L 4 AY 16/13 B ER

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 11 AY 1/13 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 AY 16/13 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 9. Juli 2013 wird aufgehoben und der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller für die Zeit vom 14. Juni 2013 bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache uneingeschränkte Grundleistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz nach den geltenden Bestimmungen zu gewähren.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers, mit der schriftlich und sinngemäß beantragt wird,
den Beschluss des Sozialgerichts Kassel vom 9. Juli 2013 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller für die Zeit vom 14. Juni 2013 bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache uneingeschränkte Grundleistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz nach den geltenden Bestimmungen zu gewähren,

ist gem. § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie ist insbesondere nicht gem. § 173 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen. Maßgebend ist, ob im Hauptsacheverfahren die Voraussetzungen des § 144 Abs. 1 SGG für eine zulassungsfreie Berufung vorliegen. Der danach maßgebliche Beschwerdewert von 750,00 EUR ist hier erreicht. Der nominale Regelungsgehalt des Bescheids vom 7. Mai 2013 mit dem ab 1. Juni 2013 neben Unterkunftskosten Leistungen nur noch in Höhe von 217,- EUR, d.h. ohne den Geldbetrag von 137,-EUR zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums bewilligt wurden, ist zwar zeitlich auf den Monat Juni 2013 beschränkt, die Bewilligung für die Folgemonate erfolgt jedoch (zeitlich unbegrenzt) jeweils konkludent durch Weiterzahlung bzw. Überweisung (vgl. zu dieser Gestaltung BSG, Urteil vom 17. Juni 2008, B 8/9b AY 1/07 R, Juris Rdnr. 11 ff.). Bei unveränderten Verhältnissen erlangt der Bescheid vom 7. Mai 2013 somit Bedeutung auch für die Folgemonate und damit Dauerwirkung. Aufgrund der auf diese Weise unbefristeten Bewilligung der Leistungen ist der Beschwerdegegenstand nicht auf den Monat Juni 2013 beschränkt. Der Antragsteller begehrt ungekürzte Leistungen jedenfalls ab Antragstellung am 14. Juni 2013. Der maßgebliche Beschwerdewert wird bereits durch Leistungseinschränkungen für 6 Monate überschritten.

Die Beschwerde ist auch begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Nach § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) sind der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund glaubhaft zu machen.

Der Anordnungsgrund folgt aus dem existenzsichernden Charakter der Leistungen (vgl. auch Oppermann in jurisPK-SGB II, Stand 13. November 2013, Rn. 103 zu § 1a AsylbLG).

Ob sich aus § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in Verbindung mit der Übergangsregelung aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 18. Juli 2012 (1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 Rdnr. 124 ff.) ein Anordnungsanspruch ergibt, kann im Wege der einstweiligen Anordnung nicht abschließend ermittelt werden.

Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob die Durchsetzung der Ausreisepflicht des Antragstellers nur von einer sog. Freiwilligkeitserklärung abhängig ist. Unstreitig ist für deren Durchsetzung erforderlich, dass sich der passlose Antragsteller vom iranischen Konsulat Identitätspapiere ausstellen lässt. Während der Antragsteller behauptet, hierzu müsse er eine sog. Freiwilligkeitserklärung (d.h. eine Erklärung, freiwillig in den Iran einreisen zu wollen) abgeben (vgl. Antragsschrift vom 12. Juni 2013; Bl. 2 der Gerichtsakte bzw. Schriftsatz der Antragstellervertreterin vom 26. November 2013; Bl. 107 der Gerichtsakte), trägt der Antragsgegner vor, es gäbe noch andere Möglichkeiten der Beschaffung eines Reisepasses und verweist auf einen Gesprächsvermerk des Ordnungsamts – Abteilung für Ausländerwesen – vom 11. Dezember 2006 mit dem Generalkonsulat des Iran in Frankfurt am Main über die Beschaffung von Pässen oder Passersatzpapieren (Bl. 104 f. der Gerichtsakte). Danach sei eine Freiwilligkeitserklärung dann nicht erforderlich, wenn ein alter Reisepass oder ein Nationalpass im Original, ein Passantrag, Passfotos, eine Meldebescheinigung und der Nachweis über den rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland geführt werden könnte. Insoweit geht jedoch die Antragstellervertreterin zutreffend davon aus, dass der Antragsteller nicht über einen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland verfügt und daher einen entsprechenden Nachweis nicht zu erbringen in der Lage ist. Ob auch andere Wege der Beschaffung von Identitätspapieren möglich sind, ist im Rahmen eines Eilverfahrens nicht ermittelbar. Auch der Antragsgegner teilt diesbezüglich mit, dass dies von mehreren weiteren, zeitaufwendigen Verfahrensschritten abhängig wäre: "Welche Bescheinigung über den Aufenthalt letztendlich von den iranischen Behörden akzeptiert werden wird, kann abschließend erst festgestellt werden, wenn Geburtsurkunde und Nationalausweis vorliegen." (Schriftsatz des Antragsgegners vom 13. Dezember 2013; Bl. 112 der Gerichtsakte). Die abschließende Feststellung hat daher zur Wahrung des Eilverfahrenscharakters im Rahmen des Hauptsacheverfahrens zu erfolgen, weil hierzu wohl die iranischen Vorschriften über die Passbeschaffung zu ermitteln sein werden.

