kassenbereichen ergeben. Unter Berücksichtigung des abgerechneten Punktzahlvolumens des Klägers ergäben sich folgende Brutto-Vergütungen innerhalb des RLV
Quartal Pw gemittelt (PK/EK) in Cent Anzahl prob. Sitzungen zum ob. PLV-Pw EUR pro Sitzung (brutto)
II/05 3,1215 35 44,49
III/05 3,1245 38 48,30
IV/05 3,2310 34 46,71
I/06 2,9765 31 46,66

Sofern der Kläger darüber hinaus probatorische Sitzungen abgerechnet habe, seien diese zum unteren PLV-Punktwert vergütet worden. Dies sei nicht zu beanstanden. Sie die Beklagte – habe unter Beachtung der RLV-Systematik jedenfalls eine ausreichende Mindestzahl an probatorischen Sitzungen mit dem oberen RLV-Punktwert vergütet. Ausgehend von der durchschnittlichen Leistungserbringung der GO-Nr. 35150 EBM je 100 Fälle der Fachgruppe des Klägers als Orientierungswert ergebe sich, dass eine Mindestanzahl an probatorischen Sitzungen des Klägers unter Geltung der RLV-Systematik in allen streitigen Quartalen oberhalb der fachgruppentypischen Anzahl probatorischer Sitzungen innerhalb des Regelleistungsvolumens vergütet worden seien.

Quartal Ø prob. Sitzung Fachgruppe auf 100 Fälle Bezogen auf die Fallzahl d. Kl. entspricht dies Anzahl prob. Sitzung Anzahl prob. Sitzung Kläger auf 100 Fälle Vergütung innerhalb RLV (Anzahl prob. Sitzungen)
II/05 65 27,5 123 31
III/05 54 25,9 85 34
IV/05 55 28,6 150 38
I/06 53 24,9 109 35

Sie sei auch nach Auffassung des Vordergerichts berechtigt, auf die Bruttopunktwerte weitere Abzüge für EHV und Notdienstumlage vorzunehmen. Darüber hinaus gelte dies auch für die weitere Punktwertreduzierung zur Finanzierung der Ausgleichsregelung nach Nr. 7.5 HVV, bei der es sich entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht um eine Mengenbegrenzungsmaßnahme handele. Sie stelle vielmehr eine Härtefallregelung dar, die Veränderungen aufgrund des zum Quartal II/05 eingeführten EBM 2005 abfedern und den Arztpraxen eine Umstellung auf die neuen Honorarstrukturen ermöglichen solle. Sie komme insoweit folgerichtig erst nach Feststellung der Auszahlungsquoten und Punktwerte gem. Ziff. 7.2 HVV und somit nach Abschluss des Abrechnungsprozesses zur Anwendung. Eine Reduzierung des RLV-Punktwertes auch für probatische Sitzungen aufgrund der Regelung nach Ziff. 7.5 HVV sei insoweit keine Folge einer Mengenbegrenzungsmaßnahme, vielmehr habe sich auch die Honorargruppe des Klägers an der Ausgleichsregelung und damit auch an der Finanzierung der Stützungsregelung der Ziff. 7.5.1 HVV beteiligt. Nach der Rechtsprechung der 12. Kammer des SG Marburg (Hinweis auf Urteil vom 27. August 2008, S 12 KA 513/07) sei die Regelung zu Ziff. 7.5 HVV nicht zu beanstanden, soweit sie zu Ausgleichsbeträgen führe. Insofern hätten es Praxen hinzunehmen, dass sich der Verteilungspunktwert für sie ggf. verringere. Mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren sei es, die für die Stützung der HG des Klägers notwendigen Honoraranteile zur Durchführung der Regelung nach Ziff. 7.5 HVV zusätzlich von anderen Fachgruppen einzubehalten und diese damit doppelt zu belasten, ebenso wenig könne die Fachgruppe des Klägers von der Teilnahme komplett ausgeschlossen werden. Darüber hinaus habe der Kläger in allen streitigen Quartalen Ausgleichszahlungen nach Ziff. 7.5 HVV erhalten:
Quartal Ausgleichzahlung in EUR
II/05 1.719,15
III/05 307,90
IV/05 1.265,29
I/06 293,64

