L 3 U 221/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 19 U 83/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 221/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 21. September 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob eine Infektion mit dem Bakterium Streptococcus pneumoniae als Arbeitsunfall und/oder eine Berufskrankheit im Sinne der Nummer 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) festzustellen ist.

Die 1952 geborene Klägerin ist seit 1993 vollschichtig als Leiterin einer Kindertagesstätte in C-Stadt tätig. Ihren Angaben zufolge werden dort ca. 100 Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren betreut. Die Klägerin leitet ein Team von 13 bis 15 Mitarbeitern, die pro Woche die 50-stündige Öffnungszeit der Kindertagesstätte im Schichtdienst abdecken. Die Klägerin ist mit Leitungsaufgaben, Mitarbeiterführung, Entwicklung und Umsetzung pädagogischer Konzepte sowie administrativen Aufgaben beschäftigt, zu 25 % hat sie auch Gruppendienst zu verrichten. Die Kindertagesstätte ist ca. 9 km von der Wohnung, die die Klägerin allein bewohnt, entfernt, für den Weg zur Arbeit benutzt die Klägerin ihr eigenes Auto.

Vom 7. März 2005 bis 22. März 2005 war die Klägerin stationär in der neurologischen Klinik der Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden aufgenommen. Es wurde eine Pneumokokken-Meningitis bei Otitis media links diagnostiziert. Im Entlassungsbericht vom 22. März 2005 wird zum Aufnahmeanlass ausgeführt, vorher habe bereits ein grippaler Infekt über 2 Wochen bestanden, der sich zuletzt zurückgebildet habe, die Klägerin habe jetzt nur noch Schnupfen. Davor sei Sekret aus dem linken Ohr geflossen. Fieber habe erst seit der Nacht vor der Aufnahme bestanden. Seit Freitag seien sich langsam steigernde Kopfschmerzen aufgetreten. Am Montag, dem Aufnahmetag, sei die Klägerin morgens zusammengeklappt.

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2005 erstattete der HNO-Arzt D. bei der Beklagten eine Berufskrankheitenanzeige und gab an, die Klägerin habe sich die Pneumokokkeninfektion in der Kindertagesstätte der Gemeinde C-Stadt zugezogen. Die Klägerin gab in einem Schreiben vom 17. Oktober 2005 an, sie führe die Ansteckung auf ihre Tätigkeit in der Kindertagesstätte zurück. In der Zeit von Januar bis März 2005 seien sehr viele Kinder an diesem Erreger erkrankt gewesen und sie habe sich angesteckt. Auf Nachfrage der Beklagten bei der Gemeindeverwaltung C-Stadt, ob es in der Zeit von Januar bis März 2005 an Meningitis erkrankte Kinder oder Mitarbeiter in der Kindertagesstätte gegeben habe, teilte Verwaltungsoberrat E. am 21. Februar 2006 telefonisch mit, in diesem Zeitraum seien mehrere Kinder an Mittelohr- und Lungenentzündung erkrankt gewesen, Kolleginnen der Klägerin seien nicht erkrankt. Die in der Kindertagesstätte tätige Erzieherin F. teilte der Beklagten auf Anfrage mit, von Januar bis März 2005 seien 32 Kinder an einer Pneumokokkeninfektion erkrankt gewesen, davon 28 an Mittelohrentzündung und 4 an Lungenentzündung. Ergänzend führte sie aus: "32 von 38 betreuten Kindern waren demnach an einer Pneumokokkeninfektion erkrankt, die dann auch die Ursache für die Pneumokokkeninfektion mit anschließender Meningitis von Frau A. war."

Der Oberarzt der medizinischen Klinik am Krankenhaus Nordwest Dr. G., den die Beklagte um eine ausführliche Stellungnahme zum Zusammenhang nach Aktenlage gebeten hatte, empfahl in einer Stellungnahme vom 30. Juni 2006 weitere Ermittlungen mit Beiziehung der Krankenakte der Klägerin von den Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken, die Beiziehung der arbeitsmedizinischen Untersuchungsbefunde der Klägerin und eine Klärung der Frage, ob von der Klägerin betreute Kinder nachweislich in dem in Betracht kommenden Zeitraum an einer Pneumokokkeninfektion erkrankt waren. Verwaltungsoberrat E. teilte hierzu für die Gemeindeverwaltung am 22. September 2006 mit, die Eltern seien nicht verpflichtet, einen schriftlichen Nachweis über die Erkrankung ihrer Kinder zu erbringen, die Krankmeldung erfolge freiwillig und ausschließlich mündlich. Die Klägerin habe bei vielen Kindern Hilfestellung geleistet, die sich krank und unwohl gefühlt hätten. Sie sei im Rahmen ihrer Tätigkeit verpflichtet, Hilfestellung zu geben, bis erkrankte Kinder von ihren Eltern abgeholt werden. Die Erzieherin F. gab an, eine Mitteilung der Erkrankungen an das Gesundheitsamt sei nicht erfolgt. Keines der erkrankten Kinder sei stationär behandelt worden.

