L 2 SF 82/14 E

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 SF 82/14 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Erinnerung des Antragstellers gegen die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung für seine Tätigkeit als beigeordneter Rechtsanwalt im Verfahren L 9 U 242/09 (vormals L 3 U 242/09 und L 6 U 242/09) vor dem Hessischen Landessozialgericht durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juni 2014 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Höhe der dem Antragsteller und Erinnerungsführer zustehenden Rechtsanwaltsvergütung nach seiner Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe im Verfahren zum Aktenzeichen L 9 U 242/09 (vormals L 3 U 242/09 und L 6 U 242/09) vor dem Hessischen Landessozialgericht.

Der Kläger und Berufungsbeklagte des Ausgangsverfahrens erstrebte die Feststellung eines Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall. Nachdem das Sozialgericht Kassel – wobei er dort durch RA B. B. (anfänglich in Kanzlei mit RA C. B. und RA D.) vertreten war – seine Klage erstinstanzlich abgewiesen hatte (Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 1. September 2009 – S 9 U 2329/09), legte der Kläger des Ausgangsverfahrens, weiterhin vertreten durch RA B. B., am 15. Oktober 2009 Berufung ein und beantragte Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren.

Nachdem RA B. mit Schreiben vom 20. September 2010 um Gewährung eines Vorschusses gebeten hatte, wies der Berichterstatter des zu diesem Zeitpunkt zuständigen 6. Senats mit Schreiben vom 22. September 2010 darauf hin, dass über den Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden sei und insoweit noch keine aktuelle Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorliege, zu deren Einreichung er aufforderte. Ohne dass zwischenzeitlich eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag erfolgt oder zumindest die fehlenden Unterlagen eingereicht worden wären, meldete sich dann der Antragsteller mit Schreiben vom 24. März 2011 als neuer Bevollmächtigter, legte eine entsprechende Vollmacht vor und teilte die Mandatsniederlegung von RA B. mit.

Das Gericht forderte sodann – im Zusammenhang mit der beabsichtigten Terminierung des Verfahrens – mit Schreiben vom 9. Mai 2014 erneut zur Einreichung der Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen samt der zugehörigen Unterlagen auf. Nachdem der Antragsteller daraufhin am 19. Mai 2014 die Erklärung sowie einen Bescheid der Bundesagentur für Arbeit und den Mietvertrag des Klägers des Ausgangsverfahrens durch Schreiben des Antragstellers vorgelegt hatte, wies das Gericht am 22. Mai 2014 auf sich daraus ergebende Widersprüche und Unvollständigkeiten hin. Der Antragsteller erläuterte daraufhin die Angaben mit Schreiben vom 22. Mai 2014, dem überdies ein Kontoauszug beigefügt war, und übersandte mit Schreiben vom 4. Juni 2014 eine Lohnabrechnung des Klägers des Ausgangsverfahrens.

Der 9. Senat bewilligte daraufhin mit Beschluss vom 5. Juni 2014 Prozesskostenhilfe gegen Ratenzahlung – zu Gunsten des Klägers und Berufungsklägers mit Wirkung ab 4. Juni 2014 und ordnete ihm den Antragsteller bei. Nach mündlicher Verhandlung am 13. Juni 2014 wies das Gericht mit Urteil vom gleichen Tag die Berufung zurück.

Mit Schreiben vom 18. Juni 2014 hat der Antragsteller sodann die Festsetzung seiner Vergütung in Höhe von insgesamt 1.004,12 Euro beantragt, wobei er diesen Betrag wie folgt aufgeschlüsselt hat:

Verfahrensgebühr (Nr. 3204 VV RVG) 370,00 Euro
Terminsgebühr (Nr. 3205 VV RVG) 280,00 Euro
Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 Euro
Fahrtkosten (Nr. 7003 VV RVG) 133,80 Euro
Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV RVG) 40,00 Euro
Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 160,32 Euro

Summe 1.004,12 Euro

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle des Hessischen Landessozialgerichts hat dem Antrag nur teilweise entsprochen und die Vergütung am 23. Juni 2014 auf (lediglich) 647,12 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat er insbesondere ausgeführt, die Verfahrensgebühr sei auf 155,00 Euro festzusetzen, da auf Grund der Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers erst ab dem 4. Juni 2014 lediglich die Tätigkeiten ab diesem Tage berücksichtigt werden könnten. Die Terminsgebühr sei in Höhe der Mittelgebühr mit 200,00 Euro anzusetzen, das Abwesenheitsgeld gemäß Nr. 7005 VV RVG mit 35,00 Euro.