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 21. März 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, unstreitig sei, dass von dem vorgesehenen Mindestpunktwert von 2,56 Cent ein Abzug für die Kosten des Notdienstes vorgenommen werden dürfe. Eine weitere Punktwertabsenkung durch die Regelung des RLV und durch Anwendung von Ziff. 7.5 HVV sei unzulässig. Durch die Anwendung der Ausgleichsregelung seien z. B. im Quartal II/05 kassenartübergreifend im Schnitt ca. 33% der für die Vergütung der antragsfreien psychotherapeutischen Leistungen zur Verfügung gestellten Finanzmittel vom Fachgruppentopf abgezogen worden, ohne dass klar werde, ob diese Mittel innerhalb des eigenen Fachgruppentopfes oder fachgruppenübergreifend verteilt worden seien. Die Beklagte habe zur Festsetzung der kassenspezifischen und nach Alter differenzierten Fallpunktzahlen ab dem Quartal II/05 nur den Leistungsbedarf des 1. Halbjahres 2004, nicht auch - wie nach dem Beschluss des Bewertungsausschusses vom 29. Oktober 2004 - den Leistungsbedarf im 2. Halbjahr 2003 berücksichtigt. In den Folgequartalen seien immer weniger Finanzmittel in den RLV-Topf der Psychotherapeuten eingestellt worden, so dass angemessene Punktwerte für die Vergütung probatorischer Leistungen in Anbetracht weiter sinkender Punktwerte im RLV nicht mehr gewährleistet werden konnten. In allen streitgegenständlichen Quartalen liege der rechnerisch gemittelte Punktwert aus oberen und unteren Punktwerten unterhalb des vom BSG vorgegebenen Mindestpunktwerts für probatorische Sitzungen von 2,56 Cent. Aus der konkreten höchstrichterlich verfügten Festlegung eines Mindestpunktwerts von 2,56 Cent könne geschlussfolgert werden, dass die Auslegungsfreiheit und der Gestaltungsspielraum der Beklagten hinsichtlich des Beschlusses des Bewertungsausschusses zur Festlegung von Regelleistungsvolumen gem. § 85 Abs. 4 SGB V seine Grenzen in der Mindestpunktbewertung der probatorischen Sitzungen finde, die nicht unterhalb von 2,56 Cent nach Anwendung von Mengenbegrenzungsmaßnahmen im Regelleistungsvolumen fallen dürfe. Auf die Fachgruppe bezogen sei bei Abrechnungsmöglichkeiten von probatorischen Sitzungen unter nur unwirtschaftlichen Vergütungsbedingungen die Sicherstellung der Versorgung gefährdet. Die Beklagte könne zwar ein RLV anwenden, sei dann aber dazu verpflichtet, für einen Mindestpunktwert gemittelt und über alle Leistungen und über alle Kassenarten von 2,56 Cent zu sorgen. Insoweit bestehe für Mengenbegrenzungsregelungen nach dem Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 keine Spielräume mehr. Das BSG habe ausdrücklich offen gelassen, wie die Vergütung probatorischer Sitzungen unter den Bedingungen der RLV auszugestalten sei. Der von der Beklagten vorgetragene Bruttopunktwert innerhalb des RLV sei unerheblich, maßgeblich sei auf den RLV-Auszahlungspunktwert nach Anwendung der fachgruppenübergreifenden Ausgleichsregelung nach Ziff 7.5 HVV abzustellen. Da von vornherein zu wenig Finanzmittel in den Fachgruppentopf des Klägers eingestellt worden seien, habe die Beklagte einen Teil der probatorischen Sitzungen zunächst nur dem Scheine nach zu einem Mindestpunktwert von 2,56 Cent oder darüber innerhalb des RLV bewertet, realiter aber darunter und noch einen erheblichen weiteren Teil der probatorischen Sitzungen unterhalb des Mindestpunktwertes zum Restpunktwert.

Quartal Anzahl probatorischer Sitzungen d. Kl. Anzahl d. probatorischen Sitzungen innerhalb RLV Punktwert vor fachgruppenübergreifender Ausgleichsregelung (in Cent) Auszahlungspunktwert nach Ausgleichsregelung (in Cent) Restpunktwert außerhalb RLV (in Cent)
II/05 53 35 3,1215 2,0475 0,495
III/05 41 38 3,1245 2,091 0,495
IV/05 78 34 3,231 2,0845 0,495
I/06 51 31 2,9765 1,4535 0,496