Dr. G. erstattete nach Untersuchung der Klägerin am 3. Februar 2007 sein Gutachten und teilte mit, die Übertragung der Pneumokokken geschehe durch Tröpfcheninhalation. Die Infektion trete am häufigsten im Winter und im Frühjahr auf, wenn auch Atemwegsinfektionen häufiger vorkämen. Die Inkubationszeit liege bei einem bis zu drei Tagen. Streptococcus pneumoniae sei der häufigste Auslöser der Otitis media mit 500.000 Infektionen in den USA pro Jahr. Die Häufigkeit der Pneumokokken-Pneumonie werde mit 1-2 pro 1000 geschätzt, die Pneumokokken-Meningitis mit 1-1,5 pro 10.000. Pneumokokken lebten normalerweise als Kommensalen in der Mundhöhle des Menschen. Sie seien in 5-30 % der Menschheit im Rachensekret nachweisbar. Die Kolonisierung des oberen Atemtraktes könne schon am 1. Lebenstag erfolgen. Kinder seien häufiger Pneumokokkenträger als Erwachsene. Erst bei Zerstörung des normalen Epitels, z.B. durch Virusinfekte, mechanische oder chemische Alterationen könnten die Pneumokokken eindringen und dann die Infektion auslösen. Dr. G. gelangte zu der Beurteilung, bei der Klägerin könne die Infektionsquelle eines der betreuten Kinder oder arbeitsplatzunabhängig ein anderer Erkrankter gewesen sein, zu dem sie zufällig im Alltag kurzfristig Kontakt gehabt habe. Es könne aber auch eine endogene Infektion bei akut geschwächter Abwehrlage vorgelegen haben. 50 % der Erwachsenen wiesen natürlicherweise eine Rachenbesiedlung mit Streptococcus pneumoniae auf. Da eine Streptococcus pneumoniae-Infektion bei keinem der betreuten Kinder nachgewiesen worden sei, werde empfohlen, bei der Klägerin keine Berufskrankheit nach Nr. 3101 und keinen Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Beweislage sei für eine Anerkennung leider zu dürftig. Es sei keine epidemiologische Studie bekannt, die für Erzieherinnen ein erhöhtes Risiko, an einer Pneumokokken-Infektion zu erkranken, nachgewiesen habe. Nach Befragung der Eltern der erkrankten Kinder aufgrund nochmaliger Nachfrage der Beklagten teilte die Erzieherin F. mit, bei keinem der Kinder sei ein Pneumokokkentest durchgeführt worden. Nach Auskunft des Kinderarztes sei es nicht üblich, diese Tests durchzuführen.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Pneumokokkeninfektion werde nicht als Folge eines Arbeitsunfalles anerkannt. Eine Infektion als schädigendes Ereignis innerhalb einer Arbeitsschicht müsse mit Vollbeweis nachgewiesen sein. Eine Pneumokokkeninfektion habe in der Kindertagesstätte nicht nachgewiesen werden können. Mit weiterem Bescheid vom gleichen Tage lehnte die Beklagte einen Anspruch der Klägerin auf Entschädigungsleistungen wegen einer Pneumokokken-Meningitis bei Otitis media links als Berufskrankheit ebenfalls ab. Mitarbeiter einer Kindertagesstätte seien nicht der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt wie Versicherte im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege oder in einem Labor. In Kindergärten, Schulen oder Gemeinschaftsunterkünften kämen überwiegend gesunde Menschen zusammen. Die Klägerin gehöre nicht zum Kreis der versicherten Personen.

