L 3 U 9/12

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 99/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 9/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für die Anerkennung und Entschädigung von seelischen Störungen nach Unfällen kann der seelische Gesundheitserstschaden in zweierlei Hinsicht bedeutsam sein: Zum einen kann er, wenn es keine physischen Verletzungen gibt, Voraussetzung dafür sein, dass überhaupt ein Arbeitsunfall vorliegt. Zum anderen kann ihm, wenn ein Arbeitsunfall schon wegen physischer Verletzungen vorliegt, die Bedeutung als notwendige Anknüpfungstatsache im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen Arbeitsunfall und Unfallfolgen zukommen.
2. Der seelische Gesundheitserstschaden muss im Vollbeweis nachgewiesen werden, und zwar grundsätzlich als Reaktion in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Ereignis.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Feststellung einer depressiven Anpassungsstörung mit Angst- und Vermeidungsverhalten, Zwangsstörungen, einer Gleichgewichtsstörung und Tinnitus beiderseits als Arbeitsunfallfolgen.

Am 10. November 2006 erlitt der Kläger, ein Kundenmonteur, bei Wartungsarbeiten an einem Gasheizkessel einen Stromschlag (220 Volt). Nach diesem Stromschlag arbeitete er noch ca. 15 Minuten weiter (d.h. er baute den ausgebauten Brenner wieder ein) und begab sich dann ins Krankenhaus zur Untersuchung und Behandlung. Der Durchgangsarzt, Prof. Dr. C., Städtische Kliniken Frankfurt am Main, diagnostizierte einen Stromschlag an der rechten Hand. Der Kläger sei wach und orientiert sowie beschwerdefrei gewesen. Das EKG und der Puls (75 bpm) seien normal gewesen. Der Blutdruck habe 150/95 mmHg bei bekanntem Bluthochdruck betragen. Es habe keine Strommarke festgestellt werden können. Die neurologische Untersuchung sei orientierend unauffällig gewesen. Noch am selben Tag wurde der Kläger gegen 15:00 Uhr aus der Behandlung arbeitsfähig und beschwerdefrei entlassen.

Am 15. November 2006 zeigte der Kläger den Arbeitsunfall der Beklagten an. Er gab an, nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen wurde, habe er am Wochenende unter Unwohlsein mit Kopfschmerzen, zittrigen Händen und Schmerzen in der Nierengegend gelitten.

Bei einer Untersuchung durch den HNO-Arzt Dr. D. am 28. November 2006 zeigte sich bei der vestibulären Prüfung eine deutliche Seitendifferenz im Sinne einer kalorischen Übererregbarkeit der rechten Seite. Derselbe Befund zeigte sich auch bei einer weiteren Untersuchung durch Dr. D. am 2. November 2007. Der Neurologe Dr. E., den der Kläger wegen Schwindelbeschwerden am 14. Mai 2007 aufsuchte fand keinen Anhalt für eine zentrale vestibuläre Störung.

Im Zeitraum vom 21. Juni 2007 bis 9. August 2007 befand sich der Kläger in einer stationären Rehabilitation in der F. Klinik. Er gab an seit dem am 10. November 2006 erlittenen Stromschlag unter rezidivierendem Schwindel, zeitweiligem Zittern der rechten Hand und einem Tinnitus (in ca. 2-tägigen Abständen, vor allem links, ca. 2 min anhaltend) zu leiden. Dem Entlassungsbericht der F-Klinik in F-Stadt vom 10. August 2007 ist zu entnehmen, dass dort am 25. Juni 2007 ebenfalls eine Vestibularisprüfung durchgeführt wurde. Dabei zeigten sich sowohl bei Prüfung der statischen Funktion und Bewegung als auch bei der thermischen Prüfung keine relevanten pathologischen Befunde. Die "minimale Seitendifferenz" (gering verminderte Erregbarkeit der linken Seite) wird als mögliches Residuum des von Dr. D. aufgrund seiner Untersuchung vom 28. November 2006 diagnostizierten Vestibularisausfalls interpretiert. Im Rombergtest zeigte sich keine Fallneigung, Strich- und Blindgang konnten sicher durchgeführt werden. In verhaltenstherapeutischen psychologischen Einzelgesprächen gab der Kläger an, seit dem Stromunfall unter phobischen Ängsten im Zusammenhang mit Aufgaben zu leiden, wie sie regelhaft in seiner beruflichen Tätigkeit vorkommen.