Nach der Rechtsprechung des LSG Schleswig-Holstein (Urteil vom 26. Januar 2010, L 4 KA 10/09) richte sich die Mindestzahl der probatorischen Sitzungen nach der sachgerechten psychotherapeutischen Versorgung und nicht nach einer mathematischen Mindestzahl, die die Vergütung eines geringeren Anteils von probatorischen Sitzungen zum Mindestpunktwert wegen der unzureichenden Finanzmittel gerade noch erlaube. Es liege in der Kompetenz des Psychotherapeuten, nach fachlichen und sachlichen Erwägungen während der probatorischen Phase eine Entscheidung zur Zahl der probatorischen Sitzungen im konkreten Einzelfall zu treffen, um die Frage hinreichend klären zu können, ob eine Psychotherapie einzuleiten sei oder nicht. Hinsichtlich der von ihm erbrachten probatorischen Sitzungen sei zu berücksichtigen, dass er als Verhaltenstherapeut arbeite. Da bei einer Verhaltenstherapie maximal 80 Sitzungen (analytische Psychotherapie: 300, tiefenpsychologisch fundierte PT: 100) durchgeführt werden dürften, habe er einen höheren Patientendurchlauf und müsse daher im Verhältnis mehr probatorische Sitzungen erbringen. Daher kämen Verhaltenstherapeuten im Schnitt auf höhere Fallzahlen und eine höhere Anzahl von probatorischen Sitzungen pro Quartal. Das von der Beklagten angewandte Kriterium, lediglich eine rechnerisch oder statistisch sich ergebende Mindestzahl von probatorischen Sitzungen angemessen zu vergüten, sei sowohl aus fachlicher Sicht (spezielle Erfordernisse bei der VT) als auch aus sachlichen Gründen (fachgruppenbezogene Durchschnittsbildung einer bestimmten Anzahl von probatorischen Sitzungen sei ungeeignet) rechtlich nicht haltbar: Da nicht bei jedem Patienten nach den probatorischen Sitzungen automatisch ein Therapiebeginn folge, sei unter fachlichen Gesichtspunkten sogar eine über die in den Psychotherapie-Richtlinien angegebene Anzahl von probatorischen Sitzungen fachlich gerechtfertigt. In jedem Fall seien die zur Einleitung einer Therapie in den Psychotherapie-Richtlinien vorgesehenen 5 bis 8 probatorischen Sitzungen als "für die sachgerechte Versorgung" erforderlich anzusehen. Auch müsse es möglich sein, bei einem überdurchschnittlichen Anteil schwerer gestörter Patienten mit höheren Abbruchtendenzen in der Praxis häufiger probatorische Sitzungen abzurechnen. Einen Durchschnitt über alle Therapeuten zur Zahl der probatorischen Sitzung zu bilden, stelle grundsätzlich kein geeignetes Maß dar zur Bestimmung der Mindestzahl, die für eine sachgerechte therapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis erforderlich sei, dar. Hinzu komme, dass Psychotherapeuten aufgrund der Unwirtschaftlichkeit der Vergütung probatorischer Sitzungen ab dem Quartal II/05 vermehrt zu der Praxis übergegangen seien, diese weniger abzurechnen und stattdessen – entgegen fachlicher Erfordernisse – deren Funktion in eine Kurzzeittherapie als Probebehandlung zu verlagern. Dadurch würden die von der Beklagten herangezogenen statistischen Mittelwerte pro Quartal noch unbrauchbarer. Er – der Kläger – habe seine Abrechnungsstrukturen im Wesentlichen beibehalten, weshalb der von ihm abgerechnete relative Anteil der erbrachten probatorischen Sitzungen gegenüber der Fachgruppe in 2005 gegenüber 2004 erhöht habe.

Quartal Prob. Sitzungen in % zum Fachgruppendurchschnitt Zahl der Prob. Sitzungen
I/04 -6,62 29
II/04 77,40 51
III/04 -1,08 35
IV/04 86,80 65
I/05 -14,87 34
II/05 90,88 53
III/05 56,55 41
IV/05 174,35 78
I/06 102,9 51
II/06 85,29 34

Mit dem BSG-Urteil vom 18. August 2010 (B 6 KA 16/09 R) sei darüber hinaus abschließen geklärt, dass Punktwertabzüge in Folge von Ausgleichszahlungen von Praxen mit Fallwertgewinnen nach Quotierung von Leistungen im RLV nicht hinzunehmen seien. Die ihm gewährten Ausgleichzahlungen hätten nicht dazu geführt, dass bei ihm außer für das Quartal II/05 der Mindestpunktwert von 2,56 Cent für die Vergütung probatorischer Sitzungen erreicht werde:

Quartal Effektive durchschnittliche Punktwerthöhe gemittelt aus RLV-Punktwert und Restpunktwert außerhalb RLV – in Cent Effektive durchschnittliche Punktwerthöhe nach fachgruppeninternen Ausgleichzahlungen/-kürzungen – in Cent
II/05 1,27125 2,71
III/05 1,293 1,52
IV/05 1,28975 1,8
I/06 0,97475 0,98

Für die streitgegenständlichen Quartale hat die Beklagte unter Berücksichtigung höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Neuberechnung der Quartalsabrechnungen erstellt und entsprechende Honorarbescheide erlassen, die zu einem geringeren Honoraranspruch des Klägers in allen streitgegenständlichen Quartalen geführt hat. Mit Schriftsatz vom 25. November 2013 hat die Beklagte auf eine Rückforderung der entsprechenden Honoraranteile verzichtet. Nach Mitteilung der Beklagten ergaben sich nach der Neuberechnung folgende Punktwerte für die Honorargruppe des Klägers:

Quartal Pw EK in Cent vor Anwendung 7.5 HVV Pw PK in Cent vor Anwendung 7.5 HVV Pw EK in Cent nach Anwendung 7.5 HVV Pw PK in Cent nach Anwendung 7.5 HVV
II/05 2,970 2,594 0,720 0,576
III/05 2,848 2,517 0,685 0,561
IV/05 3,122 2,799 0,742 0,618
I/06 2,813 2,329 0,586 0,437*
*auf Mindestpunktwert 0,51 erhöht

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf die Gerichts- und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nur teilweise begründet.

Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts wird geändert. Die Honorarbescheide für die Quartale II/05 bis I/06 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juni 2010 sind rechtswidrig, soweit damit die probatorischen Sitzungen (GO-Nr. 35150 EBM plus) innerhalb des Regelleistungsvolumens (RLV) mit einem oberen Punktwert von unter 2,56 Cent vergütet werden. Insoweit sind die Bescheide aufzuheben und die Beklagte zur Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten. Soweit die Beklagte probatorische Sitzungen wegen Überschreitung des RLV mit einem unteren Punktwert von unter 2,56 Cent vergütet hat, sind die streitgegenständlichen Bescheide jedoch nicht zu beanstanden.

Die Regelungen zur Bildung von RLV der in den streitgegenständlichen Quartalen geltenden Honorarverteilungsverträge (Ziffer 6.3 HVV vom 10. Oktober 2005) entsprachen den Vorgaben des Bewertungsausschusses im Beschluss vom 29. Oktober 2004 zur Festlegung von RLV durch die Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß § 85 Abs. 4 SGB V mit Wirkung zum 1. Januar 2005 (DÄ 2004, A-3129) - im Folgenden BRLV - und sind rechtlich mit höherrangigem Recht vereinbar. An den grundsätzlichen Regelungen zur Bildung des RLV hat sich auch durch die mit den Verbänden der Krankenkassen am 15. September 2011 geschlossene Ergänzungsvereinbarung zu den für die Zeit vom 1. April 2005 bis 31. Dezember 2008 maßgeblichen Honorarverteilungsverträgen gemäß § 85 Abs. 4 S. 1 SGB V, mit der laut Mitteilung der Beklagten die Rechtsprechung des BSG in den Urteilen vom 3. Februar 2010 - B 6 KA 1/09 R und B 6 KA 31/08 R und vom 18. August 2010 - B 6 KA 26/09 R umgesetzt wurde, sowie die Nachtragsvereinbarung vom 27. Juni 2012, mit der im Nachgang die Fallpunktzahlen angepasst wurden, nichts geändert.

Die Einbeziehung der probatorischen Sitzungen in die RLV ist nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 8. Februar 2012 – B 6 KA 14/11 R –, juris) nicht zu beanstanden. Nach Teil III Nr. 4.1 BRLV vom 29. Oktober 2004 unterliegen nur die antragspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen nach den Nrn. 35200 bis 35225 EBM-Ä nicht dem RLV. Das BSG hat für die Honorierung der probatorischen Sitzungen, die zwar grundsätzlich einer Mengenausweitung zugänglich sind, andererseits aber in engem Zusammenhang mit den genehmigungsbedürftigen Leistungen der Psychotherapie stehen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 38 RdNr. 17-18), entschieden, dass erforderlichenfalls nach Anwendung von Mengenbegrenzungsregelungen o. ä. - jedenfalls die Hälfte des ursprünglich zur Kalkulation herangezogenen Punktwertes von 10 Pfennig, mithin 2,56 Cent, nicht unterschritten werden dürfe (BSGE 100, 254 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 42, RdNr. 65). Das schließt eine Einbeziehung in die RLV nicht aus. Vielmehr ist damit klargestellt, dass auch probatorische Sitzungen nicht losgelöst von Honorarbegrenzungsmechanismen zu honorieren sind. Zudem gewährleistet gerade die Einbeziehung in das RLV die Vergütung mit einem festen Punktwert (BSG, Urteil vom 8. Februar 2012 – B 6 KA 14/11 R –, juris).

Die in den streitbefangenen Quartalen geltenden Regelungen entsprachen mit der Bildung von RLV den Vorgaben des Bewertungsausschusses, die dieser - gemäß der ihm nach § 85 Abs. 4a Satz 1 letzter Teilsatz SGB V übertragenen Aufgabe - am 29. Oktober 2004 mit Wirkung für die Zeit ab 1. Januar 2005 beschlossen hatte (DÄ 2004, A 3129). Gemäß Teil III Nr. 2.1 i.V.m. Nr. 3. dieses Beschlusses waren die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, in der Honorarverteilung RLV in der Weise festzulegen, dass arztgruppeneinheitliche Fallpunktzahlen vorzusehen waren, aus denen durch Multiplikation mit individuellen Behandlungsfallzahlen praxisindividuelle Grenzwerte zu errechnen waren, in deren Rahmen die Vergütung nach einem festen Punktwert (sogenannter Regelleistungspunktwert – oberer Punktwert) zu erfolgen hat. Im Fall der Überschreitung der RLV ist die das RLV überschreitende Leistungsmenge mit abgestaffelten Punktwerten (sogenannte Restpunktwerte) zu vergüten. Die Vorgaben des Bewertungsausschusses des BRLV waren – wie das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden hat (vgl. nur Urteil vom 3. Februar 2010, B 6 KA 31/08 R, juris RdNr. 22 f, Urteil vom 18. August 2010, B 6 KA 27/09 R -) für die Partner des HVV verbindlich und ließen keine Spielräume für abweichende Regelungen über die Übergangsregelung in Teil III Nr. 2.2 BRLV vom 29. Oktober 2004 hinaus zu.