Sollte es letztlich nur auf die Vorlage der sog. Freiwilligkeitserklärung ankommen, könnte die Ablehnung höherer Leistungen nicht auf die diesbezügliche Mitwirkungsverweigerung des Antragstellers gestützt werden. Aus verfassungsrechtlichen Gründen kann ihm nicht abverlangt werden, zu erklären "freiwillig" in den Iran zurückkehren zu wollen, wenn seine Ausreise nicht auf seinem freien Willen beruhen würde (vgl. Terminsbericht zum bisher nicht abgesetzten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. Oktober 2013 – B 7 AY 7/12 R). Er hätte daher die Nichtvollziehbarkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht zu vertreten.

Aufgrund der offenen Erfolgsaussichten ist daher eine umfassende Interessenabwägung erforderlich (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, § 86 b, Rdnr. 29a). Dabei ist zu prüfen, ob es dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten nicht zuzumuten ist, die Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Abzuwägen sind dabei die Folgen, die auf der einen Seite stehen würden, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung nicht erließe, sich jedoch im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch bestünde, und auf der anderen Seite, wenn das Gericht die einstweilige Anordnung erließe, sich aber im Hauptsacheverfahren herausstellte, dass der Anspruch besteht. Dabei sind die Intensität einer drohenden Verletzung von Grundrechten, die wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten, unbillige Härten und die Mitverantwortung der Beteiligten für nachteilige Situationen mit in die Abwägung einzubeziehen.

Im vorliegenden Fall steht dem Interesse des Antragsgegners, Leistungen, auf die möglicherweise kein Anspruch besteht und deren Rückforderbarkeit ungewiss ist, nicht zu erbringen, das Interesse des Antragstellers an Leistungen zur Deckung seines soziokulturellen Existenzminimums gegenüber. Im Hinblick auf die Wertigkeit der gegenüberstehenden Interessen, vor allem unter Berücksichtigung ihrer Grundrechtsrelevanz, ist der Existenzsicherung des Antragstellers der Vorzug einzuräumen. Das soziokulturelle Existenzminimum ist verfassungsrechtlich garantiert (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 Rdnr. 90 mit eingehender Begründung der Anspruchshöhe). Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Er gewährleistet das gesamte Existenzminimum durch eine einheitliche grundrechtliche Garantie, die sowohl die physische Existenz des Menschen, also Nahrung, Kleidung, Hausrat, Unterkunft, Heizung, Hygiene und Gesundheit, als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben umfasst, denn der Mensch als Person existiert notwendig in sozialen Bezügen (BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 Rdnr. 135). Der Anspruch beruht auf Art. 1 Abs. 1 GG. Wenn Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, ist der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen. Als Menschenrecht steht dieses Grundrecht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu.

Im Übrigen ist ohnehin fraglich, ob § 1a Nr. 2 AsylbLG nach verfassungskonformer Auslegung im vorliegenden Fall zu einer Absenkung der Grundleistungen gem. § 3 AsylbLG führen kann.

§ 1a AsylbLG schränkt Grundleistungen, die Asylbewerber gemäß § 3 AsylbG erhalten, weiter ein, wenn ein Missbrauchstatbestand vorliegt. Aus verfassungsrechtlichen Gründen (Schutz eines soziokulturellen Existenzminimums) ist die Norm restriktiv auszulegen (Birk in LPK-SGB XII, Rdnr. 1 zu § 1a AsylbLG; Hohm in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Rdnr. 2 zu § 1a AsylbLG).