Der Antragsteller hat daraufhin für den Kläger des Ausgangsverfahrens gegen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erst ab 4. Juni 2014 am 2. Juli 2014 Beschwerde eingelegt. Nach Hinweis auf die Unanfechtbarkeit des Beschlusses vom 5. Juni 2014 und Erläuterung, dass Prozesskostenhilfe regelmäßig erst ab dem Zeitpunkt gewährt werden könne, zu dem die für die Prüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen erforderlichen Unterlagen dem Gericht vorlägen, wurde die Beschwerde am 4. August 2014 zurückgenommen.

Gleichzeitig mit der Beschwerde hat der Antragsteller in eigenem Namen am 2. Juli 2014 Erinnerung gegen die Vergütungsfestsetzung eingelegt; der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat unter dem 4. November 2014 entschieden, dieser nicht abzuhelfen. Zur Begründung macht der Antragsteller im Wesentlichen geltend, Prozesskostenhilfe sei ab 15. Oktober 2009 zu bewilligen gewesen. Er selbst sei in der Sache seit 22. März 2014 [gemeint offenbar: 2011] tätig gewesen. Wenn aber ausschließlich auf die Zeit ab der Bewilligung von Prozesskostenhilfe bis zum Gerichtstermin abzustellen sei, dann sei zu berücksichtigen, dass er sich mit der umfangreichen Akte binnen fünf Arbeitstagen habe auseinandersetzen müssen. Zudem seien die desaströsen finanziellen Verhältnisse des Klägers des Ausgangsverfahrens und die existentielle wirtschaftliche Bedeutung des Rechtsstreits für diesen zu berücksichtigen. Die Terminsgebühr sei nach neuem Recht zu bemessen. Mit der Vollmacht vom 24. März 2014 [gemeint offenbar wiederum: 2011] sei ihm noch kein unbedingter Auftrag zur Terminswahrnehmung erteilt worden; dies sei erst am 12. Juni 2014 geschehen.

Er beantragt sinngemäß,
die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung für seine Tätigkeit als im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt im Verfahren L 9 U 242/09 vor dem Hessischen Landessozialgericht unter Aufhebung der Festsetzung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 23. Juni 2014 auf 1.004,12 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt,
die Erinnerung zurückzuweisen.

Er hält die Erinnerung für unbegründet. Bei der Bemessung der Verfahrensgebühr könnten nur die Tätigkeiten Berücksichtigung finden, die im Beiordnungszeitraum lägen, konkret also in der Zeit ab dem 4. Juni 2014. Daher liege der Umfang der für die Vergütung relevanten anwaltlichen Tätigkeit ganz deutlich unter dem Durchschnitt. Hinsichtlich der Terminsgebühr seien wegen der Übergangsvorschrift aus § 60 Abs. 1 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) das RVG und das zugehörige Vergütungsverzeichnis (VV RVG) noch in der bis 31. Juli 2013 geltenden Fassung anzuwenden, da die Mandatserteilung vor dem 1. August 2013 erfolgt sei. Die Terminsgebühr sei daher in Höhe der Mittelgebühr aus dem nach dem nach früherem Recht maßgeblichen Betragsrahmen festzusetzen.

Im Übrigen wird wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die Gerichtsakten zum hiesigen und zum Ausgangsverfahren (einschließlich des Hefters zum Prozesskostenhilfeverfahren) Bezug genommen.

II.

Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern ohne Beteiligung der ehrenamtlichen Richter (§§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 33 Abs. 8 Satz 3 RVG), nachdem der Einzelrichter das Verfahren auf den Senat übertragen hat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 33 Abs. 8 Satz 2 RVG): Der Sache kommt im Hinblick auf die Frage, ob in Fällen wie dem hiesigen denkbar ist, dass die Terminsgebühr bereits nach der seit dem 1. August 2013 geltenden Fassung des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zu bemessen ist, grundsätzliche Bedeutung zu.

Der vom Antragsteller eingelegte Rechtsbehelf ist als Erinnerung zulässig, jedoch nicht begründet. Die Festsetzung der nach § 45 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 RVG aus der Landeskasse aufzubringenden Vergütung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. Juni 2014 ist zutreffend. Dem Erinnerungsführer steht ein höherer Anspruch gegen die Landeskasse nicht zu.