Mit Schreiben vom 28. Juni 2007 legte die Klägerin gegen beide Bescheide Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 27. November 2007 teilte sie mit, sie habe ergänzende Tatsachen zusammengetragen. Sie legte von den jeweiligen Gruppenerzieherinnen unterschriebene Listen über Fehlzeiten von Kindern im Zeitraum Januar, Februar und März 2005 vor. Diesen Listen zufolge ergeben sich Fehlzeiten für 37 Kinder. Die Listen enthalten den gleichlautenden Satz: "Im oben genannten Zeitraum waren diese Kinder laut Angaben der Eltern an Scharlach, Mittelohr- und Lungenentzündungen erkrankt und blieben der Kita fern." Vorgelegt wurde zudem eine "Bescheinigung zur Vorlage bei der Unfallkasse Hessen" vom 11. November 2007 der Erzieherin F. Darin wird ausgeführt: "Hiermit bescheinige ich, dass ich am 3. März 2005 Frau A. ein über sehr starke Ohrenschmerzen klagendes Kind in ihre Obhut übergeben habe, damit sie es bis zum Eintreffen der Mutter, die ich nicht persönlich erreichen konnte (ich sprach auf den Anrufbeantworter) betreut. Das Kind jammerte und weinte und hielt sich vor Schmerzen die Ohren. Frau A. wickelte es in eine Decke und hielt es die nächsten zwei Stunden, die bis zum Eintreffen der Mutter vergingen, auf ihrem Schoß fest und beruhigte es. Am nächsten Tag meldete die Mutter ihr Kind ab, da es eine Mittelohrentzündung habe! Meiner Meinung nach hat sich Frau A. an diesem Vormittag durch die intensive und direkte, also auch sehr körpernahe Betreuung des an Mittelohrentzündung erkrankten Kindes angesteckt, was bei ihr ebenfalls zu einem Ausbruch einer Mittelohrentzündung führte mit den ihnen bekannten schwerwiegenden Folgen."

Die Beklagte wies durch Widerspruchsbescheide vom 18. Juni 2008 den Widerspruch der Klägerin gegen die Bescheide vom 20. Juni 2007 zurück.

Die Klägerin hat gegen diese Widerspruchsbescheide am 15. Juli 2008 beim Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben.

Das Sozialgericht hat auf Antrag der Klägerin von dem Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität Erlangen-Nürnberg Prof. Dr. H. ein Gutachten vom 12. Mai 2010 eingeholt. Zum Krankheitsverlauf hat die Klägerin gegenüber Prof Dr. H. angegeben, sie habe im März 2005 an einer Klausurtagung teilgenommen. Sie habe nachts bemerkt, dass das linke Ohr "zu" sei. Später habe sie auch eine Sekretion aus dem linken Ohr bemerkt. Sie sei dann zum ärztlichen Notdienst gegangen (am 5.03.2005), dieser habe ihr Nasentropfen verschrieben. In der Folgezeit habe sie zunehmend Kopfschmerzen bekommen. Sie habe viele Schmerztabletten eingenommen und sich sonntags hingelegt. Am Montag sei sie von einer Bekannten vermisst worden, man habe die Wohnungstür aufgebrochen. Es seien die Sanitäter und später auch der Hausarzt gerufen worden, der sie in die Klinik eingewiesen habe. In seiner zusammenfassenden Beurteilung hat der Sachverständige ausgeführt: Bis zu 60 % der Vorschulkinder seien asymptomatische Träger von Streptococcus pneumoniae. Eine Weitergabe von Streptococcus pneumoniae innerhalb einer Familie auf Geschwisterkinder und Erwachsene sei belegt. Auch bei Beschäftigten von Kindertagesstätten hätten Besiedelungen mit Streptococcus pneumoniae nachgewiesen werden können. In der einzigen ihm bekannten sorgfältig durchgeführten epidemiologischen Studie aus Texas habe der Prozentsatz bei Beschäftigten von Kindertagesstätte mit Besiedlung von Streptococcus pneumoniae jedoch nicht höher als in der Kontrollgruppe gelegen. Eine wissenschaftlich fundierte Antwort auf die Frage, ob Beschäftigte in deutschen Kindertagesstätten ein im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung signifikant erhöhtes Risiko hätten, an einer Pneumokokkeninfektion zu erkranken, sei nach seiner Einschätzung nicht möglich. Hinsichtlich des konkreten Erkrankungsfalles der Klägerin erscheine wichtig, dass bezüglich der möglichen Anerkennung eines Arbeitsunfalls weder ein genauer Unfalltag noch eine genaue Infektionsquelle eruiert werden könne. Die Frage nach dem möglichen Vorliegen einer Berufskrankheit sei berechtigt, weil in den Wochen vor der Erkrankung der Klägerin in der Kindertagesstätte eine auffallende Häufung von Mittelohrentzündungen und Lungenentzündungen bei Kindern aufgetreten sei. Es sei seines Erachtens nicht mehr gerechtfertigt, generell bei Beschäftigten von Kindertagesstätten eine erhöhte Infektionsgefährdung zu verneinen. Spätestens mit Inkrafttreten der Biostoffverordnung habe auch der Verordnungsträger ein erhöhtes Risiko bei der vorschulischen Kinderbetreuung, zumindest für bestimmte Erreger, bestätigt. Hinsichtlich einer Infektion mit Pneumokokken lägen jedoch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber vor, ob Beschäftigte von Kindertagesstätten ein, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, erhöhtes Erkrankungsrisiko haben. Es müsse jedoch festgehalten werden, dass bei Kindern Mittelohrentzündungen und Lungenentzündungen häufig durch Pneumokokken verursacht werden. Auch wenn im konkreten Fall bei den Kindern keine speziellen Untersuchungen auf Pneumokokken durchgeführt worden seien, sei doch davon auszugehen, dass zu dem vermuteten Infektionszeitpunkt der Klägerin Pneumokokken-Erkrankungen in der Kindertagesstätte vorgelegen haben. Risikofaktoren aus dem persönlichen Lebensumfeld oder eine relevante Abwehrschwäche der Klägerin hätten im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung nicht festgestellt werden können. Es sei deshalb nicht nur möglich, sondern auch wahrscheinlich, dass die bei der Klägerin aufgetretene Infektion mit Pneumokokken während der Tätigkeit in der Kindertagesstätte erfolgt sei.

Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, Kindergärten seien keine Einrichtungen, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung bestehe oder unterstellt werde. Durch die Biostoffverordnung sei insoweit keine andere Beurteilung gerechtfertigt. Die arbeitsmedizinischen Untersuchungen bezögen sich auf Röteln, Masern, Mumps, Windpocken und Keuchhusten. Diese Erkrankungen seien auch in der Vergangenheit kein Problem bei der kausalen Beurteilung gewesen. Bei diesen Krankheiten sei von einer erhöhten Infektionsgefährdung auszugehen. Nicht genannt werde in diesem Zusammenhang der Erreger Streptococcus pneumoniae, da diesbezüglich keine epidemiologischen Untersuchungen zur Häufigkeit von Infektionen bei Beschäftigten in Kindergärten bekannt seien. Die neueste Publikation zu berufsbedingten Infektionen bei Erzieherinnen und Erziehern in Kindergärten von G. Elsner, G. Peter Reich-Haack und A. Nienhaus (Zbl. Arbeitsmed. 59 [2009] 34-42) komme zu dem Ergebnis, dass Kindergärtnerinnen von bakteriellen Infektionskrankheiten eher selten betroffen seien. Dies bedeute, dass eine besonders hohe Infektionsgefahr, die im Vollbeweis vorliegen müsse, nicht vorgelegen habe und somit die vierte Tatbestandsalternative (ähnlich exponierte Bereiche) nicht erfüllt sei. Zudem könne auch davon ausgegangen werden, dass schwere Erkrankungen der Kinder nicht vorgelegen hätten. Überwiegend habe bei den erkrankten Kindern nur wenige Tage eine "Kindergartenunfähigkeit" bestanden. Auch fielen viele Fälle wegen der Inkubationszeit aus dem Raster, da diese lange vor der Erkrankung der Klägerin oder danach aufgetreten seien.