Am 27. September 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Anerkennung des Arbeitsunfalls.

Die Beklagte holte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten bei G. ein. Der Kläger gab an, seit dem Unfall habe er ein Zittern der rechten Hand, das Herz rase, ihm sei schwindelig und er habe erbrechen müssen. In dem Gutachten vom 18. Juli 2008 diagnostizierte Herr G. Vertigo nach Stromunfall, chronisch komplexer Tinnitus bei Vestibularisschädigung, depressive Anpassungsstörung mit Angst und Vermeidungsverhalten sowie Zwangsstörung. Er führte aus, der Kläger wirke stark auf die Beschwerden fixiert. Er habe keine innere Distanz zu den Symptomen, sei ängstlich, angespannt, schreckhaft und verunsichert. Der Kläger habe sich sozial zurückgezogen, wirke misstrauisch und voller Angst. Er zeige ein soziales Vermeidungsverhalten. Die Stimmung sei zum Depressiven hin verschoben. Herr G. kommt zu dem Ergebnis, dass Schwindelsymptomatik und Angstsymptomatik mit Wahrscheinlichkeit im Sinne der Entstehung wesentlich auf das angeschuldigte Ereignis bzw. den Unfall zurückzuführen seien. Ein Vorschaden sei dem Betroffenen nicht bewusst gewesen. Es sei anzunehmen, dass akzentuierte Persönlichkeitszüge (Kontrollzwänge) eine besondere Vulnerabilität darstellten und dass die Symptome ohne das Unfallereignis erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt aufgetreten wären. Unfallbedingt sei es zu einer Angst- bzw. Zwangsstörung gekommen und unfallbedingt sei die Schwindelsymptomatik exazerbiert. Von unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit bis zum Zeitpunkt der Begutachtung sei auszugehen. Ob eine Besserung des Leidens eintreten werde, sei offen.

Hierzu nahm der ärztliche Berater der Beklagten, Dr. H., am 29. September 2008 wie folgt Stellung: Dem Gutachten des Herrn G. fehle eine ausführliche Erhebung der Vorgeschichte, ohne die anlagebedingte Faktoren, die immer als konkurrierender Faktor erhoben werden müssten, nicht zu beurteilen seien. Des Weiteren fehle es an einer Erläuterung, weshalb gerade diese Art von Unfall das beschriebene Störungsbild verursacht hat. Es bestehe ein Missverhältnis zwischen relativ geringen körperlichen Schäden und schwerwiegenden psychischen Symptomen; diese Diskrepanz weise auf konkurrierende Faktoren hin. Zu klären sei, ob der beschriebene Stromunfall überhaupt geeignet sei, einen Vestibularisschaden zu verursachen.

Mit Bescheid vom 25. November 2008 erkannte die Beklagte einen Arbeitsunfall mit Behandlungsbedürftigkeit aufgrund des Stromschlages an der rechten Hand an und stellte fest, dass dieser folgenlos verheilt sei. Die Anerkennung der geltend gemachten Erkrankungen Gleichgewichtsstörungen, Tinnitus beidseits, depressive Anpassungsstörung mit Angst und Vermeidungsverhalten sowie Zwangsstörung als Unfallfolgen lehnte die Beklagte ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, nach dem Stromschlag habe der Kläger noch ca. 15 Minuten weitergearbeitet und sich dann ins Krankenhaus zur Untersuchung und Behandlung begeben. Während der stationären Behandlung sei der Kläger beschwerdefrei gewesen. Es habe keine Strommarke festgestellt werden können. Auch sonst seien keine Schädigungen festgestellt worden. Am selben Tag sei der Kläger bereits um 15:00 Uhr aus der Behandlung entlassen worden. Der geringe körperliche Schaden, der mit der Entlassung aus der stationären Behandlung als vollständig ausgeheilt anzusehen sei, könne die geltend gemachten Gleichgewichtsstörungen, den Tinnitus beidseits, die depressive Anpassungsstörung mit Angst und Vermeidungsverhalten, und die Zwangsstörung nicht erklären. Daher sei davon auszugehen, dass diese Erkrankungen durch andere, unfallfremde Faktoren verursacht worden seien.