Dabei kann das Gericht über die Festsetzung befinden, ohne zuvor nach § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG ein Gutachten beim Vorstand der Rechtsanwaltskammer einholen zu müssen. Die Regelung ist nur im Rechtsstreit zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten anwendbar, nicht dagegen im Rahmen der Vergütungsfestsetzung eines beigeordneten Anwalts zu Lasten der Staatskasse und eines eventuellen Streits hierüber (vgl. Bay. LSG, Beschl. v. 21. März 2011 – L 15 SF 204/09 B E m.w.N.).

Maßgeblich für die Vergütungsberechnung sind das RVG und das zugehörige VV RVG noch in ihrer bis 31. Juli 2013 geltenden Fassung, also unter Außerachtlassung der durch das Zweite Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 23. Juli 2013 (BGBl. I S. 2586) bewirkten Änderungen. § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG sieht hierzu vor, dass die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen ist, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit im Sinne des § 15 vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt bestellt oder beigeordnet worden ist. Altes Recht ist also anwendbar, wenn entweder die Beiordnung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor dem Wirksamwerden einer relevanten Gesetzesänderung erfolgte oder der unbedingte Auftrag an den Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt erteilt wurde. Dabei macht die Formulierung deutlich, dass auf den jeweils früheren der beiden Zeitpunkte abzustellen ist (vgl. so auch BayVGH, Beschl. v. 2. September 2015 – 10 C 13.2563).

Da die Vorschrift weiter ausdrücklich auf die "Angelegenheit im Sinne des § 15" Bezug nimmt, lässt es schon der Wortlaut als ausgeschlossen erscheinen, in einem einheitlichen (gerichtlichen) Verfahren für eine Gebühr altes, für eine andere Gebühr neues Recht anzuwenden (vgl. zum Begriff der Angelegenheit für viele Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 15 RVG Rn. 9 ff., insb. Rn. 16, wonach die "Angelegenheit" im Allgemeinen mit dem jeweiligen gerichtlichen Verfahren in einer Instanz insgesamt identisch ist). Ein entsprechendes Verständnis der Übergangsvorschrift erscheint im Übrigen auch sachgerecht, weil diese erkennbar darauf zielt, dass der jeweilige Auftraggeber bei Auftragserteilung an einen Rechtsanwalt, ihn in einer bestimmten Angelegenheit zu vertreten, soll abschätzen können, welche Kosten auf ihn zukommen. Es kommt somit nicht darauf an – und ist daher nicht näher aufzuklären , ob der Auftrag zur Terminswahrnehmung tatsächlich erst am 12. Juni 2014 erteilt worden ist; auch dies würde nichts daran ändern, dass es sich bei dem Berufungsverfahren um dieselbe Angelegenheit im Sinne von § 15 RVG handelt und angesichts der Auftragserteilung im Jahre 2011 für alle in diesem Verfahren (und in dieser Instanz) anfallenden Gebühren noch das RVG in der bis 31. Juli 2013 geltenden Fassung (a.F.) anzuwenden ist.

Die Höhe der Gebühren richtet sich nach §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 14 RVG: Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen – wie hier (vgl. §§ 183, 197 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) – das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anwendbar ist, Rahmengebühren. Innerhalb des durch den jeweiligen Tatbestand des Vergütungsverzeichnisses vorgegebenen Rahmens bestimmt der Rechtsanwalt die Höhe der Gebühr unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Beteiligten, dem er beigeordnet ist, sowie von dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen und des Haftungsrisikos nach billigem Ermessen (vgl. die nicht abschließende Aufzählung der maßgeblichen Umstände in § 14 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 RVG). Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG), wobei offenbleiben kann, ob diese Vorschrift im Verhältnis der Beteiligten überhaupt anwendbar ist, ob also die Staatskasse als Vergütungsschuldnerin nach § 55 RVG als Dritte im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG angesehen werden kann: Jedenfalls ist dem Rechtsanwalt, da ihm der Gesetzgeber (entweder über § 14 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 RVG oder, wenn man die Staatskasse nicht als "Dritten" ansehen will, über § 315 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]; vgl. hierzu z.B. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2013, § 55 Rn. 32) ein Beurteilungs- und Entscheidungsvorrecht zugebilligt hat und der Begriff der Unbilligkeit bzw. des billigen Ermessens erhebliche Unschärfen aufweist, bei der Bestimmung der Gebühr ein Spielraum einzuräumen; dementsprechend ist die Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt erst bei Überschreiten einer Toleranzgrenze von 20 % nicht als verbindlich anzusehen (vgl. für viele BSG, Urt. v. 1. Juli 2009 – B 4 AS 21/09 R, BSGE 104, 30; BGH, Urt. v. 30. Oktober 2006 – VI ZR 261/05, NJW-RR 2007, 420).