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 21. September 2010 die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe durch die Infektion keinen Arbeitsunfall erlitten. Unfälle seien zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse. Als zeitlich begrenztes Ereignis werde eine Erkrankung gesehen, die längstens innerhalb einer Arbeitsschicht erfolge, der genaue Zeitpunkt müsse nicht festgestellt werden, es genüge, wenn feststehe, dass die Schädigung innerhalb einer Schicht erfolgt sei. Es müsse nachgewiesen sein, dass ein unmittelbarer oder mittelbarer Kontakt zum Erreger bei der Arbeit stattgefunden habe. Dieser Nachweis könne nicht erbracht werden. Es stehe nicht fest, dass eines der Kinder mit Pneumokokken infiziert gewesen sei. Deshalb könne auch nicht nachgewiesen werden, dass während einer Arbeitsschicht eine Infektion stattgefunden habe. Die Klägerin leide auch nicht an einer Berufskrankheit. Nach dem zur Hepatitis B entwickelten Stufenmodell fehle es nicht nur an einem unmittelbaren oder mittelbaren Kontakt zu einer nachweislich infizierten Person, sondern auch an einem unmittelbaren oder mittelbaren Kontakt zu einer Gruppe von Menschen mit einem gegenüber der Normalbevölkerung deutlich erhöhten Anteil infektiöser Personen oder an einer der Art nach besonders infektionsgefährdenden Tätigkeit. Bei einer Kindertagesstätte handele es sich nicht um eine besonders gefährdete Einrichtung. Die Arbeitsmedizinverordnung aus dem Jahr 2008 beziehe sich lediglich auf die biologischen Arbeitsstoffe Keuchhusten, Masern-Virus, Mumps-Virus, Röteln und Windpocken. Streptococcus pneumoniae sei hingegen nicht als Erreger aufgeführt. Eine Ursächlichkeit zwischen der beruflichen Tätigkeit der Klägerin und der Infektion könne nicht nachgewiesen werden. Die erforderliche Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs sei bei einer BK 3101 BKV gegeben, wenn nachgewiesen sei, dass der Versicherte bei der Berufstätigkeit einer besonderen, über das normale Maß hinausgehenden Ansteckungsgefahr ausgesetzt gewesen sei. Dieser Nachweis habe hier nicht erbracht werden können. Die Inkubationszeit betrage bei dem hier infrage stehenden Bakterium ein bis drei Tage, so dass viele der ermittelten, aufgelisteten erkrankten Kinder bereits als Infektionsquelle auszuscheiden seien.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 4. Oktober 2010 zugestellte Urteil am 3. November 2010 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und geltend gemacht, der Sachverständige habe in seinem Gutachten belegt, dass eine erhöhte Infektionsgefahr in Kindertagesstätten bestehe. Auch ein von der Beklagten herausgegebenes Magazin von September 2007 belege die Erkenntnis, dass durch den engen körperlichen Kontakt in Kindertageseinrichtungen die Beschäftigten einer erhöhten Ansteckungsgefahr ausgesetzt seien. Das gelte auch für die konkreten, die Klägerin betreffenden Verhältnisse. Es habe deshalb eine erhebliche Risikoerhöhung für die Klägerin vorgelegen. Auch das Vorliegen eines Arbeitsunfalls sei zu bejahen. Hier liege es nahe, die Infektion bei der Betreuung des Kindes anzusetzen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 21. September 2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 20. Juni 2007 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2008 aufzuheben und die Pneumokokkeninfektion im März 2005 als Folge eines Arbeitsunfalls und als Berufskrankheit nach Nr. 3101 zur Anlage 1 der BKV festzustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Die Entscheidung des Sozialgerichts und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtens.

Zu Recht hat das Sozialgericht festgestellt, dass die Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls hier nicht vorliegen. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts verwiesen (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Auch das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV kann bei der Klägerin nicht festgestellt werden.
Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte in Folge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, 3 oder 6 SGB VII begründeten Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen (Satz 2).

Für die Feststellung einer Listenberufskrankheit ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dabei gilt für die Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts hinsichtlich der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" der Beweisgrad des Vollbeweises, also der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Für die Überzeugungsbildung vom Vorliegen der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge und der rechtlich zu bewertenden Wesentlichkeit einer notwendigen Bedingung genügt der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 – B 2 U 22/10 R – m.w.N. in juris).