Hiergegen erhob der Kläger am 10. Dezember 2008 Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dem Gutachten des G. könne entnommen werden, dass die Schwindelerscheinungen und die Angstsymptomatik mit Wahrscheinlichkeit wesentlich auf das Unfallereignis zurückzuführen seien. Auch die Ohrgeräusche würden auf dem Unfall beruhen.

Im Widerspruchsverfahren wurde eine beratungsärztliche Stellungnahme des I. J. (Arzt für Arbeitsmedizin) vom 4. Februar 2009 eingeholt, welche eine Kausalität zwischen dem Stromschlag und der beim Kläger vorliegenden Vestibularisstörung ablehnt. Durch Stromschlag könne eine Innenohrschädigung entstehen, dauerhafte Vestibularisstörungen seien jedoch selten. Stromschleifen, die zur Schädigung von Organen die außerhalb des Stromweges liegen führten, würden eine gewisse Stärke des Stromschlages voraussetzen. Da hier das Herz keinen Organschaden genommen habe und auch weder eine Bewusstlosigkeit noch ein Sturz eingetreten sei, sei von einer Stromstärke auszugehen, bei der ein Innenohrschaden ausgeschlossen sei.

Im Widerspruchsverfahren wurde ein nervenärztliches Zusammenhangsgutachten bei Dr. K. eingeholt. Den Unfallhergang schilderte der Kläger gegenüber Dr. K. so, dass er aus einer knienden Position vor dem Gaskessel nach hinten gefallen sei, mit dem Kopf aber nicht fest aufgeschlagen sei. In seinem Gutachten vom 24. August 2009 diagnostizierte Dr. K. eine Anpassungsstörung mit Angst und Vermeidungsverhalten, eine Zwangsstörung (vorwiegend in Form von Kontrollzwängen) und eine Somatisierungsstörung. Die Zwangsstörung und die Somatisierungsstörung seien wesentlich auf den Unfall zurückzuführen. Es bestehe ein Vorschaden der einer besonderen Einwirkung bedurft habe, um zu diesen Veränderungen zu führen. Ohne Vorschaden hätte das Unfallereignis aber nicht zwingend zu den im Wesentlichen gleichen Folgen geführt. Jedoch wäre ohne äußere Einwirkung der Schaden nicht im gleichen Ausmaß zum selben Zeitpunkt eingetreten. Im Ergebnis wird die Kausalität zwischen dem Unfallereignis und der Zwangsstörung sowie der Somatisierungsstörung bejaht. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestehe fort und sei in ihrer Dauer nicht abschätzbar.

Hierzu nahm der ärztliche Berater der Beklagten, Dr. H., am 6. April 2010 wie folgt Stellung: Im Gutachten des Dr. K. seien keine kritischen Fragen zu biografischen Belastungen vor dem Ereignis gestellt worden. So fehle es an Informationen hinsichtlich psychischer Erkrankungen der Eltern oder anderer Verwandter und es fehle an Informationen bezüglich der "Übersiedelung" aus der DDR in den Westen und der anschließenden Integration im Westen. Dr. K. gehe auch darüber hinweg, dass die Anpassungsstörung definitionsgemäß auf maximal 2 Jahre nach einem belastenden Ereignis beschränkt sei. Dr. K. gehe von einer Generalisierungstendenz der Zwangsstörung aus. Der typische Verlauf eines ereignisabhängigen psychischen Schadens wäre aber der einer schnellen Besserung ggf. mit einem überdauernden Residuum. Eine Ausweitung der Beschwerden spreche gegen die Abhängigkeit von einem Ereignis und für das Wirken anderer Faktoren. Die durchgeführten testpsychologischen Untersuchungen hätten einen inadäquaten Umgang des Klägers mit Belastungen ergeben.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2010 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Dem Gutachten des Dr. K. könne nicht gefolgt werden.