Das BSG hat in seinem Urteil vom 8. Februar 2012 (B 6 KA 14/11 R) ausdrücklich offen gelassen, wie im Einzelnen die Vergütung probatorischer Sitzungen unter den Bedingungen der RLV auszugestalten ist. Es hat aber ausgeführt, dass der Bewertungsausschuss nach der Konzeption der RLV davon ausgehen durfte, dass im Regelfall innerhalb der RLV eine ausreichende Honorierung der probatorischen Sitzungen gewährleistet ist. Die rechnerisch vorgesehene Bewertung der innerhalb des RLV liegenden Honoraranforderungen mit einem Punktwert von grundsätzlich 4,0 Cent wurde vom BSG auch unter dem Gesichtspunkt, dass der Punktwert einer Quotierung unterliegt, soweit der zur Verfügung stehende Anteil am Verteilungsbetrag in einer Honorar(unter)gruppe zur Honorierung der angeforderten Leistungen nicht ausreichte, nicht beanstandet. Diese notwendige Folge begrenzter Gesamtvergütungen stellt die grundsätzliche Privilegierung der dem RLV unterfallenden Leistungen nicht in Frage (BSG, Urteil vom 8. Februar 2012 – B 6 KA 14/11 R –, juris).

Allerdings verstoßen die Regelungen zur Aufteilung der Gesamtvergütung in Ziff. 2.2 Anlage 1 (Primärkassenbereich) und Anlage 2 (Ersatzkassenbereich) zu Ziff. 7.2 HVV in den streitgegenständlichen Quartalen insoweit gegen § 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V (in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung GKV-Modernisierungsgesetz – Gesetz vom 14. November 2003, BGBl I S. 2190, m. W. v. 1. Januar 2004) als die Quotierung des Regelleistungspunktwerts (oberer Punktwert) in der Honorar(unter)gruppe B 2.25 des Klägers zu einem Punktwert von unter 2,56 Cent für die Leistungen der probatorischen Sitzungen nach GO-Nr. 35150 EBMplus geführt hat, was soweit ersichtlich nach der Neuberechnung durch die Beklagte lediglich in den Quartalen III/05 und I/06 im Primärkassenbereich der Fall war.

Ziff. 2.2 der Anlagen zu Ziff. 7.2 HVV sieht eine Quotierung des rechnerischen Punktwerts von 4,0 Cent vor, wenn der zur Verfügung stehende Anteil am Verteilungsbetrag in einer Honorar(unter)gruppe zur Honorierung der angeforderten Leistungen nicht ausreicht. Soweit die so festgestellten Quoten um mehr als 15%-Punkte von der nach gleicher Vorgehensweise über alle Honorar(unter)gruppen der Honorargruppe B 2 gebildeten (mittleren) Quote abweichen, ist, soweit möglich, ein Ausgleich zwischen den Honorar(unter)gruppen B 2.1 bis B 2.32 mit dem Ziel der Erreichung einer maximalen Abweichung von 15%-Punkten von der mittleren Quote für alle Honorar(unter)gruppen B 2.1 bis B 2.32 durchzuführen. Diese Stützungsregelung, die in den streitgegenständlichen Quartalen nach den Angaben der Beklagten zur Stützung des Punktwerts der Honorar(unter)gruppe des Klägers zur Anwendung gebracht wurde, ist (nur) unzureichend, soweit sie nicht den für eine angemessene Vergütung je Zeiteinheit nach der Rechtsprechung des BSG erforderlichen Punktwert von 2,56 Cent für die Leistungsanforderungen für probatorische Sitzungen nach GO-Nr. 35150 EBMplus innerhalb des Regelleistungsvolumens geführt hat.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28. Mai 2008 – B 6 KA 9/07 R –, BSGE 100, 254-282; SozR 4-2500 § 85 Nr. 38 RdNr. 17) ist bei den probatorischen Sitzungen zu beachten, dass sie zum Kern des Leistungsspektrums der Psychotherapeuten gehören. Diese durch strikte Zeitgebundenheit, aber fehlende Genehmigungsbedürftigkeit geprägten Leistungen werden im Gesetz ausdrücklich hervorgehoben (§ 28 Abs. 3 Satz 2, § 92 Abs. 6a Satz 1 SGB V), und zwischen ihnen und den sowohl zeitgebundenen als auch genehmigungsbedürftigen Leistungen der GO-Nr. 35200 ff. EBMplus (Nr. 871 ff. EBM-Ä a.F.) besteht ein enger Zusammenhang. Auf der Grundlage der probatorischen Sitzungen wird die Diagnose gestellt und die Entscheidung getroffen, ob eine Behandlung im Sinne der GO-Nr. 35200 ff. EBMplus veranlasst und welche der verschiedenen Behandlungsmethoden die sachgerechte ist, sowie, ob zwischen dem Therapeuten und dem Versicherten eine ausreichende Beziehungsbasis für eine erfolgreiche Behandlung besteht. Aus dieser zentralen Funktion der probatorischen Sitzungen folgt, dass die Beklagte im Rahmen der ihr - ab 1. Juli 2004 gemeinsam mit den Verbänden der Krankenkassen - obliegenden Ausgestaltung der Honorarverteilungsregelungen für eine substanzielle Honorierung dieser Leistungen sorgen muss (BSG a.a.O), die das BSG in seinem Urteil vom 28. Mai 2008 (B 6 KA 9/07 R –, BSGE 100, 254-282, RdNr. 65) auf mindestens 2,56 Cent festgelegt hat.