Um trotz der Unschärfe des Begriffs der Unbilligkeit die Gebührenbestimmung nach Möglichkeit transparent und vergleichbar zu gestalten, ist grundsätzlich von der sog. Mittelgebühr auszugehen; sie greift ein, wenn die Tätigkeit bezogen auf die in § 14 RVG beispielhaft aufgeführten Kriterien als durchschnittlich anzusehen ist (vgl. zu den Prüfungsschritten nach § 14 RVG ausführlich BSG, Urt. v. 1. Juli 2009 – B 4 AS 21/09 R, BSGE 104, 30). Ob ein derartiger Durchschnittsfall vorliegt, ergibt sich aus einem Vergleich des konkreten Verfahrens mit sonstigen sozialrechtlichen Streitverfahren und ist in einer wertenden Gesamtbetrachtung zu ermitteln.

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zutreffend. Die Festsetzung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 VV RVG a.F. mit (nur) 155,- Euro, also in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr, fällt auch nach Auffassung des Gerichts nicht zu gering aus.

Bei der Verfahrensgebühr handelt es sich um eine Gebühr, mit der die gesamte prozessuale Tätigkeit eines Rechtsanwaltes abgegolten wird, für die das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz keine sonstige Gebühr vorsieht. Sie entsteht für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information des Mandaten und umfasst u. a. die Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage oder des Rechtsmittels bzw. von dessen Abwehr durch den Rechtsanwalt – ggf. auch unter Auswertung von Rechtsprechung und Literatur –, die im Zusammenhang mit dem Verfahren notwendigen Besprechungen und den Schriftwechsel des Rechtsanwaltes mit dem Auftraggeber und dem Gericht sowie ggf. mit Dritten, ferner die Mitwirkung bei der Auswahl und Beschaffung von Beweismitteln, die Sammlung und den Vortrag des aus der Sicht des Rechtsanwaltes rechtlich relevanten Stoffs sowie das Anbieten von Beweismitteln (vgl. BT-Drucksache 15/1971, S. 210).

Für die Verfahrensgebühr gibt VV RVG Nr. 3204 a.F. einen Rahmen von 50,00 Euro bis 570,00 Euro vor; die Mittelgebühr beträgt demnach 310,00 Euro. Die vom Antragsteller vorgenommene Bestimmung in Höhe von 370,00 Euro war unbillig bzw. widersprach billigem Ermessen. Ausschlaggebend hierfür ist insbesondere, dass der Umfang der berücksichtigungsfähigen anwaltlichen Tätigkeit doch sehr deutlich hinter der in einem sozialrechtlichen Berufungsverfahren im Durchschnitt anfallenden zurückbleibt.

Dabei kann im Vergütungsfestsetzungsverfahren nur der Teil des Ausgangsverfahrens zur Ausfüllung der Kriterien aus § 14 Abs. 1 RVG herangezogen werden, für den (Prozesskostenhilfe bewilligt und) der betroffene Anwalt beigeordnet war (vgl. so sogar für die neue Fassung des RVG trotz der Einfügung von § 48 Abs. 4 RVG mit seinem heutigen Inhalt: Senat, Beschluss vom 10. Juli 2015 – L 2 SF 11/15 E): So sah (und sieht) § 48 Abs. 1 RVG ausdrücklich vor, dass sich der Vergütungsanspruch nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt worden ist, bestimmt. Der Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse ist damit nach Grund und Höhe vom Umfang der Beiordnung abhängig (vgl. für viele Hartmann, Kostengesetze, § 48 RVG Rn. 5); ob der Vergütungsanspruch gegen den Beteiligten bei einer nur beschränkten Beiordnung dennoch in vollem Umfang auf Grund von § 122 Abs. 1 Nr. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) gesperrt ist oder ob und unter welchen Umständen in diesem Falle ergänzende Ansprüche gegen den Beteiligten selbst bestehen können, ist dabei an dieser Stelle nicht zu entscheiden.