Am 1. Juni 2010 hat der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Gießen erhoben. Zur Begründung seiner Klage bezieht der Kläger sich auf die Gutachten des Herrn G. und des Dr. K.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 106 SGG durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. sowie eines psychologischen Zusatzgutachtens nach § 106 SGG durch Dipl.-Psych. M., jeweils auf Grund einer ambulanten Untersuchung des Klägers.

Dem Gutachten von Frau Dr. L. kann entnommen werden, dass psychische Erkrankungen in der Familie des Klägers nicht bekannt waren und der Kläger vor dem Unfall nie in nervenärztlicher, psychiatrischer oder psychotherapeutischer Behandlung war. Bei Durchsicht der Akten und bei den anamnestischen Angaben seien deutliche Unterschiede in Bezug auf das zeitliche Auftreten der Beschwerden mit wesentlichen Inkonsistenzen auffällig. Eine psychische Erstreaktion sei nicht nachweisbar. Auffallend sei, dass weder in der Unfallanzeige, noch im Durchgangsarztbericht, noch in den Angaben des Klägers zum Unfallhergang vom 23. November 2006 ein Sturzgeschehen mit möglichem Kopfanschlag dokumentiert sei. Ein Sturz werde erstmalig bei dem von Dr. K. erstellten Gutachten angeführt. Bei der jetzigen Begutachtung werde erstmals eine Bewusstlosigkeit genannt; bei genauerer Befragung würden sich hier aber Widersprüche zeigen. Bei der Begutachtung würde auch deutlich, dass körperliche Beschwerden wie Schwindel und Zittern/ Tremor der Hände (wobei im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung zu keinem Zeitpunkt eine derartige Beschwerdesymptomatik im Bereich der Arme auftrat) im Vordergrund der Beschwerden des Klägers stehen würden und eine psychische Beschwerdesymptomatik erst auf konkrete Nachfrage angegeben würde. Der vom Kläger geschilderte Tagesablauf zeige keine üblicherweise von Patienten mit derartigen Störungsbildern angeführte Einschränkungen. Die angegebenen Kontrollhandlungen würden als ich-synthym und damit nicht störend/ belastend erlebt werden, was gegen das Vorliegen einer Zwangsstörung von eigenem Krankheitswert spreche. Bereits vor dem Unfall habe eine Zwanghaftigkeit bzw. ein Perfektionismus bestanden, sodass als psychischer Vorschaden eine zwanghafte Persönlichkeit festzustellen sei. Eine depressive Beschwerdesymptomatik sei nicht feststellbar gewesen. Auf den Unfall am 10. November 2006 könne keine psychische Störung zurückgeführt werden. Als unfallunabhängiger psychischer Vorschaden liege eine zwanghafte Persönlichkeit vor, die sich durch den Unfall nicht richtungsweisend verschlimmert habe.

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 9. Dezember 2011 die Klage abgewiesen. In den Gründen ist das Sozialgericht im Wesentlichen der Beurteilung der Sachverständigen Dr. L. gefolgt.

Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 28. Dezember 2011 zugestellte Urteil am 11. Januar 2012 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Er macht geltend, der Stromschlag sei für ihn überraschend gewesen. Dies habe ihn geprägt. Infolgedessen habe sich bei ihm ein Tinnitus und ein Schwindel entwickelt. Er beziehe sich auf die Gutachten des Herrn G. und des Dr. K. Das Gutachten von Dr. L. sei erst 9 Jahre nach dem Unfall eingeholt worden. Hinsichtlich des Geschehens am Ohr und dem Gleichgewichtsorgan sei der Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt worden.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 9. Dezember 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. November 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, bei ihm als Unfallfolgen Gleichgewichtsstörung, Tinnitus beiderseits, depressive Anpassungsstörung mit Angst- und Vermeidungsverhalten und Zwangsstörungen festzustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 87 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 153 Abs. 1 SGG, 151 SGG) und zulässig (§ 143 SGG). Die Berufung, mit der der Kläger die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Arbeitsunfallfolgen erstrebt, ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.

Bei der vom Kläger erhobenen Klage handelt es sich um eine zulässigerweise erhobene kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage, ungeachtet der Antragstellung im erstinstanzlichen Verfahren, "die Beklagte zu verurteilen, [ ] dem Kläger [ ] die gesetzlichen Entschädigungsleistungen zu gewähren", da das Ziel des Klägers die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Arbeitsunfallfolgen ist (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Das Klagebegehren war auch so auszulegen, dass der Kläger von Anfang an keine Leistungsklage, sondern eine Feststellungsklage erhoben hat. Das Begehren, "die gesetzlichen Leistungen zu erbringen", hat in dieser Situation keine eigenständige Bedeutung, sondern beschreibt nur die rechtlichen Folgerungen, die sich im Falle der beantragten Feststellung ergeben. Eine mit einem solchen Antrag erhobene Leistungsklage wäre unzulässig, weil sie nicht auf konkrete Leistungen, sondern allgemein auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten gerichtet ist, da im Entscheidungszeitpunkt (noch) nicht feststeht, welche der in Frage kommenden Leistungen (Krankenbehandlung, Rehabilitation, Verletztengeld, Verletztenrente u.a.) im konkreten Fall tatsächlich beansprucht werden können und für welchen Zeitraum sie ggf. zu erbringen sind. Über die Feststellung weiterer Gesundheitsstörungen als Arbeitsunfallfolgen könnte auch nicht durch Grundurteil entschieden werden. Denn die in § 130 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgesehene Möglichkeit zum Erlass eines Grundurteils ist auf Fälle beschränkt, in denen der Kläger eine oder mehrere ihrer Art nach feststehende Geldleistungen begehrt, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Nicht die Leistung als solche, sondern nur ihre Höhe kann in diesem Fall vom Gericht offen gelassen und der Berechnung durch den Sozialleistungsträger überlassen werden (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2004 – B 2 U 35/03 R - juris).

Gesundheitsstörungen müssen im Vollbeweis nachgewiesen werden, d.h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen (§ 128 Abs. 1 SGG), um als Unfallfolgen anerkannt zu werden und zudem durch einen Ursachenzusammenhang mit dem Arbeitsunfall bzw. dem Gesundheitserstschaden verbunden sein. Für diese Kausalitätsfeststellung zwischen dem Arbeitsunfall und den als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) gilt dabei wie für alle Kausalitätsfeststellungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R - juris).

Die von dem Kläger als Unfallfolgen geltend gemachten Gesundheitsstörungen liegen schon im Vollbeweis nicht vor.

Die Beklagte hat den vom Kläger erlittenen Stromschlag mit Bescheid vom 25. November 2008 als Arbeitsunfall i.S.d. § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII anerkannt. Der infolgedessen beim Kläger eingetretene Gesundheitsschaden war jedoch bereits mit der Entlassung aus den Städtischen Kliniken Frankfurt am Main am Unfalltag (10. November 2006) um ca. 15:00 Uhr vollständig ausgeheilt.

Der vom Kläger geltend gemachte Tinnitus kann nicht als Unfallfolge festgestellt werden. Aus den vorliegenden Unterlagen ergibt sich bereits kein Nachweis über das Vorliegen eines Tinnitus. Insbesondere werden Beschwerden in Form eines Tinnitus von dem den Kläger behandelnden HNO-Arzt Dr. D. nicht erwähnt.