Eine Unterschreitung jedenfalls des (oberen) Regelleistungspunktwerts für Leistungen der probatorischen Sitzungen erachtet der Senat daher für unzulässig, auch wenn dies zu einer vergütungsrechtlichen Privilegierung dieser Leistungen führt. Diese Privilegierung ist durch die hervorgehobene Stellung der probatorischen Sitzungen für die Durchführung genehmigungspflichtiger Psychotherapien sowohl gegenüber anderen zeitgebundenen Leistungen als auch gegenüber sonstigen Leistungen, die innerhalb des Regelleistungsvolumens abgerechnet werden, gerechtfertigt.

Aus dem gleichen Grund verstößt auch die Regelung der Ziff. 7.5 HVV gegen höherrangiges Recht, soweit sie zu einer Verminderung des (oberen) Regelleistungspunktwerts für Leistungen der probatorischen Sitzungen unter einen Wert von 2,56 Cent führt.

Gem. Ziff. 7.5. HVV erfolgt zur Vermeidung von praxisbezogenen Honorarverwerfungen nach Einführung des EBM 2000plus nach Feststellung der Punktwerte und Quoten gemäß Ziff. 7.2 HVV ein Vergleich des für das aktuelle Abrechnungsquartal berechneten fallbezogenen Honoraranspruchs der einzelnen Praxis mit der fallbezogenen Honorarzahlung in EUR im entsprechenden Abrechnungsquartal des Jahres 2004 ausschließlich beschränkt auf Leistungen, die dem budgetierten Teil der Gesamtvergütung unterliegen und mit Ausnahme der zeitbezogenen genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Leistungen. Zeigt der Fallwertvergleich eine Fallwertminderung oder Fallwerterhöhung von jeweils mehr als 5% (bezogen auf den Ausgangswert des Jahres 2004), so erfolgt eine Begrenzung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5%. Die für eine Stützung bei Fallwertminderungen – nach Maßgabe von Ziff. 7.5.2 HVV – notwendigen Honoraranteile gehen zu Lasten der jeweiligen Honorar(unter)gruppe, der die Praxis im aktuellen Quartal zugeordnet ist, und sind gegebenenfalls durch weitergehende Quotierung der Bewertungen bzw. Punktwerte zu generieren, falls die aus der Begrenzung der Fallwerte auf einen Zuwachs von 5 % resultierende Honoraranteile hierfür nicht ausreichend sollten (Ziff. 7.5.1 HVV).