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 8. Juli 2012 – 1 Bvl 10/10, 1 BvL 2/11 - verlangt Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG, dass das Existenzminimum in jedem Fall und zu jeder Zeit sichergestellt sein muss (siehe bereits oben). Migrationspolitische Erwägungen, die Leistungen an Asylbewerber und Flüchtlinge niedrig zu halten, um Anreize für Wanderungsbewegungen durch ein im internationalen Vergleich eventuell hohes Leistungsniveau vermeiden zu können, können danach von vornherein kein Absenken des Leistungsstandards unter das physische und soziokulturelle Existenzminimum rechtfertigen (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Familie und Senioren (13. Ausschuss), vom 14. Mai 1993, BT Drucks. 12/5008, S. 13 f.) Die in § 1 AsylbLG in der Festlegung des Kreises der Berechtigten angelegte Vermutung, diese hielten sich nur kurzzeitig in Deutschland auf, ist erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt (BVerfG, a. a. O., Juris Rdnr. 93 f.). Selbst wenn die Prognose für die Anfangszeit des Aufenthalts der Betroffenen nur aus dem Aufenthaltsstatus abgeleitet werden könnte, ist es jedenfalls für die in § 2 Abs. 1 AsylbLG vorgesehene Dauer von mittlerweile 4 Jahren des Leistungsbezugs und folglich einen evtl. auch längeren Aufenthalt nicht mehr gerechtfertigt, von einem nur kurzen Aufenthalt mit möglicherweise spezifisch niedrigem Bedarf auszugehen. Auch eine kurze Aufenthaltsdauer oder Aufenthaltsperspektive in Deutschland rechtfertigen es nicht, den Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums auf die Sicherung der physischen Existenz zu beschränken. Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG verlangt, dass das Existenzminimum in jedem Fall und zu jeder Zeit sichergestellt sein muss (vgl. BVerfGE 125, 175 ( 253 )).

Das BVerfG hat sich in der vorzitierten Entscheidung nicht ausdrücklich mit der Verfassungsmäßigkeit von § 1a AsylbLG befasst, in Literatur und Rechtsprechung wurden daher in der Folge Zweifel geäußert, ob Leistungseinschränkungen nach § 1a AslybG auf das unabweisbar Gebotene aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten noch zulässig sind (vgl. hierzu Bayer. LSG, Beschluss vom 24. Januar 2013, L 8 AY 4/12 B ER, Juris Rdnr. 31 mit Literatur- und Rechtsprechungsnachweisen). In der Entscheidung des Bayer. LSG, a. a. O., wurde offengelassen, ob Leistungseinschränkungen nach § 1 a Nr. 2 AsylbLG nach dem Urteil des BVerfG vom 18. Juli 2012 grundsätzlich verwehrt sind. Im Rahmen der Rechtsfolgenabwägung sei jedoch der Geldbetrag zur Deckung der persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens als Teil des soziokulturellen Existenzminimums vorläufig zu gewähren (Leitsatz Nr. 3 und Juris Rdnr. 32 f.). In weiteren Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes wurden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwendbarkeit des § 1a Nr. 2 AsylbLG verneint (vgl. LSG Hamburg, Beschluss vom 29. August 2013, L 4 A5/13 B ER, L 4 AY 6/13 B PKH, Leitsatz und Juris Rdnr. 6 f.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19. August 2013, L 8 AY 3/13 B ER, Leitsatz und Juris Rdnr. 35 f.; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 20. März 2013, L 8 AY 59/12 B ER, Leitsatz und Juris Rdnr. 24 f; LSG Thüringen, Beschluss vom 17. Januar 2013 , L 8 AY 1801/12 B ER, Juris Rdnr. 24). Dies wurde zum Teil damit begründet, dass es der Leistungsberechtigte in der Hand habe, die Leistungsvoraussetzungen zu erfüllen und eine Kürzung zu vermeiden. Nicht anders als in anderen Grundsicherungssystemen sei die Verknüpfung von Mitwirkungspflichten und Verhaltenspflichten mit Leistungseinschränkungen auch im AsylbLG verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. LSG Thüringen, a. a. O., Juris Rdnr. 24). In anderen Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes wurde der Rechtsbegriff der "im Einzelfall unabweisbar gebotenen Leistungen" auf der Rechtsfolgenseite des § 1a AsylbLG dahingehend verfassungskonform ausgelegt, dass für die Zeit bis zu einer gesetzlichen Neuregelung eine Absenkung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auf der Grundlage des § 1a AsylbLG nicht in Betracht kommt (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. April 2013, L 20 AY 153/12 B ER, Juris Rdnr. 48; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 27. März 2013, L 3 AY 2/13 B ER, veröffentlicht in Juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 6. Februar 2013, L 15 AY 2/13 B ER, Juris Rdnr. 8). Auch im Rahmen des § 1a AsylblG dürfe der Leistungsumfang das menschenwürdige Existenzminimum nicht unterschreiten. Insofern könnten sich bei summarischer Prüfung für die nach § 1a AsylbLG unabweisbar zu gewährenden Leistungen wertmäßig keine Unterschiede zu denjenigen Leistungen ergeben, die nach dem AsylbLG Leistungsberechtigten als Übergangsleistungen bei § 3 AsylbLG im Anschluss an die Entscheidung des BVerfG zur Verfügung zu stellen seien (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O, Juris Rdnr. 44).