Als Berufskrankheit werden unter Nr. 3101 der Anlage 1 zur BKV bezeichnet: "Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war."
Die Tatbestandsalternative "durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt" soll den Versicherungsschutz über den zuvor genannten Personenkreis auf Versicherte ausdehnen, die im Einzelfall durch ihre Tätigkeit der Ansteckungsgefahr besonders ausgesetzt sind. Der Verordnungsgeber geht typisierend davon aus, dass gerade im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege und in einem Laboratorium eine abstrakte Gefahrenlage und für die betroffenen Beschäftigten ein generell erhöhtes Infektionsrisiko besteht. Durch die Erweiterung des Versicherungsschutzes auf außerhalb der bezeichneten Gefährdungsbereiche tätige Versicherte, die "der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt" sind, wird deutlich, dass die besondere Gefahrenlage im Sinne der vierten Regelungsalternative derjenigen entsprechen muss, die im Falle der anderen drei Regelungsalternativen des Gesundheitsdienstes, der Wohlfahrtspflege und des Laboratoriums angenommen wird. Auch die vierte Regelungsalternative setzt daher voraus, dass die versicherte Tätigkeit eine abstrakte Gefahrenlage in sich birgt (so BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 33/07 R – in juris). Die abstrakte Gefährdung muss in Art und Grad derjenigen in den bezeichneten Einrichtungen vergleichbar sein (Schönberger/Mehrtens/Valentin, 8. Auflage, Seite 706).

Lassen die Tätigkeitsart und das Arbeitsumfeld auf eine abstrakte Gefährdungslage schließen, bedarf es außerdem der tatsächlichen Feststellungen zur Notwendigkeit einer konkret erhöhten Infektionsgefahr und damit zu der Frage, ob die Verrichtungen des Versicherten ihn mit einem durchseuchten Objektbereich in Berührung gebracht haben oder ob sie im Hinblick auf den Übertragungsmodus der in Frage kommenden Infektionskrankheit sowie ihrer Art, Häufigkeit und Dauer nach besonders infektionsgefährdend waren (vgl. BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 33/07 R). Die Feststellung einer besonderen, d. h. erhöhten Infektionsgefahr unter den konkreten Bedingungen der individuellen Tätigkeit ist erforderlich, weil die Zugehörigkeit zum "privilegierten" Versichertenkreis nur das generelle Gruppenrisiko belegt und die bloße Zugehörigkeit zum "privilegierten" Personenkreis allein nicht genügt (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., Seite 707).

Für die erhöhte Infektionsgefahr gelten hinsichtlich des Beweismaßstabes die Anforderungen, die ansonsten für das Tatbestandsmerkmal der Einwirkungen zu beachten sind. Sie muss im Vollbeweis vorliegen. Zwar setzt der Begriff der Gefahr eine Wahrscheinlichkeitsprognose voraus. Er charakterisiert einen Zustand, bei dem nach den objektiven Umständen der Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich gelten kann. Allerdings ist zwischen der tatsächlichen Ebene, auf die sich die Wahrscheinlichkeitsprognose beziehen muss, und der rechtlichen Wertung, ob aufgrund der nachgewiesenen Tatsachen eine Schädigung möglich ist, zu unterscheiden (BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 30/07 R – in juris).
Eine erhöhte Ansteckungsgefahr ist bei Versicherten anzunehmen, die aufgrund ihrer Tätigkeit oder ihres Arbeitsumfeldes einer Infektionsgefahr in besonderem Maße ausgesetzt sind. Die besondere Infektionsgefahr kann sich im Einzelfall aufgrund der Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ergeben. Der Grad der Durchseuchung ist hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen.
Das weitere Kriterium der mit der versicherten Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen. Der spezifische Übertragungsweg eines bestimmten Krankheitserregers ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und gegebenenfalls technischer Sachkunde dem im Entscheidungszeitunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu entnehmen. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallende Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht. Daneben sind die individuellen Arbeitsvorgänge zu beachten. Da für die Anerkennung der BK 3101 nicht eine schlichte Infektionsgefahr genügt, sondern eine (zum Teil typisierend nach Tätigkeitsbereich) besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt wird, kommt es darauf an, welche einzelnen Arbeitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg besonders gefährdend sind.
Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr erlangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Allerdings muss zumindest die Möglichkeit einer Infektion bestehen. Ist das nicht der Fall, weil zum Beispiel trotz eines hohen Durchseuchungsgrades die Art der konkreten ausgeübten Tätigkeit ein Infektionsvorgang ausschließt, ist für die Annahme einer Gefahr von vornherein kein Raum. Kommt indes eine Infektion in Betracht, ist im Wege der Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig erhöht ist, sondern im besonderen Maße über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung liegt. Dabei legt der Nachweis einer infizierten Kontaktperson bei gleichzeitiger übertragungsgefährdender Tätigkeit das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr nahe. Zwingend ist dieser Schluss aber nicht (so BSG, Urteil vom 2. April 2009 – B 2 U 30/07 R -).