Diese Regelung verstößt gegen das Gebot der angemessenen Vergütung psychotherapeutischer Leistungen pro Zeiteinheit gem. § 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V in der hier maßgebenden Fassung, soweit zur Finanzierung der Ausgleichsregelung der Ziff. 7.5 HVV Honoraranteile für die Vergütung probatorischer Sitzungen innerhalb des RLV herangezogen werden, soweit der (oberen) Regelleistungspunktwert für diese Leistungen 2,56 Cent nicht übersteigt. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt es maßgeblich auf die substanzielle Honorierung dieser Leistung an (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 B 6 KA 9/07 R -, BSGE 100, 254, 282, RdNr. 64), so dass - worauf der Kläger zu Recht hinweist - auf den Auszahlungspunktwert vor - zwischen den Beteiligten unstreitig zulässigem - Abzug der Notdienstumlage (vgl. hierzu auch SG Marburg, Urteil vom 31. März 2010, S 11 KA 689/08 ZVW) sowie – soweit Vertragsärzte betroffen sind – der EHV-Umlage abzustellen ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, dass es sich bei der Ausgleichsregelung gem. § 7.5 HVV auch nach der Rechtsprechung des Senats um eine allgemeine Härtefallregelung darstellt, die der Senat nicht beanstandet hat, soweit bei Fallwertverlusten von 5 % eine Begrenzung der Honorarminderung auf den maximalen Veränderungsrahmen von 5 % vorsieht (Senatsurteil vom 4. November 2009, L 4 KA 99/08 juris; vom 13. Juli 2011, L 4 KA 14/10, juris). Der Charakter einer Härtefallregelung ändert indessen nichts daran, dass durch die zur Finanzierung der Ausgleichsregelung eine Honorarumverteilung vorgenommen wird, die in allen streitgegenständlichen Quartalen in beiden Kassenbereichen nach den von der Beklagten vorgelegten Berechnungen zu einer (weiteren) Quotierung des (oberen) Punktwerts geführt hat, in deren Folge der Punktwert auch für probatorische Sitzungen auf einen Wert von unter 2,56 Cent gesunken ist. Ungeachtet dessen, dass die Ausgleichsregelung nach Ziff. 7.5 HVV keine Mengensteuerung bezweckt, ist sie in ihren honorarbegrenzenden Auswirkungen für die zur Finanzierung herangezogenen Praxen der betroffenen Honorar(unter)gruppe einer Mengenbegrenzungsregelung vergleichbar. Die zur Finanzierung der Ausgleichsregelung vorgenommene Quotierung führte im vorliegenden Verfahren dazu, dass in allen streitbefangenen Quartalen der (obere) Regelleistungspunktwert für die probatorischen Sitzungen selbst dann unter den Punktwert von 2,56 Cent gefallen ist, wenn er zuvor einen höheren Wert erreicht hatte.

Soweit der (obere) Regelleistungspunktwert für probatorische Sitzungen den Wert von 2,56 Cent (vor Abzug Notdienst und ggf. EHV) in den streitgegenständlichen Quartalen unterschreitet, hat der Kläger einen Anspruch auf Neubescheidung seiner Quartalsabrechnungen.

Ein weitergehender Anspruch auf Neubescheidung besteht dagegen auch nicht soweit der (untere) Restpunktwert den Punktwert in Höhe von 2,56 Cent in allen streitgegenständlichen Quartalen (bei Weitem) nicht erreicht. Die Unterschreitung des sog. Mindestpunktwerts für probatorische Sitzungen ist nach Auffassung des Sents rechtlich nicht zu beanstanden, soweit die Vergütung von Leistungsanteilen betroffen ist, mit denen das RLV überschritten wurde.

Nach der Rechtsprechung des BSG ist - auch unter Berücksichtigung der zentralen Funktion probatorischer Sitzungen für die genehmigungspflichtigen psychotherapeutischen Behandlungen - nicht jede erbrachte probatorische Sitzung mit einem Punktwert von mindestens 2,56 Cent zu vergüten, sondern lediglich "die für eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendige Mindestzahl an probatorischen Sitzungen" (BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 6 KA 9/07 R –, BSGE 100, 254-282).

Die Bestimmung dieser Mindestzahl fällt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht in deren Gestaltungspielraum als (Mit-) Normgeberin des HVV, sondern gem. § 85 Abs. 4a Satz 1 i. V. m. § 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V in den Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses, der den Inhalt der Regelungen zur Vergütung psychotherapeutischer Leistungen zu treffen hat, die eine angemessene Höhe der Vergütung je Zeiteinheit gewährleistet. Der Bewertungsausschuss hat mit dem BRLV in der Normierung der Regelleistungsvolumen implizit eine Bestimmung der für eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung in der einzelnen Praxis notwendigen Mindestzahl an probatorischen Sitzungen vorgenommen. Deren Umfang wird in der Systematik der RLV durch den Anteil der probatorischen Sitzungen an dem Leistungsvolumen, das innerhalb des RLV zu einem oberen Punktwert, der nach Auffassung des Senats – wie dargelegt – 2,56 Cent als Auszahlungspunktwert vor Abzug von EHV und Notdienstumlage vergütet werden muss, bestimmt. Das durch die Vorgaben des BRLV zur Bestimmung des praxisindividuellen Regelleistungsvolumens definierte Leistungsvolumen, welches zu einem oberen Punktwert zu vergüten ist, bestimmt sich nämlich hinsichtlich der Berechnung der Fallpunktzahlen gem. Anlage 2 zum Teil II zum BRLV unter Heranziehung des arztgruppenspezifischen Leistungsbedarfs in Punkten des Vorjahresquartals sowie der arztgruppenspezifischen Anzahl der kurativ-ambulanten Behandlungen im Bezugszeitraum. Es berücksichtigt somit rechnerisch auch den fachgruppendurchschnittlich erforderlichen Anteil des pro Behandlungsfall erforderlichen Leistungsbedarfs für probatorische Sitzungen in der Fachgruppe des Klägers. Hierbei ist davon auszugehen, dass in den jeweiligen Bezugsquartalen der fachgruppendurchschnittliche Leistungsbedarf pro Fall dem psychotherapeutisch tätigen Arzt/Psychotherapeuten eine sachgerechte psychotherapeutische Versorgung der Patienten mit probatorischen Sitzungen erlaubte.