Hinsichtlich der vorgetragenen Vestibularisstörung wurde zwar am 28. November 2006 von Dr. D. ein Gesundheitsschaden festgestellt. Der Vestibularisschaden ist jedoch inzwischen folgenlos ausgeheilt. Ausweislich des Befundberichts des HNO-Arztes Dr. D. vom 5. Februar 2008 zeigte sich bei der vestibulären Prüfung sowohl am 28. November 2006 als auch am 2. November 2007 eine deutliche Seitendifferenz im Sinne einer kalorischen Übererregbarkeit der rechten Seite. Dem Entlassungsbericht der F-Klinik in F-Stadt vom 10. August 2007 ist jedoch zu entnehmen, dass dort am 25. Juni 2007 ebenfalls eine Vestibularisprüfung durchgeführt wurde. Dabei zeigten sich sowohl bei Prüfung der statischen Funktion und Bewegung als auch bei der thermischen Prüfung keine relevanten pathologischen Befunde. Die "minimale Seitendifferenz" (gering verminderte Erregbarkeit der linken Seite) wird als mögliches Residuum des von Dr. D. aufgrund seiner Untersuchung vom 28. November 2006 diagnostizierten Vestibularisausfalls interpretiert. Der Neurologe Dr. E., den der Kläger wegen Schwindelbeschwerden am 14. Mai 2007 aufsuchte fand keinen Anhalt für eine zentrale vestibuläre Störung.

Des Weiteren ist auch nicht hinreichend wahrscheinlich, dass die am 28. November 2006 von Dr. D. festgestellte Vestibularisstörung kausal auf dem Stromschlag vom 10. November 2006 beruht. Für diese Prüfung im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität gilt wie für alle Kausalitätsprüfungen im Rahmen der Ereigniskette die Theorie der wesentlichen Bedingung.

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis, nach welcher jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. condicio sine qua non). Wirken z.B. eine krankhafte Veranlagung und ein Unfallereignis bei der Entstehung einer Körperschädigung zusammen, so sind beide Umstände Bedingungen im naturwissenschaftlichen Sinne für das Unfallgeschehen. Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursache für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Im Sozialrecht erfolgt diese Unterscheidung und Zurechnung nach der Theorie der wesentlichen Bedingung, nach welcher als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen werden, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (so das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. etwa BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R). Hierbei gilt, dass es mehrere rechtliche Mitursachen geben kann, wobei sozialrechtlich alleine relevant ist, ob das Unfallereignis als solches wesentlich war. Ob es eine konkurrierende Ursache war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannten Ursachen "wesentlich" und damit Ursachen im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber im zweiten Prüfungsschritt nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder "Auslöser" bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen oder abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04). Bei der Abwägung kann zum einen der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (s.o.). Dass der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkungen gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet ist, berechtigt jedoch nicht zu dem Schluss, dass bei einem gravierenden, nicht alltäglichen Unfallgeschehen oder besonderen Problemen in der anschließenden Heilbehandlung ein gegenüber einer Krankheitsanlage rechtlich wesentlicher Ursachenbeitrag ohne Weiteres zu unterstellen ist. Weitere Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens (wobei allerdings eine Ursache nicht deswegen wesentlich ist, weil sie die letzte war), weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05).

Zur Überzeugung des Senats war hier von einer Stromstärke auszugehen, bei der eine Vestibularisschädigung schon im naturwissenschaftlichen Sinne ausgeschlossen ist. Nach der nachvollziehbaren Stellungnahme des beratenden Arztes der Beklagten, I. J., kann zwar durch einen Stromschlag eine Innenohrschädigung entstehen, dauerhafte Vestibularisschädigungen sind jedoch selten. Die Schädigung von Organen, die außerhalb des Stromweges liegen, wie dies beim Innenohr der Fall ist, erfordert einen Stromschlag mit einer gewissen Stärke. Hier hat jedoch das eher im Stromweg von der rechten Hand zu den Füßen liegende Herz keinen Organschaden genommen. Auch spricht die Tatsache, dass kein Sturz und keine Bewusstlosigkeit eingetreten ist, für einen eher schwächeren Stromschlag. Der vom Kläger erstmals gegenüber Dr. K. geschilderte Sturz steht nicht zur Überzeugung des Senats fest, da sich diesbezüglich die Angaben des Klägers im Laufe der Jahre verändert hatten; weder in der Unfallanzeige, noch im Durchgangsarztbericht, noch in den Angaben des Klägers zum Unfallhergang vom 23. November 2006 schilderte der Kläger ein Sturzgeschehen mit möglichem Kopfanschlag.