Fallbezogen war zunächst festzustellen, ob die Klägerin in ähnlichem Maße der Infektionsgefahr ausgesetzt war wie Versicherte, die im Gesundheitsdienst, der Wohlfahrtspflege oder einem Laboratorium tätig sind; ob dem versicherten Tätigkeitsbereich der Klägerin eine abstrakte Gefahrenlage innewohnt. Diese Feststellung kann nicht getroffen werden:
In einer früheren Entscheidung vom 25. Januar 1983 – 9b/8/8a RO 76/80 – hat das BSG zu der damals noch unter der Nummer 37 der Anlage 1 zur BKVO 7 aufgelisteten Berufskrankheit ausgeführt: "Eine solche besondere Gefährdung bei einer bestimmen versicherten Tätigkeit, die der Gefährlichkeit von Betätigungen in den unter Nr. 37 der Anlage 1 zur 7. BKVO ausdrücklich genannten Berufsbereichen gleichkommt, muss aus allgemeinen medizinischen Erfahrungen über eine Fülle gleichgelagerter Fälle erkennbar sein."
Nach Auskunft der Sachverständigen Dr. G. und Prof. Dr. H. liegen keine wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber vor, ob Beschäftigte von Kindertagesstätten ein, im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung, erhöhtes Risiko haben, sich eine Infektion mit Pneumokokken zuzuziehen.
Die Beklagte hat den Aufsatz "Berufsbedingte Infektionen bei Erzieherinnen und Erziehern in Kindergärten" vorgelegt, der von Prof. Dr. Elsner, Dr. Peter Reich-Raack, beide tätig am Institut für Arbeitsmedizin, Fachbereich der Medizin der Johann Wolfgang Goethe Universität in Frankfurt am Main, und Priv.-Doz. Nienhaus, tätig für die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege, Fachbereich Gesundheitsschutz, verfasst und der 2009 in dem Zentralblatt Arbeitsmedizin (Zbl Arbeitsmed 59 (2009/34-42) veröffentlicht wurde. Für ihren Aufsatz haben die Autoren 30 Publikationen ausgewertet, in denen Infektionskrankheiten bei Kindergärtnerinnen und Krippenpersonal thematisiert werden. Die ausgewerteten Untersuchungen stammen aus europäischen Ländern sowie den Vereinigen Staaten und Kanada. Die Autoren gelangen zu der Schlussfolgerung, dass es für einige Viren (HAV, CMV und Parvoviren B19 – Ringelröteln) ein erhöhtes Infektionsrisiko gibt und diese Erkrankungen, wenn sie bei Kindergärtnerinnen auftreten und keine außerberuflichen Infektionsrisiken bestanden, als Berufskrankheiten anerkannt werden können. Zu Infektionskrankheiten, die von dem Bakterium Streptococcus pneumoniae verursacht werden, wird in der Studie ausgeführt, Kindergärtnerinnen seien von derartigen bakteriellen Infektionskrankheiten eher selten betroffen. Verwiesen wird auf eine Studie aus Schweden aus dem Jahre 1997, die eine Infektion mit antibiotika–resistenten Streptokokken (Streptococcus pneumoniae) betraf. Von 308 untersuchten Kindergärtnerinnen waren nur 3 % asymptomatisch infiziert mit nicht resistenten Streptokokken.