Die Entscheidung des in der Sache zuständigen Spruchkörpers über den Umfang der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist daher für das Festsetzungsverfahren vorgreiflich und bindend (vgl. nur Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl. 2013, § 55 Rn. 24); eine Korrektur dieser Entscheidung durch den für die Kostenfestsetzung zuständigen Spruchkörper ist nicht möglich, so dass von vornherein kein Anlass für eine inhaltliche Überprüfung der Bewilligungsentscheidung besteht; versieht der für die (Bewilligung und) Beiordnung zuständige Spruchkörper diese mit einer zeitlichen Begrenzung, so hat es für das Vergütungsfestsetzungsverfahren bei dieser zu verbleiben (vor diesem Hintergrund ist, nur um Missverständnisse zu vermeiden, in aller Kürze darauf hinzuweisen, dass auch der entscheidende Spruchkörper die Auffassung teilt die im Übrigen, soweit ersichtlich, weitgehend unstreitig ist –, dass Prozesskostenhilfe grundsätzlich erst ab dem Zeitpunkt der Bewilligungsreife gewährt werden kann und diese erst eintritt, wenn (auch) die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen samt der zugehörigen Unterlagen in vollständiger und widerspruchsfreier Form vorliegt).

Im konkreten Fall können daher im Rahmen der Ausfüllung der Kriterien nach § 14 Abs. 1 RVG nur Umstände herangezogen werden, die in dem Zeitraum, für den der Erinnerungsführer beigeordnet war, also in der Zeit ab dem 4. Juni 2014, von Bedeutung waren – was insbesondere für den vergütungsrechtlich relevanten Umfang der Tätigkeit von Bedeutung ist (vgl. hierzu und zu möglichen, aber nicht durchgreifenden Einwänden gegen diese Auffassung nochmals Senat, Beschluss vom 10. Juli 2015 – L 2 SF 11/15 E). Daher ist – (nur) bezogen auf den Zeitraum der Beiordnung – anhand der Vorgaben aus § 14 Abs. 1 RVG über die Höhe der Gebühr zu entscheiden: Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit wird dabei im Wesentlichen durch dessen zeitliche Inanspruchnahme bestimmt, ihre Schwierigkeit ist anhand der Intensität und der Komplexität der Tätigkeit zu bewerten (vgl. nochmals für viele BSG, Urt. v. 1. Juli 2009 B 4 AS 21/09 R, BSGE 104, 30; aus der Senatsrspr. z.B. Beschl. v. 6. Juni 2014 – L 2 SF 14/13 E).

Der Umfang der Tätigkeit im Beiordnungszeitraum ist vorliegend deutlich unterdurchschnittlich: Der Erinnerungsführer musste nur den Verhandlungstermin vorbereiten. Auch wenn er dazu den gesamten – zweifellos umfangreichen – Streitstoff aufbereiten musste (nur wenn dies erstmals geschehen sein sollte, wäre im Übrigen die Argumentation aus dem Schriftsatz vom 17. August 2015 tragfähig, wobei jedenfalls wenig plausibel erscheint, dass sich der Bevollmächtigte nicht, wie es seinen anwaltlichen Pflichten entsprechen dürfte, anlässlich der Mandatsübernahme mit dem Sach- und Streitstand vertraut gemacht haben sollte), bliebe es bei einem (sehr) deutlich unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit im (sehr kurzen) Beiordnungszeitraum.