Im Hinblick auf die geltend gemachten psychischen Erkrankungen (depressive Anpassungsstörung mit Angst- und Vermeidungsverhalten, Zwangsstörungen) kann kein Gesundheitsschaden festgestellt werden, der auf dem Stromunfall vom 10. November 2006 beruhen könnte. Die ICD-10 definiert Anpassungsstörungen (ICD-10: F 43.2) als "Zustände von subjektivem Leid und emotionaler Beeinträchtigung, die soziale Funktionen und Leistungen behindern und während des Anpassungsprozesses nach einer entscheidenden Lebensveränderung oder nach belastenden Lebensereignissen, wie auch schwerer körperlicher Erkrankung auftreten". Im Vordergrund stehen depressive Symptome, Angstzustände und Verhaltensauffälligkeiten. Die Symptome beginnen innerhalb eines Zeitraums von längstens drei Monaten nach dem belastenden Ereignis und halten selten länger als sechs Monate an (akute Anpassungsstörung). Bei anhaltenden Belastungen, z.B. entstellender oder stark beeinträchtigender Köperverletzung, spricht man von chronischer Anpassungsstörung. Nach der ICD-10 kann die Anpassungsstörung lediglich bis zu einer Zeitdauer von maximal 2 Jahren diagnostiziert werden (Vgl. Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 143). Ausweislich des schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens von Frau Dr. L., die im Gegensatz zu den Gutachtern G. und K. die Grundsätze der Sk2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften – AWMF – Registernr. 051/029 – Stand: 31. März 2012, gültig bis 31. März 2017 anwendet, war beim Kläger eine depressive Beschwerdesymptomatik bei der Untersuchung durch Dr. L. nicht feststellbar. Die Gutachterin gewann den Eindruck, dass der Kläger sich in seinen Lebensverhältnissen gut eingerichtet hat. Dementsprechend konnte die Gutachterin nachvollziehbar auch keine depressive Anpassungsstörung mit Angst und Vermeidungsverhalten diagnostizieren. Beim Kläger war lediglich eine bereits vor dem Unfall bestehende anankastische (zwanghafte) Persönlichkeit (ICD-10: F60.5) festzustellen, die unfallunabhängig ist und sich durch den Unfall auch nicht richtungsweisend verschlimmert hat.