Die der RLV-Systematik immanente Mengenbegrenzung der Vergütung zum oberen Punktwert nur im Umfang des nach den Vorgaben des BRLV berechneten RLV ist – wie das BSG bereits entschieden hat (BSG, Urteil vom 8. Februar 2012 – B 56 KA 14/11 R) – zwangsläufige Folge einer begrenzten Gesamtvergütung. Die Vergütung von Leistungsanteilen, mit denen das RLV überschritten wurde, zu einem (unteren) Restpunktwert ist der RLV-Systematik immanent und auch für die Vergütung probatorischer Sitzungen hinzunehmen, denn von den Vorgaben des § 85 Abs. 4 Satz 7 SGB V - arztgruppenspezifische Grenzwerte und feste Punktwerte sowie für die darüber hinausgehenden Leistungsmengen abgestaffelte Punktwerte – kommt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 43/08 R –, BSGE 106, 56 62; Urteil vom 18. August 2010 – B 6 KA 27/09 R -, SozR 4-1500 § 85 Nr. 58; Urteil vom 9. Mai 2012 – B 6 KA 30/11 R -, juris) besonderes Gewicht den festen Punktwerten zu. Dies ergibt sich aus dem Ziel der Regelung, den Ärzten Kalkulationssicherheit hinsichtlich ihrer Praxisumsätze und -einkommen zu geben (vgl. die Begründungen zum Gesetzentwurf vom 16. Juni 2003, BT-Drucks 15/1170 S 79, und vom 8. September 2003, BT-Drucks 15/1525 S 101). Für das hiermit bezeichnete Ziel, stabile Punktwerte zu gewährleisten und den Ärzten dadurch zu ermöglichen, ihr zu erwartendes vertragsärztliches Honorar sicherer abzuschätzen (vgl. BSGE 96, 53 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 23, RdNr. 24; BSG SozR 4-2500 § 85 Nr. 28 RdNr. 12), stellt das Erfordernis der Festlegung fester Punktwerte (anstelle sog floatender Punktwerte) eine zentrale und strikte Vorgabe dar (BSG, Urteil vom 17. März 2010 – B 6 KA 43/08 R –, BSGE 106, 56 62). Ihre notwendige Folge ist wegen der begrenzten Gesamtvergütung eine (Rest )Vergütung zum unteren Punktwert, dem auch die das RLV überschreitenden Leistungsanteile für probatorische Sitzungen unterliegen. Eine Stützung des unteren Punktwerts für probatorische Sitzungen auf 2,56 Cent würde dagegen dazu führen, dass die von Bewertungsausschuss zulässigerweise normierte Einbeziehung der probatorischen Sitzungen in das RLV im Ergebnis unterlaufen würde.

Dieses Ergebnis ist auch unter dem Gesichtspunkt einer angemessenen Vergütung zeitgebundener psychotherapeutischer Leistungen hinzunehmen, weil der HVV der Beklagten mit Ziff. 6.3 eine hinreichende Härtefallregelung geschaffen hat, aus Gründen der Sicherstellung der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung Ausnahmen vom Regelleistungsvolumen zu gestatten. Dass beim Kläger keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Voraussetzungen für eine Ausnahme von Regelleistungsvolumen im Sinne von Ziff. 6.3 HVV gegeben sind, führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Vergütung zum (unteren) Restpunktwert unterhalb des Wertes von 2,56 Cent in allen streitgegenständlichen Quartalen. Vielmehr zeigt sich an seinen Abrechnungsergebnissen, dass er im Verhältnis zu Fachgruppe einen deutlich höheren Anteil an probatorischen Sitzungen abgerechnet hat, die z. B. im Quartal II/05 mit 53 probatorischen Sitzungen auf insgesamt 43 Behandlungsfälle deutlich über der durchschnittlichen Quote der psychologischen Psychotherapeuten im gleichen Quartal von 0,62 probatorischen Sitzungen pro Fall (vgl. BSG, Urteil vom 8. Februar 2012 B 56 KA 14/11 R) liegt, ohne dass Gründe der Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs vorgetragen oder ersichtlich gewesen wären.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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