Dies wird auch durch sonstige Gesichtspunkte nicht ausgeglichen: Zwar war der Rechtsstreit im Hinblick auf die Würdigung der tatsächlichen Umstände und der dazu vorliegenden Unterlagen und der Aussagen der erstinstanzlich vernommenen Zeugen durchaus komplex. Allerdings hat der Antragsteller dies im Beiordnungszeitraum nicht mehr in einen Schriftsatz o.Ä. umsetzen müssen. Die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger des Ausgangsverfahrens war dagegen zweifellos merklich überdurchschnittlich. Andererseits war bei der Bemessung der Gebühr gerade auch auf die vom Antragsteller hervorgehobenen und als desaströs eingeschätzten finanziellen Verhältnisse des Klägers Rücksicht zu nehmen, so dass diese Kriterien sich wenigstens partiell kompensieren (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009, B 4 AS 21/09 R; OLG Thüringen, Beschluss vom 2. Februar 2005, 9 Verg 6/04, JurBüro 2005, 303, 305f.). Dabei lässt sich nicht argumentieren, dass hier die Staatskasse (und nicht der Kläger des Ausgangsverfahrens) als Vergütungsschuldnerin in Anspruch genommen wird: Dagegen spricht nicht nur, dass die Staatskasse, auch wenn § 45 Abs. 1 RVG dem beigeordneten Rechtsanwalt einen eigenständigen, gegen diese gerichteten Anspruch gibt, systematisch nur (maximal) die Beträge, die "eigentlich" der auf Prozesskostenhilfe angewiesene Kläger schuldet, für diesen übernimmt; vielmehr haben namentlich in den Fällen, in denen – wie hier – Prozesskostenhilfe nur gegen Ratenzahlung gewährt wird, letztlich die Beteiligten des Ausgangsverfahren die Aufwendungen zu tragen (vgl. § 120 Abs. 3 Nr. 1 ZPO und dazu Geimer, in: Zöller, ZPO – Kommentar, 30. Aufl. 2014, § 120 Rn. 15 ff.), so dass es auch auf ihre finanziellen Verhältnisse ankommen muss. Das nach § 14 Abs. 1 Satz 3 RVG zu berücksichtigende Haftungsrisiko ist ebenso wenig wie sonstige Gesichtspunkte geeignet, eine über den festgesetzten Betrag hinausgehende Gebühr zu rechtfertigen.

Die vom Antragsteller vorgenommene Bestimmung der streitigen Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr (nach neuem Recht) erscheint nach allem, da insbesondere der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sehr deutlich hinter dem Durchschnitt eines Berufungsverfahrens zurückbleibt, auch in Zusammenschau mit den übrigen Kriterien und unter Berücksichtigung des Beurteilungsspielraums des Erinnerungsführers unbillig. Deren Festsetzung durch den Urkundsbeamten mit einem Betrag von 155,00 Euro ist dagegen nicht zu beanstanden.

Auch hat der Urkundsbeamte die Terminsgebühr zutreffend mit 200,00 Euro berücksichtigt. Nach VV RVG Nr. 3205 in der, wie ausgeführt, hier noch anzuwendenden alten Fassung war hierfür ein Rahmen von 20,00 bis 380,00 Euro vorgesehen; die Mittelgebühr, von der bei der Bemessung regelmäßig auszugehen ist, betrug somit 200,00 Euro. Im konkreten Fall sind keine Gesichtspunkte ersichtlich, die Anlass dazu gäben, von der Mittelgebühr abzuweichen: Die Dauer des Termins betrug 38 Minuten und hielt sich damit in durchschnittlichem Rahmen. Auch sind dem Protokoll keine besonderen Schwierigkeiten zu entnehmen – und auch sonst sind solche nicht erkennbar, namentlich hat eine Zeugenvernehmung nicht (erneut) stattgefunden. Sonstige Gesichtspunkte, die eine über die Mittelgebühr hinausgehende Terminsgebühr rechtfertigen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich. Im Übrigen trägt auch der Antragsteller solche nicht vor, sondern hält offenbar selbst die Mittelgebühr für angemessen, bemisst diese nur, wenn er insofern einen Betrag von 280,00 Euro fordert, anhand des aktuell geltenden Rahmens, der aber hier noch nicht maßgeblich ist.

Das Tage- und Abwesenheitsgeld schließlich beträgt, wenn die Geschäftsreise – wie hier – zwischen vier und acht Stunden gedauert hat, nach VV RVG 7005 in der hier wiederum anwendbaren alten Fassung 35,00 Euro, nicht – wie heute und vom Antragsteller angesetzt – 40,00 Euro.

Die übrigen Gebührenansätze sind unstreitig; auch der Senat sieht insofern keine Gründe für eine abweichende Bewertung.

Im Ergebnis ist, wie auch vom Urkundsbeamten festgesetzt, folgende Vergütung angemessen:

Verfahrensgebühr (Nr. 3204 VV RVG a.F.) 155,00 Euro Terminsgebühr (Nr. 3205 VV RVG a.F.) 200,00 Euro Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 Euro Fahrtkosten für eine Geschäftsreise (Nr. 7003 VV RVG) 133,80 Euro Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV RVG a.F.) 35,00 Euro Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) 103,32 Euro

Summe 647,12 Euro

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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