Auch soweit bei früheren Begutachtungen durch die Gutachter G. und Dr. K. eine depressive Symptomatik festgestellt wurde, welche die Gutachter ursächlich auf den Unfall am 10. November 2006 zurückführten, steht zur Überzeugung des Senats die Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinne zwischen diesen psychischen Erkrankungen und dem durch den Stromfluss durch den Körper des Klägers eingetretenen Gesundheitserstschaden nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit fest. Dies gilt deshalb, weil ein seelischer Gesundheitserstschaden nicht zur Überzeugung des Senats eingetreten ist. Der seelische Gesundheitserstschaden kann in zweierlei Hinsicht für die Anerkennung und Entschädigung von seelischen Störungen nach Unfällen bedeutsam sein: Zum einen kann er Voraussetzung dafür sein, dass überhaupt ein Arbeitsunfall vorliegt, wenn es keine physischen Verletzungen gibt (z.B. nach einem Banküberfall). Zum anderen kann ihm, wenn (wie hier) ein Arbeitsunfall schon wegen physischer Verletzungen vorliegt, die Bedeutung als notwendige Anknüpfungstatsache im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität zwischen Arbeitsunfall und Unfallfolgen zukommen (Deppermann-Wöbbeking, in: Thomann, Klaus-Dieter (Hrsg.), Personenschäden und Unfallverletzungen, S. 621). Der seelische Gesundheitserstschaden muss im Vollbeweis nachgewiesen werden, und zwar grundsätzlich als Reaktion in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Ereignis (vgl. die Sk2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften – AWMF – Registernr. 051/029 – Stand: 31. März 2012, gültig bis 31. März 2017 – Teil II, S. 103, 117). Dies erfordert die Dokumentation des akuten psychischen Status nach dem Ereignis (z.B. Auffälligkeiten wie Zittern, Schweißausbruch, Desorientiertheit, Angstgefühl, Betäubung). Die im Allgemeinen für die Anerkennung zwingende Voraussetzung, einen (rein) seelischen Gesundheitserstschaden durch Dokumentation einer zeitnah zum Ereignis erfolgten Reaktion nachzuweisen, erfährt eine Ausnahme. Bei objektiv besonders schweren oder sogar katastrophalen Ereignissen ist dieser Nachweis nicht zu fordern. In diesen Fällen kann die psychische Reaktion aus medizinischer bzw. psychotraumatologischer Sicht auch erst verzögert auftreten, die Verzweiflung erst mit Verzögerung bewusst erlebt werden (vgl. die Sk2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften – AWMF – Registernr. 051/029 – Stand: 31. März 2012, gültig bis 31. März 2017 – Teil II, S. 106, 117). Der seelische Gesundheitserstschaden ist dann auch erst zu dem späteren Zeitpunkt des Auftretens der seelischen Reaktion gesichert und der Tatbestand des Arbeitsunfalls – sofern kein psychischer Gesundheitserstschaden vorliegt – auch erst zu diesem späteren Zeitpunkt erfüllt (Deppermann-Wöbbeking, in: Thomann, Klaus-Dieter (Hrsg.), Personenschäden und Unfallverletzungen, S. 622 f.).

Im vorliegenden Fall fehlt es bereits an einer seelischen Reaktion zeitnah zum Ereignis am 10. November 2006. Zunächst stellte der Kläger seine Tätigkeit als Kundenmonteur nicht direkt nach dem Stromschlag ein, sondern er baute den Brenner erst wieder ein. Dem Bericht des Durchgangsarztes Prof. Dr. C. kann entnommen werden, dass der Kläger wach und orientiert und beschwerdefrei war. Auch das EKG und der Puls waren normal; der Blutdruck war 150/95 mmHgG bei einem bekannten Bluthochdruck. In der Folgezeit fanden dann Vorstellungen beim HNO-Arzt Dr. D. wegen der Schwindelsymptomatik, beim Orthopäden Dr. N. und beim Neurologen Dr. E. statt. Insbesondere ging auch beim Neurologen keine psychische Beschwerdesymptomatik in die Berichterstattung ein. Dokumentiert sind die ersten psychischen Erkrankungen beim Kläger im Rahmen der stationären Rehabilitation in der F. Klinik im Zeitraum vom 21. Juni 2007 bis 9. August 2007, mithin über 7 Monate nach dem Arbeitsunfall vom 10. November 2006. Im weiteren Verlauf kam es dann erstmals ab Oktober 2007 zu einer ambulanten psychiatrischen/ psychotherapeutischen Behandlung im Bürgerhospital Friedberg ab Oktober 2007. Bei dem vom Kläger erlittenen Stromschlag handelt es sich auch nicht um ein Ereignis, welches objektiv besonders schwer oder sogar katastrophal war. Daher kann nicht von einem verzögerten Auftreten des seelischen Erstschadens ausgegangen werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass beim Kläger vorliegende Erkrankungen auf psychiatrischem Fachgebiet nicht ursächlich auf dem Arbeitsunfall am 10. November 2006 beruhen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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