Vor dem Hintergrund der dargestellten Erwägungen des BVerfG hält der erkennende Senat es jedenfalls für unverhältnismäßig und nicht mit Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG vereinbar, den betroffenen Ausländern ohne zeitliche Begrenzung über Jahre hinweg eingeschränkte Leistungen nach § 1a Nr. 1 AsylbLG zu gewähren, zumal es diese nicht in der Hand haben, durch eigenes Verhalten die Gewährung ungekürzter Leistungen herbeizuführen (zu diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken vgl. bereits SG Münster, Beschluss vom 1. März 2013, S 12 AY 13/13 ER, Juris Rdnr. 12 f.; Deibel, Asylbewerberleistungsrecht aktuell: Zwischen Bundesverfassungsgericht und gesetzlicher Neuregelung, Sozialrechtaktuell 3/2013, S. 103, 108; Janda, Quo vadis, AsylbLG? Möglichkeiten der Neugestaltung der existenzsichernden Leistungen für Personen mit vorübergehendem Aufenthalt nach dem Urteil des BVerfG, ZAR 2013, 175, 4.2.4.1) und daher eine verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift für geboten.

Zwar hält auch der Senat Leistungskürzungen nach § 1a AsylbLG im Grundsatz für verfassungsrechtlich zulässig, insbesondere auch im Hinblick auf verhaltensbedingte Leistungskürzungen im Fürsorgerecht (vgl. § 31 Abs. 2 SGB II, §§ 26, 41 Abs. 4 SGB XII). Jedenfalls zeitlich begrenzte verhaltensbedingte Einschränkungen der Leistungen müssen danach aus Gründen der "Gleichbehandlung" auch im Asylbewerberleistungsrecht möglich sein, um eine Privilegierung von Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG im Vergleich zu deutschen Sozialhilfeempfängern und dauerhaft in Deutschland lebenden Ausländern zu verhindern (vgl. zu diesem Gesichtspunkt LSG Bayern mit Hinweis auf die Gesetzesbegründung BT Drs. 13/1055, S. 5 linke Spalte a. E.; Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 4. Auflage, Rdnr. 2 zu § 1a AsylbLG). Leistungskürzungen im SGB II und SGB XII sind jedoch in der Regel vorübergehender Natur, und es geht ihnen eine Belehrung über die Folgen der Fortsetzung des sanktionsbedrohten Verhaltens voraus.

Auch der konkrete Missbrauchstatbestand des § 1a Nr. 2 AsylbLG begegnet hinsichtlich seiner tatbestandlichen Voraussetzungen keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, jedoch beanspruchen die verfassungsrechtlichen Vorgaben bei der Bestimmung dessen, was nach den Umständen im Einzelfall unabweisbar geboten ist, nach der dargestellten Rechtsprechung des BVerfG verstärkte Beachtung.

Im streitgegenständlichen Fall befindet sich der Antragsteller bereits seit 5. Oktober 2002 in Deutschland. Anhaltspunkte für eine baldige Beendigung des Aufenthalts der Antragsteller im Bundesgebiet sind nicht ersichtlich. Vielmehr ergeben sich aus der Aktenlage mehrere integrative Aspekte; so verfügt er über eine Beschäftigungserlaubnis und hat bereits (berufsbezogene) Sprachkurse besucht.

Wenn Grundleistungen wie vorliegend in Form von Barbeträgen gewährt werden, bestimmt sich die Höhe der Leistungen bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG und der Übergangsregelung des BVerfG (entsprechende Anwendung des Regelbedarfs-Ermittlungsgesetzes). Hinzu kommt der Geldbetrag gemäß § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG (Leistungen zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums).

Soweit Grundleistungen bereits erbracht wurden, sind ggf. noch gekürzte Beträge nachzuzahlen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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