Der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 14. April 2009 vorgelegten Veröffentlichung des Robert-Koch-Instituts vom 4. August 2006 – "Epidemiologisches Bulletin" mit Empfehlungen der ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut zur Impfung gegen Pneumokokken und Meningokokken – ist zu entnehmen, dass invasive Pneumokokken-Erkrankungen gehäuft bei Kindern im Alter von 6 – 11 Monaten (29,4 pro 100.000 der Altersgruppe pro Jahr) und bei Kindern von 1 Jahr (mit 16,3 pro 100.000 der Altersgruppe pro Jahr) gehäuft auftreten. Bei Kindern von 2 – 4 Jahren beträgt die Inzidenz 5,4 pro 100.000 der Altersgruppe pro Jahr. Bei der Altersgruppe von 5 15 Jahre beträgt die Inzidenz 1,1 pro 100.000 pro Jahr. Nach Auskunft des Prof. Dr. H., der ein "Epidemiologisches Bulletin" des Robert-Koch-Instituts vom 10. August 2009 ausgewertet hat, wird in den Industrieländern eine Inzidenz von invasiven Pneumokokken-Erkrankungen von 8 – 34 Erkrankungen pro 100.000 Einwohnern pro Jahr angenommen. Kleinkinder erkrankten häufiger als Jugendliche und junge Erwachsene. Die Zahl der Erkrankungsfälle nimmt mit zunehmendem Alter, zunächst ab 40 Jahren und in einer weiteren Stufe ab 60 Jahren, wieder zu. Eine invasive Pneumokokken-Erkrankung tritt, so Prof. Dr. H., insbesondere bei Kleinkindern und bei älteren Personen auf. In der Kindertagesstätte C-Stadt werden Kinder im Alter von 3 – 6 Jahren betreut und keine Kleinkinder. Aus dem Alter der betreuten Kinder lässt sich deshalb keine erhöhte Ansteckungsgefahr ableiten. Solche Schlüsse wurden auch von dem Sachverständigen Prof. Dr. H. nicht gezogen.

Unter Bezugnahme auf ein Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 8. Januar 1984 – L 3 U 41/83 – in Breithaupt 1984, 952 wird in Schönberger/Mehrtens/Valentin, 8. Auflage Seite 706 und in Mehrtens/Brandenburg, Kommentar zur Berufskrankheitenverordnung M 3101 Rdnr. 4 ausgeführt, Einrichtungen in denen sich vorwiegend gesunde Menschen treffen, wie Kindergarten, Schule und Gemeinschaftsunterkunft, seien nicht ähnlich geartete Bereiche wie der Gesundheitsdienst, die Wohlfahrtspflege und ein Laboratorium. Das LSG Rheinland-Pfalz führt hierzu in seinem Leitsatz aus: "Einer Infektionsgefahr "in ähnlichem Maße" wie bei Tätigkeiten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium "besonders" ausgesetzt kann man durch eine "andere" Tätigkeit nur sein, wenn man durch sie mehr als gewöhnlich mit Kranken in Berührung kommt, also nicht in Kindergärten, Schulen, Kasernen und sonstigen Einrichtungen mit vorwiegend gesunden Menschen."
Dieser Auffassung kann nicht uneingeschränkt zugestimmt werden. Abgestellt werden muss auf die einzelne Infektionskrankheit. Deshalb lassen die "Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen" (BioStoffVV, BG Bl. I Seite 50 und BG Bl. I Seite 2798) und die "Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge" (ArbMedVV BG Bl. I Seite 2768), die eine arbeitsmedizinische Pflichtuntersuchung bezüglich Röteln, Masern, Mumps, Windpocken und Keuchhusten vorsehen, sofern ein regelmäßiger direkter Kontakt zu Kindern im Bereich der vorschulischen Kinderbetreuung besteht, auch nicht den Schluss zu, eine Kindertagesstätte sei grundsätzlich eine Einrichtung, mit der eine abstrakte Gefahrenlage verbunden ist.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Erkenntnisse kann für den Personenkreis der Kindergärtnerinnen das Bestehen einer abstrakten Gefahrenlage in Bezug auf eine Pneumokokkeninfektion nicht bejaht werden.

Die konkrete Ausgestaltung der beruflichen Tätigkeit der Klägerin lässt keine hiervon abweichende Beurteilung zu: Die Klägerin hatte als Leiterin der Kindertagesstätte lediglich zu ca. 25 % ihrer Arbeitszeit Gruppendienst zu verrichten. Der Umstand, dass die Klägerin als Leiterin der Einrichtung an manchen Tagen erkrankte Kinder bis zum Eintreffen eines Elternteils betreut hat, stellt im Vergleich zur Situation der Personengruppe der Kindergärtnerinnen im Allgemeinen keine Besonderheit dar. Dass auch Kinder mit einer beginnenden Erkrankung den Kindergarten besuchen, dort unter Umständen bis zum Ende der regulären Öffnungszeit betreut werden oder zu betreuen sind, bis ein Elternteil das kranke Kind abholt, ist eine in allen Kindertagesstätten vorkommende Situation und keine Besonderheit des hier zu beurteilenden Falles.

Da folglich weder das Vorliegen eines Arbeitsunfalls noch einer Berufskrankheit festgestellt werden kann, konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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